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Untersuchungsgefängniß eingeliefert wird, wenn er in seinem Gedächtniß sucht und sinnt, wen er zum Vertheidiger seiner Sache bestellen könnte, dann findet er den berühmten Fürsprecher der Belasteten nicht mehr, an den er zuerst denken möchte, den Rechtsanwalt Friedmann, denn der hat inzwischen, mit einem aufgelesenen Liebchen, das Weite gesucht. Der Freiherr von Hammerstein hat Unglück. Einen besseren Vertheidiger wird er nicht werben können, keinen wenigstens, der so ge= schickt alle unangenehmen Erörterungen abschneiden und den sensationellen Prozeß ins rührsame Reich des Ewig-Trivialen hinabziehen kann. Frig Friedmann hätte sich nicht in das schlüpfrige Gelände der hohen Politik locken lassen; er hätte von dem alten Namen, von einem schmählich zerrütteten Familienglück, von der Macht der Verführung und dem Apfel der Eva gesprochen und den Angeklagten als einen dummen Kerl hingestellt, dessen gutmüthiger Leichtsinn ausgebeutet wurde; er hätte seufzend daran gemahnt, daß wir allzumal arme Sünder sind, und schließlich sicher die fünf Richterherzen erweicht. Auch als Menschen hätten die beiden Männer bald einander verstanden; Beider Unheil begann damit, daß sie ihrer Kaste entfremdet wurden, Beide zerhöhlte die Geldgier, die immerwährende Angst des gehezten Schuldners, Beide schleppten schwitzend Jahre hindurch ein Scheindasein hin und Beide könnten von Flora und Anna wohl die selben Geschichten erzählen. Den Rechtsanwalt, der sich vor adeligem Wesen die ganze scheue Ehrfurcht des kleinen Mannes bewahrt hatte und der an einem Meyerind sogar noch die vornehmen Kavalierssitten bestaunte, hätte das Schicksal des Freiherrn gewiß gerührt und er hätte, wenn nach der Verurtheilung auf allen Gesichtern ringsum das Leuchten frohen Triumphes erschienen wäre, wüthend vielleicht, als wärs seine eigene Sache, wie auf dem Henkersfarren einst die Marquise von Brinvilliers ausgerufen: Ja, nun freut Ihr Euch, weil Ihr nicht erwischt worden seid, Ihr Kanaillen!"

Die Freude ist jetzt schon riesengroß. Zwar: Friedmanns Zusammenbruch wird nur als eine Lokalnachricht behandelt, schlecht erfundene Klatschgeschichten werden erzählt und die Moraltrompete, die, wie es sich ziemt, am Grabe des gestern noch Gefeierten schmetternd erschallt, wird vorsichtig mit weicher Watte umwickelt. Was ist uns, heißt es, Frit Friedmann, der kein Politiker, nicht Abgeordneter und nicht Parteiführer war, und warum soll sein Untergang uns das Gewissen rütteln? Dorthin wendet den Blick, sehet Hammerstein an, den typischen

Junker, und erkennet in seinem Geschick das Walten des Bürgergottes, der an dem verrotteten Adel das rächende Strafgericht nun vollzieht; mit Hammerstein kommt das Junkerthum und die konservative Partei, kommen Agrarier und Bimetallisten auf die Anklagebank. So tönt es, in Vers und Prosa, von links, so wird es mit fetten Lettern gedruckt; ein Indianergeheul, das wüthend den Skalp des gefangenen Feindes begehrt. Wieder, wie in den Tagen, da der Börsenwit sich an der Wechselreitschule labte, wird der Versuch gemacht, zwischen der guten Bourgeoisie und der bösen Aristokratie einen Prozeß anzustrengen, und die Eifernden, die so emsig Steine herbeitragen, scheinen wieder ganz zu vergessen, daß sie selbst im Glashause sizen. Ist es denn wirklich das erste Mal, daß ein Zeitungschreiber Betrügereien verübt hat? Die Herren, die über das Laster jetzt ihr schönes Pathos oder ihren grimmig wigelnden Hohn ausströmen lassen, sind ja gewiß alle, alle ehrenwerth; ihnen ist die leichtsinnige Verschuldung ein fremder Begriff, sie haben zu Glücksspielen nie eine Karte berührt, nie ihr Amt als Verkäufer von öffentlichen Meinungen benutt, um sich die Tasche zu füllen, und sie sind an dem sechsten Gebot niemals zu Sündern geworden. Sie sind fleckenlos rein und untadelig, wahre Bahards der Presse, und brauchen auf menschliche Schwachheit deshalb nicht mitleidig zu blicken. Aber sind sie so weltfremd, so kindhaft einfältig, daß sie gar nichts von Alledem merken, was dicht neben ihnen täglich geschieht? Wissen sie wirklich nichts von Konsortialbetheiligungen und bezahlten Reklamen, von dem regen Interesse manches Zeitungmachers an einem Theater, einem Cirkus, einer Gasglühlichtgesellschaft, nichts von dem großen Feldzug für Villardwerthe und Mexikaner? Und haben sie völlig die Thaten vergessen, die den Herz und Arton, Wolff und Sommerfeld, Abter und Rosenberg hohen Ruhm in der sogenannten Kulturwelt erwarben? Ach nein: einfältig sind sie nicht, auch nicht vergeßlich; sie sind nur Taktiker, halten sich, wo es ihrem Vortheil entspricht, jenseits von Gut und Böse und stürzen sich gierig auf jeden Kadaver, von dem vielleicht ein Beutestück zu erraffen ist. Ihnen war Hammersteins Niederbruch, dem die Führer der konservativen Partei rathlos und thatenlos zusahen, ein gefundenes Fressen; kein verständiger Mensch glaubt, daß diese Führer absichtlich unehrenhafte Handlungen begünstigen oder vertuschen wollten, aber der Versuch ist doch lohnend, mit dem einen Sünder zugleich die ganze verhaßte Klasse ins Verderben zu reißen. Man erglüht in humaner Empö

