ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

sich die heidnischen Auffassungen im Christentum erhielten, so erhielten sich jetzt katholische in der evangelischen Kirche. Die katholische Kirche aber wurde durch die Zusammenfassung ihrer Lehre in einem abschließenden Bekenntnis (zu Trient) zu dem Versuch befähigt, einen Teil des verlornen Terrains wieder zu gewinnen; ihr kam der Jesuitenorden dann zu Hilfe.

Die Bedeutung der Reformation liegt jedoch ganz besonders in dem sittlichen Prinzip des Glaubens; der Wert einer Handlung wird von der guten Gesinnung und nicht von dem äußeren Werk und Erfolg abhängig gemacht. Die Übereinstimmung des persönlichen Willens mit dem göttlichen um dessen selbst und nicht um einer äußeren Autorität willen ist das höchste Ziel des menschlichen Handelns. So wurde die Reformation der Anfang des religiösen Individualismus; ihr Befreiungswerk wurde von Spinoza, Lessing, Kant, Fichte usw. und durch eine historische Bibelkritik fortgeführt; denn der Mensch wurde erst wirklich frei, als er auch die Bibel nicht mehr als äußerliche Autorität anerkannte. Indem Luther die Person des Menschen den Taten voranstellte, war er der erste Vorläufer Kants, der die Gesinnung und gute Beschaffenheit des Willens zum unbedingten moralischen Maßstab aller Handlungen machte. Auf diesem Standpunkt hat die Reformation wenigstens den Menschen gehoben, mag sie ihm auch sonst in mancherlei neuen Dogmen neue Fesseln angelegt haben; für eine höhere und freiere Weltanschauung waren ihre Träger noch nicht reif. Der Protestantismus erhielt erst später seinen Doppelcharakter; auf der einen Seite war er eine religiöse Neubildung, auf der anderen der Bahnbrecher und Hervorbringer einer neuen Welt- und Lebensanschauung. Mit dem wissenschaftlichen Denken, das in der Renaissance, in Baco, Descartes u. a. nach ihnen erwachte, entwickelte sich in dem modernen Menschen eine begriffliche Erkenntnis, die an den dogmatischen Formeln der Kirche Anstoß nehmen mußte; das Zeitalter wirklich tief eingreifender Dogmenbildung war damit abgeschlossen; die Dogmen von der unbefleckten Empfängnis der Maria und der Unfehlbarkeit des Papstes können als verspäteter Versuch betrachtet werden, die Autorität der Kirche zu retten. In den Grundprinzipien des Protestantismus, der Gewissensfreiheit, in dem Protest gegen die Askese und in dem allgemeinen Priestertum, waren die Keime zur Entwicklung eines neuen Geisteslebens enthalten, dem sich auch die katholische Kirche nicht entziehen konnte. Man darf daher, wie schon angedeutet, die Reformation einerseits nicht als eine einfache Erneuerung des Urchristentums und anderseits nicht als ein fertig abgeschlossenes Werk, sondern muß sie als den Beginn einer Reform Scherer, Führer I

5

des Christentums betrachten, in der wir noch heute stehen. Die Differenz zwischen Jesus und Paulus, welche schon Erasmus bemerkt hatte, wird von den Reformatoren nicht beachtet; sie erneuern ausschließlich den Paulinismus und identifizieren das Neue Testament mit ihm. Die Grundideen des Protestantismus sind aus der Kontinuität des Mittelalters herausgewachsen; es ist daher nicht zu verwundern, wenn die nächste Wirkung des Reformationszeitalters eine zweihundertjährige gewaltige Nachblüte des Mittelalters ist, die den bereits gebildeten Trieben und Knospen einer weltlichen Kultur den Saft entzieht. Und dennoch ist der Protestantismus der Schöpfer einer neuen Welt- und Lebensanschauung geworden; er mußte sich, um dies zu sein, von der engen Verbindung mit der supernaturalen Kirchen-, Autoritäts- und Kulturidee der Reformation losmachen. Die vom Protestantismus an der herrschenden Kirchenlehre geübte Kritik mußte allmählich zu der Überzeugung führen, daß von den verschiedenen sich bekämpfenden Kirchenlehren keine die Alleinherrschaft beanspruchen konnte; das geschah immer mehr, je mehr sich die Wissenschaft von der Theologie emanzipierte und ihre eigene Wege ging. Besonders wirkte in dieser Hinsicht die Emanzipation der Philosophie und Geschichte einflußreich; nun erforschte man Religion und Christentum von der philosophischen und geschichtlichen Seite und suchte das Wesen derselben darzustellen. Allmählich erkannte man, daß die wissenschaftliche Fixierung des Christentums von der kirchlichen Fixierung dogmatischer Lehren unterschieden werden mußte; man kam dazu, die verschiedenen dogmatischen Gestaltungen als verschiedene Erscheinungsformen des christlichen Prinzips zu begreifen, die durch die Zeit bedingt waren. Auch die Urkunde der christlichen Religion, die Bibel, wurde der Kritik unterzogen; unter dem Einfluß der Psychologie verlor die Inspiration ihren absoluten Charakter.

Mit der Renaissance und der Reformation trat das neue Lebensprinzip, welches im germanischen Volke sich langsam durch die Versöhnung und Verschmelzung der Kultur des klassischen Altertums und des Christentums sich entwickelt hatte, ins Kulturleben ein und bildete neue Lebensformen und eine neue Lebensanschauung aus; der Staat als Lebensform der Neuzeit drängte immer mehr die Kirche, die herrschende Lebensform des Mittelalters, zurück. Infolgedessen verliert die letztere immer mehr an Bedeutung für das Individuum; es stellt sich in seinen Beziehungen zu Gott und den Menschen auf sich selbst und schüttelt die Bevormundung in den Fragen des Glaubens und Lebens seitens der Kirche immer mehr ab. Die Bahn zwischen dem Menschen

und Gott wurde wieder frei gemacht; es bedurfte nun nicht mehr priesterlicher Vermittlung und nicht kirchlicher Einrichtungen und Satzungen zwischen Gott und den Menschen. Viele Kulturaufgaben, welche im Mittelalter der Kirche zufielen, nahm in der Neuzeit der Staat auf; so wurde er zur umfassenden Kulturanstalt. Der Staat aber steht im Diesseits; sein Ziel ist irdische Wohlfahrt. Um dieses Ziel zu erreichen, mußte er Wissenschaft, Philosophie und Kunst pflegen; durch diese entwickelt sich eine Welt- und Lebensanschauung, die formell auf dem Prinzip der freien Forschung, materiell auf der im Diesseits heimischen Naturwissenschaft gegründet war. In der evangelischen Lehre wird die Mündigkeit des Christen ausgesprochen; wie die vom Schuldbewußtsein erfüllte Person nicht auf ihre Persönlichkeit zu verzichten braucht, um mit Gott durch Christum eins zu werden und dadurch die Rechtfertigung zu erlangen, so soll die Gesinnung der Liebe sich auch überall in dem natürlich-sittlichen Leben auf dieser Erde betätigen. Die Kirche ist die Gemeinschaft der Gläubigen; sie hat die Aufgabe, den Glauben zu pflegen, die religiöse Gesinnung durch Gemeinschaft zu stärken. Luther schied scharf das religiöse Gebiet vom moralischen; dadurch machte er die eigene Kraft des sittlichen Handelns wieder frei und räumte dem sittlichen Leben ein Gebiet ein, in dem sich der Christ mit sittlicher Freiheit ohne den Zwang des Furchtund Lohnglaubens betätigen konnte. Die Kraft dazu gibt ihm der Glaube, dessen Annahme in des Menschen Macht steht; er ermöglicht durch Gottes Gnade das sittliche Handeln. Die Familie und der Staat sind Grundpfeiler des sittlichen Lebens; die Persönlichkeit braucht nicht um künftigen Lohn zu handeln, sondern kann frei aus der Gemeinschaft mit Gott heraus handeln. Aber der Rechtfertigungsglaube, daß Gott mir gnädig ist, wenn ich an ihn glaube, ihm Vertrauen und Liebe schenke, und die freie Freudigkeit des Christenmenschen zu allem und jedem sittlichen Tun stehen ohne innige Beziehung nebeneinander; aus den inneren Erfahrungen beim sittlichen Tun den positiven moralischen Glauben aufzubauen, hat Luther nicht vermocht. Leider wurden die Beziehungen zwischen Religion und Sittlichkeit durch den neuen Dogmatismus noch mehr gelockert. Die Neigung, mit der Rechtfertigung durch den Glauben sich zufrieden zu geben, ist der positiven Ausgestaltung der Sittenlehre lange hinderlich gewesen. Auch in der evangelischen Kirche ist die Religion in Gefahr, eine Buchreligion zu werden; auch hier hält man vielfach heilige Gebräuche und Ordnungen in der Praxis für wichtiger als die Anbetung Gottes im Geiste und in der Wahrheit und wahrhaft sittliches Handeln. Aber grundsätzlich hat die Reformation wenigstens den

selbständigen Wert der weltlichen, sittlichen Gebiete anerkannt; die Selbständigkeit der weltlichen Kultur wurde dadurch wesentlich gefördert. Aus dem Begriff des Menschen entwickelte sich das Ideal der Humanität; nicht auf göttliche Autorität, sondern auf die Naturtriebe der Selbsterhaltung und die vernünftig-sittliche Natur des Menschen wird der Staat gebaut. Die protestantische Theologie hat wenigstens teilweise den Versuch gemacht, den Fortschritten des Kulturlebens, wie sie in Wissenschaft, Philosophie und Kunst zutage treten, gerecht zu werden; es ergab sich dabei mehr oder weniger eine vernünftige Religion, die bald mehr den ewigen Kern des christlichen Glaubens hervorhob, bald mehr die geschichtliche Entwicklung zuzog und in dem nationalen Christentum die Blüte der historischen Entwicklung der Religion fand. Dabei hob man den Wert der sittlichen Gesinnung, aus der doch alles sittliche Handeln hervorgehen muß, und die Bedeutung der sittlichen Persönlichkeit besonders hervor; der Gedanke, daß jeder auf seine Weise an dem Reiche Gottes, zu dem die gesamte Kultur gehört, sich beteiligen solle, hob den Wert des sittlichen Lebens. In der mittelalterlichen Kirche hat der Mensch nur ein beschränktes Maß der Verantwortlichkeit; nicht er, sondern die Kirche ist für seine Seele verantwortlich. Der Protestantismus macht jeden Menschen für sein Tun selbst verantwortlich; er ist dafür sich selbst, seinem Nächsten und Gott verantwortlich.

