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zu genügen, so ist auch mein eigenes Urtheil mir allezeit das einzige Richtmass für den Werth meiner Leistungen geblieben, wie es mir denn für den Begriff des Philosophen, als eines Selbstdenkers selbstverständlich erscheint, dass sein Denken ihm als die höchste inappellable Instanz gelten müsse, die für fremden Beifall oder Missfallen sich als schlechterdings unbestechlich zu bewähren habe. Ich kann selbst heute nach allen erfahrenen Angriffen mit gutem Gewissen sagen, dass keiner meiner Gegner die wirklichen Mängel meines Systems so klar und bestimmt erkannt hat, wie ich mir derselben, und zwar in den Hauptpunkten schon vor der Veröffentlichung, bewusst geworden bin, und dass ich über die Aporien meines Systems nicht nur ein deutlicheres Bewusstsein besitze als die meisten meiner Vorgänger über die ihrigen, sondern dass auch Niemand sich weniger bemüht hat, diese Aporien zu verschleiern und zu verbergen als ich. Man wird unter solchen Umständen meiner Versicherung glauben dürfen, wenn ich wiederhole, dass ich den Werth von äusserem Lob und Tadel lediglich danach abschätze, wie viel dieselben etwa zur Verbreitung meiner Schriften und dadurch zur Förderung der von mir vertretenen Ideen beitragen mögen. Ich weiss sehr wohl, dass der Zunftphilosophie der Begriff des Selbstdenkens so sehr abhanden gekommen ist, dass sie mir wie jedem wirklichen Selbstdenker seine Selbstständigkeit als frevelhafte und sträfliche Ueberhebung anrechnet; aber ich nehme ihr das nicht übel, weil ich ja einsehe, dass es eine blosse Bethätigung des Selbsterhaltungstriebes ist, wenn sie ihr Forum als das in philosophischen Fragen allein massgebende und für Jedermann objectiv entscheidende aufrecht zu erhalten sucht.

Für nichts habe ich mehr Ursache, meinem Schicksal dankbar zu sein, als dafür, dass es meine Jugend vor dieser Zunftphilosophie in Gnaden bewahrt hat. Die Hörsäle der Universität habe ich nur als neugieriger Gymnasiast mit meinen Vettern einigemal besucht, fand mich aber schon damals durch die daselbst gehaltenen philosophischen Vorlesungen wenig angesprochen. Ein glücklicher Instinct drängte mich, bei der Wasserleitung vorüber bis zu den Quellen zu gehen; denn was ich suchte, war das Grosse, Bedeutende im Reiche des Gedankens, und ich wusste, dass alles Grosse selten, aber in der Wissenschaft glücklicherweise im Original zugänglich sei. Da ich das Glück hatte, dass mir alle persönlichen Beziehungen

zu den Kreisen der Professorenphilosophie zufällig verschlossen blieben, so gab es keine Versuchung für mich, welche mich von den Wegen, die mein Instinct mir vorzeichnete, hätte ablenken können.

Die Zunftphilosophie besteht nämlich einestheils in einer Philologie der philosophischen Classiker, wo, wie in aller Philologie die Buchstabenklauberei den Geist verdrängt, anderntheils in einer ameisenartigen Geschäftigkeit behufs Ausprobirung aller möglichen Permutationen und Combinationen der von Anderen gedachten Gedanken. Dieselbe denkt mit einem Wort nicht über das unmittelbar Gegebene, sondern sie denkt über die Gedanken, welche die Selbstdenker über das Gegebene gedacht haben, kritisirt dieselben, und kritisirt die Kritiken, welche ihre Vorgänger über die Kritiken der Kritiken dieser Originalgedanken geschrieben haben. Um seinen Vortrag über irgend ein specielles Gebiet, z. B. über Ethik oder Aesthetik zu halten, nimmt sich ein Professor ein halbes Dutzend Ethiken und Aesthetiken seiner Collegen vor, stellt daraus sein Collegienheft zusammen, und lässt es endlich als das siebente desselben Genres drucken. So wird die Professorenphilosophie durch die Anforderungen ihres Berufs unvermeidlich zu einer forcirten Systemmacherei gedrängt, welche natürlich bei dem Mangel eines neuen bahnbrechenden Grundprincips hinter den systematischen Schulformen nur den äusserlichsten Eklekticismus verbergen kann; sie wiegt sich aber in der Selbsttäuschung, so den höchsten Anforderungen genügt zu haben, und durch ihr Wissen um die Gedanken wahrer Philosophen, sowie durch ihre kritische Reflexion über dieselben diesen originalen Selbstdenkern überlegen zu sein. Lichtenberg sagt: „Unter den Gelehrten sind gemeiniglich diejenigen die grössten Verächter aller übrigen, die aus einer mühsamen Vergleichung unzähliger Schriftsteller endlich eine gewisse Meinung über einen Punkt festgesetzt haben". Und an einer andern Stelle: „Das viele Lesen ist dem Denken schädlich. Die grössten Denker, die mir vorgekommen sind, waren gerade unter allen Gelehrten die, welche am wenigsten gelesen hatten".

