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Ach, wüßtest du, wie's Fischlein 1) ist
So wohlig auf dem Grund,
Du stiegst herunter wie du bist
Und würdest erst gesund.

Labt sich die liebe Sonne nicht,
Der Mond sich nicht im Meer?
Kehrt wellenathmend ihr Gesicht
Nicht doppelt schöner her?

Lockt dich der tiefe Himmel nicht,

Das feuchtverklärte Blau?

Lockt dich dein eigen Angesicht

Nicht her in ew'gen Thau?

Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,

Neßt ihm den nackten Fuß;

Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll,

Wie bei der Liebsten Gruß.

Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
Da war's um ihn geschehn;

Halb zog sie ihn, halb sank er hin,
Und ward nicht mehr gesehn.

Der König in Chule.")

Es war ein König in Thule,
Gar treu bis an das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
Einen goldnen Becher gab.

Es ging ihm nichts darüber,
Er leert' ihn jeden Schmaus; 3)
Die Augen gingen ihm über,
So oft er trank daraus.

1) Dativ. 2) Im September 1774 zum Fauft gedichtet. Die erste Fassung des Gedichtes, welche 1792 in Seckendorffs dritter Sammlung „Volks- und andre Lieder" mit der Ueberschrift: „Der König von Thule“ und der Zusay: „Aus Göthens D. Faust." erschien, enthält manche Abweichungen. So lautet die erste Strophe:

Es war ein König in Tule,
Einen goldnen Becher er hätt'
Empfangen von seiner Buhle
Auf ihrem Todesbett.

Ultima Tule hieß bei den Alten eine fabelhafte Insel, welche im nordwest=

lichen Meer an der äußersten Grenze der bekannten Erde liegen sollte.

3) Früher:

Den Becher hätt' er lieber,

Trank draus bei jedem Schmaus.

Und als er kam zu sterben,
Zählt' er seine Städt' im Reich, 1)
Gönnt' Alles seinem Erben,
Den Becher nicht zugleich.
Er saß beim2) Königsmahle,
Die Ritter um ihn her,
Auf hohem 3) Vätersaale
Dort auf dem 4) Schloß am Meer.

Dort stand 5) der alte Zecher,
Trant leßte Lebensgluth
Und warf den heil'gen Becher
Hinunter in die Fluth.

Er sah ihn stürzen 6), trinken
Und sinken 7) tief ins Meer.
Die Augen thäten ihm sinken;
Trank nie einen 8) Tropfen mehr.

Das Blümlein Wunderschön.
Lied des gefangenen Grafen. 9)

Graf.

Ich kenn' ein Blümlein Wunderschön
Und trage darnach Verlangen;

Ich möcht' es gerne zu suchen gehn,
Allein ich bin gefangen.

Die Schmerzen sind mir nicht gering;
Denn als ich in der Freiheit ging,
Da hatt' ich es in der Nähe.

Von diesem ringsum steilen Schloß
Laß' ich die Augen schweifen,
Und kann's von hohem Thurmgeschoß
Mit Blicken nicht ergreifen;

Und wer mir's vor die Augen brächt',
Es wäre Ritter oder Knecht,
Der sollte mein Trauter bleiben.

1) Zählt' er sein' Städt' und Reich'. — 2) Am hohen. feinem.

5) Da saß. 6) sinken und

7) stürzen.

3) Im alten.

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- 8) Trank keinen.

9) Auf seiner dritten Schweizerreise 1797 las Goethe in Stäfa Aegidius Tschudi's „Schweizerische Chronik“, in welcher berichtet wird, daß der von den Zürichern Bürgern 1250-1352 gefangen gehaltene Graf Johann von Habsburg-Rapperswyl auf dem Thurme zu Wellersberg das Liedlein gemacht habe: „Ich weiß ein blawes Blümelein." Uhland (53, I, 108-110) theilt ein altes Volkslied mit, welches

beginnt:

Weiß mir ein blümli blawe
Von himmelblawen schein;

Es stat in grüner awe,

Es heißt Vergiß nit mein.

Ich kunt es nirgent finden,
Was mir verschwunden gar,
Von rif und kalten winden
Ist es mir worden fal.

Ob dies mit jenem identisch ist, läßt sich nicht ermitteln.

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Rose.

Ich blühe schön und höre dies
Hier unter deinem Gitter.

Du meinest mich, die Rose, gewiß,
Du edler, armer Ritter!

Du hast gar einen hohen Sinn,
Es herrscht die Blumenkönigin
Gewiß auch in deinem Herzen.

Graf.

