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-wir sehen nur, wie sie rülpsen und spucken laffen gefesselte, zitternde Bauern peitschen und finden, in der geilen Grausamkeit irrer Völlerei, ihre Lust daran, die Aermsten zu schimpfen und höhnen. Die Szene birgt keine Kühnheit: die Darstellung, wie der Säuferwahn Starker gegen Schwache wüthet, ist, wenn die Starken und Schwachen uns fremde und gleichgiltige Leute sind, überflüssig und ekelhaft und hat mit künstlerischer oder menschlicher Erregung nichts zu schaffen; auf der Straße kann es mich erregen, wenn ein Betrunkener ein Weib oder ein Kind prügelt, hier, wo ich weiß, daß

nur zum Spaß gehöhnt und gepeitscht wird, wo die der dramatischen Dichtung unentbehrliche Jülusion nicht gewahrt, die verbindende Brücke zwischen Bühne und Zuschauerraum nicht geschlagen ist, sehe ich nur in fühlem Staunen auf den immer erneuten Versuch, nach endloser Langeweile mit Brutalitäten zu wirken. Drei, vier Zuschauer waren empfindsamer und zischten; nicht sehr heftig, mehr wie ein Summen, aber doch stark genug, um die stramm disziplinirte Freundeschaar an die Gewehre zu rufen. Ein Beifallssturm brach los, dem der Bühnenvorgang nicht den geringsten Anlaß bot und der vollkommen unerklärlich bliebe, wenn man mit den Gepflogenheiten der Hauptmannschaft nicht bekannt wäre. Es giebt in ihren Gliedern nämlich auch Lockspitel, die mit der Aufgabe betraut sind, durch übertrieben lärmenden Beifall den Widerspruch zu wecken und so einen Skandalerfolg, wie beim Webermelodrama, zu sichern oder doch die Möglichkeit zu schaffen, daß man von einem Theaterereigniß sprechen kann. Ganz versagte auch diesmal das Mittel nicht. Der Abend war verloren; nun sollte wenigstens der Versuch gemacht werden, die Niederlage als das natürliche Ergebniß unerhörter Kühnheit zu verzeichnen. Wenn man jezt tobsüchtig klatschte, dann mußte die verärgerte und gelang= weilte Stimmung des Publikums sich endlich gewaltsam entladen, dann hatte man den ersehnten Theatersfandal, den Herr Brahm für seine Waschzettel brauchen konnte, dann gingen die Leute vielleicht aus Neugier ins Spektakelhaus und man konnte mit Ach und Krach noch einen Sieg der neuen Richtung" zusammenschwindeln. So groß, wie man ihn wünschte, wurde der Skandal freilich nicht; aber das Ekelgefühl über die freche Vergewaltigung war doch stark genug, um für Sekunden den Fortgang des Spieles zu stören. Pünktlich, nach der Parole, hieß es am nächsten Morgen dann in den Gesindestuben, geifernde Radaubrüder hätten das Meisterwerk respektlos verhöhnt.

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Schwindel, ich wünschte mir Goehens Sprachreichthum, um ein anderes Wort zu ersinnen. Eine fest gegliederte Schaar, die mit dem Entschluß ins Theater gekommen war, Alles zu beklatschen, Ällem Beifall zu brüllen. Ein paar ruhige Leute, die gelassen wägen und werthen wollten und enttäuscht und trüb dreinblickten. Und ein Publikum, lieber Gott, dieses Publikum! Schopenhauer hat uns eine Satire Gracians übersezt, die allerliebst die

