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§ 26.

Der Begriff der Vergeltung (Gerechtigkeitsgefühl).

Mord, Raub, Betrügerei sind, unserm Bewusstsein nach, nicht blos tadelnswerth; sie verdienen auch Leid als Vergeltung. Woher dies Bewusstsein ?

Die gerichtliche Leidverhängung ist, historisch betrachtet, nicht Vergeltung des Geschehenen, sondern Sicherheitsmaassregel (cf. § 19). Der Sicherung halber wurde anfangs Mord mit dem Tode bedroht: Mordlustige sollten durch diese Drohung von ihrem Vorhaben abgeschreckt werden. Demgemäss bezweckte die Auferlegung des Uebels, die Hinrichtung dessen, der trotzdem gemordet hatte, ihn unschädlich zu machen und den Uebrigen ein warnendes Beispiel zu geben. Desgleichen sollten, gemäss den Intentionen der ursprünglichen Gesetzgebung, Fälscher, Diebe auf ihre Thaten war ja der Abschreckung halber Vestümmelung, Einsperrung gesetzt - eingesperrt, verstümmelt werden, damit sie selbst für die Zukunft abgeschreckt oder unschädlich gemacht, Andere abgeschreckt würden. Die Leidverhängung war, im Sinn ihrer historischen Herkunft betrachtet, analog der Züchtigung eines Thieres, eines Kindes. Kinder und Thiere züchtigt man ja nicht, um ihr Thun zu vergelten, sondern um dessen Wiederkehr zu verhüten. Hat man den Jagdhund mit Schlägen bedroht, falls er die Rebhühner aufjage und er jagt sie doch auf, so schlägt man ihn nun wirklich, damit er es nicht wiederthue. Ebenso drohte man ursprünglich zu Raub und Diebstahl Neigenden Leid an, damit sie nicht so handelten. Thaten sie es trotzdem, dann sollte das Uebel ihnen zugefügt werden,

nicht behufs der Vergeltung ihres Thuns, sondern um

ähnlichen Handlungen ihrer selbst oder Anderer für die Zukunft vorzubeugen.

Die ursprüngliche Gesetzgebung, deren Absicht blos Sicherung war, sah demnach in der verbotenen That nicht (wenn ich so sagen darf) den Vergeltungsgrund des aufzuerlegenden Leides, sondern nur den Erkenntnissgrund der Nothwendigkeit, dem Thäter Leid zuzufügen, wie heute noch das verbotene Thun eines Thieres Erkenntnissgrund dieser Nothwendigkeit ist. Nur der Anlass zur Leidverhängung lag in demjenigen, was gethan war; ihr Zweck ging auf die Zukunft, auf das, was verhütet werden sollte.

Aber der später Geborene erfährt ja die Entstehungsgeschichte der Strafe nicht. Dass der Staat damit anfing, den Mörder, den Räuber mit dem Beschädigten zu versöhnen und ihnen schliesslich, der Sicherung halber, Leid androhte,— das fällt nicht in den Gesichtskreis des Kindes. Die Entwickelung hat sich früher einmal, vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden vollzogen. Das Urtheil selbst dagegen, Leid, von der Obrigkeit verhängt, habe zu folgen auf solche Handlungen wie Raub und Betrug, ergreift in früher Kindheit schon Besitz von unserm Bewusstsein. Auch dies Urtheil vereinigt sich (wie die Attribute tadelnswerth, so soll nicht gehandelt werden) mit der Vorstellung des Raubes, der Betrügerei zu einer Gesammtvorstellung, und vereinigend wirkt noch die gerichtliche Leidverhängung. Denn es ist ihr nicht anzusehen, dass ihr eigentlicher, ursprünglicher Zweck war, Zukünftigem vorzubeugen. Sie geht dem Augenschein nach nur auf den vollführten Raub, auf den geschehenen Mord. Damit ist ihre Absicht für den sinnlichen Eindruck erschöpft. Das Geschehene ist scheinbar der volle, aus

schliessliche Grund des aufzuerlegenden Leides, nicht blos Anlass, Erkenntnissgrund.

Die gerichtliche Strafe besteht gleichsam aus einem sichtbaren und einem unsichtbaren Theil. Die verbotene Handlung und das Leid, welches sie dem Thäter einbringt, ist sichtbar. Hingegen ist der auf die Zukunft gehende Zweck der Leidzufügung unsichtbar, blos gedanklich und deshalb für die meisten Menschen gar nicht oder nur nebenher vorhanden. Der sichtbare Theil macht Eindruck. Den Thäter trifft, soweit. sie sehen, lediglich wegen dessen, was er gethan hat, Leid.

Die staatliche Bestrafung wirkt in dieser Hinsicht auf uns, wie die Züchtigung der Kinder auf diese. Wenn die Kinder Verbotenes thun, bemerkt Anselm Feuerbach, so begleiten wir solche Handlungen, falls wir konsequent sind, jedesmal mit Züchtigung, und dies giebt denn endlich den Schein, als ob die Handlung der nothwendige und zureichende Grund (nicht blos der Anlass) dieses Uebels sei (Grds. u. Grundb. d. pos. peinl. Rechts I, § 18).78 Der Eindruck des Kindes ist: weil du dies gethan hast, wirst du gezüchtigt; mag der Züchtigende auch denken: weil du dies gethan hast, wirst du gezüchtigt, damit du es nicht wiederthust.

Also die Leidverhängungen scheinen um des Vergangenen willen dazusein, wenn sie auch thatsächlich Zukünftiges be

78 cf. ib. p. 14, 18: Der Züchtigung geht zwar etwas Gesetzwidriges vorher, aber es ist nicht Grund, sondern Gelegenheitsursache und Erkenntnissgrund der Nothwendigkeit zu züchtigen. Ihr eigentlicher Grund liegt in zukünftigen gesetzmässigen Handlungen, welche durch sie bewirkt werden sollen. Es scheint jedoch so, als ob die begangene Handlung der eigentliche Grund des zugefügten Uebels sei, als ob das Kind durch die Züchtigung gestraft werde.

zwecken. Es findet gewissermassen eine optische Täuschung statt.

Dieser Schein und seine Wirkung auf das Bewusstsein könnte verhindert werden; dadurch nämlich, dass man die Menschen bei jeder Bestrafung, deren Gegenstand oder Zeuge sie sind, einen Gedankenprocess absolviren liesse, des Inhalts: Der Bestrafte da wird in gewissem Sinne zwar bestraft, weil er gestohlen, gefälscht hat; aber dies Weil ist analog dem: der Hund wird bestraft, weil er genascht hat, nämlich, damit er nicht wiedernasche. Das Geschehene ist, obgleich es euch anders zu sein scheint, doch nur der Anlass des aufzuerlegenden Leides. Durch diese Erwägung würde der Augenschein parirt, der sichtbare, unmittelbar sich aufdrängende Theil des Vorgangs berichtigt werden. In Ermangelung einer solchen Reflexion sind die Menschen nun wehrlos dem Eindruck preisgegeben, welcher auf die Zukunft berechnete Leidverhängungen als dem Vergangenen geltende vorspiegelt.

Also, die Vorstellung eines Mordes, eines Raubes wird uns in früher Kindheit schon mit dem Urtheil amalgamirt, Leid, von der Obrigkeit verhängt, sei die gebührende Folge solcher Handlungen. Die gerichtliche Leidzufügung bekräftigt diese Urtheilsgewohnheit. Bestätigend wirkt ferner die Religion. Historisch betrachtet sind ja die Verbote, zu rauben, zu morden anthropomorpherweise göttliche Verbote geworden (cf. § 21, 22). Die menschenähnliche Gottheit wiederholt die Verbote der Menschen, entweder direkt: wie ein Echo tönte das „,du sollst nicht morden, nicht rauben" vom Himmel auf die Erde zurück; oder indirekt: der Gottheit wurde zunächst Liebe zu den Menschen beigelegt (weil die Bildner der Gottheit, die Menschenliebenden, sich Gott ebenso dachten,

wie sie selbst waren). liebe, und dass er nichts Uebles thue,

Sodann fordert sie von Jedem Gegenaus Liebe zu ihr seinen Mitmenschen nicht raube, nicht betrüge. Wer ihrer Verbote nicht achtet, den trifft ihr (anthropomorpher) Zorn: in jener Welt ist die Hölle sein Theil, in dieser Elend jeder Art. Die Obrigkeit ist ein Werkzeug, deren sich der göttliche Zorn bedient.

Das Kind wird auch hier nur mit den entwickelten Resultaten, nicht mit ihrer Entwickelungsgeschichte bekannt. Wer mordet, lehrt man es, kommt in die Hölle; in dieser Welt ist er gleichfalls schon dem göttlichen Zorn verfallen.

Nun erwäge man: wenn unser Bewusstsein zum ersten Mal die Vorstellung eines Mordes, eines Diebstahls fasst, so besteht ein Theil des Vorstellungsbildes aus dem Urtheil, Leid, von den Menschen verhängt oder der Gottheit, sei die angemessene Folge solcher Handlungen. Dies schon so früh uns eingeprägte Urtheil wird durch die staatliche Leidzufügung objektivirt: denn, welchen Zweck sie auch ursprünglich hatte, dem Augenschein nach erschöpft sie sich eben darin, Folge jener Handlungen zu sein. So gestaltet, fordert das Bewusstsein nun Leid, wenn eine Handlung vorfällt, in deren Gesellschaft stets Leid als die ihr zukommende Folge gedacht worden war.

Handlungen, welche der Staat mit Leid bedroht, werden also dadurch,,Unrecht, Verbrechen". Es bildet sich nun das Urtheil im Bewusstsein der Menschen, dass gerade die Handlungen durch Leid, von der Obrigkeit verhängt, zu vergelten (d. h. eben dass sie Verbrechen) seien. Auf diese Weise sind Mord, Betrug, Raub, Diebstahl,,Verbrechen" geworden.

Die Thatsache, dass unserm Bewusstsein nach auf manche

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