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nächster Umgebung er leben durfte. Von jenem, dem er in „Dichtung und Wahrheit“ eine höchst ergögliche Schilderung widmete, lernte er mehr als die todte Sprache, er ahmte des Meisters satirischhöhnende Manier nach, er trug ihm seine religiösen Zweifel vor und wurde gerade durch dessen seltsame Art der Ablehnung in diesen Bedenken eher bestärkt als erschüttert. Bei dieser aber sah er ein innerliches, von Mysticismus nicht freies Christenthum, er lernte den Glauben lieben und bekam Lust, sich den „Frommen im Lande“ anzuschließen. Durch den Umgang mit diesen beiden Menschen wurde der Grund zu Goethe's wechselnder Stellung zum Christenthum gelegt: der höhnischen oder energischen Ablehnung einerseits und dem gläubigen Versenken andererseits. Lezteres wog in der Kindheit vor. Der häufige Besuch der Kirche, das fleißige Nachschreiben der Predigten zwar schwächte die Frömmigkeit, statt sie zu stärken, jener ward zu einer unangenehmen Pflicht, dieses zu einem gewerbmäßigen Geschäft; aber im Kämmerlein betete der Knabe und errichtete sich einen Altar; in Gespräch und Uebungen fanden die religiösen Neigungen ihre Nahrung.

Schon Goethes Kindheit mögen literarische Productionen angehören. Von Versen, die er aus freien Stücken für Gretchen, seine Jugendgeliebte, oder im Auftrage Anderer für Gretchens Gefährten dichtete, spricht er selbst. Doch hat sich von diesen Versen nichts erhalten. Einer noch frühern Periode gehört das Märchen der neue Paris“ an, das Goethe den Spielgenossen seiner Kindheit erzählte. So wie er es in „Dichtung und Wahrheit“ mittheilt, ist es gewiß nicht erzählt worden, aber man hat keinen Grund zu bezweifeln, daß es überhaupt damals erdacht und Freunden mitgetheilt worden ist.

Die ersten Briefe, die wir von Goethe besißen, gehören seinem 15. Lebensjahre an. Er schrieb sie zu einer Zeit, da man ihn nach seiner Selbstbiographie ganz in Liebeständeleien und thörichtem Zeitvertreib aufgehend wähnen möchte. Sie sind an Ludwig Ysenburg von Buri gerichtet. Der erste (vom 23. Mai 1764) bittet um Aufnahme in die von Jenem geleitete arkadische Gesellschaft, einen Verein junger Männer, die das Bestreben hatten, sich selbst und die Welt zu reformiren. Goethe versucht in dem Briefe eine Schilderung seines Wesens. „Einer meiner Hauptmängel ist, daß ich etwas heftig bin.

Sie kennen ja die colerischen Temperamente, hingegen vergißt Niemand leichter eine Beleidigung als ich. Ferner bin ich sehr an das Befehlen gewohnt, doch wo ich nichts zu sagen habe, da kann ich es bleiben lassen. Ich will mich aber gerne unter ein Regiment begeben, wenn es so geführt wird, wie man es von Ihren Einsichten erwarten kann. Gleich in dem Anfange meines Briefes werden Sie meinen dritten Fehler finden, nämlich, daß ich so bekannt an Ihnen schreibe, als wenn ich Sie schon hundert Jahr kennte, aber was hilfts, dies ist einmal etwas, das ich mir nicht abgewöhnen kann. Ich hoffe Ihr Geist, der sich nicht an Kleinigkeiten, wie das Ceremoniell ist, bindet, wird mir es verzeihen, glauben Sie aber, daß ich niemals die schuldige Hochachtung außer Acht seze. Noch eins fällt mir ein, ich habe auch den Fehler . daß ich sehr ungeduldig bin und nicht gerne lange in der Ungewißheit bleibe. Ich bitte Sie entscheiden Sie so geschwind als es möglich ist.“ Goethe empfing die Aussicht, in den Verein aufgenommen zu werden und dankt dafür in einem enthusiastischen Briefe.

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Aus derselben Zeit ist nur ein Gedicht erhalten. Alle die übrigen aus der Jugendzeit stammenden Verse, die, in einen Quartband gesammelt, den Vater hoch erfreuten, sind verloren. Das erhaltene führt in den frommen Gedankenkreis des Fräulein von Klettenberg. Es sind die „Poetischen Gedanken über die Höllenfahrt Jesu Christi auf Verlangen entworfen.“ Ganz in dem Tone der geistlichen Poesie früherer Zeiten, ganz in der ascetischen, weltentsagenden verdüsterten Stimmung gläubiger Seelen werden hier die Sünder bedroht, die Frevler gerichtet; aber den Verzweifelnden stärkt die Ueberzeugung, daß die Gnade Gottes auch wider Verdienst gewährt und die mächtige Fürsprache Christi auch den Ungerechten gesichert sei.