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rung, wenn für einen Sommerfeld alle Juden oder auch alle Bankiers verantwortlich gemacht werden sollen, aber man möchte mit einem Hammerstein gern das ganze Junkerthum in die Tiefe ziehen. Am Ende läßt sichs aber erweisen, daß Hammerstein längst nicht mehr dem Typus des Junkers glich, daß er für seine Klasse nicht annähernd eine so typische Erscheinung war wie Fri Friedmann für seine und daß Beide von dem vergiftenden Hauch der höchsten bourgeoisen Macht verseucht worden sind. Das wäre ein Strich durch die feine Rechnung; Das klänge heute namentlich unangenehm, wo uns an dem allzu viel beschwaßten. Schicksal des Jämmerlings Lebaudy das unsägliche Leid des modernen Millionärs gezeigt und erklärt werden soll. Der Roman des petit sucrier ist füß, recht passend für die muntere Punschstimmung, die bittere Wahrheit nicht hören mag. Aber die heißen Dämpfe werden zerflattern und den Ernüchterten wird dann die Erkenntniß wiederkehren. Jede herrschende Klasse ist von den Gefahren der Korruption umlagert, jede ist ihnen, so weit die Erinnerung auch zurückschweift, erLegen und die sozialistische Gesellschaft müßte aus ganz besonderem Stoff gefügt sein, wenn sie im Besitz der Macht doch die Kraft des Widerstandes bewahren sollte; so schnell aber und so völlig ist noch nie eine herrschende Klasse korrumpirt worden wie die der behenden Bankiers, die seit hundert Jahren erst auf den Thron gelangt ist, und die Bourgeoisie sollte sich deshalb hüten, wegen eines Hammersteines einen weltgeschichtlichen Prozeß gegen die Aristokratie anzustrengen.

Gehört der mit Zuchthausstrafe bedrohte Freiherr wirklich noch zur Aristokratie, noch zum preußischen Junkerthum? Wenn er auf Razzow in Mecklenburg seine Tage verbracht oder bis ans selige Ende das pommersche Gut Schmartow bewirthschaftet hätte, wäre er wohl ein ehrlicher Mann geblieben, -kein Tugendheld zwar, aber ein derber Geselle, der mit dem Strafgesetz nicht in Berührung kommt. Er hätte gejagt, Gäste bei sich gesehen, wacker gezecht und vielleicht verspätete Herrenrechte geheischt; ein Spielchen oder ein wildes Werben hätte ihn mitunter in Bedrängniß gebracht, aber im Ganzen wäre die Sache gegangen und eines Tages hätte der Dorfpfarrer, den er mit hartem Wort aus dem Kreise christlich-sozialer Bethätigung zwang, in der Gutskirche ihm eine schöne Leichenrede gehalten. Es sollte nicht sein. Der Freiherr von Hammerstein kam nach Berlin, in die fremde Welt des Parlamentarismus und Journalismus, wo er wurzellos war, ein

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eingesetzter Schößling aus anderer Erde. In den Parlamenten fand er sich bald zurecht und hier wurden seine Junkereigenschaften ihm nüglich ein starker Wille, die Fähigkeit rascher Orientirung, ein, wo es nöthig schien, zäher Fleiß und, als wichtigste Gabe, eine sichere Witterung für das im Augenblick gerade Vortheilhafteste. Er begriff, daß die Zeiten vorüber sind, wo eine konservative Partei von der Gnade der Regirung leben kann, und hielt auf steife Selbständigkeit; er erkannte Stoeckers ungewöhnliche agitatorische Kraft und schloß mit ihm ein unverbrüchliches Bündniß, das die ersten Regungen evangelisch-sozialen Lebens in den Dienst der konservativen Sache lenkte; er merkte früh die ungeheure Macht der Bauernbewegung und fing sie, die der Parteileitung eben entgleiten wollte, mit dem schlau gesponnenen Tivolineß geschickt wieder ein. Er wäre ein guter Parteiführer geworden, wenn nicht zwei schlimme Fehler ihn auf seinem Wege gehemmt hätten: er war eigensinnig und ungebildet. Der Eigensinn ließ ihn Bismarcks große Persönlichkeit verkennen, die man als ein märkisches Wunder froh und dankbar hinnchmen muß, auch wenn man ihr nicht immer folgen kann, und mit deren oft freilich unbequemer Genialität jede konservative Partei rechnen mußte. Die Unbildung hielt ihn bei rückständigen Ansichten fest, bei einer Orthodoxie, der das Volk entfremdet ist, und bei einer knotigen Art des Antisemitismus, mit der, von ethischen Bedenken ganz abgesehen, ernsthafte Erfolge nicht zu erzielen sind. Er stand nicht auf dem Boden der modernen Bildung, nicht auf dem Boden des historisch gewordenen Reiches und half sich mit Schlagwörtern und abfegenden Phrasen. Ob er, als alter Forstmann vermummt, die Vernichtung des deutschen Waldes bejammerte, ob er die bis ins Mark verfaulten Tschinowniks geißelte oder mit frommem Aufblick bestöhnte, daß die Betrügerei in dieser argen Welt so verbreitet sei: die Ueberzeugung und das wägende Urtheil, das die Ueberzeugungen gründet und stützt, fehlte und man sah stets einen Mann, der, mit geschickter Berechnung der Effekte, eine Rolle spielte. Die Rolle spielte der energische und betriebsame, aber politisch gar nicht begabte Mann ganz gut und eine brutale Frechheit, die er für kernhaftes Germanenwesen ausgab, trug ihn leicht auch über Klippen und Irrthümer hinweg. In der Zeitungwelt aber wurde er nie völlig heimisch. Er hatte ein beträchtliches Anpassungvermögen und wurde durch mimicry in manchem Zug den Berufsgenossen recht ähnlich, aber es blieb doch immer ein Unterschied.

Er wollte kein gewöhnlicher Zeitungschreiber sein, wollte der Freiherr bleiben, und so war er in der neuen Kaste vereinsamt, während die Verbindung mit der alten Kaste sich mählich doch lockerte. Den Standesgenossen roch er nach Druckerschwärze, die Berufsgenossen scheuchte er durch Stallgestank und feudale Vorurtheile aus seiner Nähe; irgend ein winziger Kropatscheck fühlte sich wohl geehrt, wenn er an seinem Arm den Mächtigen durch die Königgrägerstraße geleiten durfte, aber zu einer rechten Intimität, die ein Treugefühl in sich schließt, kam es auch da nicht, weil der Adelige immer geneigt war, den Roturier seine höhere Art fühlen zu lassen. Den deklassirten Junker und ein Freiherr, der für Geld Artikel schreibt und redigirt, hat seine Klasse verloren — duldet es selten in dem engen Gleise, das den Durchschnittsmenschen gemächlich durchs Dasein führt; ein unruhiger, unbefriedigter Geist peitscht ihn vorwärts und er wird schnell zum Revolutionär oder zum Glücksritter. Hammerstein wählte die breite Straße, an deren Ende das Zuchthaus ragt. Er blieb äußerlich der korrekte Herr, der streng auf Sitte und Sittlichkeit hielt, für Thron und Altar kämpfte und bei jedem unfreundlichen Blick dräuend nach der Pistole schielte, und schuf sich heimlich ein wüstes Abenteurerglück im Arm einer verlaufenen Dirne. Solches Glück kostet Geld, viel Geld fogar, — und deshalb begann nun die unsaubere Schachermachei, die den Angefaulten rasch bis zu Fälscherpraktiken riß. Seine Zeitung war ihm ein Werkzeug, das seine Privatinteressen fördern mußte, ein Jnstrument, das er be= nuzte, um heute die seinen Wählern verhaßte Tabaksteuer abzuwehren. und morgen mit einem Reklämchen eine Hotelrechnung zu bezahlen. Aber er beherrschte dieses Instrument nie so meisterhaft wie die nicht in freiherrlichen Betten gezeugten Genossen, sonst hätte er es verstanden, unentdeckt sein Schäfchen zu scheeren, sonst wäre er nicht ohne Geld durchgebrannt. Er holte sich bei dem jähen Klimawechsel eine Moralvergiftung und war der veränderten Sphäre nicht genug angepaßt, um sich insgeheim mit dem erkrankten Organismus behaglich einrichten zu können. Ein forrumpirter Schreiber muß maßvoll sein, muß persönliche Angriffe vornehm verachten, gern über Verleumdungen zetern und mit den Kollegen auf Du und Du stehen; ein Korrumpirter, der über die Genossenschaft die Nase rümpft, der hest, schimpft und schießt und ein schneidiger Ritter sein will: Das geht nicht, Das kann nicht geduldet werden. Was den Freiherrn von Hammerstein noch mit der alten Kaste verband, ward ihm in der

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