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philosophiert, wie der Urstoff zum riesenhaften Urleib werden konnte, wie in beiden die gleichen Grundkräfte der Natur wirken.

Ymir (zu ymja, rauschen) besagt dasselbe wie Örgelmir, den rauschenden, brausenden Urstoff, das Gewässer des Meeres, zum riesenmässigen Urleibe geformt. Sobald aber ein menschenähnliches Gebilde dem Chaos entstiegen, vollzieht sich auch die weitere Entwicklung auf dem Wege natürlicher Zeugung. Dass im ersten Leibe beide Geschlechter vereinigt waren, wusste wol auch die germanische Theogonie und Anthropogonie. Tuisto ist ja vielleicht der Zwitter, ebenso Ymir (Vafþr. 33). Als er schlief, geriet er in Schweiss, da wuchs ihm unter dem linken Arme Mann und Weib, sein eigner Fuss zeugte mit dem andern einen Sohn, und so erwuchsen ihm Nachkommen. Denn von Ymirs Geschlecht sind alle die Riesen (Hyndl. 34). Ymirs-Orgelmirs Sohn und Enkel heissen Thrudgelmir und Bergelmir, von letzterem stammt das jüngere Reifriesengeschlecht, nachdem das ältere in der grossen Flut umkam. Zu beachten ist das Festhalten des gleichen Stammes. in den Namen Hwergelmir, Örgelmir, Thrudgelmir, Bergelmir. Hwergelmir, der Urquell aller Gewässer, ist das rauschende Element selber, aus dem sich auch die Riesen erheben. Man wird an die griechische Lehre vom Okeanos als dem Anfang aller Dinge erinnert. Okeanos ist ebenso das flüssige Element selbst wie dessen Beherrscher, also sachlich und persönlich gedacht. So liegen in der nordischen Weltlehre verschiedene Anschauungen neben einander, indem das erste Geschöpf dem Chaos, den Elementen, dem Urflüssigen entwächst. Kann man allenfalls dem naiven dichterischen Glauben den Gedanken zutrauen: Im Anfang war das Wasser und der Riese des Wassers, oder im Anfang war das Chaos und der Riese des Chaos, so ist der Versuch, die Entstehung dieses Urgeschöpfes zu erklären, jedenfalls ein Stück mittelalterlicher Physik und gewiss nicht selbständig in den Köpfen isländischer Gelehrter entstanden.1)

1) Man vgl. Stellen wie Servius zu Ecl. 6, 31 ff.: variae sunt philosophorum opiniones de rerum origine. nam alii dicunt omnia ex igni procreari ut Anaxagoras. alii ex humore ut Thales Milesius: unde est, Oceanumque patrem rerum. alii ex quattuor elementis ut Empedocles, secundum quem ait Lucretius: ex imbri, terra, atque anima nascuntur et igni. Epicurei vero nihil horum comprobant, sed dicunt duo esse rerum principia, corpus et inane ... et corpus esse volunt alomos... inane vero dicunt spatium in quo sunt atomi. de his itaque duobus principiis volunt ista quattuor procreari, ignem, aerem, aquam, terram: ex his caetera... Dass das Chaos als leerer Raum, gäh

Die Urriesen. Audumla.

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Als der Reif weiter schmolz, entstand die Kuh Audumla daraus. Vier Milchströme rannen aus ihren Zitzen und damit nährte sie den Ymir. Die Kuh aber fristete dadurch ihr Leben, dass sie die Reifsteine beleckte, welche salzig waren. Am ersten Tag nun, als sie leckte, kam eines Mannes Haar zum Vorschein, am zweiten Tage der Kopf und am dritten der ganze Mann. Sein Name war Buri; er war der Vater des Bur, welcher Bestla, die Tochter des Riesen Bolthorn, zur Frau nahm. Dies Paar hatte drei Söhne, Odin, Wili und We. Nur bei Snorri steht dieser wunderliche und dunkle Bericht. Der Name Audumla widerstrebt der Deutung. Ihr Amt ist ein zwiefaches. Sie nährt den Ymir, wozu sich anderwärts ähnliches nachweisen lässt. Zeus hat eine Ziege zur Amme; in Sage und Legende treten häufig Tiere als Nährmütter der Menschenkinder auf. Da noch kein andres Leben herrscht, muss die Sage der Audumla denselben Ursprung beilegen wie dem Ymir. Wer in Audumla die Nass und Fruchtbarkeit spendende Wolke sieht, weil in einigen Mythologien, namentlich in der indischen, die Wolken oft als Milchkühe erscheinen, verkennt doch zu sehr den Unterschied zwischen südlicher und hochnordischer Natur. Unerhört aber ist, dass die Kuh die Götter zum Leben erweckt. Riesen und Götter sind nach der nordischen Weltsage nicht erschaffen wie Menschen und Zwerge, sondern von selber aus dem Chaos aufgegangen; die Riesen früher als die Götter, wie auch die Titanen vor den lichten Göttern da sind. Buri und Bur, Wili und We, diese Namen entstammen der christlichen Dreiheit, wie bereits oben gezeigt wurde. Ein spät erfundener Stammbaum führt Odins Sippe in die Weltanfänge hinauf. Während Zeus einem Titanen entsprosst, berührt sich Odin nur mutterhalb mit den Riesen.

