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in Abschnitt XIX des Brandenburgischen Provinzialgesangbuchs hin (insbes. 364, 371, 379, 381, 392, 393, 400).

,,Nahezu als ausgemacht wird es angesehen, daß Jesu Autorität sich nicht beziehe auf die Gebiete, die sich die weltliche Wissenschaft zu ihrer Domäne ausersehen“, so resumiert ein vielbelesener jüngerer Kirchenscholastiker das herrschende theologische Urteil über Jesu geistigen Horizont und unternimmt dann den rührend naiven Versuch, durch den Hinweis auf den Rat zum Tagesfischzug (!) an Petrus, Luc. 5, 5, den gewaltigsten Encyklopädisten aller Zeiten zu „retten" weil er etwas von Fischerei verstand!! (Kausch,,,Wort und Geist", S. 201.) Und der berühmte theosophische Apologet Bettex, dessen Bücher ich im übrigen zu den wenigen erfreulichen Erscheinungen des kirchlichen Geisteslebens der Gegenwart rechne, zeichnet ihn in einer seiner kleineren Schriften folgendermaßen:,,geht vorzugsweise mit Seinesgleichen (!), mit Arbeitern (), Fischern (!), auch mit Bettlern und sonstigen verachteten Leuten um" (Bettex, „Was dünkt Dich von Christo", S. 8; ähnlich der Vaudeville-Häckel,,Welträtsel", S. 360).

Ein Encyklopädist war er, der Leibnitz und Diderot, Aristoteles und Kohler, Albertus Magnus und Baco von Verulam, Solon und Napoléon an Weite und Tiefe des Geistes überstrahlte, wie die Sonne die Sterne erster Größe, ein Universalgenie, das auf allen Gebieten mit souveräner Meisterschaft herrschte. Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube", wird mir mancher Mann, zumal mancher moderne Jude einwenden, besonders ein solcher, der selber Encyklopädist ist, aber Jeschuah nicht kennt: etwa ein Mann, wie Max Nordau, in dem ich eine der stolzesten geistigen Zierden des jüdischen Volkes der Gegenwart ehre.

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Unter den zahllosen Lehrreden und Weisheitssprüchen (im Sinne des Schlußsatzes, mit dem der herrliche Johannes sein Evangelium endet, nehme ich an, daß er in Wirklichkeit etwa 1000 Mal mehr geredet hat, als uns in den Evangelien überliefert ist, deren Bericht ich als einen protokollarischen Auszug im Maßstab von 1: 1000 taxiere), unter den Tausenden Reden, die er während seiner zweijährigen Geistesregierung gehalten

(täglich mehrere), ist eine besonders herrliche Gruppe, die geradezu als der locus classicus gelten kann, an denen sich seine encyklopädistische Allseitigkeit erweist, seine souveräne Meisterschaft der ,,Stoff beherrschung", wie die heutige Wissenschaft sagt: das sind die Parabeln. Der berühmte Kirchenscholastiker Steinmeyer hat ein ganzes Buch über die Parabeln geschrieben, und was für eins! Ein Buch, das dem Bericht eines Kindes gleicht, welches geschwätzig erzählt, daß es auf einen Spaziergang viele, o so viele Kiefern, Tannen, Buchen und Birken nahe beieinander stehen gesehen habe, aber dann auf die Frage, was denn das Ganze gewesen sei, mit offenem Mündchen schweigt. Sein Kollege Jülicher in Marburg hat schon mehrere Bände über die Gleichnisse zusammengeschrieben und einer soll noch zu befürchten sein, der ebenso abstraktionsunfähig sein wird, wie die anderen. Der wackere Kirchengelehrte Stier, der sechs nicht wertlose Bände über die Reden Jesu" veröffentlicht hat, hat es nicht für nötig gehalten, einmal die Parabeln sub specie scientifica zu betrachten. Keiner scheint geahnt zu haben, daß in den Gleichnissen ein GedankenMaterial verarbeitet ist, welches zu Habilitationsreden für sämtliche Fakultäten ausreichen würde.

