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wir verletzt worden sind. Dass Jemand unsere Person zum Schauplatz einer strafwürdigen Handlung gemacht hat, ist dem Gerechtigkeitsgefühl vielmehr nebensächlich, gleichgültig. Es äussert sich genau so stark, wenn irgend ein anderer Mensch geschädigt worden ist. Denn dies Gefühl wurzelt eben nicht im Persönlichen, Selbstsüchtigen. Nicht wegen der Verletzung, die mir zugefügt ist, soll Strafe eintreten, sondern wegen der Verletzung des Rechts, der Moral. Diese sind aber in mir nicht mehr geschädigt, als in irgend einem andern Menschen. Ja, um das Verlangen nach Strafe zu wecken, bedarf es nicht nur nicht der Verletzung der eigenen Person, sondern überhaupt nicht derjenigen eines Menschen. Jenes mysteriöse sittliche Gefühl in uns, das Gerechtigkeitsgefühl, bezeichnet ausserdem noch manche Handlung als strafwürdig, zum Beispiel Gotteslästerung.

Also: das Verlangen nach Rache ist etwas Egoistisches, Persönliches; das Verlangen nach Strafe etwas Unpersönliches.

Sprachlich zeigt sich der persönliche, subjektive Charakter der Rache in der Verbalform sich rächen (riuwoεio dai, ulcisci), und der unpersönliche, objektive Charakter der Strafe in der Form: Jemanden strafen. Für mich, zu meinem Vergnügen verursache ich im ersteren Falle Schmerz: mich räche ich. Das Leid, welches ich aus Rache zufüge, kehrt seinem Zweck nach zu mir zurück. Das Leid dagegen, welches aus Gerechtigkeitsgefühl, als Strafe Jemandem auferlegt wird, ruht im Bestraften, wie in seinem letzten Ziel. Die Vergeltung der That ist Endpunkt, Endzweck, nicht wie bei der Rache Durchgangspunkt, Mittel.

3) Wir haben nun zwei Fälle erörtert: Man sieht entweder in der eigenen Verletzung nur diejenige des Rechts (reines Verlangen nach Strafe) oder in der Verletzung des

Rechts nur die eigene (reines Verlangen nach Rache). Ausserdem ist noch der dritte Fall denkbar, dass ein Gemisch aus beiden Reaktionen eintritt. Das Leid, welches man dem Verletzer wieder anthut, fliesst dann aus zwei Quellen; theils aus der Rachbegierde: man reagirt auf die eigene Verletzung; theils aus dem Gerechtigkeitsgefühl: man reagirt auf die Verletzung des Rechts; man fühlt sich berufen, abgesehen von dem Vergnügen, welches die Wiederleidzufügung gewährt, dem Verletzer Leid aufzuerlegen, im Namen der Gerechtigkeit, als die ihm sittlich gebührende Folge seiner That.

Damit sind alle Kombinationen erschöpft. Entweder die Leidzufügung wird nicht als Unrecht empfunden; dann ist nur Eine Reaktion denkbar, nämlich diejenige der Rache. Oder die Leidzufügung wird als Unrecht empfunden; dann sind drei Reaktionen möglich, nämlich blos Verlangen nach Rache oder blos Verlangen nach Strafe oder beide Verlangen

zusammen.

Die Rachgier ist also nicht auf das Gerechtigkeitsgefühl zurückzuführen. Sie sind koordinirte Grössen. Die Quelle der einen liegt weit ab von der Quelle der andern.

Demnach muss die Meinung der Rechtshistoriker, die Rache sei eine Offenbarung des Gerechtigkeitsgefühls, als Unsinn bezeichnet werden. Ebensogut könnte man den Neid, die Schadenfreude Aeusserungen des Rechts oder das Weisse eine Manifestation des Schwarzen nennen. Nicht das Rechtsgefühl (wie Berner meint) treibt den Verletzten zur Rache, sondern das Schmerzgefühl. Die Rache ist nicht, (wie Köstlin sagt) ,,Wiederherstellung des Rechts an dem Frevler", sondern Wiederherstellung des eigenen Machtbewusstseins durch Vernichtung des Thäters. Nicht,,wegen einer schweren Rechts

kränkung übt das Individuum Privatrache aus" (wie Abegg meint), sondern wegen einer schweren Kränkung. Die Rache ist nicht eine „,Urform der Rechtspflege", sondern ein Zustand vor der Rechtspflege und es liegt in ihr keineswegs (wie Jarcke behauptet),,ein dunkles Bewusstsein des Menschen von der Nothwendigkeit, dass Unrecht aufgehoben und durch Strafe getilgt werden müsse." Von der Rache als von einer strafenden Tilgung des Unrechts wissen die Völker wohl nichts, welche aus Rache ihre Feinde fressen.

