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so daß aus ihr auch Kirchenlied und Kirchenmusik Nahrung schöpfen können. Tiefer erfaßte der Pietismus die religiösen Fragen; er war eine Freiheitsbewegung und als solche der Vorläufer der Aufklärung. Die letztere ist siegreich geworden, indem es ihr gelang, die gebildeten Stände von dem mit dem orthodoxen System verbundenen Pessimismus zum praktischen Optimismus umzustimmen, zur Weltfreudigkeit und Lebensseligkeit; eine Verjüngung des Protestantismus trat dann ein, als sich mit den wissenschaftlichen Ergebnissen der Aufklärungszeit ein neuer religiöser Aufschwung verband, der allmählich die landschaftliche und konfessionelle Vereinzelung der deutschen protestantischen Kirchen durchbrach. Kant hat Luthers Religionserkenntnis in eine neue Zeit hinübergerettet, obwohl er selbst zu den Vertretern der konfessionslosen Religiosität gezählt werden muß; er hat erst das eigentliche Prinzip des Protestantismus: der Glaube als freie persönliche Überzeugung, die nicht im Verstande, sondern im Gemüte wurzelt, klar heraus gestellt. Die Wissenschaft konnte hiernach dem Glauben nicht gefährlich sein; die Theologie konnte deshalb auch der Bibel frei und kritisch gegenübertreten. Aus Pietismus und Rationalismus erwuchs so seit Schleiermacher eine neue protestantische Theologie; neben sie stellte sich das praktische Christentum als Frucht der Zeit. Mit der Romantik beginnt eine Erneuerung des Kirchenliedes, eine Vertiefung des poetischen und religiösen Gehaltes desselben; auch Plastik, Malerei und Musik erfahren eine Vertiefung. Einflußreich wurde die erbaulich-volkstümliche religiöse Literatur, die in Erzählung, Novelle und Biographie mit religiösprotestantischer Tendenz auftrat; sie wirkte neben der Predigt ganz besonders erziehend im religiös-protestantischen Geiste in den niederen Volkskreisen.

Unabhängig von den überlieferten Formen, frei und persönlich spricht sich der deutsche Geist in religiöser Hinsicht in der konfessionslosen Religion aus; hier offenbart er sein innerstes Wesen. Dieses besteht in der Ablehnung jeder bestimmten kirchlichen Religionsform als einer allein zu Gott führenden und in der Anerkennung der berechtigten individuellen Mannigfaltigkeit des religiösen Lebens, Denkens und Empfindens; es setzt für seine Existenz jene Religionsfreiheit voraus, die erst der Protestantismus zu begründen begonnen hat. Der Kirche als der großen geschichtlichen Trägerin aller heilvollen religiösen Überlieferungen wird ihr Recht gewahrt; die verschiedenen Kirchen werden respektiert. Diese von allen kirchlichen Formen freie, aus dem Gemütsleben des deutschen Volkes hervorgegangene und der Entwicklung des deutschen Geisteslebens entsprechende Religiosität finden wir schon im „Heliand", in den Dichtungen des Wolf