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Daß Jeschuah in allen ethisch-religiösen Fragen, daß er als Theologe Autorität war, das erkennt und lehrt die Kirche. Aber blind scheint sie zu sein für die Schätze von Weisheit, Wissen und Erkenntnis auf allen anderen Wissensgebieten, die grade in diesen mehreren Dutzend herrlichen Gleichnisreden verarbeitet sind allerdings etwa so wie in einer Brüsseler Spitze oder einem feinen Präzisionsinstrument (qualitativ) mehr Arbeit steckt, als in einem ganzen Kleidermagazin oder in einer Ausstellung landwirtschaftlicher Maschinen, oder in einer komplizierten kleinen Uhr mehr als in einer laut klappernden Mühle oder Dreschmaschine. In der Tat verhält sich das Wortgeklapper aller Kirchenväter und Kirchengelehrten vom 2. bis 20. Jahrhundert im Vergleich zu den herrlichen, mit komplizierter Feinheit und absoluter Präzision konstruierten Lehrreden Jeschuah's ähnlich, wie eine Mühle zu einer Normaluhr.

Mit welcher Meisterschaft die Naturwissenschaften, die Landwirtschaft, die Chemie, insbesondere die Agrikulturchemie, die Botanik, die Zoologie, sei es Ornithologie oder Ichthyologie, in den herrlichen Parabeln vom Acker, guten Samen und Unkraut (Math. 13, 24 fgg.), vom Senfkorn (Math. 13, 31 fgg., die fachmännische Feinheit grade dieses Gleichnisses wird wohl Geheimrat Engeler vom Berliner Botanischen Garten gerne attestieren), vom Sauerteig (Math, 13, 33), vom Netz ins Meer (Math. 13, 47) u. s. w. verarbeitet sind, darauf kann hier nur summarisch hingewiesen werden; bewiesen im Detail kann sie nur in einem besonderen Buche werden. Die Medizin und speziell die Chirurgie ist in dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter verarbeitet. Grade die ärztliche Meisterschaft Jeschuah's offenbarte sich allerdings weniger in der Theorie als in der Praxis in den ohne Beispiel dastehenden ,,Kuren" bezw. Krankenheilungen, die er erzielte. Die Soziologie steckt in nuce in den beiden Gleichnissen vom verlorenen Sohn und vom armen Lazarus. Welch ein Meer praktischer Sozialpolitik birgt grade das herrliche Gleichnis vom armen Lazarus und vom reichen Mann, welches uns einen gerechten ,,Kladderadatsch", einen Sturz des unbarmherzigen Protzen und eine Erhöhung des Proletariers ohne Gleichen zeigt; selbst Bebel würde den Erzähler dieses mysteriösen Vorgangs als Meister der Sozialpolitik ehren. Ich sage: Erzähler, nicht: Erfinder. Denn grade bei diesem herrlichen und vielleicht berühmtesten Gleichnis sei daran erinnert, daß sämtlichen Parabeln, die Jeschuah erzählte, tatsächliche Geschehnisse zu grunde lagen. Er war kein Märchenerzähler, er, die personifizierte Wahrheit. Wenn er sagte: es war! dann ist es nicht das: es war einmal! des Märchens, sondern des historischen Berichterstatters. Und auch hier zeigt sich seine universale Meisterschaft von einer neuen Seite, indem er aus dem Schatze seiner Erfahrung und seines historischen Wissens grade die typischen Lehrfälle mit sicherster Hand herauszugreifen verstand. Jeder, der akademischen Unterricht genossen oder gar selbst welchen erteilt hat, weiß, daß das Lehrtalent des Dozenten sich vielleicht am klarsten in der Kon