Marktschreiermacht schildert; da sehen wir, wie die Masse dem Schwadroniren willig lauscht, das ihr geflügelte Wunder vorschwindelt, 'und wie Keiner sich aus der gemeinen Bretterbude fortrühren mag, weil „Keiner sich zu der Einsicht, daß er ohne Einsicht sei, bekannte, vielmehr Alle sich für sehr einsichtig hielten, ihren Verstand ungemein estimirten und eine hohe Meinung von sich hegten". Genau so steht es um unser Publikum, dem man, wenn man die Presse hat, jeden Unsinn aufschwaßen kann. Mag meinetwegen Jemand in dem Bauernkriegsspiel verborgene Reize bewundern: daß es für ein normal empfindendes Theaterpublikum unerträglich ist, kann Keiner leugnen. Aber Herr Hauptmann ist in der Mode, alle Ganzmodernen schreien und schreiben, er sei von einer besonderen Dichterart und nur die feinsten Geister können ihn faffen, und so erduldet man die Langeweile, weil man sich nicht blamiren will, weil man ein feiner Geist heißen möchte, und während man verständnißlos in die Wirrniß starrt, deutet man durch den krampfhaft gespannten Gesichtsausdruck an, was Gracians Baccalaureus, der einen Esel als ein geflügeltes Wunderthier bestaunt, stammelnd also verkündet: „Wie herrlich! Welche großen Gedanken! Das Vortrefflichste der Welt! Welche Sentenzen! Laßt sie mich aufschreiben! Es wäre ewig schade, wenn auch nur ein Jota davon verloren ginge!" Es wird bald dahin kommen, daß an solchen Abenden kein Mensch mehr ein offenes Wort zu reden wagt, aus Scheu vor einer möglichen Blamage oder aus Furcht vor einer sicheren Rache.

Einstweilen sind wir noch beim Bewundern, das diesmal nicht dem Dichter allein, sondern auch dem Historiker gelten soll. Herr Hauptmann, so heißt es, hat sich auf den Boden der neuesten Forschung gestellt und die Mythen des Mittelalters endgiltig zerstreut. Wir wollen sehen, ob wir hier wenigstens Wahrheit finden; ich greife zur Stichprobe zwei Beispiele heraus. Herr Hauptmann läßt über Luther recht unehrerbietig sprechen und führt den Berlichinger, der, wie alle Ritter nebst allen Bauern, ein Statist, ein lebloser, ist, als einen feigen Verräther vor. Herr Schlenther, der Sâr des esoterischen Hauptmannkultes, verkündet darob — und die Chorknaben plärren ihm nach —, Goetens „treuloses, räuberisches Verhalten“ sei „vor dem Richterspruch histo= rischer Forschung" nicht zu retten und der Bauernkrieg sei die „revolutionäre Konsequenz“ des lutherischen Reformwerkes gewesen, so daß Meister Martin arg im Unrecht war, als er sich gegen die Bauern wandte. Ich hatte Herrn Schlenther bisher als einen kundigen Prüfer münchener Biere, aber nicht als Kenner der Historie geschätzt; nun wurde ich stußig: was er sagte, klang nicht

neu

Goeßen hatte schon sein Biograph aus dem Jahre 1731 als Wege= lagerer und Heckenreiter geschildert und die Unrathliteratur über Luther häuft sich zu einem Schlammberg, aber es war so zuversichtlich vorgebracht, daß ein bescheidener Leser am eigenen Wissen zweifelhaft werden konnte. Ich bat also Karl Lamprecht um Auskunft, den bedeutendsten Künder der alten

