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Reformtrieb zum weltgeschichtlichen Gegner hat, ist zähestes Festhalten am Ueberlieferten, soweit nicht die Steigerung ihrer Herrschaftsansprüche, wie im Unfehlbarkeitsdogma, in Frage kommt, ihr unverbrüchlicher Grundfah, und für das, was der Reformtrieb des Christenthums auf protestantischem Boden gezeitigt hat, hat sie nur Bann und Verdammung.

Als die Reformation den Bann eines entgeisteten und verdorbenen Kirchenthums in den Völkern des Abendlandes wenigstens theilweise gebrochen hatte, ließ sich ein frischer Geist in den verschiedensten Lebensgebieten spüren; der Reformtrieb des Christenthums kam wieder zur Geltung. Das sittliche Bewußtsein läuterte und vertiefte sich, der Staat wurde sich seiner hohen Bedeutung als selbstständiger gottgewollter Ordnung bewußt und errang eine ganz neue Machtsphäre, Wissenschaft und Kunst gewannen einen andern Charakter, nämlich den der Selbstständigkeit und des Schaffens aus der Tiefe des menschlichen Geistes. An Stelle einer Frömmig keit, welche ihr Jdeal in der Weltflucht und Weltverachtung fand, trat die arbeitsame Frömmigkeit, welche frisch in das Leben hineingreift und es darauf anlegt, allem, womit der Mensch in Berührung kommt, das Siegel des Gewissens aufzudrücken. Im protestantischen Kirchenwesen zwar hat es an katholisirenden Gebahren nicht gefehlt und fehlt auch heute nicht; aber der Geist wehet wo er will und ist, Gott sei Dank, von keinem Kirchenwesen abhängig. Der rastlose Trieb nach vorwärts, welchem wir auf den verschiedensten Gebieten in der Neuzeit begegnen, ist ächt protestantischen Ursprungs. Mag die Kirche zusehen, daß sie ihn nicht in eine ihr selbst und dem Christenthum feindliche Richtung hineindrängt.

Erwägen wir das Reformbedürfniß der Gegenwart, so will mir scheinen, daß dasselbe nirgends stärker sich geltend mache als auf dem socialen Gebiete. An der socialen Frage können heutzutage weder Kirche noch Staat vorübergehen. Sie scheint in ein neues Stadium zu treten, sofern die Ueberzeugung zur herrschenden geworden ist, daß Einrichtungen zum Schuße der fümmerlich um ihre Existenz ringenden Classen seitens des Staates nicht entbehrt werden können, daß der Grundsaß der freien Concurrenz kein Universalheilmittel ist. So brechtigt es aber ist, dieser Ueberzeugung praktische Folgen zu geben, so wesentlich ist das entsprechende Gegengewicht, daß das Individuum bei aller Freiheit der Bewegung mit seinen Ansprüchen sich dem Wohl des Ganzen

unterordne. Und nur wenn die lettere Anforderung in ihrer maßgebenden Bedeutung anerkannt wird, ist die drohende Gefahr, die sie uns in den Ansprüchen der Socialdemofratie und ihren staatsfeindlichen Tendenzen entgegentritt, abzuwenden.