ram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg und Walter von der Vogelweide; sie sind die ersten Blüten des Laien christentums, die sich allmählich, gefördert durch den Humanismus und die Reformation, in der konfessionslosen Religiosität voll und ganz entfalten. Aber erst die „Aufklärung“ in Verbindung mit dem Neuhumanismus schuf den Boden, auf dem die konfessionslose Religiosität gedeihen konnte; denn sie setzte die Toleranz, die volle Religionsfreiheit und die Unabhängigkeit bürgerlicher die Rechte vom religiösen Bekenntnis, durch und half der wissenschaftlichen Weltanschauung zum Sieg. Die Wissenschaft übernimmt die Führung statt der Theologie; es beginnt das Zeitalter, das seine gläubigen Verehrer als das wissenschaftliche gegenüber dem kirchlichen priesen und preisen. In der Reihe der Wissenschaften tritt auch die Religionswissenschaft in neuer Form, ausgerüstet mit allen Hilfsmitteln der modernen Wissenschaft, auf; sie faßt die historische Erscheinung des Christentums mit denen der anderen Religionen zu einem allgemeinen Begriff der Religion, zu einem gemeinsamen und gleichartigen Lebensgebiet und zur Auswirkung gleichartiger allgemeiner Grundanlagen des menschlichen Geistes zusammen. In der modernen Wissenschaft wurzelt auch die philosophische Strömung, welche den deutschen Idealismus zeitigte; sie beginnt mit Leibniz, erreicht ihren Höhepunkt in Goethe und zählt Lessing, Herder, Kant, Schiller, Fichte und andere zu ihren Vertretern. Sie vertritt die Lebensanschauung der Humanität; nach dieser ist es die Aufgabe der Menschheit, im Anschluß an die Natur eine immer höhere geistige und sittliche Kultur zu entwickeln. Auch die seit den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts neu erwachte real-idealistische Philosophie von Fechner und Lotze bis auf Wundt, Paulsen und Eucken hat die Entwicklung der konfessionslosen Religiosität mächtig gefördert; sie baut sich auf den Ergebnissen der exakten Naturforschung und Geschichtswissenschaft, in denen die letzten Elemente der unserem Denken erreichbaren Wirklichkeiten festgestellt werden, auf. Die dadurch hervorgerufene religiöse Aufklärung richtet sich gegen den absoluten, exklusiven Supernaturalismus der Kirche in seiner engen Verbindung mit der Erbsündenlehre; sie wendet sich gegen die Alleinherrschaft der kirchlichen Offenbarung und verlangt den Rückgang auf die breite Grundlage dessen, was in der inneren Notwendigkeit und Allgemeinheit des menschlichen Geistes begründet ist. Auf dieser Basis aber entwickelt sich eine religiöse Weltanschauung, die an dem Gottesglauben festhält; dieser aber bewegt sich nicht in den Gefühlen der Reue und Sündenvergebung, sondern in der Begeisterung des Fortschrittsglaubens und des Vertrauens zur Zweckmäßigkeit und Güte

der Welt. Die gesamte Wirklichkeit tritt unter das Kausalitätsprinzip; dadurch wird das Wunder im biblischen Sinne ausgeschaltet. Die Einheitlichkeit der Welt läßt das göttliche Wirken in jedem Moment, in dem Gesamtzusammenhange der Dinge bestehen; dadurch wird der Gottesbegriff immanent oder monistisch. Die Größe und Weite, Gesetzmäßigkeit und Einheit der Welt erfüllt mit Gefühlen der Demut und Erhebung; die Behauptung der geistig-sittlichen Freiheit gegenüber der Gesetzmäßigkeit der Welt ergibt einen neuen Begriff und eine neue Wertung der Persönlichkeit. Der Glaube ist für dieselbe eine rein persönliche Überzeugung, verbunden mit der Begründung auf allgemein wissenschaftlichen Anschauungen; beide muß sich der Einzelne selbst bilden und sich dann auf Grund derselben mit anderen Gleichgesinnten verbinden. Die so entstandene philosophische Bildungsreligion befriedigt alle wissenschaftliche Forderungen und zugleich auch das religiöse Gefühl.

