ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

Die germanischen Bestandteile des Hexenglaubens.

119

auf Wiesen und unter alten Bäumen stattfanden, geht es zu wie bei den Ketzerversammlungen. Alles zielt auf Verhöhnung und Schändung der christlichen Ritualien. Zuerst wird die Teufelsmesse gehalten, dann folgt ein Mahl, dann Tanz und wildeste Unzucht.1) Dass dieser von der Kirche behauptete und verfolgte. Hexenwahn, der wesentlich als Teufelsbund gerichtet ward, nicht ohne weiteres ans germanische Heidentum angeknüpft werden kann, ist klar. Aber ebenso gewiss sind volkstümliche Bestandteile drin enthalten. Die Hexenrichter suchten den Teufelsbund nachzuweisen und zu brandmarken, dem Volke schwebten die feindseligen Unholdinnen vor. So tritt im Aberglauben die teuflische Zugabe auch meistens zurück, die Hexe erscheint in ihrer ursprünglichen Selbständigkeit. Wie die Namen so werden auch die Haupteigenschaften dieser Hexengestalt dem germanischen Heidentum zuzuweisen sein. Von besonderem Wert sind die älteren nordischen Zeugnisse, weil in ihnen wahrscheinlich unverfälschte und ursprüngliche Überlieferung vorliegt; in den Hovomól 154 ist ein Zauberspruch gegen túnridur erwähnt:

Einen zehnten kenn ich, wenn Zauberweiber

Im Fluge durchfahren die Luft:

Bewirken kann ichs,

dass sie wenden den Pfad Nach Hause, der Hüllen beraubt,

Nach Hause, verstörten Verstands.

In ähn

Im Lied von Helgi dem Hjorwardsson kommt sein Bruder Hedin einsam aus dem Walde heim, da begegnet ihm ein Trollweib, auf einem Wolfe reitend, der mit Schlangen gezäumt war. lichem Aufzuge erscheint die Riesin Hyrrokin bei Baldrs Begräbniss. In der SE 1, 258 heisst Thor Bezwinger nachtfahrender Unholdinnen, konor kveldrunnar. Ein solcher Hexenritt wurde als gandreid bezeichnet. Gandar sind Zauberwesen, Gespenster. So heisst in der Njála Kap. 126 gandreid die Erscheinung eines gespenstischen Reiters, welche künftige Ereignisse anzeigt. In der Fóstbrædrasaga Kap. 9 wird die Seele der schlafenden Thordis entzückt zum gandreid, zum „renna gondom“, Rennen unter den Geistern. gandreid ist gleichbedeutend mit hamfor, gemeint sind Zauberfahrten in verwandelter Gestalt, Ausfahrten der von den leiblichen Banden gelösten Seelen. In den nordischen Sagen ver

1) Vgl. Soldans Geschichte der Hexenprocesse, neu bearbeitet von H. Heppe, 2 Bde, Stuttgart 1880.

lautet nichts Genaueres vom Zweck und Ziel des Hexenrittes, nichts von Besen und Salbe. Aber die allgemeine Vorstellung vom nächtlichen Ausritt feindseliger Unholdinnen, die ebenso dem Hexenritt der deutschen Sagen zu Grunde liegt, darf als nordisch-heidnisch und wol auch als germanisch gelten. Wettermachen ist eine Lieblingsbeschäftigung nordischer Zauberinnen; die Sagen sind voll von künstlich aufgeregten Stürmen. Gerningavedr, Zauberwetter begegnet in vielen Geschichten, meist sind auch die Urheberinnen, die Wetterhexen, dabei genannt. Krankheiten führt der Volksglaube auf die Einwirkung böser Geister zurück. Der Mensch oder das Tier ist von dem Unhold besessen oder von seinem Geschoss getroffen. Bereits im Angelsächsischen wird der Hexenschuss erwähnt 1), also wurde schon lange vor den Gerichtsverhandlungen des 15. Jahrhunderts den nachtfahrenden Unholdinnen die Fähigkeit des Behexens zugeschrieben.