Ist nicht der Grundzug der Entwicklung unserer rechtlichen und gesellschaftlichen Zustände seit Anfang dieses Jahrhunderts die Tendenz der Einzelnen möglichst selbstständig zu stellen, damit er sich seinen Wirkungskreis in der Gesellschaft in freiester Weise gestalten könne? Wer darf leugnen, daß in diesem Streben eine hohe Berechtigung liegt? Es ist darin das Recht der Persönlichkeit vertreten. Wird aber dasselbe einseitig festgehalten, so daß das Individuum sich keinerlei Beschränkung gefallen lassen und keine Unterordnung seines speciellen Wohls unter das allgemeine Wohl anerkennen will, so erwachsen daraus nicht etwa blose Gefahren der bedenklichsten Art für das Gemeinwesen, sondern nicht minder für die Einzelnen selbst. Er nimmt unbeschränkte Freiheit für sich in Anspruch, aber werden nicht dasselbe die andern auch thun und wird nicht im Kampf der Interessen der Schwächere unterliegen? Wer ganz nur auf sich gestellt sein will, der muß es auch hinnehmen, wenn er der Vereinsamung und der Hilflosigkeit verfällt. Es ist ja ganz schön, wenn sich einer sagen kann, daß ihm nichts verschlossen sei; doch was nüßt es ihm, wenn ihm Kräfte und Mittel fehlen, das Ersehnte zu erreichen und wenn ihm andere überall zuvorkommen? Ohne Halt und Hilfe geht einer leicht zu Grunde, zumal wo die Unreise und geistige Unmündigkeit bedenklichen Einflüssen Thür und Thor öffnet. Die Jfolirung aber im Berfolgen der Lebensinteressen entfremdet die höheren gemeinfamen Aufgaben und läßt die idealen Gefühle ersterben. Sie führt dem Egoismus und der den Augenblick ausbeutenden Genußsucht in die Arme. Es wird deutlich sein, daß von dem bloßen Gehenlassen nichts zu hoffen ist; es kann nur dazu führen, die Gefährdeten zur Verzweiflung zu treiben. Wollte aber der Staat es auf sich nehmen durch Zwangsinstitutionen die Schwierigkeiten zu beseitigen und das ganze Problem durch die Mittel der öffentlichen Gewalt zu lösen, fo würde dies unfehlbar dahin führen, die individuelle Freiheit aufzuheben. Ohne Zweifel sind staatliche Maßregeln ganz am Plaze, wo es gilt, heilsame Bestrebungen zur Hebung socialer Schäden zu unterstüßen und den Schwächeren gegen

Ausbeutung und Uebervortheilung zu schützen. Der Schwerpunkt aber ist in das Gebiet der freien Bethätigung zu verlegen und die sittliche Kraft ist zu wecken. Zu einer wirklichen Reform und besseren Zuständen kann nur eine von sittlicher Kraft getragene sociale Bewegung führen. Und hier bietet sich nun das Christenthum als die reformirende sociale Macht dar Es beansprucht die volle Anerkennung jedes Menschen und seines Rechtes als Persönlichkeit und treibt dahin, dem Individuum möglichst freie Bewegung zu sichern. Es macht demselben aber andererseits zur Pflicht, sich als Glied des Ganzen zu fühlen und bereit zur Aufopferung ihm seine Kräfte zu weihen. Es erzeugt jenen idealen Gemeingeist, welcher für den Dienst hoher Ziele die verschiedensten Kräfte sammelt und es nicht ertragen kann, daß ein Glied leidet. Nur wo dieser Geist zur Herrschaft gelangt, kann von einer wirklichen Lösung der socialen Frage die Rede sein. Und daß in dieser Hinsicht der Reformtrieb des Christenthums seine siegreiche Kraft bewähre, dies dürfte das dringendste Bedürfniß der Gegenwart sein.

Mochten doch die kirchlichen Parteien mit einander wetteifern in der Pflege wahrhaft christlicher Gesinnung und im Wecken ächten Gemeingeistes. Möge insbesondere die viel geschmähte liberale Richtung nicht müde werden, es mit der That zu beweisen, daß es ihr um nichts anderes zu thun ist, als um ein lebenskräftiges Christenthum und die Entfaltung seiner ganzen Kraft auf allen Lebensgebieten. Je mehr sie hierin Ernst macht, um so weniger braucht sie die Anklagen Derjenigen zu fürchten, welchen kritikloses Festhalten des Ueberkommenen als das untrügliche Merkmal christlicher Gesinnung erscheint. Am besten wird sie ihre Christlichkeit erweisen durch den Ernst ihres Reformtriebes.

III. Recensionen, Kritiken, Anzeigen.

1.

