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4. GOETHES COUR D'AMOUR. BERICHT EINER THEILNEHMERIN, NEBST EINIGEN BRIEFEN

MITGETHEILT VON

FREIHERRN CARL VON BEAULIEU-MARCONNAY 1.

J

n dem von mir herausgegebenen Buche: »>Anna Amalie, Carl August und der Minister von Fritsch. Weimar 1874 befindet sich am Ende ein Anhang über das häusliche Leben der Herzogin Anna Amalie. Derselbe stammt aus der Feder der Gräfin Henriette von Egloffstein, einer in der Literaturgeschichte jener Zeit häufig erwähnten Dame, die von 1795 bis 1804 in Weimar lebte. In dem erwähnten Buche ist eine kurze biographische Schilderung von ihr enthalten, auf welche hier im wesentlichsten Bezug genommen werden darf. Doch bleibt dabei zu erwähnen, dass sie nach langen schweren Kämpfen zu jener Zeit auf Andringen ihres Gatten wider ihre persönliche Meinung bestimmt ward, in die gerichtliche Scheidung zu

I Vgl. Goethes Bericht in den »Annalen«< Hempel 27, S. 74-76 und Biedermanns Bemerkungen dazu, in denen von unserm Aktenstück bereits Gebrauch gemacht ist. Vgl. ferner G.-J. IV, S. 435 fg. und Düntzers Darlegungen G.-J. V, S. 333-342. Eine kritische Vergleichung dieser Darstellungen mit unserm Berichte und eine Berichtigung der unzutreffenden Einzelheiten in der folgenden Erzählung würde zu weit geführt haben; sie möge als ein lebensvolles, wenn auch vielleicht parteiisch gefärbtes Bild jener Tage erscheinen.

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willigen. Diese bittern Erfahrungen hatten ihrem weichen Gemüth unzerstörbare Spuren eingedrückt. Einen tiefen Conflict hatte sie durchkämpft, sie hatte das Band der Ehe gelöst, um ihre eigene und ihrer Töchter Reinheit zu erhalten, sie ward streng, ja, rigoristisch in ihrem sittlichen Urtheil über die Ehe und alles, was auf das Verhältniss der Geschlechter sich bezieht. Dieser Charakterzug blieb ihr bis in ihr spätes Alter, während ihrer zweiten glücklichen Ehe, in welcher sie ihre goldene Hochzeit feiern konnte; er blieb ihr dennoch, und konnte ihrem freien, die ganze Welt umfassenden Blick wohl mitunter etwas Befangenes, ihrem vorurtheilslosen, sichern, milden Urtheil zuweilen etwas Hartes und Unbilliges beimischen. So war es denn nicht überraschend, dass bei der Bekanntschaft mit Goethe dessen häusliche Verhältnisse eine unübersteigliche Scheidewand bildeten zwischen diesen beiden Erscheinungen, die sich, unter günstigen Umständen zusammen geführt, vermuthlich lebhaft angezogen haben würden. Sie hielt sich überhaupt in der Gesellschaft zurück, und suchte vor allem sich neutral zu halten, was bei ihren persönlichen Verhältnissen sehr erklärlich ist, aber nicht leicht sein mochte, und ihr auch, wie wir sehen werden, nicht immer gelang. Sie ward nämlich wider ihren Willen in eine Intrigue gegen Goethe verwickelt, bei Gelegenheit jenes bekannten Festes, welches Kotzebue zu Ehren Schillers veranstalten wollte, mit dem Hintergedanken, Goethen dadurch zu kränken und vielleicht Beide zu entzweien. Eine Erzählung dieses Vorfalls in dem Buche von Johannes Falk: »Goethe aus persönlichem Umgang«<, führte ihren Namen zuerst in die Literatur ein, aber mit solcher Entstellung persönlicher Verhältnisse, dass sie darüber in lebhaften Zorn gerieth. Dieser Umstand war es wesentlich, der sie bewog, in späteren Jahren ihre Erinnerungen schriftlich niederzulegen.

Diese Aufzeichnungen beginnen mit der dankbaren Erinnerung an die Herzogin Anna Amalie, wie solche in dem Eingangs erwähnten Buche bereits publizirt worden ist. Es

wird darin auch des Kreises gedacht, der sich in Tiefurt um die Herzogin versammelte, wobei es mitunter zu heftigen Discussionen kam, bei denen Goethes dictatorisches Genie kräftig hervortrat. In Beziehung auf diesen Letzteren äussert sie sich folgendermassen:

>>In Betreff Goethes sehe ich mich aus verschiedenen Gründen bewogen, hier aufrichtig zu gestehen, dass ich in ihm nie den Menschen, sondern nur das allumfassende Genie bewundert und geliebt habe. Desto mehr verletzte mich die öffentlich ausgesprochene Beschuldigung des guten Schwätzers Falk in seinem zusammengestoppelten Werkchen »über Goethe«, als sei ich eine zu zärtliche und begünstigte Verehrerin des grossen Meisters gewesen. Wie konnte er darüber urtheilen, er, welcher der höhern Gesellschaft fern stand und seine Notizen nur aus dem Geklatsche einiger Frau Basen schöpfen musste, die ihm alle falschen Angaben zuflüsterten, welche sein Buch noch überdies enthält. Hätte er mit eignen Augen in den Kreis hineinschauen können, worin ich mich bewegte, so würde er bemerkt haben, dass zwischen mir und Goethe keine sympathischen Beziehungen obwalteten, und ich, statt seine Nähe zu suchen, diese möglichst zu vermeiden strebte. Der Grund meiner Abneigung lag in dem, was ich hier näher auseinandersetzen muss.

Bei meinem ersten Aufenthalte zu Weimar in den Jahren 1787 und 1788 befand sich Goethe in Italien; es konnte also meine Begierde, den berühmten Mann kennen zu lernen, nicht befriedigt werden, obgleich diese durch die Versicherung seiner Anbeter, er sei das personificirte Ideal aller menschlichen Vollkommenheiten, noch mehr gesteigert worden war. Erst acht Jahre später sollte ich ihn von Angesicht zu Angesicht schauen, allein, wie es gewöhnlich zu gehen pflegt, wenn die Erwartung zu hoch gespannt ist, so erging es auch mir, als ich Goethes Bekanntschaft machte. Das Bild, welches sich meine lebhafte Phantasie von ihm entworfen hatte, stand weit über dem

Originale und stellte dieses in Schatten. Weder in physischer noch in moralischer Hinsicht glich Goethe der Schilderung, die man mir von ihm gemacht, und als ich seinen ehemaligen begeisterten Lobrednern meine Verwunderung darüber zu erkennen gab, betheuerten diese einstimmig, es sei seit seiner Abreise nach Italien eine solche Veränderung mit ihm vorgegangen, dass selbst seine intimsten Freunde keine Spur des frühern Menschen mehr an ihm zu entdecken vermochten. Dazu gehörte insbesondere der wohlwollende, nachsichtsvolle Hildebrand von Einsiedel, dessen Andenken ebenso wenig aus meinem Gedächtniss schwinden wird, als die Erklärung, welche er mir über Goethes gänzliche Umwandlung geben wollte. Er äusserte sich nämlich dahin dieser merkwürdige Mann müsse von der Geburt an die heterogenen Charaktere seiner beiden Eltern unvermischt in sich getragen, der des Vaters aber so lange bei ihm prädominirt haben, bis durch den Aufenthalt in Italien das für Goethe ebenso verführerisch, wie Armidens Zaubergärten für den tapfern Rinaldo gewesen, das Naturell der Mutter aus der bisherigen Passivität aufgerüttelt und dazu befähigt worden sei, von nun an die Oberhand zu behaupten.

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Ob dies für etwas mehr als eine sinnreiche Hypothese gelten könne, vermag ich nicht zu entscheiden; ich kann nur mit vollkommenster Wahrheit versichern, dass Goethe, den man mir so unwiderstehlich liebenswürdig geschildert hatte, zu der Zeit wo ich ihn kennen lernte, schroff, wortkarg, spiessbürgerlich steif, und so kalten Gemüthes wie ein Eisschollen zu sein schien, was ihn für mich mehr abschreckend als anziehend machte «<.

Die Verfasserin kommt dann wieder auf die plötzliche Abreise nach Italien zurück, indem sie über die Ursachen und Veranlassungen ausführlich eine Ansicht äussert, welche seitdem als antiquirt angesehen worden ist. Hier möge die Andeutung genügen, dass sie hinsichtlich der auffallenden Veränderung, welche an Goethe seit seiner Rückkehr zu

bemerken gewesen, die Vermuthung ausspricht, Goethe habe nach einem künstlich aufgebauten System gehandelt, und durch die »ominöse Liaison mit dem Bertuch'schen Blumenmädchen«, Jedem, dem es zu wissen nöthig sein mögte gleich im Anfange seiner erneuten Existenz in Weimar zu zeigen gewünscht, was man in geselliger Beziehung fernerhin von ihm zu erwarten habe, damit sein inneres und äusseres behagliches Leben keine Störung erleide, und ihm die Mühe erspart werde, seine wahren Gesinnungen, wie ehemals, unter einer Maske verstecken zu müssen.

Die Verfasserin fährt dann fort:

>>Hegte Goethe wirklich die Meinung, er könne sich durch solche Mittel vor lästigem Andrang schützen, so irrte er sich gewaltig. Denn, nach wie vor, war und blieb er das Ziel, theils wohlwollender, theils feindseliger Bestrebungen, die in den wunderlichsten Schattirungen hervortraten und das kleine Weimar zu einem grossen Turnirplatze machten, auf welchem unzählige Lanzen in Scherz und Ernst für und gegen den mächtigen Zauberer Merlin - wie Goethe sich selbst benannt hatte - gebrochen wurden. Oefters erhitzten sich die Streitenden so sehr, dass selbst parteilose Zuschauer harte Stösse erlitten, die sie mitten in die Kampfbahn schleuderten, und zur Theilnahme an den obwaltenden Kämpfen zwangen. So erging es unter anderen auch mir, trotz aller Vorsicht mich weit davon entfernt zu halten. Bevor ich aber in meiner Erzählung fortfahre und die Veranlassung einer Fehde berichte, in welche ich ganz ohne meine Schuld verwickelt wurde, muss ich zwei Männer bezeichnen, die, obgleich sie in der literarischen Welt eine Rolle spielten, doch nicht zu der Elite der weimar'schen Gelehrten gerechnet werden durften, nämlich Böttiger

und Kotzebue,

Diese beiden gegenseitig befreundeten Schriftsteller konnten sich rühmen, das Wunder der Uebereinstimmung bei den Notabilitäten des deutschen Athens bewirkt zu haben, weil sie von allen Theilen gleichmässig gehasst und verfolgt wurden.

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