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Die Evangelien haben auch oft die später im Glauben der Gemeinde aufgekommenen oder doch ihrem Sinne nach umgebildeten Vorstellungen von Jesus als dem Messias und Sohn Gottes schon in das irdische Leben Jesu zurückgetragen und die entsprechenden Aussagen Jesu selbst in den Mund gelegt; sie haben sich dabei allerdings auch in mannigfache Widersprüche mit den noch auch von ihnen überlieferten Erinnerungen an den wirklichen geschichtlichen Tatbestand verwickelt. Jesus selbst war, so viel ist vom geschichtlichen Standpunkte aus betrachtet sicher, sich keines übermenschlichen Ursprungs bewußt; er wollte nur im höheren Maße ein Prophet sein wie andere vor ihm und hat als Lehrer und Arzt unter seinen Volksgenossen gewirkt wie diese, nur mit größerer Kraft und größerem Erfolg. Er stellt sich in eine Reihe mit den andern Menschen; er betete zu Gott als seinem Vater und lehrte die Jünger zu unserem Vater beten; er wurde auch versucht wie ein Mensch. Die Evangelisten haben auch, das geht aus ihren Berichten hervor, den Glauben und das Hoffen von Jesu und der Gemeinde auf Jesu Auferstehung und Wiederkunft zu einem wunderbaren Vorherwissen und Vorhersagen Jesu gemacht; hätte das Jesus in so bestimmter Form wirklich vorhergesagt, so wäre es unbegreiflich, daß dennoch niemand im Jüngerkreise eine Ahnung von seinem bevorstehenden Tode noch auch von der darauffolgenden Auferstehung gehabt hat und alle sie nach Aussage der Evangelisten nicht verstanden haben. Als Prophet, als Lehrer trat Jesus unter das Volk; er wollte das nach dem Glauben der Juden nahe Gottesreich verbreiten helfen. Das Gottesreich hat er allerdings nicht in dem jüdischen Sinne, in dem Gott in erster Linie als Herrscher empfunden und gedacht wurde, aufgefaßt; ihm war es nichts anderes als der Gedanke Gottes zu Ende gedacht, d. h. der Gedanke, der in Gott zu ihrer Einheit und Vollendung gelangten Welt des Lebendigen. Das Reich Gottes aber konnte nicht von selbst zu den Menschen kommen; es mußte ihnen durch eine Persönlichkeit, den Messias, vermittelt werden. Jesus fühlt in sich das Leben in und mit Gott; er fühlte in sich den Drang und die Kraft, dieses Leben auch seinen Mitmenschen zu übermitteln. In ihm enthüllt sich daher das Wesen Gottes so rein und tief, wie es sich noch niemals in einem Menschen enthüllt hat; darum hat man in alten Zeiten gemeint, seine Persönlichkeit nicht besser kennzeichnen zu können, als das man ihn den Sohn Gottes nannte. Als die Volksmassen von der Macht seiner Reden begeistert waren denn er redete gewaltiglich und nicht wie die Schriftgelehrten und Pharisäer und sich um ihn scharten, und als die wachsende Feindschaft der Schriftgelehrten und Pharisäer