Dramatische Neigungen und Versuche beschäftigten den Knaben und den angehenden Jüngling. Des Puppentheaters, das die Großmutter den geliebten Enkeln schenkte, wird in „Dichtung und Wahrheit" gedacht; ausführlicher wird in „Wilhelm Meisters Lehrjahren" davon erzählt. Man geht nicht fehl, wenn man meint, Goethe habe in die Erzählungen Wilhelms an Marianne seine eignen Jugenderinnerungen eingeflochten und sich so in dieselben versenkt, daß er sie über Gebühr ausdehnte. Freilich ein Roman ist keine Geschichte und soll keine Geschichte sein. Darum wird es nicht nöthig sein, jedes

einzelne Stück, das Wilhelm gelesen und aufgeführt haben will, auch Goethe's Kenntniß zuzueignen. Aber man wird einerseits sagen dürfen, daß Goethe sich wie jener den älteren deutschen Dramen, wie Gottsched sie gesammelt hatte, zuwendete und daß er den Ritterstoffen Geschmack abgewann, die er in Tasso's Epos mustergültig behandelt sah und andererseits, daß er wenn auch kurze Zeit sich zum Schauspieler und gewiß zum Schauspieldichter bestimmt glaubte, daß er, wie Wilhelm, „in selbstgefälliger Bescheidenheit in sich den trefflichen Schauspieler, den Schöpfer eines künftigen Nationaltheaters erblickte, nach dem er so vielfach hatte seufzen hören.“

Diese kleinen literarischen Neigungen störten aber den wissenschaftlichen Unterricht nicht. Vielmehr war dieser ein vielseitiger und ununterbrochener. Das pedantische Wesen des Vaters ließ nichts unvollendet, und doch fing seine Sucht zu Neuem beständig Anderes an. So kam es, daß der Knabe mit Lehrstunden überhäuft und am Ende seiner Knabenzeit des Wissens eher überdrüßig als begierig war.

Die Ereignisse der Zeit gingen nicht spurlos an dem Knaben vorüber Das Erdbeben von Lissabon erregte sein religiöses Gefühl, indem es theils Furcht, Schrecken, abergläubische Verehrung vor dem gewaltigen Gott in ihm hervorrief, theils seine Zweifel weckte, ob ein dermaßen zürnender und strafender Machthaber zugleich auch der gütige Vater der Menschen sein könne. Zeigte dieses Ereigniß seine Wirkungen nur von ferne, so wurde der siebenjährige Krieg nahe genug geführt, um auf den Knaben einen unmittelbaren Eindruck hervorzurufen. Die Heldengestalt Friedrichs II. trat ihm zum ersten Male vor die Seele. Er gab sich von vornherein der gewaltigen Persönlichkeit gefangen. Wenn er auch als Kind noch keine Ahnung hatte, daß Friedrichs Thaten ein neues Zeitalter der Geschichte und Literatur inaugurirten, so begann er schon damals die lebhafte Zuneigung zu dem Heldenkönig zu empfinden, welche ihn bis in sein Alter nicht verließ. Auch directe Folgen des Krieges mußte er spüren. Frankfurt wurde von französischen Truppen eingenommen und lange Zeit besezt gehalten. Für den Knaben hatte diese Beseßung die günstige Folge, daß er sich mit der französischen Sprache aus lebendigem Umgang vertraut machte, und daß er seine Theaterneigungen völlig befriedigen konnte, aber auch die ungünstige, daß er sehr früh in Verhältnisse eingeweiht wurde, die ihm besser ver

borgen geblieben wären. Hatte er in dem Preußenkönig den Führer eines jung aufstrebenden Staates verehren gelernt, so sollte er einige Jahre später in Frankfurt, dem Wahl- und Krönungsorte der deutschen Kaiser, ein Stück alter deutscher Reichsherrlichkeit miterleben: die Wahl und Krönung Josephs II. Als Enkel des Bürgermeisters hatte er Gelegenheit, Vieles von bevorzugtem Plaße mitanzusehen; sein Vater hielt darauf, daß er das Erschaute und Erlebte auch treulich aufzeichne.

