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VIERTES HAUPTSTÜCK.

Die gottesdienstlichen Formen.

I. Der Götterdienst im allgemeinen
und das Opferwesen.

Papst Gregor richtete um 600 ein Schreiben an den Bischof Augustinus, der die Angelsachsen bekehren sollte.1) Darin hiess es: Erstens muss man nicht die Tempel der Götzen zerstören, sondern die Götzen. Man mache Weihwasser und besprenge damit die Tempel; man errichte Altäre und lege Reliquien hinein. Sind der Angelsachsen Tempel gut gebaut, so entziehe man sie dem Dienste der Götzen dadurch, dass man sie zu christlichen Tempeln umweihe, und zwar aus dem Grunde, damit dieses heidnische Volk

1) Gregor schreibt an Mellitus: cum ergo Deus omnipotens vos ad reverentissimum virum fratrem nostrum Augustinum episcopum perduxerit, dicite ei quid diu mecum de causa Anglorum cogitans tractavi, videlicet, quia fana idolorum destrui in eadem gente minime debeant; sed ipsa, quae in eis sunt, idola destruantur, aqua benedicta fiat, in eisdem fanis aspergatur, altaria construantur, reliquiae ponantur. quia, si fana eadem bene constructa sunt, necesse est ut a cultu daemonum in obsequium veri Dei debeant commutari; ut dum gens ipsa eadem fana sua non videt destrui,' de còrde errorem deponat et Deum verum cognoscens ac adorans ad loca, quae consuevit, familiarius concurrat. et quia boves solent in sacrificio daemonum multos occidere, debet eis etiam hac de re aliqua solemnitas immutari; ut die dedicationis, vel natalitii sanctorum martyrum, quorum illic reliquiae ponuntur, tabernacula sibi circa easdem aecclesias, quae ex fanis commutatae sunt, de ramis arborum faciant, et religiosis conviviis solemnitatem celebrent, nec diabolo iam animalia immolent, sed ad laudem Dei in esu suo animalia occidant, et donatori omnium de salietate sua gratias referant; ut dum eis aliqua exterius gaudia reservantur, ad interiora gaudia consentire facilius valeant. Bäda, Hist. eccl. I 30; weiteres auf Opfer und heidnische Bräuche bezügliches Bäda II 5, 9, 13, 15; III 8, 30; IV 22, 27. Heidnische Bräuche, die in Bussordnungen und Synodalbeschlüssen der Angelsachsen erwähnt werden, sammelt Kemble, The Saxons in England, London 1849, Bd. I, 523 ff.

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Nachwirkung heidnischer Bräuche im Christentum.

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desto williger an die gewohnten Anbetungsstätten komme. Zweitens, weil die Angelsachsen ihren Göttern noch viele Stiere zu opfern gewohnt sind, so ist es geboten, ihnen diese Feierlichkeit zu belassen; nur muss man derselben einen christlichen Sinn unterlegen. Und so sollen sie am Tage der Kirchweih und an den Gedächtnisstagen der heiligen Märtyrer, deren Reliquien zur Schau zu stellen sind, sich aus Baumzweigen Hütten rings um diejenigen Kirchen herrichten, welche aus Götzentempeln zu christlichen Tempeln umgeweiht werden und sollen so diese Feierlichkeit beim christlichen Mahle begehen, so dem heidnischen Götzen keine Tieropfer mehr darbringen, vielmehr behufs der Sättigung, Gott zum Lobe, Tiere schlachten und dem Geber aller guten Gaben für die Speisen danken. Diesen Menschen muss man einige äusserliche Freuden lassen, damit sie desto leichter zu den inneren Freuden hingeführt werden, denn es unterliegt keinem Zweifel, dass es unmöglich ist, diesen harten Gemütern auf einmal alles wegzunehmen, und zwar deshalb, weil derjenige, welcher einen hohen Standpunkt zu gewinnen bemüht ist, dies nur schritt-, nicht sprungweise erreicht.

Gregors Worte dürfen füglich unsern Betrachtungen über den Gottesdienst der heidnischen Germanen voranstehen, weil dadurch deutlich ausgesprochen ist, dass die heidnischen Kultusformen in der christlichen Zeit vielfach weiter leben. Zwar befolgten die Bekehrer nicht immer so milde Grundsätze, wie Gregor anempfiehlt. Mit Brand und Bruch ward oft genug der Götterdienst der Heiden niedergelegt. Aber im Grunde kam das gleiche Ergebniss heraus, hier eine freiwillige, dort eine widerstrebende Bewahrung heidnischer Bräuche. Mithin darf auch mancher spätere und nur in christlicher Fassung überlieferte Zug zur Aufhellung ursprünglich heidnischer Zustände verwertet werden.

1. Der Götterdienst in der Rechtsordnung.

Der Götterglaube durchdringt das gesamte Leben des germanischen Volkes. Rechtswesen und Kriegswesen, Ding und Heerfahrt sind ebenso religiös geweiht, wie alle wichtigeren Ereignisse des Einzellebens von religiösen Handlungen begleitet sind. Die Nachrichten, die natürlich wieder am reichlichsten aus nordischen Quellen zu erholen sind, zeigen den Götterglauben mit vielen Golther, Germ. Mythologie.

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Bräuchen, mit der gesamten sittlichen Lebensauffassung aufs engste verknüpft. Die allgemeinen religiösen Formen scheinen bei allen Stämmen ziemlich gleichartig gewesen zu sein, die grossen Unterschiede, welche die Göttersagen, d. h. die Gebilde einzelner Dichter, aufweisen, stossen uns hier nicht so sehr auf. Freilich hören wir auch selten von Einzelheiten, selbst der Name der angerufenen Gottheit bleibt meistens verschwiegen. Aber der Gottesdienst wurzelt in uraltem Herkommen und wird von den Veränderungen der Göttersage wenig berührt.

An der Spitze der germanischen Volksstämme steht in den ältesten Zeiten der Adel, eine kleine, stets sich vermindernde Schar edler Geschlechter, aus denen die Könige gewählt wurden. Das Wesen des Adels tritt in einer sagenumwobenen Ahnenreihe zu Tage, an deren Ursprung Götter stehen. So sind die angelsächsischen Könige und damit auch die sächsischen, jütischen, anglischen Wodans Söhne, ebenso die fränkischen Walsungen. Der Ahnherr der Könige ist oft dem Stammesheros, nach dem das Volk sich nennt, gleichgestellt und dabei ein Göttersohn, so vermutlich Ingo, Irmino, Istvo als Söhne des Tiuz. Die Amaler entstammen den ansiz, den Göttern. Nordische Könige werden Freys oder Tys Gesippte genannt. Das Volk zeigt überall treue Anhänglichkeit an seinen Adel, in welchem es den Göttern sich verwandt fühlt. So ragt der Götterglaube in die Ständeordnung herein. Unter sich selber stufen die Stämme eines Volkes wol nach den ältesten und vornehmsten Adelsgeschlechtern sich ab, so die Semnonen mit dem schaurig-heiligen Walde, wo Tiuz waltet, wohin die ersten Anfänge des Volkes zurückdeuten, neben den übrigen Sueven. Wie spätere Sagenbildung bis zu dem Gedanken, alle Menschen seien Gottes (Heimdalls) Kinder, vorschreitet, ist beiläufig erwähnt worden. Für den Glauben der Urzeit, als die Germanen ins Licht geschichtlicher Überlieferung eintreten, haben wir mit der Thatsache zu rechnen, dass die Volksstämme in ihren ältesten und vornehmsten Adligen, denen das Königtum anvertraut wurde, Abkömmlinge der Volksgötter ehrten.

Über die friesischen Götter sagt Richthofen 1) auf Grund der Quellenzeugnisse: Die heidnischen Friesen verehren Götter und machen sich Bilder von ihren Göttern. Ihnen sind Güter aller

Art geweiht, sie haben Tempel, Äcker, Wälder, Seen, Quellen,

1) Untersuchungen über friesische Rechtsgeschichte Teil 2, 419 f.

Die Götter als Begründer des Adels, als Schützer des Rechts. 547

weidende Tiere, Schätze; ihnen wird geopfert, auch Menschenopfer fallen, vor allem von solchen, die ihre Heiligtümer verletzten. Darum kam Willebrord mit seinen Genossen fast ums Leben. Sie, die Unbesiegbaren, entscheiden unmittelbar der Menschen Geschick, verkünden befragt durch das Loos ihren Willen. Sie sind der Urquell allen Rechtes, es ist von ihnen geschaffen, von dem geheimnissvollen Fremdling, der unter den zwölf Asegen erschien und sie des Landrechts unterwies; sie verkünden es durch ihre Priester, die Asegen, die Rechtsverkündiger, und bringen es im Gottesurteil zur Geltung.