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deutschen Geschichte, und er war so gütig, mich zu belehren. Hier ein paar
Sätze aus seinem Brief: Die Person Goetzens steht noch nicht völlig
klar in der Forschung. So viel aber ist sicher, daß er im Bauernkriege
nicht die große Rolle gespielt hat, die man ihm früher zuschrieb. Er ist
mehr eine Nebenfigur, interessant wesentlich nur dadurch, daß er vom
Adel ist. Ob er gezwungen sich den Bauern angeschlossen hat, wie er be=
hauptet, oder freiwillig: Das ist die große Frage, die sicher vielleicht nie,
jedenfalls aber erst nach intensiverer Kritik der Quellen entschieden werden
kann.... Insofern ihm die Revolution als Konsequenz seiner reformato-
rischen Anschauungen in die Schuhe geschoben wurde, war Luther mit Recht
in hohem Grade erbost. Mit Recht: denn es fann jetzt als ausgemacht
gelten, daß die evangelischen Motive der Revolution theils schon vor Luther
vorhanden waren (feit etwa 1493) und daß sie, so weit sie seit Luther er-
weitert wurden, ihre Nahrung vornehmlich aus den Lehren der Wiedertäufer
zogen... Luthern ein feines soziales Verständniß für seine Zeit absprechen
wollen, ist ein Unding." Einen berufeneren Vertreter der neuesten Forschung
wird auch Herr Schlenther nicht aufbringen können. Ich weise ihn noch auf
Bergers Lutherbuch, das Sohm als ein Meisterwerk rühmt und in dem er
den Sah finden kann: „Das alte Märchen, als ob die soziale Revolution
durch die Reformation hervorgerufen worden sei, ist heute längst widerlegt",
und gestatte mir dann zu vermerken, daß Herr Schlenther den Lesern der
Vossischen Zeitung mit dreister Allwissenheitmiene blizdummes Zeug vorge=
logen und daß der Troß seiner Hausknechte es ihm treulich nachgelogen hat.

Mit der neuen Geschichte des Bauernkrieges ist es also auch wieder nichts.
Daraus kann man Herrn Hauptmann freilich keinen Vorwurf machen. Er hat,
statt das ganz moderne Geyerproblem zu greifen und zu zeigen, wie ein
Mensch von verfrühtem Empfinden seine Kaste aufgiebt und in die Kämpfer-
reihen einer allzu hastig empordringenden Klasse tritt, versucht, was Lassalle
im Sickingen versuchte: „die großen kulturhistorischen Prozesse der Zeiten und
Völker zum eigentlichen Subjekt der Tragoedie zu machen." Er ist gescheitert,
nicht, wie Lassalle, weil ihn das Gewicht der politischen Parteirhetorik be=
schwerte, sondern, weil er Unwesentliches nicht von Wesentlichem zu unter-
scheiden und den großen Stoff nicht zu bewältigen vermochte, weil er nur
die Notizenvorarbeit zu einem Kunstwerk gab und sich diesmal nicht mit dem
Weberparfum aus der schlesischen Heimath helfen konnte. Oder wollte er
uns in einem Beichtgedicht das eigene Schicksal ironisch beleuchten und zeigen,
wie in Zeiten der Gährung ein Mensch von mittlerem Wuchs, ein Florian.
Geher oder Gerhart Hauptmann, plötzlich zum Heiland erhöht werden kann, von.
dem der schwarze Haufe Alles erwartet, den in dichten Schaaren die Schwindler
umdrängen und der schließlich, ein ruhmlos besiegter, entgötterter Mann, unter
höhnenden Feinden einsam den Tod kleiner Menschheit stirbt ?
M. H.

Verantwortlicher Redakteur: M. Harden in Berlin. Verlag von O. Häring in Berlin SW. 48.
Druck von Albert Damde in Berlin.

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So fünd de Buren in Transvaal,
Un so bi uns de Buren,

Se stat ehrn Mann wul öwerall,
Un lat sik nich beluren.

Ji hant Juch mit de Engelsch rum,

Wie haun uns mit de Dän,

Ditmarschen heet de Republik,
Wietaf int. Holstenland,

De letzte weer't int dütsche Riek,
Wiet in de Welt bekannt.

Dat weer bi Dusenddüwelswarf,
Dar flogen wi de Dän,

Dar hett vun Dusend kum mal Een
De Heimath wedder sehn.

Dat weer en Mann as Krüger is,
He heet Wulf Isebrand,

Se meen', wie heeln den Puckel krumm, De hau de Dän, as Krüger nu

De wiesen wi se de Tähn.

De engelsch Röwerband.

Nu ropt mit uns, un holt tosam

As Buren fast un stramm:

Schulln disse Herren wedder kam',
So schall se Gott verdamm'!

Capri, am vierzehnten Januar 1896.

Klaus Groth.

*) Als der Präsident der Transvaalrepublik in Europa war, wurde ihm in Antwerpen aus dem „Quickborn" vorgelesen; er erklärte, darin erkenne er die alte, von den ersten plattdeutschen Einwanderern ins Transvaal mitgebrachte Sprache, und freute sich, als Bismarck später plattdeutsch mit ihm sprach. Jezt hat unser lieber Quickborndichter dem Burenvolk seinen Gruß übers Meer gerufen.

Anarchie oder Bevormundung?

II.

ch habe in dem vor acht Tagen hier veröffentlichten Auffage schon be= merkt, daß der Gründer und Vater des sozialen Individualismus, wie er von seinen heutigen gemäßigten Anhängern aufgefaßt wird, John Locke ist und daß Grundvoraussetzungen, der Naturzustand und der Vertragszustand der Gesellschaft, bei ihm die selben sind wie bei seinem Vorgänger Hobbes und bei seinen Nachfolgern Rousseau und Mably. Aber ich habe eben so bemerkt, daß der Zustand der Menschen im Naturzustande, wie Locke ihn sich vorstellt, sich von dem unterscheidet, wie Hobbes oder Rousseau sich ihn ausmalen. Für diese. beiden Philosophen war der Urmensch ein Wilder; gesetzlos und grimmig nach dem älteren, gut und dumm nach dem jüngeren Denker. Lockes Phantasiebild von den Urmenschen stellt sie im Gegensatz dazu unter dem Bilde höchst geistig reger und achtbarer Personen dar, die zusammen leben nach der Ver= nunft, ohne einen gemeinsamen Herrn auf der Erde, der die Macht hätte, unter ihnen Urtheile zu fällen." (Civil Government.)

Der Naturzustand, wie ihn Locke sich vorstellt, ist thatsächlich das individualistische goldene Zeitalter der philosophischen Anarchie, in dem alle Menschen freiwillig Jedem das Seine gewähren und daher kein Bedürfniß für einen Apparat zur gewaltsamen Durchführung der Gerechtigkeit vorhanden ist. Während Hobbes annimmt, daß im Naturzustande das Gefeß der Natur schlummerte, scheint Locke der Meinung zu sein, daß es laut genug gesprochen habe, aber daß die Menschen taub dagegen geworden seien. Nur daraus, daß Manche die ursprüngliche Höhe ethischer Tüchtigkeit nicht aufrecht zu erhalten vermochten, entstanden jene Unbequemlichkeiten, die die Uebrigen dazu trieben, sich zu Staaten zusammenzuthun, Herrscher zu wählen und sie, als die Abgeordneten Aller, mit der bisher Jedem eigenen Berechtigung zu begaben, Uebertreter zu bestrafen. Bei diesem wichtigen Schritte zeigten unsere Vorfahren jedoch eine Vorsicht und Klugheit, wie sie von Leuten, die auf der von ihnen im Naturzustande erreichten sittlichen Höhe standen, zu erwarten war. Statt dem Souverain alle Rechte und Machtvollkommenheiten, die sie in diesem Zustande besaßen, vollständig zu übertragen und somit durch den sozialen Vertrag eine Staatsallmacht zu schaffen, wie ihnen Hobbes mit Unrecht nachsagte, gaben sie nur so viel von ihren Rechten auf, wie für den Zweck einer ausübenden Gewalt mit scharf begrenzten Befugnissen unbedingt nothwendig war. So führt Locke sorgsam aus: als die Menschen sich zu Staaten vereinigten, müßten sie ausgemacht haben (und hätten also, die apriorischen Voraussetzungen zugegeben, wirklich ausgemacht), daß die Macht des Souverains sich scharf auf

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