So hatte Goethe seine Kindheit, die ersten 16 Jahre seines Lebens in seiner Vaterstadt in vielseitiger Thätigkeit, unter mannigfachen Uebungen, erregt von vielfachen Eindrücken, beeinflußt von verschiedenartiger Gesellschaft zugebracht. Er erscheint als ein frühreifes Kind, weit über seine Jahre entwickelt, von Aelteren hervorgezogen, fast wie ein Gleicher angesehen. Er selbst ist sich unklar über seinen Beruf. Dem Vater, der ihn zum praktischen Juristen erziehen will, seßt er einen passiven Widerstand entgegen; bejahrte Freunde, deren jeder seinen eignen Beruf ihm empfehlenswerth machen möchte, hört er an, ohne eine bestimmte Entscheidung zu fällen. Er fühlt in sich den Drang, eine vielseitige Ausbildung zu gewinnen. In dem alten Streite, ob Jurisprudenz oder Humaniora, Brotstudium oder allgemeine Bildung steht er natürlich auf Seite der lezteren. Daher möchte er nach Göttingen ziehn, wo für Philologie, Alterthumsstudien und verwandte Disciplinen besonders gut gesorgt war, muß aber, dem Wunsche seines Vaters folgend sich nach Leipzig wenden.

Am 29. September 1765 verließ Goethe seine Vaterstadt und langte nach einer mehrtägigen Reise an seinem neuen Bestimmungsorte an. Auch über seinen Leipziger Aufenthalt hat er so ausführlich gesprochen, daß es nur einer verhältnißmäßig kurzen Hindeutung auf diese Schilderung bedarf. Leipzig galt damals als Hauptsiz des eleganten Lebens, der feinen Sitte, „es ist ein klein Paris und bilder seine Leute." Die Bewohner der Stadt, besonders ihre akademischen Bürger sahen mit Stolz auf ihre Universität und mit Verachtung auf die anderen; das Wort: extra Lipsiam vivere non est vivere „Außerhalb Leipzigs giebt es kein Leben“ hatte allgemeine Geltung. Der Stolz, den die Musensöhne und die Bewohner Leipzigs überhaupt empfanden, wurde weniger durch die wissenschaftliche Bedeutung

der Universitätslehrer hervorgerufen, als durch die Thätigkeit einiger Aesthetiker und Dichter, die in den weitesten Kreisen bekannt, geradezu als glänzendste Sterne am Leipziger Himmel bezeichnet wurden. Es sind Gottsched, Gellert, Rabener, Weiße. Gottsched (1700-1766), der Gesetzgeber der deutschen Poesie, der Beherrscher der Kritik, undichterisch und zopfig, ohne Schöpfungskraft und doch von unerträglicher Eitelkeit. Gellert (1716-1769), der Begründer einer neuen geistlichen Poesie und der urdeutsche Nachahmer einer fremdländischen, anmuthigen erzählenden Dichtung, unbedeutend im Lustspiel, schlüpfrig im Roman, als Muster streng sittlichen Lebens verehrt, durch seine moralischen Schriften der Beichtvater Deutschlands. Rabener (1714 bis 1771) Satiriker ohne Schärfe, Moralist ohne Kenntniß der Welt, ein breiter, behaglicher Plauderer, dessen Gesichtskreis nicht über seinen engen Gesellschaftscirkel oder höchstens seine Stadt herausging, der Politik und Religion nie berührte und schon kühn zu sein meinte, wenn er kleine moralische und literarische Unarten strafte. Endlich Ch. F. Weiße (1726-1804), ein Vielschreiber ohne Gleichen, der zahllose Lieder dichtete, mehrere Dußend Lustspiele und Trauerspiele schrieb, Molière und Shakespeare zu übertreffen meinte, während er beider Bedeutung kaum ahnte, unkindliche Kinderbücher schrieb und Jahrzehnte lang einer critischen Zeitschrift ohne Saft und Kraft vorstand.

Keiner der Genannten hat auf Goethe einen sonderlichen Einfluß geübt, obwohl einer derselben, Gellert, sein Lehrer war. Von einem andern, Gottsched, hat Goethe in der Selbstbiographie eine lustige Geschichte erzählt; in einem an seinen Frankfurter Freund Riese gerichteten Briefe giebt er eine Charakteristik von ihm, von der einige Verse so lauten:

Gottsched ein Mann so groß, als wäre er vom alten Geschlechte
Jenes, der zu Gath im Land der Philister geboren,

Zu der Kinder Jsraels Schrecken zum Eichgrund herabkam.

Ja, so sieht er aus und seines Körperbaus Größe

Ist, er sprach es selbst, sechs ganze Parisische Schuhe.

Wollt ich recht ihn beschreiben, so müßt' ich mit einem Exempel

Seine Gestalt dir vergleichen, doch dieses wäre vergebens.
Wandeltest Du, Geliebter, auch gleich durch Länder und Länder
Bon dem Aufgang herauf bis zu dem Untergang nieder,

Würdest du dennoch nicht einen, der Gottscheden ähnlichte, finden.,
Ich sah den großen Mann auf dem Katheder stehn,

Ich hörte was er sprach und muß es dir gestehn:

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