Bickel, Pfarrer in Wiesbaden: Die christliche Lehre. Leidfaden für evang. Confirmanden und Confirmirte. 3. vermehrte und verbesserte Auflage. Wiesbaden, Rodrion 1881. 171 Seiten. Die früheren Auflagen sind bereits in den Jahrgängen 1877 und 1878 dieser Zeitschrift besprochen und empfohlen worden. Bezüglich der Anlage des Lehrbuchs, die vom Begriff des Himmelreichs ausgeht,

wäre vielleicht der Uebersichtlichkeit wegen vorzuschlagen, daß der Abschnitt IV vom christlichen Leben, der Verwirklichung des Reiches Gottes", so zerlegt würde, daß die beiden Untertheile, die das geistliche Leben im Einzelnen und in der Gemeinschaft behandeln, zu Hauptabschnitten unter den Titeln „das Reich Gottes in der Menschheit“ und ,,die Glieder (Bürger) des Reiches Gottes" erschienen, indem der Abschnitt VI.,,von dem Bürger des Reiches, dem Menschen" mit letterem verschmolzen würde; denn der Abschnitt II., der von Natur und Bestimmung des Menschen und von der Sünde handelt, an sich von geringem Umfang, gehört doch, genau genommen, dahin und ist nur auf Kosten der Klarheit und des Zusammenhangs zwischen der Lehre von Gott und Christo als ein selbständiges Stück eingeschaltet. Dagegen ist ein Abschnitt über die Vollendung des Gottesreichs" sowohl für die Person als für die Gesammtheit zu vermissen, also ein genaueres Eingehen auf die Unsterblichkeits-Hoffnung, welche eigentlich nur im § 87 zur Besprechung kommt, und auf die eschatologischen Ideen des Christenthums. Es würde demnach vorzuschlagen sein, Abschnitt I behandelt die Lehre von Gott, dem Herrn des Reichs, Abschnitt II die Lehre vom Stifter des Reiches, Christus, Abschnitt III die Lehre von dem Bürger des Reiches und der persönlichen Zueignung des Reiches, Abschnitt IV von dem Reiche Gottes in der Menschheit und Abschnitt V von der Vollendung des Reiches und zwar 1. bei dem Individuum und 2. bei der Gesammtheit. In der Auswahl der Sprüche würde einer größeren Beschränkung, vielleicht einer Rückführung auf die Hälfte des Dargebotenen vorzuziehen sein, wodurch der Umfang und der Preis des Buches ermäßigt würde, ein Umstand, der seiner Verbreitung nur zu Statten kommen würde. Bei der Person Christi dürfte auf die kirchliche Lehre mehr Rücksicht zu nehmen und die Auseinandersegung mit dem Katechismus Luthers nicht ganz zu umgehen sein; ebenso wäre zu wünschen, daß die Beziehung zum dritten Artikel näher normirt würde. Im Ausdruck dürfte hie und da etwas größere Bestimmtheit und Deutlichkeit in der Fassung des Paragraphen zu empfehlen sein. So gleich § 1, wo neben der höchsten Bestimmung des Menschen zugleich als das lezte Ziel unseres innersten Sehnens „das ewige Leben in Gott" genannt wird, eine Definition, mit der am Eingange nicht viel anzufangen sein dürfte. Es wäre vielleicht gerathen, die Bestimmung" hier ganz bei Seite zu lassen und lediglich von der Unbefriedigtheit des Menschen durch die Welt, von dem Druck durch Leid, Sünde, Tod und von dem innern Bedürfniß, der Sehnsucht nach dem unendlichen Gott, auszugehen. Vermieden sieht man auch in einem Lehrbuche gerne rhetorische Wendungen, wie die Bezeichnung des Gebetes als Blüthe und Krone (S. 159) und erwartet dafür einfache, nüchterne Ausdrücke, um Lehrer und Schüler vor unverstandenen Floskeln zu bewahren.

