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disputirten, so würden sie sich dadurch eben so wenig um ein Haarbreit näher kommen wie zwei Leute, die zu entgegengesetzten Seiten eines Grabens stehen; denn die ganze Streiterei dreht sich schliesslich nur noch um die einförmige Wiederholung der von jeder Seite für ihren Standpunkt vorgebrachten Beweise und die daraus abgeleitete Folgerung: ergo muss die entgegengesetzte Meinung unwahr sein." Soll in diesen ermüdenden Cirkel eine Abwechslung gebracht werden, so kann es nur durch Rückfall in die negative Polemik geschehen. Durch letztere zeigt jeder dem Anderen mit gleichem Recht, dass sein Princip in den Consequenzen sich in Aporien und Widersprüche verwickelt, und jeder meint mit gleichem Unrecht, dass die Widersprüche seines Princips nichts zu sagen hätten, dass die des gegnerischen aber demselben jede Wahrheit raubten.

Das Höchste, was die negative Polemik im Dienste der positiven leisten kann, ist, das Verhältniss des Reichthums oder der Armuth der gegnerischen Principien in Bezug auf ihre Fähigkeit der Erklärung der gegebenen Wirklichkeit zu zeigen; aber es wäre ganz verkehrt, aus dem Grade des Reichthums oder der Armuth, den ein Erklärungsprincip in seiner Isolirung besitzt, auf das ihm zukommende Maass von relativer Wahrheit schliessen zu wollen, welches erst aus dem Gewicht seiner Bedeutung in der Vereinigung mit den es ergänzenden Momenten der Wahrheit beurtheilt werden kann. (Man denke an Schopenhauers blinden Willen und Hegels logische Idee.) Diese Beurtheilung wird aber wiederum erst möglich, wenn der höhere Gesichtspunkt gefunden ist, aus welchem die entgegengesetzten und scheinbar einander widersprechenden Principien als zusammengehörige Momente der Einen Wahrheit erscheinen; sie ist also unmöglich, so lange die äusserliche positive Polemik der streitenden Principien nicht durch ein höheres Princip überwunden ist.

Wenn in Bezug auf Aufklärung über den inneren Zusammenhang der Behauptungen und Forderungen nichts mehr zu thun ist, aber der theoretische Streit bereits den Charakter der Leidenschaft (sei es zwischen Personen oder Parteien) angenommen hat, dann tritt ein Punkt ein, wo die Kämpfenden es nicht lassen können, die zum Ueberdruss gehörten Argumente stets von neuem zu wiederholen, und doch selber fühlen, dass die ermtidende Polemik unfruchtbar ist. Jeder Theil bildet sich ein, er müsste den anderen durch

V. Hartmann, Stud. u. Aufs.

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seine Argumente längst überzeugt haben, und findet doch, dass derselbe nur in seiner Meinung bestärkt worden ist. Dann taucht aus dem Bewusstsein, dass alle Argumente erschöpft und doch alle Polemik fruchtlos geblieben ist, die Einsicht auf, dass man einander gar nicht mehr verstehe, weil man von grundverschiedenen Voraussetzungen ausgeht. (Man denke an die parlamentarische Polemik des Ultramontanismus und Nationalliberalismus.) Hat der Streit dann eine praktische Bedeutung, so kommt er zunächst als Machtfrage zum Austrag; ist er aber rein theoretischer Natur, so führt die Ermüdung zur Abstumpfung und mit der Zeit zur Indifferenz. Es treten dann Interessen anderer Art zeitweilig in den Vordergrund und was früher Hauptsache war, erscheint nun von nebensächlicher Bedeutung.

In solchen Perioden polemischer Erschöpfung ruht gleichwohl das menschliche Geistesbedürfniss der allseitigen Orientirung nicht. Ohne die zuletzt mit einander ringenden Gegensätze in einem höheren Princip überwunden zu haben, geht doch das Gefühl für die Schärfe derselben verloren. Es wird die systematische Strenge des organischen Zusammenhanges bei Seite gelassen und von den Gegnern hie und da etwas aufgenommen, was plausibel scheint. Das „Plausible" wird zum Richtmass des Wahren und der gesunde Menschenverstand aicht die Masse an Stelle des systematischen wissenschaftlichen Denkens. Die hie und da aufgelesenen Brocken werden zusammengesetzt, und da sie entgegengesetzten Standpunkten angehören und ihre Nebeneinanderstellung somit Widersprüche involvirt, so werden sie wenigstens so gruppirt, dass die Widersprüche, die in ihnen liegen, möglichst wenig zu Tage treten und in die Augen springen. Da der Zusammenstellung ein einheitliches Grundprincip und ein systematischer Zusammenhang fehlt, so kann sie nur ein unorganisches Aggregat liefern und das bunt zusammengewürfelte Mosaik kann nur durch den „Geschmack" des Ordnenden den Schein eines leidlich zusammenstimmenden Ganzen erlangen. Die Mängel der begrifflichen Einheit und die in den Einzelheiten lauernden Widersprüche werden durch formelle Darstellungsgewandtheit übertüncht und durch schönrednerische Phrasen verkleistert, und die Vielseitigkeit der Detailkenntnisse und die Belesenheit in den Meinungen Anderer ermöglicht es, mit reicher Bildung" zu prunken. Diese Gebildetheit muss die Wissenschaftlichkeit in den Augen der Menge ersetzen,

der Geschmack der schönrednerischen Behandlung lockt sie an, und der Massstab der Plausibilität bürgt dafür, dass das Gebotene ihrem Gaumen mundrecht sei, während ihre Unfähigkeit zu eigener scharfer Beurtheilung die zusammengepfropften Widersprüche vor Entlarvung schützt. Kein Wunder daher, dass der Eklekticismus sich des besten Ansehens bei ihr erfreut; nur schade, dass er jedes wissenschaftlichen Werthes baar ist und die Probleme mit Phrasen vertuscht, anstatt sie zu klären und zu vertiefen.

Das wissenschaftliche Gewissen kann sich denn auch bei dem Eklekticismus nicht beruhigen, der nur lauen und flauen Gemüthern genügt und behagt; es wird an der Möglichkeit, irgend welche Wahrheit zu erreichen, zweifelhaft und gelangt so zum Skepticismus. Dieser hat offenbar ein leichteres Spiel als der Eklekticismus, denn er kann es sehr wohl mit einander vereinen, überall Unwahrheit zu finden, während letzterer gern überall Wahrheit finden möchte, ohne doch die Gegensätze durch Synthese überwinden zu können. Tritt der Eklekticismus anziehend und geschmackvoll auf, so der Skepticismus blendend und pikant; denn es ist eine ganz dankbare Rolle, den Geist zu spielen, der stets verneint, und erfordert nicht viel mehr als eine Vereinigung von etwas Schul- und Mutterwitz. Der Skepticismus ist auch in seinem vollen wissenschaftlichen Recht, so lange er es entweder mit naiv sinnengläubigem Dogmatismus oder mit krankhaft abergläubischem Mysticismus oder mit apriorischen und dialektischen Constructionsphantasien bodenloser Speculation zu thun hat; er wird für immer seine Bedeutung behalten, so lange es gilt, die gleichviel in welcher Gestalt auftretende Einbildung eines absoluten Wissens in ihre Schranken zurückzuweisen. Aber er verstösst gegen sein eigenes Princip der Unwissenheit, wenn er selbst dogmatisch wird und sich anmasst, die Unmöglichkeit der Erkenntniss behaupten oder beweisen, oder auch nur a priori dem menschlichen Erkennen gewisse unüberschreitbare Schranken ziehen zu wollen. Der inductiven Methode gegenüber, welche von dem Gegebenen und dem menschlichen Erklärungsbedürfniss ausgeht und alle ihre Resultate nur als wahrscheinliche (keineswegs gewisse) ausgiebt, ist der Skepticismus schlechterdings machtlos und rechtlos. Er beruht auf der Voraussetzung, dass es eine Prellerei der Natur gewesen sei, als sie dem Menschen den unaustilgbaren Trieb zum Erkennen in die Brust gelegt und ihm

die Möglichkeit der befriedigenden Bethätigung versagt habe; zugleich aber bethätigt die skeptische Philosophie selbst die Erkenntnissfunction, welche sie anzweifelt. So lässt mit Recht die Menschheit sich nicht abspeisen, sie hegt ein besseres Vertrauen in die naturbestimmte Harmonie ihrer Triebe und Bethätigungsmöglichkeiten und widerlegt durch die Thatsache ihrer fortschreitenden Entwickelung in der Erkenntniss der Wahrheit den Skepticismus sogar auf empirischem Wege.