Ding und Dingstätte sind dem Schutze der Götter geweiht.1) Den eigentlichen Verhandlungen voran gehen sakrale Bräuche, deren Zweck eben darin beruht, den Beistand der Götter zum Gerichte anzurufen. Als Gerichtstage galten noch in christlicher Zeit besonders Dienstag und Donnerstag, woraus zu vermuten ist, dass Donar und Tiuz des Gerichtes walteten. In uralter Zeit fanden Menschenopfer zur Heiligung der Dingstätte statt, ein Brauch, den die spätere mildere Zeit in Norwegen zur Freigebung eines Unfreien verwandelte. Mit dem Opfer waren die üblichen Trünke verbunden, was ebenfalls noch aus späteren Bestimmungen der christlichen nordischen Rechte hervorgeht. Mit feierlichem Opfer an die Gottheit werden die Gau- und Volksgerichte angehoben haben. Dieses Opfer mag in den allgemeinen üblichen Formen verlaufen sein. Dann folgte die Heiligung, die Hegung des Dinges, welche der Priester oder der leitende Fürst oder König besorgte. Diese besteht in feierlichen Erklärungen, die in der Verkündigung des Dingfriedens gipfeln, und ist mit einer räumlichen Einfriedigung, Hegung des Verhandlungsplatzes etwa mittels Pflock und Seil verbunden. Innerhalb der Dingstätte herrscht ein heiliger Frieden, dessen Grenzen durch die Hegung abgemarkt werden. Auf Island bezeichnet þinghelgi, Dingheiligung den Dingfrieden, die Dinghegung und Dingstätte, vébond, Weihbande, heilige Bänder, heissen die um die Dingstätte gezogenen Schnüre. Der Priester sprach das feierliche Gebot des Stillschweigens aus. Zur Eröffnung des Gerichtes leiten die Hegungsfragen, die an die Gerichtsgemeinde oder an ein einzelnes Mitglied gestellten Fragen des Richters, ob es Dinges Zeit und Ort sei, ob das Gericht gehörig

1) Über die sakralen Eigenschaften des germanischen Rechtes vgl. Brunner, Deutche Rechtsgeschichte 1, 1887, S. 144 ff.; Amira, Grundriss der germ. Philologie II, 2, 177, 185, 193.

gehegt, gespannt oder besetzt sei, ob er den Gerichtsfrieden gebieten solle. Vielleicht wurden diese altertümlichen Hegungsfragen in der Urzeit vom vorsitzenden Richter an die Priester gestellt, welche darüber die Loose zu befragen und den Willen der Götter zu erkunden hatten. Diese bestätigten hierauf die gehörige Erfüllung der Einhegungsförmlichkeiten. Dann wurde Stille geboten und der heilige Dingfriede gesetzt. Die Mitwirkung der Götter äussert sich wiederum beim Eide. Der Schwörende musste einen Gegenstand berühren, der sich auf die als Zeugen des Eides und Rächer des Meineides angerufenen Götter bezog. Uralt ist der germanische Waffeneid, meist aufs Schwert, das nach Ammianus bei den Quaden göttliche Verehrung genoss, abgelegt. Zeuge mag der Schwertgott", Saxnôt, Tiuz gewesen sein. Goten und Nordgermanen schwuren auf Ringe, die zuvor in das Blut des Opfertieres getaucht worden waren. Eine nordische Eidformel ist überliefert: Ich schwöre auf den Ring einen gesetzlichen Eid, so wahr mir Freyr, Njord und der allmächtige Ase (Thor) helfe, zu klagen, zu verteidigen, zu zeugen, Wahrspruch oder Urteil zu fällen nach bestem Wissen und Gewissen und nach Rechtsbrauch. Das Gottesurteil, das Ordal dient nach altem Rechtsbrauch als Beweismittel. Die Elemente, Feuer und Wasser, die Loose werden befragt. Die Götter offenbaren ihr Wissen um die Vergangenheit bei gewissen Handlungen. Das Ordal dient übrigens im ältesten Rechte nicht bloss als Beweismittel, sondern es wird auch angewendet, um den Willen der Götter zu erkunden, ob ihnen der bereits überführte Verbrecher oder der gefangene Feind als Opfer genehm sei. Das germanische Recht bestraft schwere Verbrechen auf zweifache Art. Der Missethäter wird aus dem Frieden gethan und in Wald und Wildniss gewiesen. Dort schweift er wie ein Wolf umher, sein Leben ist verwirkt, er kann von jedermann getötet werden. Das Recht entzieht dem, der es gebrochen, seinen Schutz, besonders den Frieden. Ob er zu Grunde geht, bleibt aber dem Schicksal, der waltenden Gottheit, überlassen. Es gibt aber Verbrechen, Neidingswerke, die nicht allein Menschensatzungen zerreissen, die auch den Zorn der Götter hervorrufen. Auf solchen Verbrechen steht Todesstrafe.') Der Missethäter wird der Gottheit als Opfer gegeben, auf dass die Rache der Götter, welche durch die Unthat gereizt wurde, von der Rechtsgenossenschaft abgewandt werde.

1) Den sakralen Charakter der Todesstrafe erweist Amira, Über Zweck und Mittel der germanischen Rechtsgeschichte, München 1876, S. 58 ff.

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