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grade Gegenteil eines weibischen Schwachmatikus von zaghafter Biegsamkeit und Schmiegsamkeit war, wie die KirchenKarikatur ihn zeigt. Das Phlegma ist nicht das Phlegma demütiger Ergebung,,,Sanftmut",,,Lindigkeit" u. s. w., sondern grade umgekehrt, das Phlegma stolzen Trotzes, das Phlegma passiven Widerstandes, das Phlegma des heiligen Schweigers, der es mit Recht für unter seiner Würde hält, auf neugierige Fragen überhaupt zu antworten, aber auch mit der absoluten Gerechtigkeit des Heiligen die landesherrliche Autorität respektiert und deshalb ausdrückliche Zurückweisung der Fragen seines Fürsten taktvoll unterläßt. Es muß eine Situation gewesen sein, wie sie Seiner Königlichen Hoheit noch nicht vorgekommen war, als der Vizekönig mit nervöser Lebhaftigkeit Fragen auf Fragen stellte, ohne Antwort zu bekommen: Nun, antworten Sie mir doch endlich einmal! Aber Jeschuah,,antwortete ihm kein Wort"! Wir sehen hier einen wahrhaft ,,großen Schweiger". Während sicher der Oranier und Moltke als große Schweiger und Musterphlegmatiker viele Unterlassungssünden begangen und nicht immer Gold, sondern auch oft minderwertige Metalle durch ihr Schweigen geschaffen haben, war Jeschuah's Schweigen ein absolut gerechtes es war wahrhaft „Gold", Golderz, ein ehernes Schweigen von Gold! Hier wie bei der Vernehmung vor Pilatus. Zwei Mal betont Mathaeus das eisige Schweigen des großen Angeklagten mit stärkstem Nachdruck: οὐδὲν (nicht blo: οὐ), πρὸς οὐδὲ ἓν Qua! Es ist ein klassisches Beispiel passiven Wortwiderstandes von eiserner Festigkeit, einer Obstruktion von heiliger Gerechtigkeit! Kein Wort der Kritik, kein Wort der Opposition, kein Wort der Auflehnung oder gar der Beleidigung gegen die Obrigkeit, der der absolut Gerechte formellen Gehorsam nicht weigern wollte und durfte, aber auch kein Wort, durch das er die Pflichten der Gerechtigkeit gegen sich selbst verletzt haben würde. Stolz und stark schwieg er, nicht wie eine alte Betschwester, die sanftmütig allen Klatsch über sich ruhig erträgt, weil sie sich Schlaf und Verdauung nicht durch Auseinandersetzungen stören lassen will, sondern wie ein ,,Turm in der Schlacht", der unbeweglich bleibt, wie ein Montblanc, der

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unerschüttert allen Stürmen, die ihn umwehen, trotzt es ist ein Schweigen von eisiger Kälte und eiserner Härte und doch ohne alle Finsternis nicht wie Muncacsy auf seinem berühmten Bilde: Christus vor Pilatus es darstellte, sondern eher dem kalten, klaren Schweigen des Mondes in einer sternklaren, stürmischen Nacht vergleichbar, deren Stürme ihn nicht berühren, und deren Dunkel er sogar noch erleuchtet.

c) Der heilige Melancholiker.

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allein diese

Jeschuah war oft und tief melancholisch melancholische Stimmung blieb immer im Hintergrund, die melancholische Ader war nicht seine stärkste ,,Schlagader" wie bei einem weinerlichen Pietisten, bei dem sie fast so stark entwickelt ist, wie körperlich die Lungenschlagader, und der da wähnt, auch der Herr Jesus sei in der Regel mit der Miene eines Leichenbitters, eines Dominikanermönchs, oder etwa des Generalsuperintendenten Braun, oder des OberkirchenratsVizepräsidenten von der Goltz einhergewandelt.