Im älteren isländischen Kristenrecht Kap. 16 heisst es: Wenn jemand sich mit Verhexung (fordæðuskap) abgibt, so steht Waldgang darauf; das sind Verhexungen, wenn jemand durch seine Worte oder Zauberei Leuten oder Vieh Krankheit oder Tod bereitet. In den norwegischen Borgarþingslog 1, 16 heisst es: Das ist die übelste Hexe (fordæđa værst), die Kuh oder Kalb, Weib oder Kind beschädigt. Wenn Hexenwerk (fordæduskapr) gefunden wird in den Betten oder Polstern der Leute, Haar oder Krötenfüsse, Menschennägel oder sonst Dinge, welche geeignet scheinen zur Zauberei, so soll man drei Weibern Schuld geben zu gleichem Recht, bei denen Wahrscheinlichkeit vorzuliegen scheint. Zur Eisenprobe hat sie dafür zu treten. Wird sie durchs Eisen rein, so ist sie der Sache unschuldig; wird sie durchs Eisen unrein, so heisst sie der Sache überführt, Vermögen und Frieden verwirkt, und fünftägigen Frieden vom Eisen weg, zu schlagen und zu töten jedem, der sie ergreifen kann. Wenn einem Weibe Trollenschaft (trylska) nachgesagt wird in der Gegend, da soll sie dazu haben das Zeugniss von sechs Weibern, dass sie nicht trollenmässig (trylsk) ist. Der Sache ist sie unschuldig, wenn das erbracht wird. Wenn sie das aber nicht erbringt, dann gehe sie fort aus der Gegend mit ihrem Vermögen; nicht waltet sie dessen selbst, dass sie ein Unhold ist (d. h. sie ist von Natur Troll). Von

1) Vgl. den ags. Segen gegen hægtessan gescot, hægtessan geweorc bei Grein-Wülcker, Bibliothek der ags. Poesie 1, 317. Neben hægtessan gescot steht ylfagescot, Elbenschuss.

Die Unholdinnen im nordischen Glauben.

121

der Trollkona sagen die Eidsifjaþingslog 1, 46: Wenn das einer Frau vorgeworfen wird, dass sie einen Mann reite oder dessen Dienstleute, wenn sie dessen überwiesen wird, da ist sie bussfällig um drei Mark. Die norwegischen und isländischen Rechte des 12. Jahrhunderts denken sich also die Hexen als schädliche Zauberweiber und Maren, welche um des angerichteten Schadens willen strafbar sind. So mag sie schon das Heidentum verfolgt haben. Vom Vorwurf der Ketzerei und des Teufelsbundes ist keine Spur vorhanden.

Zwei nordische Sagen aus dem 14. Jahrhundert unterliegen dem Verdacht, nicht altheidnischen, sondern gewöhnlichen mittelalterlichen Hexenglauben, wie er um 1300 bereits bestand, darzubieten, wenn schon in besonderer Einkleidung. Thorsteinn lag im Ried verborgen und hörte einen Knaben in den Hügel rufen: Mutter, reiche mir Stecken und Handschuhe, ich will zum Geisterritt (gandreid); es ist Festzeit unten in der Welt! Da wurde aus dem Hügel alsbald der Stecken gereicht, der Knabe bestieg ihn, zog die Handschuhe an und ritt, wie die Kinder pflegen. Thorstein nahte sich dem Hügel und rief dieselben Worte; sogleich kamen Stecken und Handschuhe heraus, Thorstein stieg auf den Stecken und ritt dem Knaben nach. Sie gelangten zu einem Fluss, stürzten sich hinein und fuhren zu einer Felsenburg, wo viele Leute an Tafeln sassen und alle Wein tranken aus Silberbechern, König und Königin waren auf einem goldenen Thron. Thorstein, den sein Stock unsichtbar gemacht hatte, erkühnte sich, einen kostbaren Ring und ein Tuch zu ergreifen, verlor aber darüber den Stock, wurde von allen erblickt und verfolgt. Glücklicherweise kam sein unsichtbarer Reisegefährte auf dem andern Stock, den nun Thorstein mit bestieg, und so entrannen beide.1) Wir haben die Sage vom belauschten Hexenmahl, die neben anderen zahlreichen Beispielen auch im Simplicissimus 2, 17 vorkommt. Die nordische Darstellung hat das Teuflische verschleiert, ist aber darin kaum ursprünglich. In einem zweiten Bericht tritt die unholde Seite mehr hervor. Ketil erwachte nachts von heftigem Geräusch im Walde, lief heraus und sah eine Zauberin (tröllkona) mit fliegenden Haaren. Auf sein Befragen sagte sie ihm, er möge sie nicht aufhalten, sie müsse zum Trollending; dahin komme Skel

1) Vgl. Thorsteins saga bojarmagns in den Fornmanna sögur 3, 175 ff.

king, der Geister König, aus Dumbshaf, Ofóti aus Ofótansfird, Thorgerd Hölgatröll und andre mächtige Geister von Norden her. 1) Ofóti, ohne Fuss, erinnert an den Pferdefüssigen. J. Grimm, Myth. 996 gesteht zu, die nächtliche Unholdenversammlung sei nicht recht im Geiste des nordischen Heidenglaubens.

Elbe und Wichte.")

