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neuen Kaste verhängnißvoll und man darf vielleicht sagen, daß er vom Junker nur gerade genug sich bewahrt hatte, um als journalistischer Strauchdieb auf die Dauer unmöglich zu sein.

Auch Frizz Friedmann hatte seine Kaste verloren, aber er war aus dem zäheren Kagengeschlecht und hielt sich viel länger als Hammerstein heiter auf dünnen Beinen. Die Psychologen der Hintertreppe haben sich mit dem geschmeidigen Manne in diesen Wochen ohne Ermatten beschäftigt, wundervolle Theorien vom Abfärben der Verbrecherwelt und vom morbiden Boden der Genialität zu Tage gefördert und schließlich ein Bild zusammengepinselt, in dem höchstens die grenzenlose Eitelkeit Mit solchen des Gemalten entzückt Aehnlichkeiten entdecken könnte. Künstlern braucht der gefährliche Wettbewerb hier um so weniger gewagt zu werden, als Herr Friedmann in diesen Heften schon früher charakterisirt worden ist; er war mit der Charakteristik damals sehr unzufrieden, aber Das spricht nicht gegen ihre Richtigkeit. Es würde auch genügen, auf die Meisterskizze zu verweisen, die Freytag in „Soll und Haben" vom Doktor Hippus entwirft, wenn zwischen Hippus und Friedmann nicht ein gutes Stück moderner Entwickelung läge. Auch Friedmann galt für den entschiedensten und kühnsten Mann, um ein mißliches Recht in ein gutes Recht zu verwandeln", auch er liebte ein schmackhaftes Frühstück und theueren Rothwein, aber er hatte nicht, wie Hippus, mit Veitel Jßig zu thun, sondern mit Paul Polke und Hugo Loewy, neben denen Ehrenthals Commis nur ein schüchterner Stümper ist. Frit Friedmann hätte der gewöhnlichen Advokatengefahr vielleicht widerstanden, aber er gerieth in die Jobberwelt und wurde da, als ein kleiner Bissen, rasch aufgespeist; er ist nicht aus der Rechtsanwaltssphäre, sondern aus dem Börsenmilieu heraus zu erklären. Von den Advokaten sagt Zanardelli: „Weil sie gewohnt sind, das Wahre und Falsche mit gleicher Geschicklichkeit zu vertheidigen, kommen sie schließlich dahin, daß sie selbst das Eine vom Anderen nicht mehr genau unterscheiden.“ Das ist die allgemeine Advokatengefahr, der, wie wir sehen, mancher ehrenhafte Mann sich zu entziehen vermag. Für Friedmann kam eine besondere Gefahr hinzu: er war ungewöhnlich beredt und ungewöhnlich eitel auf seine Beredsamkeit. In einem alten Schauspiel von Delavigne stehen die Verse:

Oui, monsieur, l'éloquence

Est un mal, quand le mal en est la conséquence:

Celui-là fait le mal qui prouve éloquemment
Que la raison a tort, que la vérité ment;

Et dans ce député, qu'à sa honte on renomme,
J'admire l'orateur, mais je méprise l'homme.

So ungefähr lautete seit Jahren das Urtheil über Frit Friedmann. Er war ein ausgezeichneter Vertheidiger, weil ers verstand, bei jeder Sache das große A der Allgemeinheit zu treffen, weil er die vom langen Sitzen ermüdeten Richter durch seine unverwüstliche Frische und durch seinen berlinischen Gassenwit aufzumuntern wußte, weil er nie lang= weilig, nic unbequem war und mit natürlicher Pfiffigkeit in den Schöffen, Geschworenen und Landgerichtsräthen die Menschen zu packen. suchte. Für den Angeklagten war er mitunter ein Kreuz, denn er hatte nie einen Schriftfah gelesen, kannte das Beweisthema nicht, machte Wize, während der Staatsanwalt sprach, und stellte den Klienten gern als einen dummen Kerl hin, weil er gelernt hatte, daß Dummheit immer als mildernder Umstand angerechnet wird. Aber er traf mit so sicherem Instinkt stets den richtigen Punkt, er fand sich so schnell in jede Sache hinein, die Hand, die dann die Fäden enwirrte, war so weich und über das Fuchsgesicht huschte eine so schlaue Vergnüglichkeit, daß man dem liebenswürdigen Manne nicht ernstlich böse sein konnte. Er war im Grunde ein ausgewachsener Gassenjunge, der durch alle schmutzigen Pfützen gewatet ist und sehr stolz die Schlammspuren zeigt, er glich einem sittlich Farbenblinden, der sich sehr interessant findet, weil er zwischen Gut und Böse nicht zu unterscheiden. vermag. Dabei ein durch und durch banales Geschöpf, mit den Schwänken und Schnurren eines Coulissenspaßmachers und der Sentimentalität einer angesäuselten Kellnerin. Und dieses leichtsinnige Menschenkind, das gar zu gern so schlecht wie sein Ruf sein wollte, kam nun in das rastlose Räderwerk der Börse und wurde ein gieriger Spieler. Daß Friedmann dabei sein Geld verlor, war für ihn noch nicht das Schlimmste; er konnte, obwohl er niemals die Honorare erhielt, die ihm in den Zeitungen jetzt nachgerechnet werden, das Verlorene leicht wieder gewinnen. Aber er nahm Gewohnheiten an, die ihm verhängnißvoll werden mußten, er wollte leben wie ein großer Bankier und vergaß, daß er nichts als ein kleiner Pfuschspekulant war, den man im Kreise der Geldpotentaten nur litt, weil man ihn eines Tages vielleicht in Moabit brauchen konnte. Er hatte seine Kaste verloren und schwankte nun taumelig zwischen Kapitalistensehnsucht und

literarischen Neigungen umher. Er fühlte sich nicht mehr als Rechtsanwalt und wurde von schweren Geldleuten und ernsten Schriftstellern doch nur belächelt. Inzwischen rang er wie ein Verzweifelter mit einem Troß unerbittlicher Wucherer, und wer ihn in diesem Kampf sah, in dieser erdrückenden Fülle von Arbeit und Qual, wird ihm eine mitleidige Regung nicht versagen. Er wäre vielleicht auch in diesem Kampf Sieger geblieben, denn seine Lebenskraft schien unerschöpflich. Aber da kamen die guten Freunde und wisperten, er könne, wenn er nur wolle, ein Banksyndikus mit märchenhaftem Einkommen oder ein Feuilletonist ersten Ranges werden; da wurden seine spottschlechten Romane gedruckt und den Lesern als besondere Leckerbissen gepriesen. Und der kindisch eitle Mann glaubte nun, auf jedem Gebiet spielend Meisterpreise erraffen zu können, und vergaß, daß seine Größe in dem Augenblick knallend zerplaten müsse, wo er aufhören würde, der berühmte Gerichtsredner zu sein. Er ließ sich gehen und sagte Jedem, ders hören wollte, er werde kreuzfidel sein, wenn ihm der Ehrenrath erst die Robe aberkannt hätte. Er war unter den Rechtsanwälten noch ein beliebter Clown, aber ein Bote aus einer anderen Welt. Er gehörte der niedrigsten Börsenschicht an, dem neuberlinischen Milieu, das von der kleinen Spekulation und den kleinen Theatern begrenzt ist. So nur ist er zu erklären, ist sein tiefer Fall zu begreifen. Ein Rechtsanwalt, der die intimsten Geheimnisse der Klienten verhöfert, wäre eine schreckende Kolportagegestalt; einen Spekulanten, der, wenn ihm das Wasser bis an den Hals steigt, alles Erreichbare rasch noch zu Geld macht, wird Niemand in starrem Entsetzen bestaunen.

Der Bürgergott, dessen rächendes Strafgericht nun beginnen soll, scheint es mit dem Adel doch immer noch gut zu meinen: er hat neben den deklassirten Junker, den ein Rest alter Standesvorurtheile in der neuen Kaste nicht heimisch werden ließ, den schmächtigen Mann auf die Anklagebank gesetzt, der für eine schmale bourgeoise Schicht deshalb typisch ist, weil er wähnte, er könne die Geldmoral der Großen mitmachen, während er doch nur ihr gemietheter Kuli war. Und da selbst ein Bürgergott wohl weise ist und weiter sieht als ein armer Holzpapierschächer, wird er mild lächelnd gewiß auf das laute Markttreiben herniederblicken und mit himmlischer Sanftmuth sogar die Kanaillen umfangen, die sich jetzt so laut freuen, weil sie nicht erwischt worden sind.

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Heilige Bücher.