In drei Formen hat sich also das deutsche Christentum entwickelt: als deutsches katholisches, als deutsches protestantisches und als konfessionsloses Christentum; sie treten auch deutlich in der poetischen Literatur hervor. Man versteht unter Katholizismus jene Gestalt des gläubigen Christentums, die den Zusammenhang der einzelnen Seele mit Gott und der göttlichen Offenbarung allein durch die auf göttlicher Stiftung beruhende Kirche verbürgt sieht; diese Form des Christentums wurde von Deutschen fertig vorgefunden. Es hat lange gedauert bis die Germanen sich dem katholischen Dogma unterwarfen; der Typus eines deutschen katholischen Christen ist Karl d. Gr., der sich als treuer Sohn der Kirche die volle Freiheit eines unbefangenen Denkens in Glaubenssachen bewahrte. Er will ein Christentum der Überzeugung, das den Charakter veredelt; die von ihm erstrebte Volkskirche soll mit dem Staate eine Einheit bilden, die den Gottesstaat auf Erden darstellt. In poetischer Form erscheint dieses Christentum in Otfrieds,,Krist"; daran reihten sich die Geschichten der Heiligen und religiösen Sagen. Aus dem zunächst im mönchischen Denken wurzelnden Mariendienst entwickelte sich durch poetische Ausmalung apokrypher Legenden der alten Kirche die Mariendichtung; die Mystik war eine neue Form der Frömmigkeit innerhalb der

kirchlichen Ordnung, aus welcher die mystische Lyrik erblühte. Die biblische Geschichte und Heiligenlegende wurde auch die Quelle der Malerei und Plastik; sie empfingen seit dem 13. Jahrhundert ihre sprechende, allgemein verständliche Verkörperung in den dramatischen Schaustellungen auf der Volksbühne des Marktplatzes. In Predigt, Katechismus und Kirchenlied hat der deutsche Katholizismus vom Protestantismus gelernt; die Aufklärung und die Philosophie des 18. und 19. Jahrhunderts kamen auch ihm zugute. Der Neukatholizismus aber ist ein Produkt der Romantik; immer mehr verlor er die Fühlung mit dem deutschen Geistesleben und wurde aus dem deutschen zum römischen Katholizismus, womit auch seine Teilnahme am geistigen Leben, an Wissenschaft und Kunst, zurückging.

Der deutsche Protestantismus ist die Religion des persönlichen Glaubens an den in der Bibel und in der Weltgeschichte offenbarten Gott, der, eben weil er Glauben ist, d. h. Überzeugung, den Zwang ausschließt; infolgedessen aber hat er sich auch in einer ganzen Reihe von Formen entwickelt, worin sich gerade seine geistige Kraft offenbart. Der Schöpfer und Träger des deutschen Protestantismus ist Luther; aus religiösem Gewissen und mit prophetischem Geiste hat er ihn geschaffen. Luther kleidete sein religiöses Erleben in den Satz von der Rechtfertigung durch den Glauben; dadurch tritt der Christ in die persönliche Gemeinschaft mit Gott. Der Protestantismus ist dem deutschen Geistesleben entsprungen, ihm nicht von außen aufgedrängt worden. Er barg in sich die Bildung einer deutschen Welt- und Lebensanschauung; der Glaube soll aus dem Menschen herauskommen, soll in ihm lebendig sein. In den Glaubensliedern kommt er zum poetischen Ausdruck; die kirchliche Musik schwingt sich bald auch zu epischer und dramatischer Form auf; die Malerei wird zur realistischen Erzählung der biblischen Geschichte und zur Illustration. Als Früchte der Refor. mation sind aber namentlich die deutsche Bibel, die Katechismen und das Kirchenlied zu bezeichnen, von denen allerdings bloß das letztere ein poetisches Erzeugnis ist. Man lernte aus der Bibel ein auf irdische Arbeit angewiesenes Volksleben kennen; es erwuchs wieder ein kerngesundes Geschlecht mit sprühender Lebenslust. Leider nahm die Theologie nicht dieselbe Entwicklungsrichtung an; es handelte sich bei ihr nicht um die Gewinnung einer einheitlichen philosophischen Weltanschauung, sondern um Bekenntnisglauben. Dieser schloß allerdings ein Lebensideal in sich; Gott will, daß ist sein Grundgedanke, daß der Mensch seine in Christo offenbarte Gnade empfange und danach ein gemeinnütziges und rechtschaffenes Leben führe. Die Orthodoxie aber schuf eine neue Scholastik; sie betont jedoch besonders die religiösen Fragen,

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »