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kult besassen. Dagegen zeugen die wenigen erhaltenen Überreste. Kann eine deutsche Göttersage wiedererlangt werden? Auf zwiefache Art ist es versucht worden. Das oberflächliche rohe Verfahren nimmt einfach die nordische Sage der Edda auch für Deutschland in Anspruch. Der Beweis wird aus der Gleichheit der deutschen und nordischen Götternamen, die ja unleugbar auf gemeinschaftlichen Hintergrund deuten, geführt; ferner mussten Märchen und Sagen, die aus allen deutschen Gauen in überraschender Anzahl zu Tage gefördert wurden, herhalten. Sie galten im allgemeinen als verblasste Mythen. Eifrig spürte man nach zufälligen Übereinstimmungen zwischen ihnen und der nordischen Göttersage. Wurde einem Jäger von einem Löwen die Faust abgebissen, so erinnerte man sich des nordischen Tyr, dem der Fenriswolf die Hand abbeisst. Wurden Riesen erschlagen, so musste es Donar gethan haben. Was rote Farbe trug, erinnerte überhaupt an den Rotbart. Entführungssagen und gefährliche Werbungen wurden zu Freys Werbung um Gerd gestellt. So gelang der Scheinbeweis, dass dieselben Sagen, wie im Norden, so auch in Deutschland von den Göttern gegolten hätten, dass der Inhalt der Edda ohne Bedenken nach Deutschland überführt werden dürfe. In diesem Sinne wirkte der verdienstvolle Sagensammler J. W. Wolf namentlich in seinen Schriften: Beiträge zur deutschen Mythologie 1, 1852, 2, 1857 und Die deutsche Götterlehre 1852, 2. Aufl. 1874. In der Zeitschrift für deutsche Mythologie, welche J. W. Wolf 1853 begründete, die Mannhardt mit dem 3. und 4. Bande (1859) fortsetzte, fanden diese Bestrebungen für kurze Zeit einen Mittelpunkt. So gewiss vieles aus unserem ältesten Heidentum noch in heutiger Sage und Sitte unverändert lebt, ebenso sicher treiben aus dem natürlichen volkstümlichen Keime fortwährend frische Sprossen, die anders als jene beurteilt werden müssen, weil Luft und Licht ihnen andre Beimischung gaben. Von der Wolfschen Schule wurde aber fast die gesamte Volkssage für uralt oder wenigstens als unmittelbarer Abkömmling des Heidentums erklärt. Simrocks Handbuch der deutschen Mythologie mit Einschluss der nordischen, Bonn 1853, 6. Aufl. 1887 hat trotz seiner unübersichtlichen verschrobenen Darstellung dieser Richtung zu unverdientem Ruhme verholfen. Anknüpfend an J. Grimms Bild vom Wall, der die nordische und deutsche Mythologie trenne, erklärt Simrock den Zeitpunkt zum Durchstich erschienen: „Wir haben den Wall durchstochen und den Guss einer allgemeinen deutschen Mytho

Der mythologische Wert der Volkssage u. Heldensage.

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logie unternommen". Abgesehen von der durch Schwartz und Mannhardt begründeten neuen Auffassung der Volkssagen waren es namentlich auch die Untersuchungen Benfeys über das Pantschatantra 1859, die zur Vorsicht bei Benutzung der Sagen und Märchen mahnten. Zumal die letzteren, bei denen auch manche Fälschungen mitunterliefen, verschwanden bald aus der Mythologie und wurden der vergleichenden Litteraturgeschichte überwiesen.

Ein zweiter Versuch ist ebenfalls von J. Grimm ins Leben gerufen, aber von ihm selbst nicht weiter geführt worden. Die 1812 geschriebene Abhandlung,,Gedanken über Mythos, Epos und Geschichte" hebt hervor, dass in der Heldensage vielfach Mythisches und Historisches, göttliche und menschliche Geschichte in eins gewachsen seien. Gelingt es beide Teile zu sondern, so erwächst der Mythologie reicher Gewinn. Zuerst hat Lachmann 1829 die Nibelungensage darauf hin untersucht. Der bedeutendste Vertreter dieser Richtung ist aber Müllenhoff, der diesen Gedanken in der Vorrede zu den Schleswig-holsteinischen Sagen 1845, in den Untersuchungen zur Geschichte der Nibelungensage, ZfdA. 10, 146 ff.; 23, 185 ff., Über Irmin und seine Brüder, ZfdA. 23, 1 ff., Über die austrasische Dietrich- und Hartungensage, ZfdA. 6, 435; 12, 346; 13, 185, Über Skeaf und seine Nachkommen, ZfdA. 7, 410 ff., Über Beowulf, ebda. 419 ff., Über Frija und den Halsbandmythus, ZfdA. 30, 217 ff. zur Anwendung brachte. Die Denkmäler der Heldensage entstanden zum Teil noch unter der Herrschaft des Heidentums. Wirkt die Göttersage in ihnen nach, so ist allerdings weit grössere Gewähr, von hier aus die verlorene Göttersage wiederherzustellen, als aus einem beliebigen späten Märchen. Doch der Ausführung dieser Gedanken stehen unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen. Es ist schon schwer, aus einer Heldensage den geschichtlichen Kern, die mythischen Bestandteile, die Zuthaten und eigenen Erfindungen der Dichter sauber von einander zu lösen. Die Bestimmung des in einer Heldensage etwa vorhandenen Mythus auf seine Herkunft ist nur zu sehr vom subjectiven Urteil des Forschers abhängig. Man unterliegt allzu stark der Verführung, den Mythus so zu gestalten, wie man ihn braucht. Das Ergebniss, zumal wenn es noch von der vergleichenden Mythologie beeinflusst ist wie Müllenhoffs letzter Aufsatz von Frija und dem Halsband, kann als sichere wissenschaftliche Thatsache nicht gelten. Die Mythologie kann mit derlei Hypothesen nicht rechnen, ohne vollends ins Grundlose zu geraten.

