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das denn kein anderes gewesen sein wird, als das Naturgedicht, welches dem Dichter lange vor der Seele schwebte und das in dem Briefwechsel mit Schiller, noch mehr in dem mit Knebel, endlich auch in den Annalen unter dem Jahre 1799 erwähnt wird. Schon die ersten Verse deuten darauf hin, auf ein Vorausgegangenes, einen Zusammenhang, dem sie entnommen sind. Das Gedicht sollte also die hexametrische Form erhalten, wie Knebel angerathen hatte, während der Metamorphose der Pflanzen, als an die Geliebte gerichtet, das elegische Maß zukam. Das Epos vom Naturleben wurde, wie es scheint, in des Dichters Geist durch die Achilleïs verdrängt, aber wäre es zu Stande gekommen wir hätten einen wiedergebornen, vertieften Empedokles, ein Lied wie aus der goldnen Zeit der Kindheit, wo Poesie und Wissenschaft noch eins, Natur und Geist noch nicht geschieden waren. Verglichen mit dem schwungvollen, obgleich in Prosa geschriebenen Hymnus auf die Natur (aus dem Tiefurter Journal) und dessen abgerissenen Anrufen an die Allmutter, die uns Alle im Schosse trägt, wäre es gelassener, sanfter gestimmt gewesen, zusammenhängender, reicher an Worten, mit mehr Lust an Beschreibung, voll selbsterworbener Anschauung, aber immer noch begeistert pantheistisch, im Sinne Schellings. Schelling selbst hätte uns sein Denken wohl als Gedicht geben können wozu er Anstalt machte und wohl auch Proben gab denn Jupiters Schosskind, die Phantasie, war ihm nicht abhold —, während der Königsberger Kriticismus, zu dem sich Schiller bekannte, eine absolut poesielose Philosophie und auch insofern die Blüthe des aufgeklärten, rationalistischen Jahrhunderts war. Doch wir verlieren uns hier auf ein ganz fremdes Gebiet und kehren zum Jahre 1819 zurück. Damals mag Goethe das Fragment abgelöst, zusammengerückt und mit der Überschrift, die nicht völlig passt, versehen haben. Vielleicht finden sich noch andere Bruchstücke in dem Goetheschen Archiv zu Weimar. Auch das auf die beiden Metamor

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phosen folgende Antepirrhema ist, bei gleicher Ehrfurcht vor der ewigen Weberin Natur, so frei und klar gesagt, als stände es in einer der besten Partien des ersten Theiles Faust. Auch sonst bringen die langen Jahre des 19. Jahrhunderts zahlreiche Sprüche und Epigramme und Xenien, in freieren und gemesseneren Knittelversen, Aufzeichnungen, in denen kluge Menschenkenntniss und reife Weisheit, ernste Warnung und heitere Paradoxie, Betrachtungen über Zeit und Schicksal, Eingebungen des Augenblicks, vorübergehende Stimmungen und Missstimmungen, Blicke in das Leben und die Welt und das Innere der Seele eine kurze, gnomische, apophthegmatische, oft glücklich ausgeprägte Form gefunden haben die, wenn sie sich nicht geben wollte oder ein Zufall sich widersetzte, auch mit der Prosa vertauscht wurde. Alle zusammen bilden ein Buch der Weisheit, der Gleichnisse, der Sprüche, wie es nur ein viel erfahrenes Greisenalter, verbunden mit der höchsten genialen Anlage, ein die Dinge allseitig überschauender Geist so reich und mannichfach erschaffen kann. Und es ist nicht fremde, nicht etwa hebräische oder indische, sondern deutsche Weisheit, in der wir lesen, und der Knittelvers das fühlen wir lebhaft, der Vers, der nur die Hebungen zählt, das eigentliche deutsche Metrum. Es ist zwar ein ungebildeteres Silbenmaß, wie es Goethe selbst nennt (in der Ankündigung von Schillers Wallenstein in der Allgemeinen Zeitung vom 12. Oktober 1798), aber eben darum ein heimisches, volksmäßiges, von der Natur der Sprache gegebenes, zum Herzen redendes Maß, dasselbe, in dem auch Faust und Mephistopheles sich einander mittheilen. Und damit finden wir uns an den Anfang, von dem wir ausgingen, zurückgewiesen wie dem Dichter selbst die schalkhaften oder polemischen Denksprüche seines Alters mit den Knittelversen der Satiren seiner Jugend, also Beginn und Schluss des Lebens, zu einem schönen Ringe sich zusammenschlossen.

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oethes Werke bieten der philologischen Untersuchung vielfach ähnliche Probleme, wie die grossen Volksepen und andere Schriften, bei denen aus Widersprüchen, Zusammenhangslosigkeit und Stilverschiedenheiten der Verdacht einer Compilation oder fremder Zuthaten, kurz einer nicht völlig einheitlichen Abfassung sich aufdrängt.