Die neue Wissenschaft und neue Philosophie erzeugten auch eine neue weltliche und konfessionslose Ethik; sie geht zunächst auf die seelische Natur des Menschen zurück und entwickelt aus ihr den Verpflichtungsgrund und das Wesen der sittlichen Normen. Dieser Ethik gegenüber verschwindet die kirchlich-supernaturalistische Ethik, die mit göttlichen Kraftmitteilungen und göttlich geoffenbarten Sittengesetzen gearbeitet hatte, gänzlich; die teuflischen Versuchungen und Eingebungen, die göttlichen Eingebungen, die alles wahrhaft Gute nur aus dem psychologischen Wunder der Bekehrung hatten hervorgehen lassen, die ganze Begründung der sittlichen Gesetze auf göttliche Offenbarungen und ihre Aufrechterhaltung mit göttlichen Strafen sinkt in sich selbst zusammen. Die Ausstattung der Seele mit den Gesetzen des sittlichen Denkens und die Harmonie des Kosmos mit diesen Gesetzen erschien ,, als die eigentliche und einzig notwendige göttliche Beglaubigung des Sittlichen; die gesetzmäßige Harmonie des Weltalls enthält als ihren wesentlichen Bestandteil das mit allen anderen Gesetzen harmonierende und zusammenwirkende sittliche Gesetz" (Troeltsch). Es verschwindet die Alleinbedeutung des religiösen Zweckes der himmlischen Seligkeit und der Ehre Gottes; sie verwandeln sich in das Ideal der Unsterblichkeit und jenseitigen Ausgleichung, die als Vernunftwahrheiten betrachtet werden, und in das Ideal der Verwirklichung der gottgegebenen Vernunft. Die großen ethischen Güter aber, die in der Betätigung der individuellen und sozialen Tugenden erzeugt werden, variieren nach den Mächten, die in den Horizont der Geschlechter treten; in erster Linie stehen hier Familie, Gesellschaft und Staat, Wissenschaft und Kunst, Philosophie und Religion. Nicht mehr die

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Verherrlichung des souveränen, erwählenden Gotteswillens oder der in Nächstenliebe und Berufstreue erstattete Dank für die Rechtfertigungsgnade sind die Ziele des sittlichen Handelns, sondern Selbstvervollkommnung und Kulturförderung oder die ethische Würde der Einzel- und Gesamtpersönlichkeit, wobei die besondere religiöse Zweckbeziehung in die jenseitige Vollendung oder in die Realisation der göttlichen Vernunft fällt" (Troeltsch). So wird die Ethik von den Fesseln des dogmatischen Glaubens gelöst, nicht aber vom religiösen; diese letztere wird in sittlicher Hinsicht zum Vertrauen und zur Hingabe an den Willen Gottes, wie er sich in der gegenwärtigen Entscheidung des von der Gemeinschaft erzogenen Gewissens sich äußert; die Erlösung aber besteht in der Überwindung der ererbten und persönlichen Hemmungen durch die volle Hingabe an den göttlichen Geist, der in der Erkenntnis Gottes erfaßt wird.

Ein guter Teil des religiös-sittlichen Fühlens und Denkens hat sich von jeher in der Kunst niedergeschlagen; besonders ist das der Fall bei demjenigen religiös-sittlichen Fühlen und Denken, das nicht durch ein Bekenntnis in feste Formen gegossen ist und dem infolgedessen die Phantasie eine beliebige Form geben darf. Sie übersetzt die Gefühle und Gedanken der Menschheit in lebendige und wirksame Bilder der Phantasie; der künstlerischen Belebung durch die Kunst der Phantasie hat aber in der Literatur die Aufklärung erst ihren entscheidenden Sieg verdankt, und auch der deutsche Idealismus wirkt auf die großen Menge vor allem durch seine künstlerische Verkörperung in der deutschen Poesie. „Der altchristliche Geist ist der Kunst in keine ihrer Formen sonderlich günstig gewesen; solange sich Welt und Gemeinde Gottes scharf schieden, solange man auf ein baldiges Ende alles Bestehenden gefaßt war und nur mit Hoffen und Bangen dem Tag entgegensah, da das letzte Geschick der Welt sich verwirklichen werde, hatte man weder Zeit noch Stimmung, die Kunst zu pflegen" (Preuschen). Für den Gottesdienst genügten anfangs die alttestamentlichen Gesänge, namentlich der Psalter; allmählich aber wurden christliche Gesänge geschaffen, welche dem frommen Empfinden der alten Christen Ausdruck gaben. Eigentlich volkstümlich wurde der kirchliche Gesang jedoch erst mit Luther; mit der Reformation erst kann man von einer deutsch-christlichen Poesie, hervorgegangen aus dem religiösen Empfinden des Volkes, reden, obwohl man sich dabei vielfach an biblische Vorbilder, namentlich an die Psalmen, anschloß. Diese deutsch-christlichen Lieder verstummten auch in der Zeit der erbittertsten Lehrstreitigkeiten nicht ganz; namentlich aber erblühten aus den Dornen des Lebens, die aus den Schrecken des großen Krieges hervor

