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Die Freiheit, die das Heiligthum gewährt,
Ist wie der leßte, lichte Lebensblick.
Des schwer Erkrankten, Todesbote. Noch
Kann ich es mir und darf es mir nicht sagen,
Daß ihr verloren seyd! Wie könnt' ich euch
Mit mörderischer Hand dem Tode weihen?
Und Niemand, wer es sey, darf euer Haupt,
So lang' ich Priesterin Dianens bin,
Berühren. Doch verweigr' ich jene Pflicht,
Wie sie der aufgebrachte König fordert;
So wählt er eine meiner Jungfraun mir
Zur Folgerin, und ich vermag alsdann,
Mit heißem Wunsch allein euch beizustehen.
OwertherLandsmann! Selbst der leßteKnecht,
Der an den Herd der Vatergötter streifte,
It uns in fremdem Lande hoch willkommen:
Wie soll ich euch genug mit Freud' und Segen
Empfangen, die ihr mir das Bild der Helden,
Die ich von Eltern her verehren lernte,
Entgegen bringet und das innre Herz
Mit neuer schöner Hoffnung schmeichelnd labet!
Orest.

Verbirgst du deinen Namen, deine Herkunft
Mit klugem Vorsaß? oder darf ich wissen,
Wer mir, gleich einer Himmlischen, begegnet?
Iphigenie.

Du sollst mich kennen. Jego sag' mir an,
Was ich nur halb von deinem Bruder hörte,
Das Ende derer, die von Troja kehrend
Ein hartes unerwartetes Geschick
Auf ihrer Wohnung Schwelle stumm empfing.
Zwar ward ich jung an diesen Strand geführt;
Doch wohl erinnr' ich mich des scheuen Blicks,
Den ich mit Staunen und mit Bangigkeit
Auf jene Helden warf. Sie zogen aus,
Als hätte der Olymp sich aufgethan
Und die Gestalten der erlauchten Vorwelt
Zum Schrecken Ilions herabgesendet,
Und Agamemnon war vor allen herrlich!
Osage mir: Er fiel, sein Hans betretend,
Durch seiner Frauen und Aegisthens Tücke?
Orest.

Du sagst's!

Iphigenie.
[43.
Weh dir, unseliges Mycen!
So haben Tantals Enkel Fluch auf Fluch
Mit vollen wilden Händen ausgefåt!
Und gleich dem Unkraut, wüste Häupter schütz
telnd

Und tausendfält'gen Samen um sich streuend,
Den Kindeskindern nahverwandte Mörder
Zur ew'gen Wechselwuth erzeugt! Enthülle,
Was von der Rede deines Bruders schnell
Die Finsterniß des Schreckens mir verdeckte.
Wie ist des großen Stammes leßter Sohn,
Das holde Kind, bestimmt des Vaters Nächer
Dereinst zu seyn, wie ist Orest dem Tage
Des Bluts entgangen? Hat ein gleich Geschick
Mit des Avernus Neßen ihu umschlungen?
It er gerettet? Lebt er? Lebt Elektra?

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Sie leben.

Orest.

Iphigenie.

Goldne Sonne, leihe mir
5 Die schönsten Strahlen, lege fie zum Dauk
Vor Jovis Thron! denn ich bin arm und stumm.
Orest.

Bist du gastfreundlich diesem Königshause, Bist du mit nähern Banden ihm verbunden, 10 Wie deine schöne Freude mir verräth:

15

So båndige dein Herz und halt' es fest!
Denn unerträglich muß dem Fröhlichen
Ein jäher Rückfall in die Schmerzen seyn.
Du weißt nur, merk' ich, Agamemnons Ted.
Iphigenie.

Hab' ich an dieser Nachricht nicht genug?
Orest.

Du hast des Gråuels Hälfte nur erfahren.
Iphigenie.

20
Und fürchtest du für Klytemnestren nichte?
Iphigenie.

Was fürcht' ich noch? Orest, Elektra leben.
Orest

25

30

35

Sie rettet weder Hoffnung, weder Furcht.
Orest.
Auch schied sie aus dem Land der Hoffnung ab.
Iphigenie.

Vergoß fie reuig wüthend selbst ihr Blut?

Orest.
Nein, doch ihr eigen Blut gab ihr den Tod.
Iphigenie.

