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Geschlechts als unantastbar bezeichnen, ist schwer Schritt für Schritt verfolgbar. Deshalb eben gehen wir von dem Zustand aus, in welchem sich die Geschlechter bereits konstituirt haben und erforschen zunächst, wie aus den Geschlechtern der Staat wurde, aus dem Familiengewissen ein Gemeindegewissen. Zuletzt erst wenden wir uns der Entstehung des Familiengewissens, dem historisch dunkelsten Theile unsers. Gegenstandes, zu.

Es giebt also eine Entwicklungsphase, in welcher die Gemeinde so gut wie gar nicht und folglich auch ein Gemeindegewissen noch nicht existirt, sondern blos die Familie. Fast souverain steht das eine Geschlecht dem andern gegenüber. Die Familie, sagt Munzinger von den Bogos, ist der Staat, der Souverain, der Gesetzgeber (Bog. p. 26). Wenn er ausserdem hervorhebt, dass dort der Räuber geachtet sei, so meint er Räubereien, welche von einer Familie gegen die andere verübt werden.

Räubereien und Mordthaten also, welche zwischen den Geschlechtern vorfallen, gelten nicht für Unrecht und werden

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2 Einen ähnlichen Zustand schildern die isländischen Sagas. Siehe auch Justus Möser, Osnabrücksche Geschichte I, § 8: Solche einzelne Wohner waren Priester und Könige in ihren Häusern und Hofmarken. Sie richteten über das Leben ihrer Familien und Knechte, ohne einander Rechenschaft zu geben. Jeder Hof war gleichsam ein unabhängiger Staat. Keine Obrigkeit und vielleicht nicht einmal eine gemeinsame Gottheit erstreckte sich in eines Mannes Were. - Zöpfl, Deutsche Staatsund Rechtsgeschichte I, p. 14: Der politisch rechtliche Charakter der ersten Periodo spricht sich aus in der Idee der gänzlichen Unabhängigkeit des einzelnen Mannes von jeder Herrschergewalt.

3 Wenn man, sagt Grote vom homerischen Zeitalter, zu Räubereien und Gewaltthätigkeiten geneigt war, so existirten moralische Abhaltungsgründe blos in Bezug auf wenige Personen (besonders eben in Bezug auf Mitglieder desselben Geschlechts). Weitergehende Rücksichten

nicht von irgend Jemandem, der über den Geschlechtern steht, bestraft. Wie ist es nun gekommen, dass solche Thaten Unrecht, Objekt des tadelnden Bewusstseins wurden? Wie ist das Gemeindegewissen entstanden? An seiner Entstehung hat die Einsetzung der staatlichen Strafe Antheil. Sie ist ein gewissenbildendes Element von hoher Wichtigkeit. Mit ihrer Entstehungsgeschichte haben wir uns demnach zu beschäftigen.

Zunächst also existirt die Strafe nicht; sondern blos Rache des Verletzten oder seines Geschlechts. Bei den Karaiben, zum Beispiel, verschafft sich der Beschädigte selbst von seinem Gegner die Genugthuung, welche ihm die Leidenschaft eingiebt oder zu der ihn seine Kraft berechtigt. Von einer Behörde oder dem Häuptling wird keine Gerechtigkeitspflege ausgeübt (Du Tertre, hist. of the Caribby Isl. p. 316, cit. b. Lubbock).

Die Gemeinde als Gesammtheit, sagt Martius von den Ureinwohnern Brasiliens, hält ihre Rechte nicht für beeinträchtigt, wenn es zum Streite zweier Mitglieder gekommen ist oder wenn Feindschaft mit Mord endigt. In einem solchen Falle wird keine Strafe verhängt, sondern Rache an dem Thäter genommen. Aber dies ist lediglich Sache der betheiligten Familie (Rechtszust. d. Ureinw. Bras. p. 73). Tödtet ein

treten fast nie hervor (hist. of Greece II, p. 107). An einer anderen Stelle bezeichnet Grote als das charakteristische Merkmal des Homerischen Zeitalters die Omnipotenz der Persönlichkeit, welcher eigentlich nur Familiensympathien Beschränkung auferlegten (II, p. 123). Reinh. Schmid sagt von den Angelsachsen: Die Familienbürgschaft sicherte nur den Familiengliedern Frieden; jeden zu einer anderen Geschlechtsgenossenschaft Gehörigen betrachtete sie als rechtslos (Angels. Recht, in Hermes XXXII. p. 234).

Adliger einen Adligen im Lande der Marea, so wird ihn seine Familie nach Zeit und Gelegenheit rächen. Der Shum mischt sich nicht in die Sache; von Blutgericht ist keine Rede (Munzinger, Ostafr. Stud. p. 242).

Ist ein Todtschlag begangen worden, sagt Ass all von den nordamerikanischen Stämmen, so hat die Familie des Erschlagenen allein das Recht der Vergeltung und der Rache. Die Häuptlinge haben nichts in dieser Sache zu sprechen (Nachr. üb. d. früh. Bewohner von Nord-Amer. p. 91). Dasselbe wird von den Grönländern berichtet (s. Post, Anf. d. Staats- u. Rechtsleb. p. 174). Vor der türkischen Herrschaft, sagt Brehm von den Sudanesen, kam Todtschlag und Mord alle Tage vor. Ihre Könige bekümmern sich wenig oder nicht um die Privatfehden ihrer Unterthanen (NordOstafr. I, 162).

Ebenso Macieiowsky in seiner slavischen Rechtsgeschichte: In der vormonarchischen Zeit wurde jede Verletzung durch Blutrache gebüsst. Die Gerichte mischen sich nicht in solche Streitigkeiten (I. p. 125). Den christlichen Geistlichen sagt Evers, die von Constantinopel zu den Russen kamen, war es auffallend, dass die Herrscher sich gar nicht der Bestrafung verübter Mordthaten annahmen. Waren Bluträcher vorhanden, so vollzogen diese die Blutrache (Aeltestes Recht d. Russen p. 213).

Was der Mörder im Zeitalter Homers zu fürchten hatte, bemerkt Grote, war nicht öffentliche Verfolgung und Bestrafung, sondern persönliche Rache der Freunde und Verwandten des Getödteten. Wer sich nicht selbst schützen kann, findet keinen Schutz bei der Gesellschaft. Seine Verwandten und Gefährten sind die einzigen Personen, auf deren Beistand

er zählen darf (hist. of Greece II, p. 123). Grote spricht dann von der praktischen Nullität jenes Kollektivsouverains, welcher, später Staat genannt, im historischen Griechenland die centrale und höchste Quelle der Verpflichtung wurde, im Homerischen Griechenland aber noch im Hintergrund steht, ein Keim, von welchem erst für die Zukunft etwas zu erwarten ist.4

Allgemein sagt Morgan: In der civilisirten Gesellschaft übernimmt der Staat die Protektion der Personen und des Eigenthums. Da man gewohnt ist, ihn als Beschützer der persönlichen Rechte anzusehen, so hat eine entsprechende Lockerung der Familienbande stattgefunden. Aber auf gentiler Gesellschaftsstufe wurzelt die Sicherheit des Individuums in seiner Gens. Dieselbe nimmt den Platz ein, welchen nachher der Staat innehat (Anc. soc. p. 76).

Diese Rache des Verletzten oder seiner Gens ist den Rechtshistorikern eine Art Strafe, eine grobe Manifestation des Rechts, eine Aeusserung des Gerechtigkeitsgefühls. Privatrache, meint Abegg, ist die ursprünglich roheste Gestalt der Gerechtigkeit. Sie ist eine Hauptform der Strafe, ein natürliches Strafrecht (Unters. aus d. Geb. d. Strafr. p. 123, 256). Bei den alten Preussen, sagt Voigt, wurde Mord mit Blutrache bestraft (Gesch. Preuss. I, p. 520). Ebenso Du Boys: Blutrache, diese primitive und grobe Manifestation des Rechts (hist. du droit crim. des peuples mod. I pr.). Und Wilda: Rache, die erste und roheste Offenbarung des Rechtsgefühls (Strafr. d. Germ. p. 149). Giesebrecht sagt von den

4 S. auch Wachsmuth, Hell. Alterth. II, p. 21: Die öffentliche Rechtspflege kümmerte nicht, was unter den einzelnen Mitgliedern des Staates vorfiel.

Wenden: Das Recht waltete, aber in Gestalt der Rache (Wend. Gesch. I, p. 53). Aehnlich Köstlin: Die unmittelbare Reaktion des Beleidigten gegen den Beleidiger ist die erste und unmittelbarste Evolution des Strafrechts (Mord und Todtschl. p. 24).

Diese Auffassung ist wichtig. War jene Rache Strafe, Aeusserung des Gerechtigkeitsgefühls, dann müssen die Gewaltthätigkeiten, gegen welche so reagirt wurde, als Unrecht, als ein Objekt des tadelnden Gewissens empfunden worden sein. Denn offenbar kann das Gerechtigkeitsgefühl eines Menschen nur laut werden, wenn er meint, ihm sei Unrecht geschehen. Demnach bedeutet die Auffassung jener Rache als Strafe, dass damals bereits ein Gemeindegewissen vorhanden war; dass, wie gesagt, die Beraubungen, Tödtungen der Geschlechter unter einander schon für Unrecht gehalten wurden.

Die Rechtshistoriker sagen dies ausdrücklich. Selbsthülfe und Rache, meint Ihering, sind die Reaktion gegen zugefügtes Unrecht (Geist d. röm. Rechts I, p. 118). Rache ist die „Aufhebung" des Unrechts nach Abegg (Unters. p. 124), Rein (Krim. d. Röm. p. 24), Jarcke (Deuts. Strafr. p. 21).5

Ist dem so? Uns wird doch einstimmig berichtet, dass Gewaltthätigkeiten, welche zwischen den Geschlechtern vorfielen — eben diejenigen, welche Rache erzeugten keineswegs als Unrecht angesehen wurden. Aber wie verhält es sich mit der Rache? Beweist sie nicht durch ihre Existenz (durch den Umstand also, dass Räuber, Mörder wieder beraubt, wieder erschlagen wurden), dass Raub und Mord doch für

5 Auch Kant definirt die Rache als Hass aus dem erlittenen Unrecht (Anthrop. p. 188 Kirchm.).

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