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wuchsen, die schönen Rosen der Kreuz- und Trostlieder. In der Zeit der Aufklärung geriet das Kirchenlied in Verfall; die Zeit des Aufschwung geistigen Lebens brachte ihm aber eine neue Blüte. Das echte Kirchenlied ist ein Volkslied, aus der Tiefe des religiösen Lebens geflossen; es ist ein Absenker des eigentlichen Volksliedes. Als Herold einer neuen, der konfessionslosen deutsch-christlichen Dichtung ist Klopstock anzusehen; der Einfluß des der subjektiven religiösen Phantasie entsprungenen Messias auf die religiöse Dichtung ist unverkennbar. Ihm schloß sich Lessing an; in seinem Nathan der Weise" hat er Gericht gesessen über die boshaften Pfaffen, die blinden Eiferer und die vornehmen Gleichgültigen. Herder hat, als geistlicher Dichter ohne Bedeutung, als Sammler, Bearbeiter und Beurteiler weltlicher Volkslieder gesundere Zustände auch für das religiöse Volkslied angebahnt. Goethe hat seine deutschchristliche Anschauung in zahlreichen Dichtungen zum Ausdruck gebracht; der Grundzug derselben ist die tiefste Frömmigkeit verbunden mit der tiefsten Sittlichkeit. Schillers religiös-sittlichen Dichtungen liegt der unverlierbare Glaube an die Ideale, an den Sieg des göttlichen Willens, der in der Geschichte des einzelnen Menschen wie der Völker richtend, strafend und befreiend waltet, zugrunde. Die Dichtungen des Romantikers Novalis waren von religiösem Gefühl und Geist getragen; sie sind dem Besten zuzuzählen, was die rein individuelle Lyrik auf dem deutsch-christlichen Gebiete überhaupt hervorgebracht hat. Die Dichter der Befreiungskriege waren als echte Vaterlandsdichter zugleich religiöse Dichter; das Konfessionelle trat auch bei ihnen, wie bei den echten Klassikern, zurück (E. M. Arndt u. a.). Die religiöse Dichtkunst strebte immer mehr danach, den modernen ästhetischen Gedanken mit den ethischen und religiösen Kräften in Berührung zu bringen; sie erreichte diesen Zweck um so besser, je mehr sie aus der Stellung der moralischen Belehrung und geistlichen Erbauung entlassen worden und Selbstzweck geworden ist. Die heutige Dichtkunst hat diese Aufgabe noch nicht erfüllt; sie liegt noch zu sehr in den Fesseln, welche ihr der Naturalismus und Sozialismus angelegt haben, welche das moderne Geistesleben in seinen Anfängen vollständig beherrschten; sie hat noch nicht getrunken an dem Born der real-idealen Philosophie, wie sie sich von Fechner und Lotze bis Wundt, Paulsen und Eucken entwickelt hat. Der bewußte Wirklichkeitssinn aber, der durch den Naturalismus in die Dichtung eingedrungen ist, hat dieser eine solidere Basis gegeben als wie sie ihr die idealistische Philosophie geben konnte; sie stellt die religiösen und sittlichen Ideale, die sie als echte Dichtkunst nicht entbehren kann, auf einen realen Boden, der sie sicher trägt. Wo die moderne Dichtkunst dies tut, da hat sie bei allem

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