Wir machen diese andeutenden Bemerkungen gerade deshalb, weil das Buch in der That wegen der Güte und Fülle des Materials, das in demselben geboten wird, der lebhaftesten Empfehlung werth ist. Auch schließen wir uns den im Vorwort ausgesprochenen Wünschen vollkommen an, daß die Confirmation doch nicht so früh, wie jest geschieht, wo möglich nicht vor dem 15. Lebensjahre stattfinde und der Confir

manden Unterricht wenigstens auf zwei Semester ausgedehnt werde, wie das in Alt-Preußen hergebracht ist. Die 50 bis 60 Stunden, welche in vielen Gegenden diesem abschließenden Religionsunterricht gewidmet werden, sind durchaus unzureichend, namentlich unter den gegenwärtigen Verhältnissen von Haus, Schule und Kirche. Der Unterricht muß durch das ganze Jahr gehen und auch wir betrachten die zwei Semester als das Minimum dessen, was man fordern soll. A. Wr.

2.

Eduard Langhans, Handbuch der biblischen Geschichte und Literatur, nach der heutigen Wissenschaft gearbeitet. 1. Theil bis zum babylon. Eril. Bern, Dalp'sche Buchhandlung 1875. 328 Seiten. 2. Theil: Judenthum und Christenthum. 1880. Seite 329—844. Ein Meisterwerk, streng wissenschaftlich und doch geschmackvoll und lesbar geschrieben für jeden Gebildeten, will dies Buch die biblische Geschichte und Literatur A. und N. Test. zugleich mit der Entwickelung der religiösen Ideen und Einrichtungen als ein zusammenhängendes Ganzes darstellen. Der Standpunkt des Verf. ist bekannt. Einzelne Stücke des Buches waren bereits als Auffäße in der Schweizer „Reform“ erschienen.

Der Verfasser beginnt mit einer geographischen Uebersicht und einer Charakteristik der Geschichtsschreibung des jüdischen Volkes. Von den sechs Abschnitten, deren beide leßte, an Umfang die andern überragend, die Entstehung des Christenthums und des Neuen Testamentes behandeln, stellen die drei ersten die nationalen und religiösen Anfänge vor Moje und durch Mose, die nationale Blüthezeit (1100 bis 800 vor Chr.) und die religiöse Blüthezeit bis zum babylonischen Eril dar. Der interessanteste und anregendste Abschnitt IV schildert das Zeitalter des gesetzlichen Judenthums unter der Herrschaft der Perser, Ptolemäer, Saleuciden, Hasmonäer und Römer und zwar besonders die Entstehung und Einführung des Priestergeseßes, das Eindringen des Hellenismus, die syrische Religionsverfolgung, den makkabäischen Freiheitskrieg und den Durchbruch der messianischen Erwartung.

Am wenigsten befriedigt hat den Ref., um dies hier gleich zu sagen, der die Person und das Werk Jesu betreffende Abschnitt. Vieles, was doch nicht erwiesen ist, wird da als positiv gewiß hingestellt und viel Ueberliefertes, was zwar bestritten, aber nicht widerlegt ist, wird einfach übergangen. So die Geburt in Bethlehem; der Einfluß des Pharifäismus auf die Entwickelung Jesu wird mit Keim überschäßt, die Originalität Jesu und sein geistiger Zusammenhang mit Gott nicht genug hervorgehoben. Er erscheint als Produkt der Zeitbildung, nicht als Producent einer neuen Geisteswelt in und aus sich selbst. Wie vortrefflich auch die Darstellung der Geistes- und Lehrart Jesu erscheint, ebenso unzureichend erscheint dem Ref. die Behandlung des Werkes und der Absichten des Erlösers, seines Todesleidens und seiner Verklärungsgeschichte. Allein man kann freilich von einer biblischen Literaturgeschichte nicht dasselbe wie von einem Leben Jesu oder von der Glaubenslehre verlangen. Als das älteste Erzeugniß des Mosaismus betrachtet Langhans das Bundesbuch (Exodus 20—23), das er ausführlich reconstruirt, woran

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