Auch die Tränen, die er öfter vergoß, so beim Tode seines Freundes Lazarus (Joh. 11, 35: dánovoev [nur an dieser Stelle]: er vergoß Tränen, nicht bloß: giengen ihm die Augen über, wie Luther übersetzt) waren ,,kostbar" und jedenfalls relativ sehr,,rar", Ausnahmetränen, nicht Alltagstränen eines rührseligen Pietisten; ,,siehe, wie muß er ihn geliebt haben", sagen die Juden beim Anblick jener Tränen (v. 36). Der berühmte Berliner Frei-Geistliche (allerdings alles andere als ein freier Geist!) Tränen-Schulze hat einmal über die Tränen Christi" eine Predigt gehalten und davon seinen Namen erhalten. Ich bin froh, daß ich sie nicht gehört oder gelesen habe. Denn der weinerliche, pietistische Kanzelton, unter dem ich bei anderen Predigten dieses merkwürdigen Mannes litt, der sich für eine große ,,Latüchte" hielt, in Wahrheit aber ein Irrlicht am Berliner Kirchenhimmel war, läßt mich befürchten, daß er auch bei dem heiligen Melancholiker eine ähnliche Permanenz-Weinerlichkeit voraussetzte, wie der Hirt Georg Wilhelm Schulze selber sie vor seiner Heerde an den Tag legte ,,nach seinem Bilde schafft der Mensch sich seine

Götter".

Nein! Die Tränen Jeschuah's waren nicht,,billig wie Brombeeren", es waren Perlen, die in den Meerestiefen seiner Seele ruhten und nur schwer und selten zu finden waren. Und außer dem Schmerz und der Trauer des Herzens war auch der Zorn nur zu oft die Quelle seiner Tränen und melancholischen Stimmungen. Wenn Lucas (19, 41-44) uns berichtet, daß er über Jerusalem,,weinte", so waren es nicht bloß Trauertränen, sondern auch Tränen des Zornes über den unfrommen Geist der Stadt. Und es ist für den Kenner der feinen, tief esoterischen, evangelistischen Systematik kein,,Zufall", daß der Evangelist unmittelbar darauf (45 fgg.) die Austreibung der Händler aus dem Tempel berichtet.

Den Seelenkampf des gewaltigen Dulders in Gethsemane schildert uns Lucas am erschütterndsten (22, 39 fgg.). Während Mathaeus und Marcus uns nur seine ,,Betrübnis bis zum Tode" und sein melancholisches Gebet (Math. 26, 38, 39) schildern, malt Lucas, der Maler, den mächtigsten Seelenkampf, den je ein Mensch durchlebte, mehr aus: „Und er geriet in einen Zustand der Agonie und betete krampfhaft. Und sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die auf die Erde fielen" (v. 44) ein Vorgang, an dessen Realität auch nicht der leiseste Zweifel bestehen kann, der aber andererseits auch beweist, wie heroisch er gegen die tiefste Melancholie seines Lebens ankämpfte, wie sehr er ihrer Herr zu werden suchte bis zum „Blutschwitzen". Und er, der noch am Kreuze so viel Liebe, Kraft und Heiterkeit der Seele besaß, wichtige Familiengeschäfte zu erledigen: die Begründung des Adoptivverhältnisses zwischen Maria und Johannes (Joh. 19, 26, 27, das dritte,,Wort am Kreuz"), als unvergleichlicher Seelsorger dem reuigen Verbrecher, der neben ihm hing, Trost und Sündenvergebung zu künden: „,Wahrhaftig, ich sage Dir, heute wirst Du mit mir im Paradiese sein" (Luc. 23, 43, das zweite ,,Wort am Kreuz"), er bietet wahrlich paganisierenden Theosophen, die den interessanten griechischen Popularphilosophen, der noch, nachdem er den Giftbecher getrunken, an das schuldige Hahn-Opfer für Äskulap erinnerte, auf eine Stufe mit Jeschuah zu stellen wagen, ein unvergleichlich herrlicheres Beispiel von Kraft und Festigkeit der Seele,

als Sokrates dort eine Mutter, die am Kaiserschnitt stirbt, und mit zerrissenem Leibe noch von Liebe, Liebessorgen und Liebestaten für ihre guten und ihre bösen Kinder überströmt, hier ein allerdings tapferer, aber eitler Schauspieler, der auf dem Totenbett mit interessantem Phlegma noch Dispositionen für sein eigenes Begräbnis trifft.

