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Sinn ab, welchen die Natur der ganzen Species verliehen hat (which nature had made universal in the whole species).

Dieselbe Meinung wird in neuester Zeit von Lecky vertreten. Es ist, sagt dieser Forscher, ein psychologisches Factum, dass nach dem intuitiven Bewusstsein der Menschen wohlwollende Affecte höher stehen als übelwollende, und in allen Zeiten und Ländern haben die höhern Affecte für tugendhaft gegolten, nicht die niedern. Alle Zeitalter haben in der Menschlichkeit eine Tugend, in der Grausamkeit ein Laster gesehen (hist. of Europ. mor. p. 105). Nicht anders urtheilen Adam Smith, Stewart, Mackintosh.

Cicero war der nämlichen Ansicht: welche Nation, fragt derselbe, liebt nicht die Güte (benignitatem)? welche hasst und verachtet nicht die Grausamen? (de leg. I, 11).

Auch nach Schopenhauer werden wohlwollende, mitleidige Regungen vom Gewissen aller Völker gelobt. Es scheint ihm nicht in den Sinn gekommen zu sein, dass es Völker, ja Kulturstufen geben könne, deren Gewissen das Mitleid verwirft. Wenn er sagt:,,im Gewissensbiss sind wir damit unzufrieden, dass wir zu egoistisch gehandelt haben, zu sehr unser eigenes, zu wenig das Wohl Anderer berücksichtigt oder wohl gar ohne eigenen Vortheil das Wehe Anderer uns zum Zweck gemacht haben (Grundprobl. p. 173)", so versteht er unter ,,wir" offenbar alle Menschen, nicht blos einen Theil derselben. Noch deutlicher zeigt die folgende Stelle, dass eine Unterscheidung zwischen Zeitaltern, Kulturstufen ihm ganz fern lag: ,,die Grundbegriffe von Recht und Unrecht fasst jeder a priori und wendet sie auf Anlass der Erfahrung sogleich an. Den dieses leugnenden Empiriker braucht man nur auf die Wilden hinzuweisen (Grundprobl. p. 218).

Es war auch Kant's Meinung, dass jedes menschliche Bewusstsein wohlwollende Gesinnungen lobe, übelwollende verurtheile. Diese Lehre ergiebt sich folgendermassen aus seinem ethischen System.

In dem Bewusstsein aller Menschen, wie in dem jedes vernünftigen Wesens überhaupt herrscht ein Sittengesetz, der kategorische Imperativ, welcher lautet: Du sollst nicht nach einer Maxime handeln, von der du nicht wollen kannst, dass sie allgemein würde, dass alle Menschen nach ihr handelten. Von einer Maxime des Uebelwollens nun kann der sie Befolgende nicht wünschen, dass sie allgemein werde. Der Betrüger z. B. kann nicht wollen, dass alle Menschen betrügen; denn sonst könnte er selbst einmal in die Lage kommen, betrogen zu werden. Demnach verbietet ein, nach Kant, in allen Menschen vorhandenes sittliches Bewusstsein den Betrug und Andern nachtheilige Handlungen überhaupt.

Eine Maxime dagegen, von der man wollen kann, dass sie Gesetz für Alle würde, soll man zu der seinigen machen. Zum Beispiel: von einer wohlthätigen Handlungsweise kann man wollen, dass sie die allgemeine Art zu handeln würde. Demnach wird dieselbe jedem Menschen durch das ihm innewohnende Sittengesetz geboten. Kant nennt auch direkt unter den Zwecken, welche zugleich Pflichten sind, fremde Glückseligkeit (Met. der Sitten p. 218 Kirchm.).

Dies (unter andern Handlungen) Wohlthätigkeit gebietende, Egoismus, Grausamkeit verbietende Sittengesetz inhärirt, nach der Meinung Kant's, jedem Menschen ebenso unbedingt, wie die erkenntnisstheoretischen Formen. Wie Raum und Zeit Formen a priori jeder menschlichen Sinnlichkeit, wie die Kategorien Formen a priori jedes menschlichen Verstandes sind,

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so ist das Sittengesetz eine Form a priori jeder menschlichen Vernunft. Reine Sinnlichkeit, reiner Verstand, reine (praktische) Vernunft sind einander parallel. Der theoretische Gebrauch der Vernunft ist derjenige, durch den ich a priori als nothwendig erkenne, dass etwas sei; der praktische aber, durch den a priori erkannt wird, was geschehen soll. Ich nehme an, dass es wirklich reine moralische Gesetze gebe, die völlig a priori das Thun und Lassen eines vernünftigen Wesens überhaupt bestimmen. Diesen Satz kann ich mit Recht voraussetzen, nicht allein, indem ich mich auf die Beweise der aufgeklärtesten Moralisten, sondern auf das sittliche Urtheil eines jeden Menschen berufe. Alle sittlichen Begriffe haben völlig a priori in der Vernunft ihren Sitz und Ursprung, und dieses in der gemeinsten Menschenvernunft ebensowohl, als der im höchsten Masse spekulativen" (Krit. d. rein. Vern. p. 504. 624; Grdl. z. Met. der Sitten p. 32 Kirchm.).

In der Verwirklichung zwar ist ein Unterschied zwischen der reinen Sinnlichkeit und dem reinen Verstande einerseits und der reinen praktischen Vernunft andererseits. Die Formen des Raumes und der Zeit und die Kategorien werden bei den einzelnen Erkenntnissakten thatsächlich angewendet. Räumlich, zeitlich, kausal ist die Erkenntniss jedes Gegenstandes, jedes Vorgangs. Der kategorische Imperativ dagegen wird im Handeln nicht bethätigt, oder doch nur selten. Man ist sich wohl dessen bewusst, dass er verwirklicht werden sollte, dass es Unrecht sei, Jemanden zu betrügen, zu schädigen; aber die Neigungen, mächtiger als die Pflicht, verführen stets aufs Neue zu pflichtwidrigen Handlungen. Der kategorische Imperativ zeigt sich also mehr vor dem Handeln (,,Du solltest") und nach dem Handeln (,,Du hättest sollen“), als im Handeln, dadurch,

wie gesagt, verschieden von den Formen a priori des Erkennens, als welche in den einzelnen Erkenntnissakten verwirklicht werden. Aber a priori in jedem menschlichen Bewusstsein vorhanden ist der kategorische Imperativ, nach Kant, ebenso gut wie die Formen a priori der Sinnlichkeit und des Verstandes, mag er auch weniger in dem zu Tage treten, was geschieht, als in dem Bewusstsein dessen, was geschehen sollte. Das Verdienst Kant's besteht, seiner ausgesprochenen Ueberzeugung nach, blos darin, allgemein gefasst, abstrakt formulirt zu haben, was im Einzelnen jeder Mensch weiss und stets gewusst hat. Daher erwidert er einem seiner Rezensenten:,,Ein Rezensent, der etwas zum Tadel dieser Schrift sagen wollte, hat es besser getroffen, als er wohl selbst gemeint haben mag, indem er sagt, dass darin kein neues Prinzip, sondern nur eine neue Formel aufgestellt worden. Wer wollte aber auch einen neuen Grundsatz aller Sittlichkeit einführen und diese gleichsam zuerst erfinden? gleich als ob vor ihm die Welt in dem, was Pflicht sei, unwissend oder in durchgängigem Irrthum gewesen wäre" (K. d. p. V. p. 7 Kirchm.).

§ 9.

Das Gewissen und die niederen Kulturstufen.

Haben die Philosophen Recht? Gehört die Schätzung des Wohlwollens und die Verurtheilung der Grausamkeit zum ewigen Inventarium des menschlichen Gemüths? oder haben die Philosophen Unrecht; sind jene Schätzung und diese Verurtheilung blos zeitweise vorhanden?

Um das zu entscheiden, müssen wir uns anderswo umsehen, als daheim. Bei dem eigenen sittlichen Urtheil darf

man nicht stehen bleiben, noch bei demjenigen seiner Zeitgenossen, noch auch bei dem Urtheil solcher Kulturstufen, welche in gleicher Höhe mit der eigenen sind. Die Menschenfresser sollen uns Antwort darauf geben, ob jene Schätzungen von Ewigkeit her oder historisch gewordene sind.

Bei den Komanchen von Texas werden keine Handlungen als Verbrechen betrachtet. Jeder verfährt nach eigenem Ermessen, bis ihm ein Mächtigerer Einhalt thut. Sie versichern, der grosse Geist habe ihnen bei ihrer Erschaffung das Vorrecht eines ungehinderten Gebrauchs ihrer Kräfte gestattet (Schoolkraft's Ind. tribes II, p. 131). Gewissen, sagt Burton, existirt nicht bei den ostafrikanischen Stämmen. Räuberei charakterisirt den Mann von Ehre; Mord, je scheuslicher, desto besser, macht zum Helden (first footst. in East Afr. p. 176). Burton sollte zwar sagen: unser Gewissen existirt dort nicht; denn Bezeichnungen wie Ehrenmann (honourable man) und Held setzen Gewissensregungen voraus; das Bewusstsein aber, welches die Grausamkeit tadelt, Wohlwollen lobt, fehlt daselbst. Der ungebildete Natursohn, sagt Brehm von den Sudanesen, glaubte kein Verbrechen begangen zu haben, wenn er einen andern, der grösseren Reichthum besass, umbrachte. Er hielt den Tod desselben für eine durch den Raub bedingte Nothwendigkeit, welche er leicht entschuldigen zu können glaubte. Ueberhaupt halten sie Betrug und Mord für eines Mannes würdige Thaten (Nord-Ost-Afrika). Wir müssen, sagt Burkhardt von den Bewohnern Wahabi's, mit dieser Handlungsweise (Rauben, Plündern) nicht die Begriffe von Verbrechen verbinden, wie wir es in Europa zu thun gewohnt sind. Der Arabische Räuber betrachtet sein Gewerbe als ein ehrenvolles, und der Name haramy (Räuber) ist einer der

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