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Ach sie erschleicht auch Schwache, denen nichts
Als knirschende Verzweiflung übrig bleibt:
So fanden uns die Hirten des Gebirgs,
Verbanden meine Wunden, führten sorgsam
Die Sterbende zurück, ich kam und lebte.
Mit welchem Graun betrat ich meine Wohnung,
Wo Schmerz und Sorge sich am Herd gelagert!

u. S. W. Im Elpenor hat der Dichter sich das letzte Mal in den freien Rhythmen ausgesprochen, die ein Symptom der alle Schranken durchbrechenden Geniezeit gewesen waren, und die letzte Scene des Fragments (die ja auch der Zeit nach die letzte gewesen sein wird), der Monolog des Polymetis, schliesst, sowohl der Form als dem gährenden, gewaltigen Inhalt nach, die Kette, die von Wanderers Sturmlied und Prometheus bis zu den ersten Versuchen im heroischen und elegischen Versmaß reicht. Auch Tasso war ursprünglich, so weit er fertig war, in poetischer Prosa geschrieben und wir wissen nicht, welche Gestalt die letztere hatte, ob eine schwungvolle oder eine naturalistische oder Beides zugleich, wie die des Werther oder der Stella? Aber dem Tasso kam zu Gute, dass der Dichter diese erste Niedersetzung, die ihm nebelhaft und weichlich vorkam, ganz und gar verwarf und also keine gegebene spröde Form mühsam umzuschmelzen hatte. So wurden die Verse im Tasso geschmeidiger, fliessender, die Gedanken, so zu sagen, gleich jambisch geboren. Ja die gebundene Rede strömte um diese Zeit so übermächtig aus des Dichters Seele, dass er in den späteren Partien des Egmont, die in Rom entstanden, obgleich hier die mehr dramatische Prosa, die Sprache des Lebens angewandt werden musste, dennoch, gleichsam wider Willen, seine Worte nach rhythmischem Maß aneinander reihte. Dies stimmt zwar nicht ganz mit den Bekenntnissen in den Briefen aus Italien überein, aber diese Stellen in der italienischen Reise sind, wenn man sie genauer betrachtet, Einschiebsel der spätern Redaction. Wie sollte Goethe in Rom des Verses nicht GOETHE-JAHRBUCH VI.

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Herr gewesen sein, fremden Unterricht darin verlangt haben? Er hatte sich schon als Knabe in allerlei Reimen geübt, in Leipzig schon als Student ein Drama in fünffüssigen Jamben geschrieben; zahlreiche Gedichte hatten seinen Lebensgang begleitet und konnte es herrlichere jambische Verse geben, als die in Fausts Nachruf an die Sonne (sicherlich schon in Frankfurt entstanden):

Betrachte wie in Abendsonne-Glut

Die grünumgebnen Hütten schimmern u. s. w.

oder in Mignons Liede:

Kennst du das Land, wo die Citronen blühn

wo die Pracht des Verses mit der wiederkehrenden Cäsur nach dem zweiten Fuss fast übermäßig und blendend ist oder aus der nächsten Weimarer Vergangenheit die Stanzen der Geheimnisse und der Zueignung? Vielleicht täuschte den Dichter sein Gedächtniss und die Silbennoth bezog sich auf den Hexameter die ihn aber auch erst überfiel, als die Eutiner Schule kam und störend dreinredete. Wobei es immer möglich ist, dass er, der bei aller Genialität der Eifrigste im Lernen war, auch während der Arbeit an Iphigenie bei Moritz sich vielfach Rathes erholte und sich dadurch gefördert glaubte.

III. Südliche Versarten.

Jambisch und trochäisch sind auch die südromanischen Versmaße, die Ottaven, Decimen,Terzinen,Sonette,Canzonen, Glossen, Ritornelle u. s. w. Die Romantiker, seit den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts, übten diese Form eifrig, wiederholten sie in Übersetzungen und eigenen Gedichten, ja gingen endlich sogar den Mustern Arabiens und Persiens nach. Alles wurde in deutscher Sprache möglich und der Triumph war nicht gering. Noch jetzt rühmen wir uns unserer Übersetzerkunst: wir können Alles wiedergeben, was nur je

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auf dem Erdboden, in alter und in jüngerer Zeit, in kurzen und in unendlich langen Dichtungen, eigenthümliche Gestalt gewonnen hat. Den anderen Nationen ist diese Fähigkeit versagt, aber vielleicht nur weil sie den Versuch nicht ernstlich wagten und ihr Sprachgefühl — auch die Sprachen sind, wie die Frauen, ein zartes, leicht verletzliches Geschlecht zu empfindlich war? Das Deutsche dagegen hat sich jede Misshandlung gefallen lassen, wie früher von Klopstock und Voss, so auch von den Romantikern. Auch die letzteren wussten die Schöne, wenn sie sich nicht freiwillig ergeben wollte, gewaltsam in ihren Dienst zu zwingen. Wie muss sie sich zu fremden Geberden verstehen, wie wenig darf sie ihrer eignen Freiheit folgen! Für den innern Rhythmus der deutschen Sprache hatten die Romantiker wenig Sinn. Hätte sonst Tieck - um unter tausenden nur dies eine Beispiel in seiner vielberühmten Strophe:

anzuführen

Mondbeglänzte Zaubernacht,

Die den Sinn gefangen hält,
Wundervolle Märchenwelt,

Steig auf in der alten Pracht

die letzte Zeile durch einen so groben prosodischen Fehler entstellen können? Der einzige unter den Dichtern der Schule, dem man eine zwanglose Versification zusprechen kann, war Novalis indess, bei aller Schmeichelei der Worte hat seine Lyrik etwas jesuitisch Schleichendes und eine Sanftmuth, die auf die Länge widerwärtig wird. A. W. Schlegels Übersetzung des Shakespeare gilt für meisterhaft - aber man vergleiche diese eckige, immerfort anstossende, undeutsche Jambensprache mit dem melodischen Fluss der Verse in Schillers und Goethes Dramen oder am besten mit Schillers Wiedergabe des Macbeth die der eifersüchtige Romantiker zwar durchaus verwarf, die aber dem

1 Selbst A. W. Schlegel deutet einmal diesen Gedanken an (in dem gegen Klopstocks grammatische Gespräche gerichteten »Wettstreit der Sprachen«<, im Athenäum vom Jahr 1798).

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Deutschen seine Sprache redet und nichts vorbringt, was das deutsche Ohr nicht gern vernähme. Wer in einer metrisch treuen deutschen Übersetzung, auch der besten, von Dantes göttlicher Komödie längere Zeit lesen kann, der hat nur ein stumpfes Sprach- und Formgefühl, und ähnlich ist die Lage dessen, der ganze Gesänge des Ariosto oder Tasso in deutschen Ottaven bis zu Ende geniessen soll. Die italienische Sprache ist überreich an Reimen, die deutsche daran arm; dem Italiener stehen die betonten Ableitungs- und Biegungssilben in unerschöpflicher Fülle zu Gebote wie sollte es ihn nicht reizen, mit den Klängen, die die ganze Sprache durchziehen, blos um ihrer selbst willen anmuthig zu spielen und in Sonetten und Ottaven zierliche Blumengewinde durcheinander zu schlingen?' Im Deutschen sind die Reime nicht blos zu selten und die vorhandenen werden dadurch leicht formelhaft 2-sondern, da sie nur Stammsilben verbinden können, auch zu schwer. Darum wir behaupten: im Deutschen ist das Sonett unmöglich, so viel auch deren gemacht worden sind und wie sich der Dichter auch stelle. Die Romantiker dachten darin anders; sie wollten zwar Kinder sein, thaten, als wenn sie an Märchen und Bildern ihre Lust fänden, schienen in heilige Mystik sich zu versenken und waren und blieben doch nur kalte Formkünstler. Und weil sie dies nur waren, misslang ihnen auch die ächte Form, die nur der Inhalt selbst sich gibt. Das deutsche Herz fehlte ihnen, darum auch die deutsche Sprache. Als Novalis, der Busenfreund Friedrich Schlegels, in dem dieser sein ander Ich erkannte und den künftigen Glaubensgenossen ahnte, im Jahre 1801

I Man vergleiche Goethes eigene Worte im Benvenuto Cellini, gegen den Schluss, poetische Versuche: »Die beschränkte Form der Sonette, Terzinen und Stanzen, durch die Natur der italienischen Sprache höchlich begünstigt« u. s. w.

2 Z. B. Liebe Triebe, Herz Schmerz, Lust

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Brust, Luft Ferne, Rosen

gestorben war, da gab der Überlebende seinem tiefen, ihn fast übermannenden Schmerze Ausdruck durch ein Sonett. Um dies zu Stande zu bringen, musste er zwei Mal einen vierfachen Reim, dann noch drei verschränkte Reimpaare suchen, endlich wohl aufmerken, dass sein Gefühl sich nicht in weniger, auch nicht in mehr, sondern gerade in vierzehn Zeilen ergösse! Nicht anders that bei ähnlicher Gelegenheit der ältere Bruder: der Tod seiner Stieftochter, der schönen, hoffnungsvollen, heissgeliebten Augusta Böhmer, zerriss sein Herz und er brachte ihr ein Todtenopfer von neun Gedichten, darunter sieben Sonette und eine Canzone! Als ein Dutzend Jahre später ein Nachzügler der Romantik, Rückert, seinem Hass gegen den Unterdrücker Napoleon, seiner Begeisterung für Deutschlands Freiheit und Auferstehung Luft machen wollte, da kleidete er seine stürmischen Empfindungen in dieselbe fremde verkünstelte Form und schrieb geharnischte Sonette! Sie wurden gelobt, aber wirken konnten sie nicht und in ihrer Form sind sie uns jetzt völlig ungeniessbar. Ein ächtes, deutsches, den Tiefen der Seele entsprungenes Sonett aber steht in Wilhelm Meister:

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Heiss mich nicht reden, heiss mich schweigen,

Denn mein Geheimniss ist mir Pflicht:

Ich möchte dir mein ganzes Innre zeigen,

Allein das Schicksal will es nicht.

Zur rechten Zeit vertreibt der Sonne Lauf

Die finstre Nacht und sie muss sich erhellen.

Der harte Fels schliesst seinen Busen auf,
Missgönnt der Erde nicht die tiefverborgnen Quellen.

Ein Jeder sucht im Arm des Freundes Ruh,
Dort kann die Brust in Klagen sich ergiessen,
Allein ein Schwur drückt mir die Lippen zu
Und nur ein Gott vermag sie aufzuschliessen.

Der geneigte Leser wird uns nicht zürnen, dass wir dies
Lied Mignons abgeschrieben und ihm damit wieder in Er-

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