Also: aus der Existenz der Rache auf den niedern Kulturstufen, aus dem Faktum, dass des Erschlagenen Sippe den Todtschläger wieder zu tödten versuchte, kann blos geschlossen werden, dass sie die Tödtung als unlustvoll, nicht, dass sie dieselbe als Unrecht empfand. Nicht für schlecht galt es, Mitglieder einer andern Sippe zu tödten, sondern für rühmlich, ähnlich wie heute das Tödten im Kriege; und erst recht war das Wiedertödten, die Blutrache ruhmvoll. Somit, Leidzufügungen und Rache. Nicht: Unrecht und Strafe. Wie solche Leidzufügungen später den Charakter des Unrechts erworben haben und wie an die Stelle der Rache die Strafe getreten ist, soll untersucht werden. Erst aber müssen wir die auf den niedern Kulturstufen herrschende Rache, die Vorläuferin der Strafe, noch genauer betrachten.

§ 15.

Die Rache auf den niederen Kulturstufen.

a. Ein Schlag ruft einen Gegenschlag, der Gegenschlag einen Gegen-Gegenschlag hervor. Dies erklärt sich aus dem Wesen der Rache als eines Hanges, sich nicht unterkriegen zu lassen. Dementsprechend geht die Rache auch zwischen

den Geschlechtern als Rauben, Wiederrauben und WiederWiederberauben, Morden, Wiedermorden und Wieder-Wiedermorden hinüber und herüber.

Ausserdem erweist sich hierbei, zumal wenn die Rache durch Generationen forterbt, die Beurtheilung wirksam, dass Rache löblich, dass es höchst schmachvoll sei, Verletzungen seiner selbst oder eines der Seinigen nicht zu rächen.

Rachgier, verbunden mit dem Gefühl ihrer Löblichkeit: in diesen beiden Empfindungen wurzelt die Rache des unkultivirten Menschen.

Angenommen, die Vergeltung entspränge in jenem Zeitalter nicht aus Rache, sondern aus Gerechtigkeitsgefühl, sei Strafe: dann muss die Wiedervergeltung dort eine wesentlich. andere Beurtheilung erfahren, wie die Vergeltung. Handelt des Getödteten Sippe, indem sie den Mörder wieder erschlägt, aus Gerechtigkeitsgefühl, so muss die Reaktion der Sippe des so Bestraften, ihre Rache an den Bestrafern, verurtheilt worden sein. Ist die Vergeltung gerecht, so muss die Wiedervergeltung als ungerecht empfunden werden. Letzteres war jedoch nicht der Fall. Vielmehr wird Wiedervergeltung ebenso gelobt, wie Vergeltung. Demnach kann die Vergeltung nicht als Strafe betrachtet worden sein, sondern nur als Rache.

Die Konfusion, welche hier entsteht, wenn Rache und Strafe mit einander verwechselt werden, zeigt sich grell in den folgenden Worten Abegg's: Wer den Andern im Stande der Privatrache tödtet, hat sich selbst ein gleiches Urtheil gesprochen und dadurch einen unauflöslichen Widerspruch herbeigeführt (Unters. p. 249). Dieser Widerspruch ist nirgends, als in dem Kopfe Abegg's und rührt daher, dass er in der Rache Strafe sieht. Denn hierdurch wird die Gegenrache

zu einer Rache an der Strafe oder zu einer Bestrafung der Strafe. Fasst man dagegen die Rache als Rache, so verschwindet das Widerspruchsvolle. Denn mit dem Wesen der Rache stimmt es ja überein, dass sie wieder Rache erzeugt. Dasselbe ist Köstlin zu entgegnen, wenn er sagt: Es ist nur ein Trug, eine Rechtsausgleichung in der Zufügung einer neuen Rechtsverletzung zu finden, weil diese selbst wieder die Rache hervorruft (Mord u. Todtschl. p. 23). Der Mord war damals keine Rechtsverletzung, sondern blos eine Verletzung; die Rache keine Rechtsausgleichung, sondern eben Rache, welche ihrerseits Gegenrache erzeugte. Wo ist nun der Trug?

Diese Forscher, zu sehr Rechtsgelehrte, vermögen sich ihrer Rechtsbegriffe nicht zu entäussern und übertragen das jus, welches sie in europäischen Hochschulen gelernt haben, auf Völker, welche nicht den Frieden lieben, sondern Krieg, Blut, Raub, Mord und Rache.

b. Wenn ich den Umstand, dass jeder Racheakt seinerSeits wieder Rache erzeugt als die Längendimension der Rache bezeichnen darf, so hat dieselbe auf den niederen Kulturstufen auch eine Breitendimension: sie ist nicht blos gegen den Verletzer gerichtet, sondern ausserdem noch gegen das ganze Geschlecht desselben, während der Verletzer von seinem Geschlecht vertheidigt wird. Hat ein Familienmitglied, sagt Munzinger von den Bogos, einen Mord begangen, so wird die ganze Blutsverwandtschaft des Blutes theilhaftig. Ist ein Familienmitglied getödtet worden, so hat die ganze Blutsverwandtschaft das Recht und die Pflicht der Blutrache (Bog. p. 79). In demselben Sinne sagt Tacitus

7 Post: Die Blutrache richtet sich gegen die ganze Sippe des Thäters, ohne Rücksicht darauf, ob die einzelnen Blutsfreunde irgend

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