Sprich deutlicher, daß ich nicht länger sinne.
Die Ungewißheit schlägt mir tausendfältig
Die dunkeln Schwingen um das bange Haupt.
Orest.

So haben mich die Götter ausersehn
Zum Boten einer That, die ich so gern
Ins Flanglos-dumpfe Höllenreich der Nacht
Verbergen möchte? Wider meinen Willen
40 Zwingt mich dein holder Mund; allein er darf
Auch etwas Schmerzlich's fodern und erhält's.
Am Tage, da der Vater fiel, verbarg
Elektra rettend ihren Bruder: Strophius,
Des Vaters Schwäher, nahm ihn willig auf,
45 Erzog ihn neben seinem eignen Sohne,
Der, Pylades genannt, die schönsten Bande
Der Freundschaft um den Angekommnen knüpfte,
Und wie sie wuchsen, wuchs in ihrer Seele
Die brennende Begier des Königs Lod
Zu råchen. Unversehen, fremd gekleidet,
Erreichen sie Mycen, als bråchten sie
Die Trauernachricht von Orestens Tode
Mit seiner Asche. Wohl empfänget fie
Die Königin; fie treten in das Haus.
Elektren gibt Orest sich zu erkennen;
Sie blås't der Nache Feuer in ihm auf,
Das vor der Mutter heil'ger Gegenwart
In sich zurückgebrannt war. Stille führt
Sie ihn zum Orte, wo sein Vater fiel,
Wo eine alte leichte Spur des frech

50

55

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38: Höhlenreich - G. Eeite 62, - flanglos-dunkle Mi niatur seg. 1846, . 42!

Vergoßnen Blutes oftgewaschnen Boden
Mit blasen ahndungsvollen Streifen fårbte.
Mit ihrer Feuerzunge schilderte

Sie jeden Umstand der verruchten That,
Ihr knechtisch elend durchgebrachtes Leben,
Den Uebermuth der glücklichen Verräther,
Und die Gefahren, die nun der Geschwister
Bon einer stiefgewordnen Mutter warteten.
Hier drang sie jenen alten Dolch ihm auf,
Der schon in Tantals Hause grimmig wüthete,
Und Klytemnestra fiel durch Sohnes Hand.
Iphigeuie.

Unsterbliche, die ihr den reinen Tag
Auf immer neuen Wolken selig lebet,
Habt ihr nur darum mich so manches Jahr
Bon Menschen abgesondert, mich so nah
Bei euch gehalten, mir die kindliche
Beschäftigung des heil'gen Feuers Gluth
Zu nähren, aufgetragen, meine Seele,
Der Flamme gleich, in ew'ger frommer Klarheit
Zu euern Wohnungen hinaufgezogen,
Daß ich nur meines Hauses Gråuel später
und tiefer fühlen sollte? Sage mir
Vom Unglücksel'gen! Sprich mir von Orest!
Orest.

✪ könnte man von seinem Tode sprechen!
Wie gährend stieg aus der Erschlagnen Blut
Der Mutter Geist

Und ruft der Nacht uralten Löchtern zu:

"

Last nicht den Muttermörder entfliehn!
Verfolgt den Verbrecher! Euch ist er geweiht!"
Sie horchen auf, es schaut ihr hohler Blick
Mit der Begier des Adlers um sich her.
Sie rühren sich in ihren schwarzen Höhlen,
Und aus den Winkeln schleichen ihre Gefährten;
Der Zweifel und die Neue, leis' herbei.
Vor ihnen steigt ein Dampf vom Acheron;
In seinen Wolkenkreisen wälzet sich
Die ewige Betrachtung des Gescheh'nen
Berwirrend um des Schuld’gen Haupt umher,
Und fie, berechtigt zum Verderben, treten
Der gottbeså'ten Erde schönen Boden,
Von dem ein alter Fluch sie längst verbannte.
Den Flüchtigen verfolgt ihr schneller Fuß;
Sie geben nur um neu zu schrecken Nast.
Iphigenie.
Unseliger, du bist in gleichem Fall,
Und fühlst, was er, der arme Flüchtling leidet!
Orest.

Was sagst du mir? Was wähnst du gleichen Fall?
Iphigenie.
Dich drückt ein Brudermord wie jenen; mir
Vertraute dies dein jüngster Brüder schon.
Orest.