5. Die Lehre vom Ursprung der Mythen und die
vergleichende Mythologie.

Wie man unmittelbaren mythologischen Gewinn aus den Sagen schöpfen könne, lehren Müllenhoff, Sagen, Märchen und Lieder aus Schleswig, Holstein und Lauenburg 1845 S. XLIV ff. und A. Kuhn und W. Schwartz, norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche 1848 S. XX ff. Mit den beiden letztgenannten Gelehrten hebt ein neuer Abschnitt der mythologischen Forschung an. Schwartz in seinen Schriften „der heutige Volksglaube und das alte Heidentum“ 1849, „Ursprung der Mythologie“ 1860,,,die poetischen Naturanschauungen der Griechen, Römer und Deutschen in ihrer Beziehung zur Mythologie" 1864 und 1879,,,indogermanischer Volksglaube" 1885 war nach zwei Richtungen hin thätig, er bestimmte das Verhältniss von Volkssage und Kunstmythus, er suchte den Ursprung der Volkssage aus der Naturanschauung zu erklären.

Schwartz fand in den unter dem Volke noch lebenden Sagenmassen eine „niedere Mythologie", die einen früheren Zustand, eine embryonale Entwicklungsform der späteren Götter- und Dämonenwelt festhalte, möge die letztere auch in weit älteren geschichtlichen Zeugnissen überliefert werden. Nicht also bloss Abschwächungen, Niederschläge der in der Edda u. s. w. vorliegenden ausgebildeten Mythologie des Heidentums, der Kunstschöpfungen der Dichter, treten uns hier entgegen, wie Grimm und J. W. Wolf meinten, sondern vielmehr die Keime und Grundlagen, aus denen die „höhere Mythologie" sich entwickelte. Wode und das wütende Heer dürfen nicht als verblasste Erinnerung an Wodan und die Einherjer erklärt werden, sondern als der uralte und unvergängliche Volksglaube, aus dem zur Zeit des germanischen Heidentums Wodans Gestalt sich emporhub. Mit Theodor Waitz) begründete Schwartz die ethnographisch-anthropologische Betrachtung von Sitte und Sage, die von Bastian 2), Tylor 3) u. A. auf Grund eines umfangreichen Materiales weiter ausgedehnt wurde, und die darauf ausgeht, an Thatsachen bei den verschiedensten Naturvölkern den gleichmässigen Verlauf der ältesten Sitten-, Religions- und Mythenbildung zu veranschaulichen. Sie führt zur Einsicht, dass fast

1) Anthropologie der Naturvölker, 6 Bände, 1859–65.
2) Der Mensch in der Geschichte, 3 Bde, Leipzig 1860.

3) Urgeschichte der Menschheit, Lpz. 1867; Anfänge der Kultur, Lpz. 1873.

Die vergleichende Mythologie.

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sämtliche Entwicklungsstufen und Lebensformen, die der geistige Zustand der Menschheit, der Kulturvölker allmälig durchlaufen hat, in den heutigen wilden Völkern der Erde noch lebende Vertreter zählen. Die Beobachtung dieser wilden Völker gewährt ein Hilfsmittel, den Zustand der civilisierten in seiner Ursprünglichkeit kennen zu lernen, viele Überbleibsel der niederen Stufen leben in den höheren noch fort. So ist auch der religiöse Glaube auf niederer Stufe bei den Indogermanen, ja überhaupt bei allen Völkern ziemlich gleichartig. Er erzeugt sich auch stets von neuem, da die Voraussetzungen, die kindliche unentwickelte Vorstellung der Menschen und die Naturerscheinungen, immer dieselben bleiben. Damit war eine völlige Verschiebung der Thatsachen erreicht. Das Aufspüren alter Götter im Volksglauben wurde wesentlich beschränkt. Nur durch zufällige und verhältnissmässig seltene Rückwirkung konnten einzelne Züge aus der höheren in die niedere Mythologie übergehen. Selbst die jüngste Volkssage konnte unter Umständen dieselbe Keimbildung enthalten, aus der in Urzeiten irgend ein Mythus sich entwickelt hatte. Weniger glücklich ist Schwartz mit seiner Mythendeutung aus Wetter, Wind und Wolken. Allzu willkürlich wird die Überlieferung zugestutzt, allzu einseitig und künstlich eine einzige Entstehungsart behauptet.

Kuhn aber liess sich vom Veda leiten, in welchem eine der urindogermanischen sehr nahe stehende Mythologie enthalten zu sein schien, die zugleich den Satz vom physikalischen Ursprung der Mythen aufs beste bestätigte. In zahlreichen Abhandlungen der Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, in der Herabkunft des Feuers und des Göttertranks 1859 wurde die Lehre von der vergleichenden Mythologie begründet. Der Vedaforscher Max Müller war neben Kuhn am Ausbau der Hypothese beteiligt (vgl. Oxford essays). Die vergleichende Mythologie überträgt die Ergebnisse der vergleichenden Sprachwissenschaft aufs Gebiet des Götterglaubens und der Göttersage. Möglichst viele griechische und indische Götternamen wurden zusammengestellt und aus einer gemeinsamen indogermanischen Form abgeleitet. Damit ergab sich eine erstaunlich reiche indogermanische Sagenwelt, eine unwahrscheinlich hoch entwickelte geistige Kultur des Urvolkes. Die mit grosser Zuversicht auftretende vergleichende Mythologie hat mit völliger Entsagung geendet. Die Etymologien hielten nicht Stich und damit schon fällt die eigentliche Grundlage. Bis auf ganz vereinzelte Gleichungen, wie Dyaus-Zeus-Tiuz,

deren sachliche Berechtigung selbst noch bestritten wird, sind heute die meisten Resultate der vergleichenden Mythologie ebenso verschollen wie die von den Symbolikern dereinst unter den Hauptreligionen aufgestellten Ahnlichkeiten. Die Methode der vergleichenden Sprachwissenschaft schien die sicherste Gewähr zu bieten, aber die Hoffnung täuschte. Wenn die Vedamythologie 1) nicht als reinster Vertreter der indogermanischen gelten darf, wenn sie nicht die arische Theogonie ist, so kann ihr Inhalt auch nichts für die andern indogermanischen Völker Bindendes lehren. Die Vedamythen sind für sich allein aus ihrer eigenartigen Umgebung heraus zu erklären. Aber Kuhn und M. Müller entnahmen aus dem Veda eine allgemein giltige Mythendeutung. Die vedischen Mythen hängen aufs engste mit Naturerscheinungen zusammen, ja sie scheinen geradewegs aus der Naturanschauung hervorgegangen zu sein. Kuhn entwickelte die eine Seite der Natursymbolik, das Gewitter, Müller die andere, die Sonne vom Aufgang zum Niedergang. M. Müllers Sonnenlehre ist von Müllenhoff auf Tiuz, Frija und die Alkîz angewandt worden. Im Abschnitt über Tiuz ist sie auch in diesem Handbuch trotz mancher Zweifel berücksichtigt.

Die Entstehung der Vedamythologie bezeichnet M. Müller so, dass blosse Namen von Naturerscheinungen meteorischer Art all-* mälig verdunkelt, personificiert und vergöttert worden seien. Der Satz:, der Himmel regnet, donnert, blitzt", endigt schliesslich mit dem Glauben an Zeus, an einen persönlich gedachten Gott des lichten Himmels, in dessen Hand die Elemente liegen. Die Sprache beruht auf Vergleichungen, auf Bildern. Allmälig tritt die Metapher dem Bewusstsein zurück, so entsteht eine Sage, kein blosser Vergleich. „Die Sonne folgt der Morgenröte" entwickelt den Mythus: der Sonnengott folgt liebend der Morgenröte; es entsteht eine Werbungssage. Die Sonne geht unter" der Sonnengott altert oder stirbt. Aus dem Schoose der Nacht enttaucht die Sonne"

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Nacht gebiert ein strahlendes Kind. Die poetische Sprache gibt oft zweien mit nur einer gleichen Eigenschaft ausgestatteten Gegenständen die Bezeichnung, die ursprünglich nur einem derselben zukam. Sie sagt z. B. Sonnenstrahlen sind wie Zügel, Finger, Hände, roten Kühen gleichen die roten Wolken der Abend

1) Vgl. Hillebrand, Vedische Mythologie I, Breslau 1891; Oldenberg, Die Religion des Veda, Berlin 1894.

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