Dein Purpur ist aller Ehren werth
Im grünen Ueberkleide;

Darob das Mädchen dein begehrt
Wie Gold und edel Geschmeide.

Dein Kranz erhöht das schönste Gesicht:
Allein du bist das Blümchen nicht,
Das ich im Stillen verehre.

Lilie.

Das Röslein hat gar stolzen Brauch
Und strebet immer nach oben;

Doch wird ein liebes Liebchen auch

Der Lilie Zierde loben

Wem's Herze schlägt in treuer Brust
Und ist sich rein, wie ich, bewußt,
Der hält mich wohl am höchsten.

Graf.

Ich nenne mich zwar keusch und rein
Und rein von bösen Fehlen;
Doch muß ich hier gefangen sein

Und muß mich einsam quälen.

Du bist mir zwar ein schönes Bild

Von mancher Jungfrau, rein und mild:

Doch weiß ich noch was Liebers.

Nelke.

Das mag wohl ich, die Nelke, sein,

Hier in des Wächters Garten;

Wie würde sonst der Alte mein

Mit so viel Sorge warten?

Jm schönen Kreis der Blätter Drang,
Und Wohlgeruch das Leben lang,
Und alle tausend Farben.

Graf.

Die Nelke soll man nicht verschmähn,
Sie ist des Gärtners Wonne;
Bald muß sie in dem Lichte stehn,
Bald schüßt er sie vor Sonne:

Doch was den Grafen glücklich macht,
Es ist nicht ausgesuchte Pracht,
Es ist ein stilles Blümchen.

Veilchen.

Ich steh' verborgen und gebückt
Und mag nicht gerne sprechen;

Doch will ich, weil sich's eben schickt,

Mein tiefes Schweigen brechen.

Wenn ich es bin, du guter Mann,

Wie schmerzt mich's, daß ich hinauf nicht fann Dir alle Gerüche senden.

Graf.

Das gute Veilchen schäß' ich sehr:

Es ist so gar bescheiden

Und duftet so schön; doch brauch' ich mehr

In meinem herben Leiden.

Ich will es euch nur eingestehn:

Auf diesen dürren Felsenhöhn

Ist's Liebchen nicht zu finden.

Doch wandelt unten an dem Bach

Das treuste Weib der Erde

und seufzet leise manches Ach,

Bis ich erlöset werde.

Wenn sie ein blaues Blümlein bricht

Und immer sagt: Vergiß mein nicht!
So fühl' ich's in der Ferne.

Ja, in der Ferne fühlt sich die Macht,
Wenn Zwei sich redlich lieben;

Drum bin ich in des Kerkers Nacht
Auch noch lebendig geblieben.
Und wenn mir fast das Herze bricht,
So ruf' ich nur: Vergiß mein nicht!
Da komm' ich wieder ins Leben.

Ritter Kurts Brautfahrt.')
Mit des Bräutigams Behagen
Schwingt sich Ritter Kurt aufs Roß;
Zu der Trauung soll's ihn tragen,
Auf der edlen Liebsten Schloß:
Als am öden Felsenorte
Drohend sich ein Gegner naht;
Ohne Zögern, ohne Worte
Schreiten sie zu rascher That.
Lange schwankt des Kampfes Welle,
Bis sich Kurt im Siege freut;
Er entfernt sich von der Stelle,
Ueberwinder und gebläut.
Aber was er bald gewahret
In des Busches Zitterschein:
Mit dem Säugling still gepaaret,
Schleicht ein Liebchen durch den Hain.

Und sie winkt ihn auf das Pläßchen:
Lieber Herr, nicht so geschwind!

Habt ihr nichts an euer Schäßchen ?
Habt ihr nichts für euer Kind?

1) „Taschenbuch auf das Jahr 1804." Dünger weist die Anregung zu dieser Ballade in einer Stelle aus des Marschalls von Bassompierre Mémoires nach, auf welche Goethe noch in einem Briefe an Knebel vom 23. Mai 1814 anspielt: „Ich habe beinah so viel Händel auf dem Halse, von guter und schlechter Sorte, als der Marschall von Bassompierre, welcher einer Tochter aus großem Hause ein Kind ge= macht hatte, eine sehr gefährliche Ehrensache ausbaden sollte und zugleich im Fall war, von seinen Creditoren in den Schuldthurm geführt zu werden. Dieses Alles hat er, wie er schreibt, durch die Gnade Gottes vergnüglich überstanden, und so, hoff' ich', soll es mir auch ergehn." Eine Erzählung ans jenen Mémoires hatte er schon 1795 in die „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderter" aufgenommen.

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