Ich kann nicht leiden, daß du große Seele
Mit einem falschen Wort betrogen werdest.
Ein lügenhaft Gewebe knüpf' ein Fremder
Dem Fremden, sinnreich und der List gewohnt,
Zur Falle vor die Füße; zwischen uns
Sey Wahrheit!

Ich bin Drest! und dieses schuld'ge Haupt
Senft nach der Grube sich und sucht den Tod;

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So steigst du denn, Erfüllung, schönste Tochter
Des größten Vaters, endlich zu mir nieder!
15 Wie ungeheuer steht dein Bild vor mir!
Kaum reicht mein Blick dir an die Hände, die
Mit Frucht und Segenskränzen angefüllt
Die Schäße des Olympus niederbringen.
Wie man den König an dem Uebermaß
20 DerGaben kennt: denn ihm muß wenig scheinen,
Was Tausenden schon Reichthum ist; so kennt
Man euch, ihr Götter, an gesparten, lang'
Und weise zubereiteten Geschenken.

25

30

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Denn ihr allein wißt, was uns frommen kann,
Und schaut der Zukunft ausgedehntes Reich,
Wenn jedes Abends Stern- und Nebelhülle
Die Aussicht uns verdeckt. Gelassen hört
Ihr unser Flehn, das um Beschleunigung
Euch kindisch bittet; aber eure Hand
Bricht unreif nie die goldnen Himmelsfrüchte;
Und webe dem, der ungeduldig fie
Ertroßend saure Speise sich zum Tod'
Genießt. O laßt das langʻ erwartete,
Noch kaum gedachte Glück nicht, wie den
Schatten
Des abgeschiednen Freundes, eitel mir
Und dreifach schmerzlicher vorübergehn!
Orest (tritt wieder zu ihr.)

Rufft du die Götter an für dich und Pylades,
40 So nenne meinen Namen nicht mit eurem.
Du rettest den Verbrecher nicht, zu dem
Du dich gesellst. und theilest Fluch nnd Noth.
Iphigenie.

45

50

Mein Schicksal ist an deines fest gebunden.
Orest.

Mit nichten! Laß allein und unbegleitet
Mich zu den Todten gehn. Verhülltest du
In deinen Schleier selbst den Schuldigen;
Du birgt ihn nicht vorm Blick der Immer-
wachen
Und deine Gegenwart, du Himmlische,
Drångt sie nur seitwårts und verscheucht sie
nicht.

Sie dürfen mit den ehrnen frechen Füßen
55 Des heil'gen Waldes Boden nicht betreten ;
Doch hör" ich aus der Ferne hier und da
Ihr gråßliches Gelächter. Wölfe harren
So um den Baum, auf den ein Reisender
Sich rettete. Da draußen ruhen fie
Gelagert; und verlaff' ich diesen Hain,

60

39: (Trimeter) -56: hie und da - Min.-Ausg. 1846. S. 47.

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Iphigenie.

Sie geben dir zu neuer Hoffnung Licht.

Orest.
Durch Rauch und Qualm seh' ich den matten
Echein

Des Todtenflusses mir zur Hölle leuchten.
Iphigenie.
Hast du Elektren, Eine Schwester nur?
Orest.

Die Eine kannt' ich; doch die ältste nahm
Ihr gut Geschick, das uns so schrecklich schien,
Bei Zeiten aus dem Elend unsers Hauses.
O laß dein Fragen, und geselle dich
Nicht auch zu den Grinnyen; fie blasen
Mir schadenfroh die Afche von der Seele,
Und leiden nicht, daß sich die leßten Kohlen
Von unsers Hauses Schreckensbrande still
In mir verglimmen. Soll die Gluth denn ewig,
Vorfeßlich angefacht, mit Höllenschwefel
Genährt, mir auf der Seele marternd brennen?
Iphigenie.

Ich bringe süßes Rauchwerk in die Flamme.
Olaß den reinen Hauch der Liebe dir
Die Gluth des Busens leise wehend kühlen.
Orest,mein Theurer, kannst du nicht vernehmen?
Hat das Geleit, der Schreckensgötter so
Das Blut in deinen Adern aufgetrocknet?
Schleicht, wie vom Haupt der gråßlichen
Gorgone,
Versteinernd dir ein Zauber durch die Glieder?
Owenn vergoffnen Mutterblutes Stimme
Zur Höll' hinab mit dumpfen Tönen rust;
Soll nicht der reinen Schwester Segenswort
Hülfreiche Götter vom Olympus rufen?
Orest.