Die ganze Natur ist von einem Heer geisterhafter Wesen erfüllt, welche, wie manche Spuren darthun, ursprünglich den Maren und Seelen entstammen, allmälig jedoch zu Selbständigkeit und Unabhängigkeit sich entwickeln. Der Zusammenhang mit den Gespenstern ist lose, die Art dieser Wesen wird mehr durch die Naturumgebung bestimmt, in welche sie versetzt gedacht sind. Wir erkennen zwei Hauptgruppen, Elbe und Riesen, welche mehr durch ihr Maass als durch ihre Art verschieden sind. Beide scheinen aus der bewegten und beseelten Natur hervorgewachsen zu sein, in beiden werden wahrnehmbare Naturkräfte persönlich, in den Elben aber die sanften, still wirkenden, in den Riesen die Elementargewalten. Ihre Beziehungen zum Menschen bilden den Hauptinhalt der von ihnen umlaufenden Sagen. Die Seelen lebten im Winde fort, sie hausten in der Erde, in Hügeln und Steinen, in Feld und Flur, im Walde und in Gewässern. Überall dort treffen wir auch elbische und riesische Wesen. Die Elbe können zunächst unmittelbar aus den Seelen abgeleitet werden, wie aus ein paar Beispielen ersichtlich. Thorolf aus Norwegen nannte die von ihm in West-Island in Besitz genommene Landzunge Thorsnes. Auf dem Vorgebirge stund ein Berg, an den hatte Thorolf so grossen Glauben, dass niemand ungewaschen dahin schauen sollte, und nichts sollte man auf dem Berge töten, weder Vieh noch Menschen. Den Berg nannte er Heiligenberg (Helgafell), und meinte, dass er dahin fahren werde, wenn er sterbe, und ebenso alle seine Freunde. Auf der Spitze des Vorgebirges

1) Ketils saga hængs in den Fornaldar sögur 2, 131.

2) Über die Wichte und Elbe und ihre Sagen bieten die verschiedenen Sagensammlungen der Neuzeit reiches Material. Schon die deutschen Sagen der Brüder Grimm enthalten fast alle Haupttypen. Über die Elfen handeln die Brüder ausführlich in der Einleitung der irischen Elfenmärchen, Leipzig 1826; jetzt auch abgedruckt in W. Grimms kleineren Schriften 1, 438 ff.

[blocks in formation]

war eine grosse Friedensstätte, deren Boden in keiner Weise beschmutzt werden durfte, weder mit Blut noch auch sollte man dorthin „alfrek“ gehen. Alfrek heisst Elbenvertreibung. Menschenkot ist damit gemeint. Es handelt sich also um einen Berg, in den Seelen versterben, aus dem man alfar nicht vertreiben soll. Mithin sind die Abgeschiedenen und die Elbe eins1). Ebenso ist der Name Geirstaða alfr, Alb von Geirstadt, nur aus dem Umstande erklärlich, dass die Toten im Erdhügel alfar genannt oder zu den alfar gezählt wurden. König Olaf von Vestfold wurde, wie der Olafs Þáttr Geirstada Alfs und andre Quellen berichten, nach seinem Tode zu Geirstadir in den Hügel gesetzt und Alb von Geirstadt genannt. Die Leute opferten dem toten König um gutes Jahr. Die Toten sind Hügelbewohner (haugbúar), die Elbe wohnen in Hügeln. Die Kormakssaga Kap. 22 erwähnt einen solchen Hügel, in dem Alfar hausen (hóll er alfar búa í). Mit Stierblut wird ihnen Opfer (alfablót) dargebracht. Man möchte daraus schliessen, dass ursprünglich die Seelengeister, namentlich die in Bergen und Hügeln eingegangenen, Elbe genannt und erst später unter Elben besondere Geister verstanden wurden. Aber die Anwendung des Albnamens auf Seelen kann freilich auch nordische Sonderentwicklung sein und auf späterer Übertragung beruhen. Beim Kobold und Schiffsgeist ist seelischer Ursprung deutlich bezeugt. Der Kobold erscheint öfters in Gestalt eines kleinen ermordeten Kindes (Deutsche Sagen Nr. 72 u. 76), der Klabautermann ist ebenso die Seele eines Kindes (Zeitschrift für deutsche Mythologie 2, 141). Nachdem einmal aber die Geister vom seelischen Untergrunde sich losgelöst hatten, geschah ihre weitere Ausgestaltung durch die schöpferische Einbildungskraft, welche in Naturerscheinungen Äusserungen der Geister zu erkennen wähnte. Wo Bewegung, da ist Leben. Wind und Wolke drängt sich dem Beschauer zunächst auf, aus Wind und Nebel entstanden zahlreiche Sagen und Meinungen über das Thun und Treiben der Elbe und Riesen. Die Windfurchen im wogenden Kornfeld, das Waldesrauschen, das Wogen des Wassers, die Streifen auf der glatten See, alle möglichen andern ihren Ursachen nach unbekannten Naturerscheinungen, z. B. Kreise im betauten Grase wurden als Spuren solcher Geisterwesen betrachtet. Im tosenden Sturm, im Gewitter erblickte man riesische Gewalten. Das Nebelspiel

1) Die Alfar als Seelen erklärt Fritzner, Ordbog 12, 187.

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »