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Der Weltbaum.

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Hirsch Eikthyrnir und verzehren die Zweige. Dieselbe Vorstellung scheint hier zu herrschen. Lärad ist wol als der Wipfel der Weltesche zu denken. Yggdrasil heisst mjotvidr, Baum mit dem rechten Maasse, d. h. der das Maass gibt, das Schicksal zumisst. Beim Weltkampfe erbebt und ächzt der alte Baum. Aber er überdauert den Brand. Nach Vafþr. 45 verbirgt sich das Menschenpaar, von dem die Geschlechter in der erneuten Welt stammen, in Hoddmimirs Holz. Mimirs Holz ist gleich Mimameid, die Weltesche. Mit Hilfe der Beschreibung in Gylfaginning Kap. 15 ergibt sich folgendes Bild vom Weltbaum: Die Esche ist der grösste und beste aller Bäume. Ihre Zweige erstrecken sich über alle Welt und ragen über den Himmel empor. Drei Wurzeln treibt der Baum, zu den Menschen (die Gylfag. sagt sinnlos: zu den Asen, bei denen doch nur der Gipfel sein kann), zu den Riesen, zur Hölle. Unter der Höllenwurzel liegt der Brunnen Hwergelmir und Nidhogg benagt sie von unten; unter der Wurzel, die zu den Reifriesen sich verästet, ist Mimirs Brunnen; unter der dritten Wurzel befindet sich der Brunnen der Urd. Die Wurzeln, unter denen Quellen hervorbrechen, sind unter Midgard in Niflheim und im Riesenheim, also an den Grenzen von Midgard, auf Midgard selber belegen. Der Stamm erhebt sich aus der Mitte der Erde. Das Gezweig und die Krone überwölben die Erde und erfüllen den Himmel.

Im Weltbaum Yggdrasil vermischen sich heimische und fremde Bestandteile in ganz besonderer Art. Heilige Bäume, in deren Schatten Gericht gehalten wird, aus deren Wurzeln Quellen hervorsprudeln, die von weissagenden Frauen bewohnt sind, begegnen oft im germanischen Glauben. Solche Züge finden sich auch im Bilde Yggdrasils. Aber damit ist weder Name noch Bedeutung des Weltbaumes hinreichend erklärt. Yggdrasil ist zusammengesetzt aus Yggr,,der Fürchterliche", einer Bezeichnung Odins, und drasill, einer in der Skaldensprache üblichen Bezeichnung für Pferd, der Name besagt Odins Pferd. Nun war es eine im Nordischen ebenso wie im Deutschen und Englischen allgemein verbreitete Ausdrucksweise, den Gehenkten als Reiter und den Galgen als sein Pferd zu bezeichnen. Odins Pferd ist also eine Umschreibung für Odins Galgen. Der Name Yggdrasil meint demnach den Baum, der Odins Galgen war. Offenbar ist die Bedeutung, die man dem Baum in seiner Eigenschaft als Symbol der Welt beilegte, eben in der Thatsache begründet, dass er Odins Galgen. war.

Golther, Germ. Mythologie.

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Auch Christi Kreuz heisst in einem englischen Gedichte des 14. Jahrh., das aber den Ausdruck schwerlich schuf, sondern aus älterer Überlieferung schöpfte, Christi Pferd. Damit ist der Weg zur Erklärung Yggdrasils gewiesen. Zug für Zug erweist Bugge die vollkommene Übereinstimmung zwischen den mit Yggdrasil und den im Mittelalter mit dem Kreuze verknüpften Vorstellungen. Das Verhältniss kann nur so gedacht werden, dass Yggdrasil unter der Einwirkung der Kreuzessagen entstand, nicht etwa so, dass in letzteren heidnische Erinnerungen nachwirken. Denn die Vorstellungen vom Kreuze haften bereits in solchen altchristlichen Schriften, wo eine germanische Einwirkung mit Rücksicht auf Zeit und Ort durchaus unmöglich ist. Das Kreuz wurde in den bekanntesten christlichen Hymnen als ein Baum besungen, der seine Lebenskraft aus einer Quelle an seiner Wurzel sog, als ein Baum mit Laub und Früchten. So lautet noch ein mhd. Rätsel, dessen Lösung der Kreuzesbaum ist: Ein edler Baum ist in einem Garten gewachsen, der mit grosser Kunst angelegt ist. Seine Wurzel reicht zum Grund der Hölle, sein Wipfel berührt den Thron Gottes, seine breiten Zweige halten die ganze Welt umfasst. Der Baum steht in voller Pracht und herrlich im Laub. Wir haben auf der einen Seite die Yggdrasilsesche, die der beste aller Bäume heisst. Ihr Wipfel ragt über den Himmel empor, ihre Zweige breiten sich über alle Welt und die Hölle liegt unter einer ihrer Wurzeln. Auf der andern Seite haben wir in christlichen Darstellungen den Kreuzesbaum, hervorgegangen aus einer Verschmelzung des Kreuzes mit dem paradiesischen Baum des Lebens und dem der Erkenntniss, den besten aller Bäume. Mit seinem Wipfel erreicht er den Himmel, mit seinen Zweigen oder Armen umfasst er alle Welt, und mit seiner Wurzel oder seinem Fusse reicht er bis in die unterirdische Totenwelt. Wenn Nidhogg und andere Würmer an der zur Hölle reichenden Wurzel Yggdrasils nagen, so knüpft diese Vorstellung zum Teil an die Schlange am Baume der Erkenntniss an und an die schlangenerfüllte Hölle, den,,Wurmsaal" (wyrmsele), wie in ags. Gedichten die Hölle benannt ist. Mimir, der Quellgeist, der am Fusse des heiligen Baumes wohnt, ist nordischen Ursprungs. Dass man aber Mimirs Haupt unter Yggdrasil dachte, mag durch die christliche Vorstellung veranlasst sein, dass der Kreuzesbaum über Adams Schädel steht. Endlich bedürfen die Tiere an der Weltesche noch der Aufklärung. In Nordengland befinden sich mehrere aus dem 7./9. Jahrh. stammende Steinkreuze, deren Schmalseiten mit Ranken

Die Weltesche und der Kreuzesbaum.

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werk bedeckt sind. In dem Rebengezweige sitzen Tiere übereinander, Drachen, Eichhörnchen, Vögel, welche von dem Laube fressen. Solche bildliche Darstellungen, welche sich den Nordleuten auf ihren Fahrten nach England darboten, gaben den Anlass, den Kreuzesbaum mit Tieren zu bevölkern. Auf englische Herkunft der Tiere am nordischen Weltbaum deutet bestimmt der Name des Eichhorns Ratatoskr, Rattenzahn. Sowol rati, Ratte, als auch toskr (ags. tusc) sind englische Lehnwörter. Die Tiere Yggdrasils sind zu einander in ein Verhältniss gebracht, wie es zwischen den Tieren auf der Weinranke der englischen Kreuze nicht besteht. Da tritt eben die umbildende Phantasie der Nordleute in Thätigkeit, vielleicht angeregt durch eine Fabel. Im Wipfel einer Eiche nistete ein Adler, mitten im Baum hatte eine Wildkatze ihr Loch, an den Wurzeln hauste ein Wildschwein mit seinen Jungen. Durch falsche, bösartige Doppelzüngigkeit brachte die Katze den Adler und das Wildschwein ins Verderben, indem sie Hass- und Neidworte vom einen zum andern trug.

Dass ein Baum, welcher dem höchsten Gott wie einem Geopferten zum Galgen dient, davon seinen Namen erhält und in dieser Eigenschaft zum heiligen Symbole der Welt erhoben wird, streitet bestimmt gegen die Vorstellung von heiligen Bäumen und vom obersten Gott, wie wir sie bei heidnischen Völkern anzutreffen gewohnt sind. Alle Ungereimtheit schwindet, sobald wir des Kreuzes gedenken. Yggdrasil ist eine Nachahmung des Kreuzesbaumes, wie er im Glauben der christlichen Völker des Mittelalters lebte. Erst in der Wikingerzeit kann der Mythus entstanden sein.

III. Weltuntergang.

Eine zusammenhängende Schilderung vom Schicksale der Götter, vom Untergang und von der Erneuerung der Welt schöpfen wir hauptsächlich aus der Volospó̟, wozu ergänzend einige Stellen des Wafthrudnirliedes und des Hyndlaliedes treten. Die Gylfaginning Kap. 51-53 beruht auf denselben Quellen, hat aber einiges missverstanden, umgestellt und hinzugefügt. Auf die 57. Strophe der Volospó, worin die Verfinsterung der Sonne, das Herabfallen der Sterne, das Versinken der Erde im Meer, der Weltbrand geschildert sind, beziehen sich die Skalden Kormak um 935 und

Arnor jarlaskald um 1065.1) Die Preislieder auf die Könige Eirik und Hakon, zwischen 940-950 und 961-970 verfasst, gedenken der schrecklichen Zukunft, da der Wolf Fenrir los wird und über den Wohnsitz der Götter und Menschen hin rennt.

Am Morgen der Zeiten, nachdem die Schöpfung vollbracht ist, verleben die Götter ihr Goldalter auf dem Idafeld, in Edens, Gefilden. 2)

Vol. 7. Auf Idafeld kamen

Altäre zu schaffen

Sie gründeten Essen,
Hämmerten Zangen

Vol. 8. Im Hofe übten sie
An blitzendem Golde
Bis die mächtigen drei
Die Töchter der Riesen

die Asen zusammen,
und Tempel zu bauen;
das Gold zu schmieden,
und Handwerkszeug.
heiter das Brettspiel
gebrach's ihnen nicht
Mädchen kamen,
aus Thursenheim.