Dass Wilhelm Meisters Lehrjahre gegen den Schluss hin von der Höhe der ersten Bücher herabsinken, haben schon viele bemerkt. Die Wanderjahre nehmen dann einen ganz andern Charakter an, und ihre Redaction ist so oberflächlich besorgt worden, dass nothwendige Glieder der Erzählung, die in der ersten Auflage vorhanden waren, in der zweiten Bearbeitung wegblieben.

Innerhalb von Dichtung und Wahrheit lässt sich dem blödesten Auge klar machen, dass der vierte Band Materialien verschiedenster Art und verschiedensten Ursprungs nur äusserlich redigirt, während die drei ersten Bände Alles

mit dem höchsten Glück organisiren, beleben, verbinden und in der sorgfältig überlegten, zuweilen fast raffinirten Composition ein wahres Wunderwerk der Erzählungskunst darstellen.

Vom Egmont ist bekannt, dass die jüngeren Partien sich durch ausgeprägt iambischen Rhythmus von der reinen Prosa der ältesten Theile abheben.

Bei Stücken, die aus Prosa in Verse übertragen wurden, wie Erwin und Elmire, Claudine, Iphigenie und zum Theil Tasso, bei einem Lustspiel, das ursprünglich als Singspiel gedacht war, wie der Grosscophta, bei Tragödien, mit denen eingreifende Veränderungen vorgenommen wurden, wie Götz und Stella, muss man viel gründlicher, als bisher geschehen, untersuchen, in welchem Grad es dem Dichter gelungen ist, die Spuren einer ruckweise vorschreitenden Abfassung zu verwischen.

So im ersten Guss, wie Werther, Clavigo, Hermann und Dorothea, Wahlverwandtschaften, gelang nicht vieles, was Goethe geschaffen. Aber immerhin handelt es sich bei den Umarbeitungen, abgesehen vom Tasso, jedesmal um ein rasch entstandenes Ganze, an welchen nur hinterher im Ganzen oder im Einzelnen gebessert wurde.

Wenn aber Goethe an Fragmente, wie Prometheus, Ewiger Jude, Elpenor, Geheimnisse, Nausikaa, Achilleis, Natürliche Tochter, Pandora, noch einmal die Hand gelegt hätte, so wäre es ihm vermuthlich so wenig wie beim Egmont oder Wilhelm Meister gelungen, ein vollkommen einheitliches Ganze daraus zu machen, oder es wäre ihm doch nur unter besonders günstigen Umständen gelungen, und wir würden jedenfalls darauf achten müssen, wie weit er die Schwierigkeiten des Unternehmens überwunden hätte.

Solch ein Fragment nun war Faust; ja er war es wiederholt und verlangte immer neue Ansätze, neue Versuche. Über die Entstehung verschiedener Scenen zu verschiedenen Zeiten sind wir zum Theil ausdrücklich unterrichtet, und parallele Beobachtungen über verschiedenen Stil sind dann leicht zu machen. Allein zu einer vollstän

digen innern Geschichte des Goetheschen Faust, zu einer vollständigen Vertheilung aller Scenen oder aller Verse auf die verschiedenen Perioden von Goethes Entwicklung reichen die ausdrücklichen Nachrichten nicht hin, und wir sind auf unsere eigenen Beobachtungen, auf strenge Interpretation, welche vielleicht den Zusammenhang gestört finden wird, auf sorgfältige Erwägung der Voraussetzungen und Consequenzen, auf Observationen über Stilverschiedenheit angewiesen. Ob ein solches Verfahren zu einer vollständigen Geschichte des Faust führt, können wir freilich nicht wissen, da wir auf die Fälle angewiesen sind, in denen Incongruenzen stehen blieben, während uns die in jeder Hinsicht gelungenen Änderungen nothwendig entgehen müssen. Immerhin aber werden wir so eine vergleichsweise vollständigere Geschichte des Faust gewinnen, als sie sich aus den äusseren Nachrichten ergeben kann.

Incongruenzen des Inhalts zu vermeiden, ist schliesslich eine Sache des scharfen Aufmerkens. Ein sehr aufmerksamer und gesammelter Dichter kann auch bei unterbrochenem Arbeiten darin viel thun. Im allgemeinen aber wird ein Philolog aufmerksamer sein, als ein Dichter. Die stürmische Kraft der produktiven Phantasie blickt über unwesentliche Einzelheiten leicht hinweg, und es gibt Widersprüche in Goethes Faust, bei denen man die Möglichkeit zugeben muss, dass er sie absichtlich stehen gelassen oder, um vorsichtiger zu sprechen, dass er sie gekannt und gleichwohl nicht getilgt habe.

Incongruenzen des Stiles dagegen sind bei unterbrochenem Arbeiten sehr schwer bewusst zu vermeiden, weil die Eigenthümlichkeit des Ausdruckes stets viel Unbewusstes enthält. Wo wäre der Schriftsteller, der seinen eigenen Stil als Philologe durchforscht hätte, alle Mittel desselben kennte und dafür sorgte, dass sie stets gleichmässig zur Anwendung kämen! Als Schriftsteller sind wir doch alle gelegentlich naiv, auch wenn wir mit dem heiligsten Eifer auf uns achten.

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