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trae) meistens von Legionssoldaten gesetzt sind.') Diese Mütter, mitunter in der Dreizahl erscheinend, führen verschiedenartige Beinamen, darunter auch solche, deren germanische Herkunft nicht anzuzweifeln ist (z. B. Aufaniabus, Gavadiabus, Vatviabus oder Vatvims, Saitchamims oder Saithamiabus, Aflims oder Afliabus). Die Dative auf -ims sind unter allen Umständen germanisch; zur Etymologie der Namen bieten die germanischen Sprachen auch wirklich Anhaltspunkte. Es fragt sich nur, ob etwa aus den Beinamen etwas über das Wesen germanischer Göttinnen zu lernen ist. Die Mütter gehören ursprünglich zu den Glaubensvorstellungen der Gallier. Von ihnen aus verbreiteten sie sich zu den Germanen, jedoch nur zu germanischen Söldnern, die im römischen Heere dienten, und zu den verwälschten Stämmen. Im innern Germanien schlug der Mütterkult niemals Wurzel und kann demnach auch schwerlich zum echten Bestande der germanischen Mythologie gezählt werden. Die Mütter sind Schutzgöttinnen von Örtlichkeiten, ähnlich den genii loci. Als solche sind sie allgemein und überall möglich und doch wieder für jeden Ort, jede Stadt besonders bestimmt. Wie die Matrone über dem Hauswesen, so walten die Mütter schützend und segnend über dem Gemeinwesen. Jeder Ort, jedes Land und Volk, das Lager, die Garnison, die Provinz, alle konnten dem Schutze besonderer Mütter unterstellt werden. Ein Legionar weiht sein Denkmal matribus omnium gentium, den Müttern aller Völker, er empfiehlt sich dadurch den Schutzgottheiten aller Länder, in welche ihn das Schicksal etwa verschlagen möchte. Diese Inschrift ist besonders lehrreich, indem sie beweist, dass es sich keineswegs um die eigentlichen Landesgöttinnen handelt, vielmehr um einen durchaus subjektiven, gallisch-römischen Begriff, der überall Anwendung finden konnte und nur allgemein Schutzgöttinnen des betreffenden Ortes oder Landes, nicht etwa die dort wirklich verehrten Gottheiten bezeichnet. Die Beinamen der Mütter sind dementsprechend durchweg aus örtlichen Beziehungen zu deuten. Die suebischen, germanischen Mütter sind vollkommen den pannonischen und dalmatischen gleichzuachten,

1) Das gesamte Material bei Ihm, Der Mütter- und Matronenkult und seine Denkmäler, Bonner Jahrbücher des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande, Heft 83, 1887, S. 1—200; Much, ZfdA. 31, 354 ff. u. 35, 315ff. germanische Matronennamen; Muchs Deutungen sind überaus unsicher, da sie nicht von den Ortsnamen ausgehen; Kauffmann, Der Matronenkultus in Germanien. Ztschr. d. Vereins f. Volkskunde, 1892, S. 24 ff.

sie bestehen allein in der Vorstellung des Weihers der Altarinschrift und beziehen sich keineswegs auf wirklichen germanischen Glauben. Die Auslegung der Beinamen hat in erster Linie mit dem örtlichen Ursprung zu rechnen. Wenn nun germanische Wörter vorkommen, so sind sie sicherlich auf germanische Ortsnamen zurückzuführen. Die Matres Gavadiae hängen mit dem Zeitwort wadan, waten zusammen und entstammen wol einem Ortsnamen im Sinne von Furt. An der Diemel ist später ein Wetiun bezeugt, das aus demselben Stamm gebildet ist. Der Dativ Vatvims gehört zu einem german. watwi, Wasserland, und stellt sich zu den vielen mit ,,Aue" zusammengesetzten Ortsnamen. Solche Mütter mit germanischen Beinamen sind demnach befriedigend zu erklären: sie sind die Schutzgeister germanischer Örter. Deutsche im römischen Heeresdienste nahmen den Matronenkult an und stellten damit die ferne Heimat unter göttlichen, mütterlichen Schutz.

7. Dea Sandraudiga und dea Vercana.

Mit der dea Sandraudiga 1) eines nordbrabantischen Steines, den die,,cultores templi" gestiftet, ist nichts anzufangen. Der Name zerfällt in germanische Bestandteile, got. audags, an. auđigr, reich, glücklich, und sandr-, wahr, wahrhaft, wie in Eigennamen, z. B. Sandrimer. Wer die,,wahrhaft reiche" Göttin ist, etwa eine spendende Folla, lässt sich nicht bestimmen. Die dea Vercana 2) auf dem Rande einer Brunnenschale und auf einem Stein aus dem Nemetergau (Ernstweiler bei Zweibrücken) deckt sich lautlich mit Athenes Beinamen 'Egyάvŋ, Wirkerin, Göttin des Webens und Spinnens. Ob die dea Vagdavercustis 3), welcher der Decurio Simplicius Super in Geldern einen Stein setzte, germanisch ist und zur Vercana gehört, bleibt unentschieden. Der Stamm,,werk" begegnet in beiden Namen, und zwar auf der Stufe germanischer Verschiebung. Aber im übrigen ist alles dunkel.

1) Zur dea Sandraudiga J. Grimm, Geschichte der deutschen Sprache 588; Grienberger, ZfdA. 35, 390.

2) Zu dea Vercana Much, ZfdA. 31, 357 f.

3) Zu dea Vagdavercustis Grienberger, ZfdA. 35, 393 ff.; seine Erklärung, ,,die Lebenskraft wirkende", die spendende Erdgöttin, ist sehr unsicher, zumal vagda ahd. kiuuegida,,,vegetamen"; man würde mindestens *wagida erwarten; ebenso die Ableitung vercustis, der zulieb ein unbelegtes „wėrkos“ behauptet wird. Von weiteren Göttinnen z. B. dea Garmangabis, Grienberger, ZfdA. 38, 189 ff., wird hier besser geschwiegen.

Die Hel.

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IV. Totengöttinnen.

1. Die Hel.

Got. halja, an. hel, ags. hell, as. ahd. hella geben den räumlichen Begriff „Untererde", infernus und dienen zur Übertragung von adns, gehenna, infernus. Gemeint ist der Aufenthaltsort der abgeschiedenen Seelen, die Totenwelt. Erst nach und nach entwickelte sich die Bedeutung,,Strafort". Will die ältere Sprache die mit der christlichen Hölle verknüpften Qualen anzeigen, so erhält das Wort einen entsprechenden Zusatz, besonders witi,,,Strafe" (an. helvíti, ags. hellewite, ahd. hellawizzi). Obwol der Begriff Hölle bei Goten und Westgermanen nur in christlichen Schriften vorkommt, braucht daraus doch nicht geschlossen zu werden, dass er erst mit der Bekehrung entstand. Besonders die nordische Überlieferung spricht gegen eine derartige Annahme. Halja darf als ein gemeingermanischer uralter Begriff gelten, und es fragt sich nur, was die heidnische Zeit darunter verstand. Da die ältesten Zeugnisse übereinstimmend die unterirdische Behausung der Toten mit Hölle bezeichnen, da diese Bedeutung auch dort fortlebt, wo sich noch andere Vorstellungen daneben entwickelten, da diese letzteren ungezwungen aus der Grundbedeutung abzuleiten sind, darf mit Sicherheit angenommen werden, dass das gemeingermanische Wort halja auch eine gemeingermanische Glaubensvorstellung erweist, eine Schattenwelt, der ursprünglich alle Toten verfielen, wo die vom Leibe gelösten Seelen fortlebten. Im Norden finden wir denselben räumlichen Begriff in Redensarten, die noch heute fortdauern. Hel heisst das Reich des Todes, dann Tod überhaupt. Zur Hölle gehen, fahren, schlagen, wird für sterben, totschlagen gesagt; in der Hölle, aus der Hölle bezeichnet klar das Räumliche. Zwischen Tod und Leben schweben heisst bildlich zwischen Welt und Hölle liegen (at liggja á milli heims ok heljar). Noch bewahrt der dänische und schwedische Ausdruck ihjel, ihäl, eigentlich in die Hölle, im Sinne „zu Tode" schlagen, bringen u. s. w. deutlich die ursprüngliche Vorstellung. Helgrind, das Höllenthor, verschliesst das Land des Todes und thut sich nur selten wiedergehenden oder beschworenen Geistern auf. Helvegr ist der Weg zur Unterwelt, dem der westfälische Hellweg, Totenweg entspricht. Helskór ist der Schuh, welcher dem Toten zur Höllenwanderung mitgegeben wird. Helreid ist die Höllenfahrt,

die Brynhild auf einem Wagen fährt. Noch zahlreiche ähnliche Anwendungen des Wortes, wofür die Wörterbücher von Sveinbjörn Egilsson und Fritzner Belege in Hülle und Fülle gewähren, lassen über seine Bedeutung keinerlei Zweifel aufkommen. Dass die Hölle freudlos und lichtlos gedacht wurde, wie fast jeder Aufenthaltsort der Seelen, darf wol vermutet werden. Aber sie war kein Aufenthalt der Verdammten, die dort Strafen verbüssen mussten. Noch im 10. Jahrh., beim Siege der Sachsen über die Franken 915, sangen die Spielleute: Wo gäbe es wol eine Hölle so gross, dass sie die ganze grosse Wal zu bergen vermöchte.1) Die Gefallenen waren doch sicher nicht lauter verdammte Bösewichter.

Im Norden steht aber neben hel die Hel, die persönlich gedachte Beherrscherin der Toten. J. Grimm und nach ihm viele vermeinten, in diesem persönlichen Begriff das Ursprüngliche zu finden, der sich erst in den örtlichen, von Goten und Westgermanen allein bewahrten, aufgelöst habe. Der Ort empfing von der Besitzerin den Namen. Aber der Schluss ist gewagt. Zwar entsteht leicht der Glaube an eine Gottheit der Unterwelt, die beide im Namen sich decken. In unserem Falle leuchtet aber der örtliche Sinn so stark hervor, dass nur voreingenommene Ansicht das klare Verhältniss umkehren wird. Eine germanische halja ist unbedenklich, eine Halja aber unerweislich. Hört man auf die Zeugnisse, so wird man auch nicht ohne zwingende Gründe darüber hinaus trachten. Da nun halja allen Germanen bekannt war, Hel aber nur im Norden vorkommt und auch hier eigentlich nur in der Skaldendichtung, so liegt der Schluss nahe, im Norden entwickelte sich aus der örtlichen hel die persönliche Hel. Einer persönlichen Halja hätte schwerlich der Zugang in die biblischen Schriften offen gestanden, eine örtliche halja, ein Seelenheim zu übernehmen, schien ungefährlich. Bei der nordischen Hel lassen sich auch wiederum mehrere Entwicklungsstufen unterscheiden, indem ihr Reich, das einst allen Toten offen stand, nur einen Teil der Menschheit empfängt, während die andern in die Gemeinschaft Odins, der Freyja, der Ran gewählt oder zu Elben und Trollen entrückt werden, indem endlich, unter Einwirkung der christlichen Hölle, die sittliche Beschaffenheit der Menschen ihre Zuweisung an die Hel bestimmt.

1) Widukind, Res gestae Saxonicae I, 23 MG. Script. 3, 428 ut a mimis declamaretur, ubi tantus ille infernus esset, qui tantam multitudinem caesorum capere posset. Dass hinter infernus as. hella steht, meint J. Grimm, Myth. 761.

Der räumliche und der persönliche Begriff der Hel.

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Durch tiefe, dunkle Thäler geht der Weg zur hel.1) Zu Fuss, zu Pferd, zu Wagen mag er von den Verstorbenen zurückgelegt werden. Der Höllenfluss Gjoll trennt die Welt des Todes von der Menschenwelt, eine goldbelegte Brücke, von der Riesin Modgud bewacht, führt darüber. Am Eingang in die Hölle ist auch die Felshöhle Gnipahellir gedacht, wo der Hund Garmr (Kerberos) 2) lauert. Hier dringt bereits ein fremdartiger Zug aus antiker Sage in die nordische Vorstellung vom Totenreiche herein. Weiterhin schliesst ein Gitter mit einer Pforte die Behausung der Hel ab. Das Totenreich wird auch als eine von finsterem Nebel erfüllte Welt bezeichnet, als niflhel oder niflheim.3) Auch über der christlichen Hölle lagert, trotzdem sie von Feuer erfüllt ist, stellenweise Nebel und Finsterniss. Drinnen erhebt sich der Hel Haus, ihr hoher Saal. Das Leben bei ihr ist zunächst nicht viel anders gedacht, als das irdische. Vornehmen Ankömmlingen wird ein würdiger Empfang bereitet. Zu Ehren Baldrs sind die Bänke mit Ringen besät, die schönen Dielen mit Gold bedeckt. Met ist für ihn gebraut, der klare Trank steht da, vom Schilde bedeckt. Baldr nimmt in Hels Halle den Hochsitz ein. 4) Was Hel besitzt, hält sie fest. Nur ausnahmsweise wird Baldr auf der Asen Ansuchen Rückkehr verstattet, wenn alle Wesen, lebende und tote, um ihn Thränen vergiessen. Die Hel tritt in keiner Sage eigentlich handelnd hervor. Sie bleibt immer nur begrifflich, wie überhaupt oft schwer zu sagen ist, ob in einer Redensart die örtliche oder persönliche Hel gemeint ist. So begegnet im Norden das Bild schwarz wie die Hölle, woraus der Beiname heljarskinn, Höllenhaut für einen Menschen mit hässlicher, schmutziger Hautfarbe, sich erklärt. Im Gegensatz zur leuchtenden reinen Gottheit gelten auch uns Tod, Teufel und Hölle als schwarz. Der hellemôr ist bei mittelhochdeutschen Dichtern der Teufel. Die Bilder entstammen der Anschauung vom dunkeln Totenreich, von der nebelfinstern Hölle. Eine begreifliche, aber entartende Phan

1) Die Höllenfahrt beschreiben Baldrs Draumar 2 u. 3; Gylfag. Kap. 49; Helreip Brynhildar.

2) Bugge, Studien 179 erklärt Garmr aus Kerberos verderbt. Noreen, An. Gramm.2 § 248 fasst Garmr als Metathesis zu Gramr, der Grimmige. 3) Niflhel Baldrs. Dr. 2; Vafpr. 43; SE. 1, 136; Niflheim SE. 1, 38; 40; 68; 106; 136.

4) Baldrs Draumar 6,7; Gylfag. K. 49 SE. 1, 178.

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