Unter diesen drei Mädchen glaubt man die drei Nornen verstehen zu dürfen, obschon niemals von deren riesischer Abkunft die Rede ist. Ihr Erscheinen schliesst die goldene Friedenszeit ab. Nun schildert die Seherin die Hauptbegebenheiten der Götter. Mit dem Totschlag der Gullweig in Walhall hebt der erste Streit zwischen Asen und Wanen an, der erste Weltkrieg. Die gebrochene Götterburg stellte der Riesenbaumeister wieder her. Aber er ward um seinen Lohn, um Freyja, Sonne und Mond, die er sich ausbedungen hatte, betrogen.

Vol. 26. Da wankten die Eide,

Die festen Verträge,

die Worte und Schwüre,
die man vordem schloss.

Gewaltthat, Krieg, Wortbruch führen eine neue schwere Zeit herauf, die bis zum Ende von rastlosem Kampfe erfüllt bleibt. Nachdem einmal der Gedanke an einen Untergang der Welt sich befestigt hatte, gewannen alle Handlungen der Götter eine tiefere

1) Die Stellen bei Gudbrand Vigfusson im Corpus 2, 65 u. 197; zur Strophe Kormaks Bugge, Studien 443; om versene i Kormaks saga (aarböger f. nord. oldkyndighed 1889) S. 6 f.

2) á lðavelli; in Anlehnung an ags. ed-, an. id-, wieder, ist das Idafeld, auf dem sich die Götter auch in der neuerstandenen Welt wieder versammeln, etwa aus einem in England gehörten *Edanwong entsprungen; vgl. Bugge, Studien 445 f.

Die Vorzeichen des Untergangs.

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und weitere Bedeutung. Namentlich Thors Kämpfe mit den Unholden müssen in ein ganz neues Licht rücken. An den Grenzen der Welt lauern die Riesen, um hereinbrechend das alte Chaos wieder an Stelle der Weltordnung zu setzen. Die Götter haben die Aufgabe, den Bestand der Schöpfung zu sichern. Sorgenvoll sieht. Odin die drohenden Anzeichen des nahenden Verderbens sich mehren, aber ernst gefasst schreitet er dem Verhängniss entgegen, heldenhaft reitet er endlich zum letzten Kampfe. Heimdalls Horn wird am Weltbaum verborgen, bis sein gellender Klang zum letzten Kampfe ruft. Aus Mimirs Quell schöpft Odin gegen Verpfändung seines einen Auges Weisheit. Krieg verbreitet sich unter den Menschen, weithin über die Erde reiten die Walküren. Unheilverkündende Träume erschrecken die Asen, von der Seherin, die er aus dem Todesschlafe aufsingt, holt Odin die düstre Kunde vom Falle Baldrs. Der lichte Gott ist tot, aber in Wali ersteht ihm ein Rächer, der Anstifter des Unheils, Loki, wird in Fesseln geschlagen. Ostwärts im Eisenwalde (im Urwalde) bringt ein altes Riesenweib Fenrirs Brut zur Welt, aus welcher der unholdsgestaltige Erraffer der Sonne hervorgeht. Der nährt sich vom Fleisch Gefallener und rötet mit rotem Blute den Sitz der Götter, der Sonnenschein verdüstert sich, in den Sommern darauf kommt wüstes Wetter. Nachdem das Untier gross geworden, greift es also die Sonne an und verwandelt ihren hellen Schein in blutrote Farbe, wie bei der Verfinsterung zu sehen ist. Die Gylfaginning berichtet von einem schrecklichen Winter, dem Fimbulwinter, der dem Weltende vorangeht. Dann tritt Schneegestöber aus allen Himmelsrichtungen ein, es gibt scharfen Frost und Stürme, und von der Sonne hat man keinen Nutzen. Es kommen drei Winter hinter einander und kein Sommer dazwischen; vorher aber gehen schon drei andre Winter, in denen in der ganzen Welt Krieg sich erhebt. Auf diese dem Weltuntergang vorausgehenden Naturereignisse beziehen sich die Worte des Hyndlaliedes 44:

Es steigt das Meer
Die Länder verschlingt es,
Schneemassen bringt
Doch den Regen hemmt

im Sturme zum Himmel,

die Luft wird eisig;
der schneidende Wind,
der Rat des Schicksals.

Zugleich mit der Verschlechterung des Wetters und im Gefolge der überhandnehmenden Kriege tritt ein arger Verfall der Sitten ein.

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