Es ruft! es ruft! So willst du mein Verderben?
Verbirgt in dir sich eine Nachegöttin?
Wer bist du, deren Stimme mir entseßlich
Das Innerste in seinen Tiefen wendet?
Iphigenie.

Es zeigt sich dir im tiefsten Herzen an:
Drest, ich bins! Sieh Iphigenien!
Ich lebe!

Du!

Orest.

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5

Ein unauslöschlich Feuer von mir fort.
Laß mich! Wie Herkules will ich Unwürd’ger
Den Tod voll Schmach, in mich verschloffen,
sterben.
Iphigenie.

Du wirst nicht untergehn! O daß ich nur
Ein ruhig Wort von dir vernehmen könnte!
O löse meine Zweifel, laß des Glückes,
Des lang' erflehten, mich auch sicher werden.
10 Es wälzet sich ein Nad von Freud' und Schmerz
Durch meine Seele. Von dem fremden Manne
Entfernet mich ein Schauer; doch es reißt
Mein Innerstes gewaltig mich zum Bruder.
Orest.

15 Ist hier Lyåens Tempel? und ergreift Unbändig-heil'ge Wuth die Priesterin? Iphigenie.

O höre mich! O sieh mich an, wie mir Nach einer langen Zeit das Herz fich öffnet, 20 Der Seligkeit, dem Liebsten, was die Welt Noch für mich tragen kann, das Haupt zu küssen, Mit meinen Armen, die den leeren Winden Nur ausgebreitet waren, dich zu fassen! O laß mich! Laß mich! Denn es quillet heller 25 Nicht vom Parnaß die ew'ge Quelle sprudelnd Von Fels zu Fels in's goldne Thal hinab, Wie Freude mir vom Herzen wallend fließt, Und wie ein felig Meer mich rings umfångt. Orest! Orest! Mein Bruder!

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Orest.

Schöne Nymphe, Ich traue dir und deinem Schmeicheln nicht. Diana fordert strenge Dienerinnen Und råchet das entweihte Heiligthum. Entferne deinen Arm von meiner Brust! Und wenn du einen Jüngling rettend lieben, Das schöne Glück ihm zärtlich bieten willst; So wende meinem Freunde dein Gemüth, Dem würd’gern Manne zu. Er irrt umher Auf jenem Felsenpfade; such' ihn auf, Weis' ihn zurecht und schone meiner. Iphigenie.

Fasse Dich, Bruder, und erkenne die Gefund’ne ! 45 Schilt einer Schwester reine Himmelsfreude Nicht unbesonnene, strafbare Lust. O nehmt den Wahn ihm von dem starren Auge, Daß uns der Augenblick der höchsten Freude Nicht dreifach elend mache! Sie ist hier, 50 Die längst verlorne Schwester. Vom Altar Riß mich die Göttin weg und rettete Hierher mich in ihr eigen Heiligthum. Gefangen bist du, dargestellt zum Opfer, Und findest in der Priesterin die Schwester. Orest. Unselige! So mag die Sonne denn Die leßten Gråuel unsers Hauses sehn! Ist nicht Elektra hier? damit auch sie Mit uns zu Grunde gehe, nicht ihr Leben 60 zu schwererem Geschick und Leiden friste. Gut, Priesterin! ich folge zum Altar: Der Brudermord ist hergebrachte Sitte

55

Des alten Stammes; und ich danke, Gitter, Und den Umbergetriebnen reichet er Daß ihr mich ohne Kinder auszurotten Aus ihren Tiefen Rath und Hülfe. Mich Beschlossen habt. Und laß dir rathen, habe Niß er vom Bruder los; den ftaunt' ich an Die Sonne nicht zu lieb und nicht die Sterne; Und immer wieder an, und konnte mir Komm, folge mir in's dunkle Neich hinab! 5 Das Glück nicht eigen machen, ließ ihn nicht Wie sich vom Schwefelpfuhl erzeugte Drachen Aus meinen Armen los, und fühlte nicht Bekämpfend die verwandte Brut verschlingen, Die Nähe der Gefahr die uns umgibt. Zerstört sich selbst das wüthende Geschlecht; Jezt gehn sie ihren Anschlag auszuführen Komm kinderlos und schuldlos mit hinab! Der See zu, wo das Schiff mit den Gefährten Du siehst mich mit Erbarmen an? Laß ab! 10 In einer Bucht versteckt auf's Zeichen lauert, Mit folchen Blicken suchte Klytåmnestra Und haben kluges Wort mir in den Mund Sich einen Weg nach ihres Sohnes Herzen; Gegeben, mich gelehrt was ich dem König' Doch sein geschwung'ner Arm traf ihre Brust. Antworte, wenn er sendet und das Opfer Die Mutter fiel!-Tritt auf, unwill'ger Geift! Mir dringender gebietet. Ach! ich sehe wohl, Im Kreis geschloffen tretet an, ihr Furien, 15 Ich muß mich leiten laffen wie ein Kind. Und wohnet dem willkommnen Schauspiel bei, Ich habe nicht gelernt zu hinterhalten, Dem lesten, gräßlichsten, das ihr bereitet! Noch Jemand etwas abzulisten. Weh! Nicht Haß und Rache schärfen ihren Dolch! O weh der Lüge! Sie befreiet nicht, Die liebevolle Schwester wird zur That Wie jedes andre wahrgesprochne Wort, Gezwungen. Weine nicht! Du hast nicht Schuld.20 Die Brust; sie macht uns nicht getrost, sie ångstet Seit meinen ersten Jahren hab' ich nichts Den der sie heimlich schmiedet, und sie kehrt, Geliebt wie ich dich lieben könnte, Schwester. Ein losgedrückter Pfeil, von einem Gotte Ja, schwinge deinen Stahl, verschone nicht, Gewendet und versagend, sich zurück Zerreiße diesen Busen, und eröffne Und trifft den Schüßen. Sorg' auf Sorge Den Strömen, die hier fiéden, einen Weg! schwankt (Er sinkt in Ermattung.) Mir durch die Brust. Es greift die Furie Iphigenie. Vielleicht den Bruder auf dem Boden wieder Des ungeweihten Ufers grimmig an. Entdeckt man sie vielleicht? Mich dünkt, ich höre 80 Gewaffnete sich nahen!— Hier!-Der Bote Kommt von dem Könige mit schnellem Schritt. Es schlägt mein Herz, es treibt sich meineSeele, Da ich des Mannes Angesicht erblicke, Dem ich mit falschem Wort begegnen soll. [3weiter Auftritt. Arkas, der zur Beschleuni durch den schuldbefleckten Fremden das Heiligthum gung des Opfers mahnt, erhält die Kunde, daß entweihet sei und das Bild der Göttin gebabet werden müsse. Er regt nochmals des Königs Wunsch an und läßk vermuthen, daß der König von dem Opfer abstehen werde, wenn Iphigenie ihm die Hand reiche, Allein gelassen sinnt fie (im 3. Auftr.) über ihre Stellung nach; es fällt ihr schwer aufs Herz, daß sie auch hier Menschen 45 verlasse und der Betrug wird ihr doppelt verhaßt.]

Allein zu tragen dieses Glück und Elend
Vermag ich nicht. — Wo bist du, Pylades?
Wo find' ich deine Hülfe, theurer Mann?

(Sie entfernt sich suchend.)

25

[3 weiter Auftritt. Dreft, aus seiner Betäubnng
erwachend, wähnt sich in vas Schattenreich ver.
sezt und sieht friedlich-versöhnt die Reihe seiner35,
Ahnen vorüberziehn. Im dritten Auftritt brin
gen ihn Iphigenie und Pylades wieder zu sich, und
er fühlt die Gumeniden zum Tartarus hinabziehn.]

Vierter Aufzug. Erfter Auftritt.
(Werke 1828. 9, 62 ff. Schriften 1790, 3, 83 ff.)
Iphigenie.