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struktion der Beispiele und „Fälle“ offenbart, in der Medizin nicht minder als in der praktischen Theologie, in der Historiographie wie in der Jurisprudenz. Und auch die Schwierigkeiten sind hier die größten. Die ,,Fälle" aus allen Wissenschaftsgebieten, die Jeschuah mit universalem, weithinschauendem und in die Tiefen der Dinge eindringendem Auge suchte, sammelte und erzählte vor seinen Jüngern, vor dem Volke, vor den Professoren und Pfaffen, das sind Musterbeispiele, die den encyklopädisch geschulten Meister, den großen Polyhistor verraten. Die Rechts- und Staatswissenschaften (eine bisher von der Scholastik ebenfalls ganz übersehene Tatsache) sind in den Gleichnissen von der richtenden Gerechtigkeit fast vorzugsweise verarbeitet. In diesen Justizparabeln und auch in ähnlichen, in denen nationalökonomische Fragen berührt werden, zeigt sich eine Meisterschaft, den Rechtsstoff in kurzen Fällen zu demonstrieren, wie sie selbst ein Ihering nicht erreicht hat. Nachdrücklich will ich darauf hinweisen, daß grade das nüchternste „praktischste" Gebiet der Jurisprudenz, das Vermögensrecht und speziell das Obligationenrecht mit absoluter Fehlerlosigkeit vom Gleichniserzähler gehandhabt wurde. Zwei Beispiele statt vieler. Das herrliche, unerschöpfliche Gleichnis vom verlorenen Sohn (Luc. 15) beginnt in lapidarer Kürze: ,,Ein gewisser Mensch hatte zwei Söhne. Und der Jüngere von beiden sprach zum Vater: Vater, gib mir den Vermögensanteil, der mir zukommt. Und jener verteilte das Kapital unter sie" (15, 11, 12; der Unterschied der Worte ovoia und Biog ist natürlich vom ledernen Luther gänzlich verwischt worden). Jeschuah erzählt den Vorgang, der vielleicht schon vor Jahrhunderten einmal im Volke sich ereignet hatte, so knapp wie nur möglich mit klassischer Kürze. Und daß er uns weise von vornherein zeigt, wovon der Sohn, der den Vater verläßt, in der Fremde lebe, versteht sich von vornherein von selbst. Aber mit welcher Klarheit und präzisen Schärfe, die selbst einen Berufsnotar befriedigen würde, stellt er uns in der Einleitung in wenigen Worten die Rechtslage dar. Es war eine Erbschaft da, vielleicht von der vorstorbenen Mutter o. a; der Vater hatte bisher mit den Söhnen im ,,Gesamtgut"

gelebt; nun vor der Übersiedelung ins Ausland stellt der Jüngere den Antrag auf Erbschaftsteilung; der Vater beschränkt die Teilung aber auf das bewegliche Vermögen (Bios), und aus Gerechtigkeit bietet er nun auch dem Älteren die Auszahlung seines Anteils an, die dieser auch angenommen zu haben scheint (avτois). Am Schluß der ergreifenden Erzählung (in kaum zwei Dutzend Sätzen eine ganze Familientragödie!) wird wieder nur durch einen einzigen, sozusagen nur durch einen halben Satz, die vermögensrechtliche Lage, so wie sie in der Abwesenheit des Jüngeren sich gestaltet hat, beleuchtet. Zum Älteren sagt der Vater:,,Mein ganzes Vermögen (лάvτα) ist Dein!" Der Ältere war der Sozius des Vaters und zum Universalerben eingesetzt worden, unter Enterbung des Jüngeren.

Das zweite Beispiel zum Beweise, daß Jeschuah vom Recht der Schuldverhältnisse so viel verstand wie ein Pandektist, sei das vom,,Schalksknecht", wie Luther ledern übersetzt, vom bösen Knecht (Math. 18, 23-35). Ein Mensch und König erläßt einem notleidenden, ihm verschuldeten Knecht seine Schuld: remissio debiti. Der Knecht aber übt nicht die gleiche Nachsicht gegen einen ihm verschuldeten Mitknecht, der ihm 100 Francs schuldet, sondern geht im Wege der Zwangsvollstreckung gegen ihn vor. Der Kollege teilt dies klagend dem Könige mit: „,und sein Herr ward zornig und übergab ihn den Exekutionsbeamten, bis daß er seine ganze Schuld an ihn entrichtet haben würde." Aber wie?! die Schuld war doch erlassen! hier ist dem Großen doch ein Schnitzer passiert! Gemach! Wer ist denn der Gläubiger? „Ein Mensch und König“, voшños Baõikεús. Niemals fügt er sonst: Mensch zu: König hinzu; das Königtum war auch hier an sich Nebensache, daher zunächst: Mensch. Aber ohne den Zusatz wäre die Erzählung juristisch anfechtbar gewesen, mit ihm nicht. Rex legibus solutus! Das galt nach orientalischem Recht noch mehr als nach Pandektenrecht. Als König konnte er das Schuldverhältnis, das er selbst schon aufgehoben, wiederherstellen! Und die innere, ethische Gerechtigkeit, die etwa unter ähnlichem Gesichtspunkt zu rechtfertigen war, wie eine revocatio donationis wegen Undank, oder eine gerechte Geld

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