ihn erkennen ließen, daß von letzteren kein Beistand in seinem Worte zu erwarten sei, da mochte sich ihm der Gedanke immer mehr aufdrängen, vielleicht schon bei seiner Taufe, daß er selbst berufen sei, die erlösende Gottesherrschaft herbeizuführen. Aber ein Messias im Sinne der Pharisäer, der zur Befreiung von der Römerherrschaft und Wiederaufrichtung des Reiches David führen sollte, wollte er nicht sein; vielmehr wollte er die Armen, die Mühseligen und Beladenen zum nahen Gottesreich vorbereiten. Um dieses Ziel zu erreichen, ging er nach Jerusalem; hier wollte er die Hierarchen besiegen und das prophetische Ideal der Gottesherrschaft in dem erweckten Volke verwirklichen. Er wußte, daß das ein schweres und gefahrvolles Werk sei; von seinen Jüngern fordert er daher die rücksichtsloseste Entschlossenheit (Luk. 12, 49). Aber er war überzeugt, daß er ein Werk Gottes treibe; er glaubte an den Gott der Allmacht und der Wunder, der ihm Hilfe senden konnte. In dieser Zeit befand sich Jesus im höchsten Grade geistiger Erregung; jetzt, wo sich alle die erhaltenen Kräfte, alle die schweren Enttäuschungen und glänzenden Hoffnungen auf einen Punkt gesammelt haben, da konnte ein Ausbruch erfolgen, der aber dann auch die Katastrophe nach sich ziehen mußte. Wenn er aber der das Gottesreich herbeiführende Messias war, wovon er fest überzeugt war, so konnte sein Wirken mit dem Tode nicht aufhören; für den Frommen war zudem im jüdischen Sinne der Tod nur ein Durchgang zu höherem Sein, das bei Jesus zum Sein bei Gott wurde, von dem aus er sein Messiaswerk vollenden konnte. Seine Jünger glaubten aber an seine Messiaswürde im weltlichen Sinne und sahen daher nach seinem Tode alle auf ihn gesetzte Hoffnungen vernichtet; sie flohen und verleugneten ihn.

Die Erzählungen der Evangelisten von den Ostererlebnissen der Jünger sind so widerspruchsvoll, daß sich keine bestimmte und klare Vorstellung daraus gewinnen läßt. Was uns darüber überliefert ist, das sind zunächst eben nur von der dichtenden Phantasie und dem verteidigenden Nachdenken geschaffene Sagen, die ohne Zusammenhang und Einklang untereinander stehen und auch ohne bestimmte geschichtliche Grundlage sind. Als Quellen können, das geben auch die Orthodoxen zu, nur das Evangelium des Matthäus und das des Johannes gelten; bei beiden aber machen sich berechtigte Bedenken geltend, ob wir hier einen unmittelbaren Bericht eines Apostels vor uns haben. Aber selbst wenn nach Annahme der Orthodoxen das vierte Evangelium von dem Apostel Johannes herrührt, so läßt sich doch wohl die Frage aufwerfen, ob sich die Erinnerung des Apostels im Laufe der Jahrzehnte nicht getrübt und sich unter dem Ein