Dazu kommt, dass die Zunftphilosophie ihren Ursprung aus der Schülerbelehrung nicht verleugnen und den ihr daraus anhaftenden schulmeisterlichen Anstrich nicht abstreifen kann. Wenn sich das Wesen des Schulmeisterlichen in einem pedantischen Unfehlbarkeits

dünkel der unantastbaren Superiorität des Meisters gegen die Schüler ausspricht, welche dann, zur Gewohnheit geworden, auf das Verhalten zur ganzen übrigen Welt übertragen wird, so trifft dieses Merkmal kaum irgendwo in höherem Grade zu, als bei der Professorenphilosophie, widerspricht aber keinem Gegenstande so sehr, als der Natur der Philosophie, welche in dem freien, d. h. von keiner Pietät gegen irgendwelche Autorität beengten Denken besteht.

So kann die Professorenphilosophie in jeder Beziehung auf einen angehenden Selbstdenker nur erdrückend, verwirrend und kopfverderbend wirken, und es muss eine ganz eminente Begabung sein, welche, durch diese Schule gegangen, sich doch noch zum originellen Denken durcharbeitet. Jedenfalls wird auch ein solches Talent eine unverhältnissmässige Menge Kraft vergeuden müssen, um nur die Schädigungen wieder zu überwinden, welche es durch den an die Flügel seines himmelanstrebenden Geistes gehängten Ballast von scholastischem Krimskrams erlitten, und um seine Seele nur dem unmittelbaren und intuitiven Denken neu zu erschliessen. Darum preise ich mein Geschick, welches mir vergönnte, in jenen Lebensjahren, wo ich andernfalls dieser Danaidenarbeit hätte obliegen müssen, mit frischem, von keinem System befangenen Blick in das reale Leben und in die ideale Welt der Schönheit zu schauen, und mich so durch objective Anschauung zum intuitiven Denken reiferer Jahre vorzubereiten.

Den literarischen Niederschlag der Professorenphilosophie bildet jene massenhafte philosophische Literatur der lebenden Generation, welche mit der nächsten für immer vergessen ist. Ausser dem kleinen Kreise der Philosophieprofessoren und Docenten selbst würde sich um diese Literatur Niemand bekümmern, wenn nicht anerkennende Besprechungen in kritischen und literarischen Blättern gelegentlich einen Draussenstehenden zur Kenntnissnahme verleiteten. Diese Verführung wäre auch mir schwerlich erspart geblieben, wenn ich nicht in einer so hermetischen Abgeschlossenheit von der wissenschaftlichen Welt gelebt hätte, dass ich in meiner literarischen Unschuld nicht einmal eine Ahnung von der Existenz solcher Blätter hatte. Wenn ich jetzt wieder einmal einige unwiederbringliche Stunden auf das Durchblättern eines angepriesenen neuen philosophischen Werkes verschwendet habe, so sehne ich mich manchmal

nach jener idyllischen Unkenntniss zurück, die mir so viele Zeitvergeudung und Langeweile ersparte.