er im letzten Menschenalter üblich gewordene Ausdruck „historische Theo= logie" ist nach meinem Gefühl von sehr weittragender Bedeutung. Er sagt aus, daß die Theologie nicht mehr blos als ein System fertiger Dogmen, an denen die Berufstheologen ihr Wohlgefallen finden, zu betrachten ist, son= dern als Geschichte, als das ununterbrochene Wachsthum menschlichen Denkens, das in allen bewohnten Theilen der Erde und in allen Perioden der geschichtlichen Entwickelung in seinen mannichfaltigen Aeußerungen erforscht werden muß. Von diesem Gesichtspunkte aus kann ich mich vielleicht selbst einen Theologen zu nennen wagen; denn wenn ich auf die fünfzig Jahre zurückschaue, in denen mir auf dem Gebiete der alten Literatur zu arbeiten verstattet war, so finde ich, daß alle meine Arbeiten entweder direkt oder indirekt den Zweck gehabt haben, die Geschichte der Theologie aufzuhellen und dazu beizutragen, eine genauere und quellenmäßigere Kenntniß der Aeußerungen der menschlischen Vorstellungen · vom Unendlichen und Göttlichen in den alten Religionen der Welt auszubreiten. Das Wort „historisch" kann sehr verschiedene Bedeutungen haben. Gewöhn lich bedeutet es wahr oder quellenmäßig, so z. B., wenn wir von geschicht= lichen Quellen sprechen. Wenn wir aber von historischer Theologie reden, so bezeichnet der Ausdruck nicht sowohl das Studium der positiven, fertigen und gesicherten Dogmen als vielmehr einen Bericht über die Geschichte, d. H. den Ursprung, die Entstehungbedingungen und die fortschreitende Entwickelung jedes Dogmas. Die wahre Geschichte ist niemals eine Aufzählung von nackten Thatsachen, sondern ein Versuch, über die Thatsachen dadurch Rechenschaft abzulegen, daß man die Ursachen der Ereignisse aufspürt, den Einfluß früherer Stufen auf spätere verfolgt, die ununterbrochene Kette, welche die verstreuten Glieder zusammenhält, ans Licht bringt und schließlich einen Zweck ermittelt, der sich durch die verschiedenen Zeitalter der Welt hindurchzieht. Genau so ist es mit der historischen Theologie. Ihr höchstes Ziel ist nicht eine bloße Aufzählung von Dogmen oder Glaubensartikeln, sondern der Versuch, an die Wurzel jedes Dogmas zu gelangen, seine Entstehungbedingungen zu entdecken und die Umstände zu verstehen, unter denen ein kleiner und fast unsichtbarer Keim hervorbricht und ein Baum wird, schließlich vielleicht ein Riese unter den Bäumen des Waldes.

Aber wie sollen wir die Hauptreligionen der Welt in ihrer Entstehungform oder, wenn man so sagen kann, in ihrem noch formlosen Zustande studiren? Die natürliche Antwort darauf wäre wohl, daß die historische Theologie die

geschichtlichen Denkmäler jeder Religion, oder mindestens jeder Religion, die solche Denkmäler in Gestalt Heiliger Bücher hat, zu studiren habe. Das wird wohl Niemand bestreiten, so weit es auch führt, und aus diesem Grunde habe ich einst einige Freunde und Fachgenossen dazu eingeladen, mir bei der Herausgabe einer englischen Uebersehung der „Heiligen Bücher des Orients“ ihren Beistand zu leihen.,,Des Orients" hätte ich eben so gut weglassen können, denn nur im Orient giebt es ja Heilige Bücher. Daß ein Studium dieser Heiligen Bücher die erste Vorbedingung für ein historisches Studium der Theologie sein muß, ist selbstverständlich. Aber setzen sie uns denn in Stand, die wirkliche Geschichte, die Ursprünge, die verborgenen Wurzeln, die entlege= nen Denkschichten, aus denen die Saugwurzeln jeder Religion entspringen oder durch die sie sich durchzudrängen haben, bis sie auf geschichtlichem Boden auftauchen, zu studiren? Ich bezweifle es und es ist nicht wahrscheinlich, daß ich den Werth von Büchern unterschätze, denen ich selbst den größten Theil meines Lebens gewidmet habe. Und doch ist es ganz leicht, einzusehen, warum die Heiligen Bücher der Hauptreligionen der Welt uns so oft täuschen und uns so wenig oder gar nichts über die wirklichen Entstehungbedingungen oder über die Geburt einer neuen Religion berichten. Heilige Bücher stellen immer nur ein sekundäres Wachsthum dar. Es ist kaum ein Bedürfniß nach ihnen vorhanden, so lange eine Religion noch nicht eine dauernde Form angenommen hat; sie werden selten für die erste Jüngergeneration geschrieben, sondern erst für die zweite und dritte, wenn die persönlichen Erinnerungen dünn gefäet und schwach geworden sind. und die mündliche Ueberlieferung nicht mehr genügt, um die Mütter in den Stand zu setzen, ihre Kinder zu lehren, was sie zu glauben und was sie nicht zu glauben haben. Es mag seltsam erscheinen, aber es ist trotzdem eine Thatsache, daß keiner der Gründer der großen historischen Religionen der Welt es für nöthig befunden hat, ein Buch oder auch nur eine einzige Zeile zu schreiben, auf denen seine Religion ruhen sollte oder von denen sich ihre Jünger leiten lassen konnten. In unseren Tagen, wo Buch und Religion fast gleichbedeutend sind, mag Das unglaublich erscheinen. Trotzdem bleibt die Thatsache bestehen, und wenn wir uns den Fall sorgfältiger und vom rein geschichtlichen Gesichtspunkt aus betrachten, so werden wir sehen, daß es kaum anders sein konnte.

Es giebt drei Arten von Religionen, die wir ethnische, nationale und individuelle nennen. Die erste Art umfaßt Religionen, die entstanden sind, ehe die Familien oder Stämme, die an sie glauben, zu Völkern zusammengewachsen waren und das Gefühl der Einheit und gemeinsamen Verantwortlichkeit bekommen hatten, das z. B. die Griechen und Römer von den frühesten Zeiten, in denen wir Etwas von ihnen und von ihrer Religion wissen, zusammenhält. Zu dieser Art gehören die Religionen der uncivilisirten

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