fluß der unterdessen unter den Christen entstandenen Anschauung verschoben habe; er hat jedenfalls in der Wahl des Stoffes frei verfahren, um die Leser seines Buches zum Glauben an Jesus als den Christus und den Sohn Gottes zu führen. In jedem Falle enthalten die uns zur Verfügung stehenden Quellen eine fast verwirrende Fülle von Erzählungen und untereinander verschiedenen Berichten; man kann nur annehmen, daß ihnen etwas Tatsächliches zugrunde liegt, mag dies eine Vision oder etwas anderes sein. Die Visionshypothese ist alt; sie findet sich schon vor und bei Strauß (Leben Jesu, 1835). Nach ihm hat Baur dieselbe vertreten; an ihn knüpfte sein Schüler Holsten (Christentum des Paulus, 1861; zum Evangelium des Paulus und Petrus, 1868) an. Trotz Keims Widerspruch wurde von da an die Visionshypothese in der theologischen Wissenschaft herrschend. Indem Paulus die ihm selbst widerfahrene Christuserscheinung in eine Linie mit den früheren Erscheinungen im eigenen und weiteren Jüngerkreis stellt, setzt er offenbar die Gleichmäßigkeit aller dieser Erscheinungen voraus; man kann also schließen, daß der Christus, der ihm und den andern Gläubigen erschienen, nicht der Christus nach dem Fleische, sondern nach dem Geiste, eine Vision war, wie sie temperamentvolle Naturen im Zustande der Verzückung erleben und durch Suggestion auf andere übertragen. Der unauslöschliche Eindruck, den die Gläubigen von Jesu bekommen hatten, die Liebe und das Vertrauen zu ihm waren die treibenden Kräfte des Auferstehungsglaubens; die in der Wunderwelt heimische Phantasie wob das Gewand für das, was die Seele erfüllte und erregte. Die Jünger erkannten es als ihren Beruf, diesen Glauben den Volksgenossen zu verkünden; sie setzten damit die Predigt Jesu vom nahen Gottesreich fort und erhöhten dabei ihren Meister zum himmlischen Messias. Zum Beweis der Wahrheit des verkündigten Glaubens bezog man sich auf die Stellen im Alten Testamente, wo vom Leiden und der Rettung des Gerechten, vom leidenden Knecht Gottes (Psalm 16, 10; 86, 13; Jes. 53) die Rede ist; die Deutung dieser und anderer Stellen auf den Tod der Auferstehung und die Wiederkunft Jesu lag sehr nahe und fand bei den Juden einen günstigen Boden (Psalm 110; Daniel 7, 13). Die Evangelisten übertrugen diesen Glauben auf ihre Schriften und legten ihn Jesu selbst in den Mund (Mark. 14, 62; 8, 31); sie gingen davon aus, daß Jesus sich von Anfang für den Messias gehalten habe und formten ihre Darstellungen nach diesem Gedanken. Die sagenbildende Kraft der religiösen Phantasie machte sich in ihren Darstellungen geltend; im Anschluß an den Glauben an den himmlischen Messias und die ähnlichen Vorbilder und Weissagungen der Propheten des A. T. wurden neue

Legenden gebildet. Die Wundertaten sollten das Unterpfand für den Glauben an den himmlischen Messias sein; er mußte sich schon auf Erden als Herr über Natur, Dämonen, Leben und Tod, als der himmlische Messias zeigen. Von dem Glauben an den Auferstandenen aus sind auch die Totenerweckungen in unseren Evangelien zu verstehen; wo sie sich nicht aus sonstigen Umständen (Einfluß von Jesu Persönlichkeit auf Kranke usw.) erklären lassen, da sollen sie den Satz: „Ich bin die Auferstehung und das Leben" illustrieren. Dazu kam noch der Einfluß des aus hellenistischen, jüdischen und orientalischen Elementen zusammengesetzten Volksglaubens; dieser machte sich bei den Evangelisten ebenfalls geltend. Als eine Auferstehungsgeschichte könnte man wohl auch die Erzählung vom Seewandeln betrachten (Mark. 6, Matth. 14); „hat schon die unmittelbar mit diesem Abschnitt verbundene Erzählung von der Speisung der 5000 die deutlichste Beziehung zu der Zeit nach Christi Tod, der Feier des Abendmahls und die Verbreitung des Evangeliums ins Heidenland, so ist die vom Seewandeln überhaupt nur als Auferstehungsgeschichte zu verstehen" (Schmiedel a. a. O.). Mit dem Glauben an das Wunder im biblischen Sinne fällt natürlich auch der Glaube an die leibliche Auferstehung Jesu; dieser Glaube findet in der modernen Welt- und Lebensanschauung keinen Platz mehr. Dadurch aber verliert das Christentum weder in religiöser noch in sittlicher Hinsicht an seinem Wert. Denn der Glaube an die Macht der Persönlichkeit Jesu und seiner Lehre hängt von dem Glauben an die Auferstehung nicht ab; in der Person Jesu war eine so gewaltige, siegesmächtige Erlöserkraft erschienen, die durch den schmachvollen Tod auf keine Weise zu vernichten

war.

Was Jesus war und was er wollte, hängt nicht von der Frage nach den Einzelheiten seines Lebens ab; das können wir vielmehr aus der Fülle seiner Gleichnisse und Sprüche ersehen. Gern gebrauchte Jesus metaphorische Wendungen (Simon-Felsen; Pharisäer- blinde Leiter von Blinden), in denen ein Begriff durch einen andern, nicht eigentlich zu nehmenden, die vermeinte Sache jedoch verdeutlichender ersetzt wird; daneben bediente er sich häufig der einfachen Vergleichung, um durch das Nebeneinanderrücken zweier verwandter Gegenstände auf die Anschauung des Hörers belebend oder berichtigend zu wirken. (Klug wie die Schlangen, ohne Falsch wie die Tauben.) Erweiterte Formen von Bilderrede sind Allegorie und Gleichnis; die erstere entsteht durch die Zusammenordnung mehrerer Metaphern zu einem einheitlichen Ganzen, die letzteren sind durch die Nebeneinanderstellung zweier verwandter, aber verschiedenen Lebensgebieten

entnommenen Sätzen entstanden, wobei die Evidenz des einen Satzes auf den daneben gestellten ähnlichen rückwirkende Kraft übt. Die Allegorie ist ein poetischer Schmuck der Rede; das Gleichnis will an den Ordnungen des natürlichen Lebens die Ordnungen des höheren Lebens verstehen lehren. Die Gleichnisse sind oft in der kirchlichen Überlieferung in einer wunderhaften Verkleidung weitergegeben worden; diese hindert gar vielfach ein tieferes Verständnis der Worte Jesu. Die kirchliche Auslegung hat seit den ältesten Zeiten fast durchgehend die Gleichnisse Jesu als Allegorien aufgefaßt; noch heute werden sie meistens in Kirche und Schule so gedeutet, wobei allerdings die Ansichten oft sehr auseinander gehen. Eine ganze Reihe von ihnen sind aber einfache Sprichwörter („Wo ein Aas ist, sammeln sich die Geier"); kennen wir die Gelegenheit, bei welcher das Wort gesprochen wurde, so ist es uns klar und dient nur zur Erleuchtung der Situation. Jesus läßt daher auch oft nur die letztere und die Erzählung wirken und überläßt es den Zuhörern, daraus einen Schluß, eine Lehre zu ziehen; denn er will denselben keine fertigen Lehren geben, sondern sie zum Nachdenken anregen und anleiten. Jesus bevorzugt in seinen Gleichnissen solche Stoffe, die es möglich machen, auch noch in den Einzelzügen den Grundgedanken durchscheinen zu lassen; will man also den Grundgedanken, dessen Wahrheit durch das Gleichnis zur Evidenz gebracht werden soll, herausstellen, so kann man die Einzelzüge des Bildes zur weiteren Verdeutlichung des Grundgedankens heranziehen. Aber es gilt doch, das Augenmerk auf den Hauptgedanken zu richten; nicht alles, was zum Bilde gehört, gehört daher auch zur geistigen Vergleichung; es wäre deshalb unnütze Spielerei, alle einzelnen Züge der Erzählung deuten zu wollen. Jesus nimmt in den Gleichnissen seine Vergleichungen aus dem Leben, wie es ihm und seinen Zuhörern vor Augen lag; daher fiel es auch den Zuhörern nicht schwer, eine klare Anschauung des von ihm verwendeten Bildes zu gewinnen. (Das Salz ist gut, wenn aber das Salz salzlos wird, womit wollt ihr's herstellen ?) In den Parabeln wird ein Vorgang des inneren Lebens durch die möglichst lebendige, farbige, frische Darstellung eines verwandten Vorgangs aus dem täglichen Geschehen zur Evidenz zu bringen gesucht (die kostbare Perle); sie läßt dem Erfindungsvermögen des Dichters freieren Spielraum wie das Gleichnis, welches ein allgemein anerkanntes Gesetz aus dem Bereich der Natur oder des menschlichen Lebens aufstellt, das auf religiösem Gebiete seine Analogie hat. In der Beispielerzählung wird eine religiöse Wahrheit, angewendet auf einen besonders eindrucksvollen Einzelfall, zur überzeugenden Darstellung

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