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II. § 4.

Uebernatürliche Erklärungen in der Philosophie.

Die natürlichen Ursachen der philosophischen Phänomene, besonders der ethischen, sind noch so gut wie unbekannt; folglich werden sie übernatürlich erklärt. Die Philosophie, insofern sie sich nicht blos kritisch, das heisst unsere Erkenntniss einschränkend, verhält, sondern ihre Phänomene positiv auf Ursachen zurückführt, steht etwa da, wo die andern Wissenschaften sich befanden, als sie zum Erklärungsgrund ihrer Probleme Götter machten. Wie jenen Krankheit von einem Krankheitsgeist herrührte, so wird uns noch das Phänomen des Denkens von einem Geist bewirkt. Wie jene in der Bauchrednerei, deren natürliche Ursache sie nicht kannten, die Stimme eines Gottes hörten, so vernehmen wir im Gewissen, dessen natürliche Ursache wir nicht kennen, die Stimme Gottes. Philosophie ist die zurückgebliebenste der Wissenschaften. Physik, Astronomie, Physiologie haben schon einen unantastbaren Bestand natürlicher Erklärungen. Diese Wissenschaften existiren; Philosophie existirt noch nicht. Sie befindet sich im Vorstadium ihrer Entwickelung. Ihre Phänomene, behaftet mit übernatürlichen Deutungen, warten noch auf die natürlichen.

§ 5.

Natürliche Erklärungen in der Philosophie.

Woher werden die ethischen Phänomene noch übersinnlich erklärt? Wie kommt es, dass man die Bahnen der Gestirne und die Funktionen der Organismen früher erforscht hat, als das Gewissen? Zwei Gründe haben den zurückgebliebenen Zustand der Moralphilosophie verschuldet.

1) Die naturwissenschaftliche Methode des Vergleichs und der genetischen Entwickelung, welche allein zum Verständniss des Moralischen führen kann, ist erst in neuerer Zeit zur Anwendung gekommen.

2) Natürliche Erklärungen der moralischen Phänomene erscheinen besonders gotteslästerlich und staatsgefährlich. Gotteslästerlich: insofern Moral die letzte und bedeutungsvollste Position ist, auf welche die Gottheit sich zurückgezogen hat. Staatsgefährlich: wenn die Entgötterung des Donners, des Regens gefährlich sein konnte, weil dadurch die Heiligkeit des Rechts mit leidet, um wie viel gefährlicher, wenn das Göttliche aus dem Recht, dem Gewissen direkt ausgeschieden, durch natürliche Deutungen ersetzt wird!

Wir unternehmen es nun, die natürlichen Ursachen des Gewissens darzulegen; leisten also der Ethik denselben Dienst, welchen die Forscher früherer Jahrhunderte der Medicin, der Astronomie und den übrigen Wissenschaften erwiesen, als sie aus ihnen die Götter und Geister vertrieben.

I. Buch.

Das Gewissen ein Produkt der Geschichte.

§ 6.

Beschreibung des Gewissens.

Eine exacte Definition des Gewissens aufzustellen, wäre ein Fehler, da sie exakter sein würde, als das, was die Menschen sich unter Gewissen denken. Wir begnügen uns daher mit seiner Beschreibung.

Wer etwa einen Mord begangen hat, fühlt sich, sobald nur seine Leidenschaft verraucht ist, schuldig; er verdient, nach seinem eigenen Urtheil, Leid als Vergeltung; er wünscht, von solchen Vorstellungen gepeinigt, die That ungeschehen; er verabscheut seinen Charakter. Diesen Zustand des Gemüths bezeichnet das Wort Gewissensbisse. Hat Jemand wohlwollend gehandelt, so billigt er seine Handlungsweise; er kann seinen Charakter achten, er hat ein gutes Gewissen. Das Gewissen spricht nicht blos nach dem Handeln, sondern schon vor demselben. Es gebietet, dass gewisse Handlungen

gethan, dass andere unterlassen werden sollen; häufig jedoch, ohne im Tumult der Leidenschaften Gehör zu finden.

Demnach ist das Gewissen ein Unterscheidungsvermögen, welches die Handlungen in zwei Klassen theilt, nämlich in löbliche und in tadelnswerthe.

§ 7.

Form und Inhalt des Gewissens.

Das Bewusstsein der Schuld, der Strafwürdigkeit ist die Form des bösen, das Bewusstsein der Löblichkeit die Form des guten Gewissens. Der Inhalt des Gewissens besteht aus den Handlungen, gelegentlich deren ein solches Bewusstsein sich einstellt. Wir erwähnten schon zwei Handlungen, deren eine, der Mord, dem Inhalt unseres tadelnden Gewissens, die zweite, ein Akt des Wohlwollens, dem unseres lobenden Gewissens angehört.

Welches Merkmal charakterisirt nun die Handlungen unseres lobenden, welches die unseres tadelnden Gewissens? Hier lassen wir eine Beschränkung eintreten. Aus der Masse der Handlungen, welche den Inhalt des Gewissens bilden, scheiden wir zwei Klassen aus. 1) Handlungen, in welchen der Handelnde aus Egoismus, Habsucht, Rachsucht andere Menschen schädigt. 2) Handlungen, in welchen der Handelnde aus wohlwollender Neigung oder Pflichtgefühl das Wohl anderer Menschen fördert. Jene Handlungen bilden einen wesentlichen Theil von dem Inhalt unseres tadelnden, diese einen Theil von dem Inhalt unseres lobenden Gewissens. Erschöpft ist damit der Gewissensinhalt eben nicht. Es gehören noch viele Handlungen, besonders religiöser Art, in

den Bereich desselben.

Aber diese lassen wir bei Seite.

Der Gegenstand unseres Buches ist, zu erforschen:

1) Woher existirt in uns ein lobendes und tadelndes Bewusstsein?

2) Woher lobt dieses Bewusstsein gerade wohlwollende, woher tadelt es egoistische, grausame Handlungen?

$ 8.

Das Gewissen und die Moralphilosophen.

Wie das Bewusstsein entstanden ist, welches wohlwollende Handlungen lobt, egoistische tadelt? Da muss erst nachgewiesen werden, dass es überhaupt entstanden, historisch geworden ist; dass es sich blos in einigen Zeitaltern findet, nicht in allen.

Fast sämmtliche Moralphilosophen meinen, dass es nicht entstanden, sondern jederzeit in allen Menschen vorhanden gewesen sei. Die ganze Menschheit, sagt Ferguson, stimmt darin überein, dass Wohlwollen gut sei (instit. of mor. phil. p. 133). Aehnlich Hutcheson: wenn die Menschen aller Nationen gewisse Handlungen billigen wollen, so pflegen sie eine Richtung derselben auf die Glückseligkeit Anderer, eine liebreiche Absicht anzuführen (Sittenl. p. 161 d. Ue.)

Hume äussert sich in dem nämlichen Sinn. Es ist überflüssig, zu beweisen, meint derselbe, dass Regungen des Wohlwollens, wo immer sie sich zeigen, Billigung finden. Die Epitheta menschlich, wohlthätig sind allen Sprachen bekannt und bezeichnen überall das höchste Verdienst, zu welchem sich die menschliche Natur erheben kann (princ. of mor. I, 2). Das Urtheil, sagt Hume an einer anderen Stelle, welches wohlwollende Charaktere und Handlungen für lobenswerth erklärt, hängt von einem innern

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