In der That giebt es auch gar keinen reinen Skepticismus ; wie streng er sich geberde, so lässt er doch immer gewisse Wahrheiten gelten, insbesondere solche, die so plausibel sind, dass er sich zu compromittiren fürchten müsste, wenn er sie antasten wollte. Indem er aber so gelten lässt, was hinlänglich plausibel scheint, um Geltung beanspruchen zu dürfen, thut der Skepticismus nichts Anderes, als mit dem Eklekticismus pactiren. Letzterer wiederum, weil er selbst eines principiellen Standpunktes entbehrt und sein Mengelmuss gern für ein Eines und Ganzes ausgeben möchte, ist schlecht zu sprechen auf alle Principien als solche, und macht eine Anleihe beim Skepticismus, um sich skeptisch gegen alles Principielle verhalten zu dürfen und seine Principienlosigkeit für die wahre Weisheit ausgeben zu können. Da der Eklekticismus seine Brocken überall her zusammenliest, so gehört es ja recht eigentlich zu seinem Geschäft, auch vom Skepticismus etwas in sich aufzunehmen.

So fliessen denn die Grenzen des eklektischen Skepticismus und des skeptischen Eklekticismus unmerklich in einander über und diese Bastarde vereinigen wie die Mestizen die üblen Eigenschaften ihrer Eltern: die oberflächliche Gebildetheit und phrasenhafte Eleganz des Einen und die hochmüthige Suffisance und superkluge Impotenz des naseweisen Absprechens über Alles und Jedes von Seiten des Andern. Mit Allem ausgerüstet, um das urtheilslose Publikum anzulocken und zu blenden, sind sie doch blosse Schmeissfliegen, die die productiven Blüthen der Wissenschaft bewerfen, ohne auch nur, wie die Honig stehlenden Insecten, zu ihrer Befruchtung irgend etwas durch unfreiwillige Impulse und Friction beizutragen. Aus ihnen hauptsächlich recrutiren sich jene oben gezeichneten Strauchritter der negativen Polemik, welche mit ihrer armseligen Kunst schulgerechter Klopffechterei das Handwerk des kritischen Wegelagerers treiben, um durch Ueberfallen und Zerzausen der friedlichen Arbeiter im

Dienste der Wissenschaft wohlfeile Lorbeeren zu ernten. Man findet dieses Völkchen eben so wohl unter den catilinarischen Existenzen der Presse als unter den Zöpfen der wohlehrwürdigen Kathederweisheit vertreten; die gemeinschädlichsten Exemplare dieser Species sind aber jene, welche den schulmeisterlichen Unfehlbarkeitsdünkel des Lehramtes mit dem routinirten savoir faire der Journalistik verbinden und dem Publikum die Genugthuung gewähren, sich bei ihrer amtlich beglaubigten Autorität beruhigt fühlen zu dürfen, während es ihre leichtverdaulich und schmackhaft zubereitete Kost verzehrt. Die Polemik solcher Kritiker ist in der Hauptsache rein negativ; aber wenn sie irgendwo etwas in der zu bekämpfenden Sache finden, was einer plausiblen Trivialität vor den Kopf stösst, so lassen sie es sich sicherlich nicht nehmen, dies als vernichtende positive Kritik geltend zu machen. Dabei sind sie unbekümmert darum, ob die so an verschiedenen Stellen benützten Massstäbe mit einander vereinbar sind oder nicht, wenn nur jeder einzelne Coup vom Publikum applaudirt wird. Den Principien gegenüber setzen sie sich allemal auf das hohe Pferd eines vornehmen und blasirten Skepticismus, der bei einem blasirten Publikum seiner Wirkung stets eben so sicher ist wie die plausible Trivialität. Um aber die Dürftigkeit und Haltlosigkeit ihres theoretischen Standpunktes würdevoll zu verhüllen, drapiren sie sich in den Parademantel der Gesinnungstüchtigkeit, während es doch letzten Endes keine schlimmere und gefährlichere Gesinnungslosigkeit bei gebildeten Geistern giebt, als die aus der Principienlosigkeit mit unerbittlicher Nothwendigkeit folgt.

Eklekticismus und Skepticismus haben sich uns in gleicher Weise als unfähig erwiesen, die Aufgabe zu lösen, welche durch die positive Polemik feindlicher Gegensätze präcisirt war: die positive Ueberwindung des Gegensatzes. Beide gehören dem Verfall an und können als dessen sichere Symptome gelten, mögen sie nun die Signatur ganzer Perioden bilden oder mögen sie nur die wissenschaftliche Verkommenheit gewisser Kreise des geistigen Lebens anzeigen. Wir müssen uns also nach anderen Mitteln umsehen, welche den Fortschritt der Wissenschaft bewirken.

Die negative Kritik musste fruchtlos bleiben, weil sie rein formell und inhaltsleer war, die äusserliche positive Kritik musste ihre Absicht verfehlen, weil sie einen fremden, inadaquaten Massstab herzubrachte, und führte zu ganz anderen Zielen, als sie sich

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