Unsere weinerlichen Pietisten, die gleich melancholisch flennen, ein,,Kreuz zu tragen" haben, wenn ihre Hühneraugen bei Witterungswechsel etwas stärker jucken, elegisch über die ,,schwere Hand Gottes" seufzen, wenn die Gelder für ein Missionswerk spärlich fließen, oder sich wie ein altes Weib unter Kopfschmerzen ins Bett legen müssen, wenn ein 90jähriger väterlicher Freund nach langem Leiden stirbt, sie mögen sich gesagt sein lassen, daß Jeschuah's, dieses Heros am Kreuz, melancholische Stimmungen immer nur Episoden von heiliger Trauer oder Schmerzempfindung waren, die er als Held mit zusammengebissenen Zähnen ertrug, bis zum ,,Blutschwitzen". Es war nicht Gewölk, das dauernd die Sonne verhüllen konnte, sondern nur unmittelbar von Menschen erzeugter Fabrikrauch, durch den seine sonnige Seele nur minutenlang verfinstert wurde. Seine Grundstimmung war er war eine durchaus antimelancholische Natur, und der Humor bei ihm (ein Thema für eine besondere Studie) so reich entwickelt, daß Shakespeare aus ihm den Humor seiner sämtlichen psychologischen Meisterwerke hätte bestreiten können aber Shakespeares Humor war nicht immer gerecht und rein, der Jeschuah's dagegen immer heilig, gerecht und ebenso auch sein ausnahmsweise Humorlosigkeit, seine heilige Melancholie.

heiter und froh

2. Jeschuah's jüdischer Geist.

a) Der Encyklopädist.

Leibnitz, in dem ich den universellsten Geist ehre, den das deutsche Volk hervorgebracht hat, würde von Jeschuah an encyklopädischer Universalität nicht erreicht, sondern übertroffen worden sein. Alle Gebiete der Wissenschaft beherrschte er absolut, extensiv und intensiv. Er war allen Problemen im

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vollen Wortsinn gewachsen er stand über ihnen, er verstand sie nicht bloß, er löste sie. Die Kirche karikiert ihn als leidlich klugen Erbauungsphilister, dessen geistige Kraft nicht allzuweit hinausreichte über jene triviale Alltagsklugheit eines wortreichen Damenpastors, der in einem Bibelkränzchen vor einem halben Dutzend alter Jungfern sein Licht leuchten läßt, in scholastisch bombastischer Breite einfache Wahrheiten ,,Vorträgt und das kleine Einmaleins mit einer Umständlichkeit behandelt, als sei es die Geometrie eines Euklid oder die Differentialrechnung eines Leibnitz. Etwa so, wie in dem bekannten Erbauungsbuch: Arndt, Schatzkästlein vom wahren Christentum, steht er vor den Augen der Christenheit". Und das Kirchenlied alter und neuer Zeit, diese gefährliche Sirene auf der Odysseusfahrt eines umherirrenden Gottsuchers, mit seiner flötenden säuselnden Lyrik vom lieben ,,Jesulein", vom ‚Herzens-Jesus“,,,Einzig Geliebter, Du Wonne", von ,,Christi Einfaltsinn“, „Ach, mein Jesu“, „Jesu, meines Herzens Weide“, ,,O, Jesu, liebster Schatz" etc., unter Begleitung der süßlichschwülen, wie Opium wirkenden Orgelmusik, es überträgt die Karikaturtechnik aus dem literarischen ins poetische und musikalische! Ich werde das deutsche Kirchenlied, dessen Sirenenklängen ich auf meiner zwölfjährigen Irrfahrt durch die Kirche leider ohne das nötige Odysseus-Wachs des Mißtrauens im Ohr lauschte, in einer besonderen Studie der gebührenden theologischen Kritik unterziehen; und wenn Ihre Majestät die Kaiserin meine Kritik einer ähnlichen Antikritik unterziehen sollte, wie vor einigen Jahren die berechtigt spöttische Bezugnahme des Stadtverordneten Preuß auf das bekannte GerhardtLied, so würde ich sie mit gebührender Ehrerbietung an das 1. Gebot erinnern und betonen müssen, daß das deutsche Kirchenlied mit nichten ein anbetungswürdiges Heiligtum, sondern äußerst mangelhaftes Menschenwerk ist, kein papierener Papst, sondern ein Stück formell vielfach formvollendeter, inhaltlich aber größtenteils höchst gefährlicher deutscher Literatur. Einstweilen verweise ich besonders auf die lyrische Erbauungsphraseologie vom liebsten Schatz Jesu

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