So waren die elementaren Naturmächte, die wilden, ungebändigten Riesen, und die ordnenden, geistigen, göttlichen Gewalten bereits vor Erschaffung des Himmels und der Erde vorhanden. ,,In den Asen erscheint eine edle, gelungene zweite Hervorbringung

nender Schlund gefasst wird, mag im Bedeutungswandel des Wortes liegen ; im späteren Latein wird Chaos im Sinne von chasma, hiatus gebraucht, Belege bei Forcellini, totius latinitatis lexicon Bd. 2; Lucas 16, 26 überträgt die Vulgata zάoua uέya mit chaos magnum. Die nordische Kosmogonie übersetzt solche naturphilosophische antike Anschauungen auf die heimische Naturumgebung, vielleicht im Anschluss an ältere Sagen, die wissenschaftlich gerechtfertigt werden sollen.

gegenüber der ersten halbmissratenen riesischen. An den Riesen war ein Übermaass des plumpen Leibes aufgewandt; bei den Asen gelangten Leib und Seele zu vollem Gleichgewicht, und neben unendlicher Stärke und Schönheit entfaltete sich durchdringender, schöpferischer Geist" (J. Grimm, Mythol. 529). Alsbald beginnt aber auch der Kampf zwischen ihnen, welcher das ganze Dasein der Götter in der nordischen Sage erfüllt. Die Götter bändigen die ungezügelten Elemente, um geordnete, wirtliche und wohnliche Zustände dem Chaos entgegenzustellen. Aber es bedarf steter, scharfer Wachsamkeit, den Bestand des Gewonnenen zu sichern. Am Ende stürzt doch alles wieder vor den entfesselten Elementargewalten zusammen. Die Riesen rächen ihre lange Unterjochung an den Göttern. Aus den Trümmern taucht eine neue vollkommene, sündlose Welt unter einem andern ewigen Gotte empor. Auch Zeus ringt seine Macht den Titanen und Giganten ab. Doch gewaltiger und heldenhafter ist Odins That, und das in der Zukunft drohende Ende, dessen Herannahen die Götter wissen, verleiht der nordischen Göttersage eine mit Recht bewunderte erhabene Tragik.

Die Söhne Burs töteten den Ymir, und es lief aus seinem Körper so viel Blut, dass sie darin das ganze Geschlecht der Reifriesen ertränkten. Nur einer entkam mit seinen Angehörigen: ihn nennen die Riesen Bergelmir. Er begab sich mit seiner Frau in ein Boot und rettete sich darin. Von ihm stammen die jüngeren Geschlechter der Reifriesen.

Wafthrudnir erzählt (Vafpr. 35):
Ungezählte Winter

vor der Erde Schöpfung

Geschah Bergelmirs Geburt;

Als Frühstes weiss ich, dass der erfahrene Riese

Im Boote geborgen ward.

Die Angaben des Liedes und der Gylfaginning stimmen nicht vollständig überein. Hier besteigt der Riese mit seiner Frau das Boot'), dort wird er allein hineingelegt, vielleicht als Kind, falls nicht die Bezeichnung „enn frópe jotonn", der erfahrene Riese, dagegen spricht. Die nordische Sinflut 2) fällt noch in die chaotische,

1) Im nord. Texte steht ludr, was nach Fritzner, Ordbog II2 567 f. einen ausgehöhlten Baumstamm, einen Trog, der zur Wiege wie zum Fahrzeug dienen konnte, bedeutet, wie lat. alveus und scapha. Auch Deukalion und Pyrrha werden in keinem gewöhnlichen Schiffe, sondern in einer Lade (2άova§) gerettet, Noah in der arca. Die Übereinstimmung, dass auch in der nordischen Sinflut kein gewöhnliches Schiff vorkommt, ist schwerlich zufällig.

2) Eine Übersicht der hierher gehörigen Sagen gewährt R. Andree, Die

Ymirs Tod. Die Sinflut.

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urweltliche Zeit. Sie entsteht aus dem Blute des erschlagenen Ymir zur Vernichtung seiner Nachkommen. Die Götter versuchen durch Totschlag und Überschwemmung ihre Gegner zu verderben. Auch die nordische Flut wird zur Strafe wilden Übermutes von den Göttern verursacht. Dass die Flut mit Ymir zusammenhängt, findet vielleicht in den Worten der Genesis 7, 11 rupti omnes fontes abyssi, wodurch die biblische Flut herbeigeführt wird, Erklärung, sobald nämlich hier, wie an andern Stellen Abyssus persönlich gedacht wird.

2. Die Schöpfung der Erde und des Himmels.

Die Söhne Burs erhuben nun die Lande und erschufen den schönen Midgard, und zwar aus dem Riesenleibe.1)

Aus Ymirs Fleisch

ward die Erde geschaffen,

Aus dem Blute das brausende Meer,

Die Berge aus dem Gebein, die Bäume aus den Haaren,
Aus dem Schädel das schimmernde Himmelsdach.
Doch aus seinen Wimpern schufen weise Götter
Midgard dem Menschengeschlecht;

Aus dem Hirne endlich

Wetterwolken gemacht.

sind all die hartgesinnten

Gylfaginning Kap. 8 fügt noch bei, die Götter hätten den erschlagenen Ymir in die Mitte von Ginnunga Gap geschleppt und dort aus seinem Leibe die Welt gebildet. Aus dem Schädel fertigten sie den Himmel und setzten ihn über die Erde auf vier vorstehenden Stützen, und unter jede Stütze setzten sie einen Zwerg, den Austri, Westri, Nordri und Sudri. Um die Erde rings herum legten sie das Meer. Himmel und Erde sind also zum Riesenleibe in Beziehung gesetzt. Die Himmelswölbung wird dem gewölbten Riesenschädel verglichen, folgerichtig sind die das Himmelsgewölbe erfüllenden Wolken aus dem Gehirn Ymirs entsprungen.

Flutsagen, Braunschweig 1891; S. 44 werden berechtigte Zweifel an der Ursprünglichkeit der Eddasage ausgesprochen, S. 140 steht sie aber, allerdings mit einem Fragezeichen, unter den ,,echten", d. h. selbständig aufgekommenen Flutsagen.

1) Grímn. 40, 41; Vafþr. 21; Gylfag. Kap. 7; zur Erschaffung Adams aus acht Teilen J. Grimm, Myth. 531 ff.; Müllenhoff-Scherer, Denkmäler3 2, 171; E. H. Meyer, Völuspa 36, 61; Kosmogonie S. 77 ff.; Myth. 146; zur Frage überhaupt R. M. Meyer, ZfdA. 37, 1 ff.

Der Riesenleib ist der Erde gleich, was ins einzelne ausgemalt eine Zusammenstellung von Blut und Wasser, Bein und Stein, Haar und Pflanzen ergibt. Dass Midgard aus den Wimpern erschaffen ist, deutet auf eine schützende Umzäunung, vielleicht auf einen am Rande der Erdscheibe herumlaufenden Waldgürtel. Snorri nennt aber Midgard einen Wall (borg), den die Götter wegen der feindlichen Gesinnung der an den Meeresküsten angesiedelten Riesen rund um die Erde errichtet hätten. Auch in andern Mythologien finden sich Ansätze oder ähnlich durchgeführte Gleichungen zwischen Himmel und Erde und einem Riesenleib. In mittelalterlichen Schriften begegnen Spekulationen über das Verhältniss des Makrokosmos und Mikrokosmos. Adams Leib ist aus acht Teilen gebildet, worunter die Gleichungen Erde und Fleisch, Stein und Bein, Meer und Blut, Pflanzen und Haar, Wolken und Gedanken wiederkehren. Der Unterschied zwischen der heidnischen und christlichen Lehre besteht darin, dass dort die ganze Natur der auseinander gefallene Urmensch ist, hier der Mensch aus natürlichen Elementen zusammengesetzt wird. War man früher geneigt, die christliche Vorstellung aus der heidnischen abzuleiten, so dringt neuerdings die umgekehrte Auffassung durch, dass die Ymirsage von der Adamsage abhängig sei. Schliesslich ist die Möglichkeit beiderseitiger selbständiger und unabhängiger Entstehung nicht abzuweisen, nachdem ähnliche Gedanken bei den verschiedensten Völkern und zu verschiedenen Zeiten auftauchen.

Aus den Funken aus Muspellsheim machten die Götter Himmelslichter. Dann ordneten sie den Lauf der Sonne, des Mondes und der Sterne, die Folge von Tag und Nacht und die Jahreszählung. Von Süden her beschien die Sonne den Erdengrund, da entsprosste grünes Gras.

Darauf schufen die Götter in der Mitte der Welt Asgard, das Götterheim. Dort ist ein Ort, der Hlidskjalf (Thürbank, Thürschwelle) heisst. Von dort aus kann Odin die ganze Welt übersehen. Der Hochsitz Hlidskjalf, der Übersicht über die ganze Welt gewährt, ferner Namen einzelner Götterburgen wie Breidablik (Breitglanz), Glitnir (der Glänzende), Himinbjorg (Himmelsberg) zeigen deutlich, dass Asgard im Himmel über Midgard liegend gedacht ist.')

1). Nach Gylfaginning Kap. 9 befindet sich die Asenburg in der Mitte der Welt, í miðjum heimi, und vom Hochsitz Hlidskjalf aus übersieht man alle

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