Mein Philosophiren war in jeder Beziehung ein rein monologisirendes, d. h. ich hatte unter meinen Freunden keinen, mit dem ich ein irgendwie philosophisch gefärbtes Gespräch führen konnte. Mein Vater liess mir zwar meinen Willen, erklärte sich aber von seinem realistischen Standpunkte entschieden gegen solchen Zeitverderb, und sprach bei meinem Ausscheiden aus dem Dienst unverhohlen sein Bedauern über meine nebulose Richtung und seinen Wunsch aus, dass ich greifbareren Gegenständen meine Studien und meine Befähigung zuwenden möchte. Der einzige, der meinem Denken Nahrung und Anregung gab, war ein bei meinen Eltern verkehrender Privatgelehrter, der auf Hegel und Schelling fusste, und nur ein dialektisches Denken im Hegel'schen Sinne als philosophisches Denken gelten liess. Er gab mir Hegel, Schelling, Schopenhauer, Kuno Fischer und manches Andere zu lesen, und hatte von meiner Knabenzeit an erheblichen Einfluss auf meine geistige Entwickelung. Da ich aber gegen seine Dialektik mich stets oppositionell verhielt, und er mein inductives Vorgehen nicht für Philosophie gelten liess, so entfernten wir uns nur umsomehr von einander, je selbstständiger und entschiedener mein Denken sich entwickelte. Dér bestrickende Reiz, in welchem ich durch ihn die dialektische Methode kennen lernte, wurde ein Hauptgrund, dass ich später im Sommer 1867 in Wiesbaden mit dieser formellen Seite des Hegelianismus eine gründliche Abrechnung in einer eigenen Schrift vornahm.

Bis zum Herbst 1864 war meine Lecture wie meine Schriftstellerei planlos und ohne gegenseitigen Zusammenhang gewesen; von da an, wo ich nach Aufgeben der Künste meine ganze Zeit der Philosophie widmete, trat ich in ein systematisches Studium der philosophischen Classiker ein, und bewältigte ausserdem mit Rücksicht auf die begonnene Arbeit eine grosse Masse naturwissenschaftlicher und psychologischer Literatur. Hier dienten mir zum Theil befreundete Mediciner als Rathgeber; insbesondere verdanke ich der Güte des Nestors der deutschen Psychiatriker, Geh. Medicinalrath Flemming, den ich im Bade kennen zu lernen das Glück hatte, die werthvollsten Fingerzeige und Hülfen. Im Uebrigen war ich auf die literarischen Verweisungen beschränkt, welche ich in den ge

lesenen Werken fand, und auf die zum Theil wie gerufen kommenden Funde, welche mir ein glücklicher Zufall in die Hände spielte. Ohne Zweifel hatte diese Beschränkung in den Hülfsmitteln ihre grossen Mängel, aber ich war mir dieser Mängel damals nicht bewusst, und fand später, dass sie auf den Inhalt meiner Arbeit keinen erheblich beeinträchtigenden Einfluss geübt hatten. Ich verliess mich wesentlich auf einen gewissen natürlichen Instinct betreffs der Unterscheidung bedeutender und unbedeutender Schriftsteller und betreffs der Sonderung des Bedeutenden von dem Unbedeutenden in den einzelnen Büchern, und bin hiermit, wie ich nachträglich wohl constatiren darf, leidlich gut gefahren, jedenfalls im Ganzen tausendmal besser, als wenn ich mich der Leitung eines Philosophieprofessors anvertraut hätte, wodurch mir freilich vieles erleichtert und manche unnütze Mühe erspart worden wäre.

Im Frühjahr 1865 gelangte ich bis Abschn. B. Cap. II, im Frühjahr 66 bis C. Cap. V, im April 1867 war das Werk vollendet. In den Sommern 65 und 66 lebte ich nur der Erholung und Zerstreuung, freilich auch der Lectüre, und im Herbst 66 verfasste ich, durch die Lecture Immermann's angeregt, in fünf Wochen das Drama,,Tristan und Isolde", ohne von den früheren dramatischen Bearbeitungen etwas zu wissen, und hauptsächlich in dem Wunsche, dass ein so prächtiger Tragödienstoff nicht unverwerthet bleibe. Wie zu meinem dicken philosophischen Manuscript der leise, so fehlte mir hier bei diesem Eintritt in den Dienst der tragischen Muse der laute Spott nicht.

Und doch war in der oben geschilderten Situation nur meine Fähigkeit und Kraft zur Objectivation meine Rettung vor geistigem Untergange gewesen. In ihr fand ich einen zunächst freilich rein innerlichen Beruf, und die höchste Befriedigung schöpferischer Thätigkeit, in ihr fand ich aber auch das Mittel, mich von demjenigen zu befreien, was unausgesprochen die Seele zernagt. Mit dem Pessimismuscapitel habe ich mir für immer den Weltschmerz als solchen vom Halse geschrieben und ihn in ein objectives affectloses Wissen vom Elend des Daseins geläutert, dadurch aber auch die ungetrübte Heiterkeit des im Aether des reinen Gedankens schwebenden, und von ihm aus die Welt und sein eigenes Leid wie ein fremdes Untersuchungsobject betrachtenden Philosophen mir zurückerobert. Dass der Schopenhauer'sche Pessimismus auch da be

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