Denken die Himmlischen

Einem der Erdgebornen

Biele Verwirrungen zu,
Und bereiten sie ihm
Von der Freude zu Schmerzen
Und von Schmerzen zur Freude
Lief-erschütternden Uebergang;
Dann erziehen sie ihm
In der Nähe der Stadt,
Oder am fernen Gestade,
Daß in Stunden der Noth
Auch die Hülfe bereit sey,
Ginen ruhigen Freund.

fegnet, Götter, unfern Pylades
Und was er immer unternehmen mag!
Er ist der Arm des Jünglings in der Schlacht,
Des Greises leuchtend Aug' in der Versamm
lung:

Denn seine Seel' ist stille; sie bewahr❜t
Der Ruhe heil'ges unerschöpftes Gut,

40

50

Vierter Aufzug. Vierter Auftritt.
(Werke. 1828. 9, 69 ff. Schriften 1790. 3, 93 ff.)
Iphigenie. Pylades.
Pylades.
Wo ist sie? daß ich ihr mit schnellen Worten
Die frohe Botschaft unsrer Rettung bringe!
Iphigenie.

Du siehst mich hier voll Sorgen und Erwartung 55 Des sichern Trostes, den du mir versprichst. Pylades.

60

Dein Bruder ist geheilt! Den Felsenboden
Des ungeweihten Ufers und den Sand
Betraten wir mit fröhlichen Gesprächen;
Der Hain blieb hinter uns, wir merkten's nicht.

32: es trübt sich meine Seele, 1790. S. 85

Und herrlicher und immer herrlicher
Umloderte der Jugend schöne Flamme
Sein lockig Haupt; sein volles Auge glühte
Von Muth und Hoffnung, und sein freies Herz
Ergab sich ganz der Freude, ganz der Luft,
Dich seine Retterin und mich zu retten.
Iphigenie.

Gesegnet seyft du, und es måge nte
Von deiner Lippe, die so Gutes sprach,
Der Ton des Leidens und der Klage tónen!

Pylades.

10

Der mit Vernunft und Erast von mir verlangte,
Was ihm mein Herz als Necht gestehen mußte.
Pylades.

Gefährlicher zieht sich's zusammen; doch auch so
5 Laß uns nicht zagen, oder unbesonnen
Und übereilt uns selbst verrathen. Ruhig
Erwarte du die Wiederkunft des Boten
Und dann steh fest, er bringe was er will;
Denn solcher Weihung Fever anzuordnen
Gehört oer Priesterin und nicht dem König.
Und fordert er den fremden Mann zu sehn,
Der von dem Wahnsinn schwer belastet ist;
So lehn' es ab, als hieltest du uns beide
Im Tempel wohl verwahrt. So schaff' uns Luft
15 Daß wir auf's eiligste, den heil'gen Schaz
Dem rauh unwürd'gen Volk entwendend,
fliehn.

20

Ich bringe mehr als das: denn schön begleitet,
Gleich einem Fürsten, pflegt dasGlück zu nah'n.
Auch die Gefährten haben wir gefunden.
In einer Felsenbucht verbargen sie
Das Schiff und saßen traurig und erwartend.
Sie sahen deinen Bruder und es regten
Sich alle jauchzend, und fie baten dringend
Der Abfahrt Stunde zu beschleunigen.
Es sehnet jede Fauft sich nach dem Nuder,
Und selbst ein Wind erhob vom Lande lispelnd,
Von allen gleich bemerkt, die holden Schwingen.
Drum laß uns eilen, führe mich zum Tempel,
Laß mich das Heiligthum betreten, laß
Mich unsrer Wünsche Ziel verehrend fassen.
Ich bin allein genug, der Göttin Bild
Auf wohlgeübten Schultern wegzutragen:
Wie sehn' ich mich nach der erwünschten Last;
(Er geht gegen den Tempel unter den legten Wor.
ten, ohne zu bemerken, daß Iphigenie nicht folgt; 30
endlich kehrt er sich um.)

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Sage mir schweigst!

- du

Du scheinst verworren! Widerseßet sich
Ein neues Unheil unserm Glück! Sag' an!
Hast du dem Könige das kluge Wort
Bermelden lassen, das wir abgeredet?

Iphigenie.

Ich habe, theurer Mann; doch wirst du schelten.
Ein schweigender Verweis war mir dein Anblick.
Des Königs Bote kam: und wie du es
Mir in den Mund gelegt, so sagt, ich's ihm.
Er schien zu staunen und verlangte dringend
Die selt'ne Feyer erst dem Könige
Zu melden, seinen Willen zu vernehmen;
Und nun erwart' ich seine Wiederkehr.

Pylades.

Weh' uns! Erneuert schwebt nun die Gefahr
Um unsre Schläfe! Warum hast du nicht
In's Priesterrecht dich weislich eingehüllt?
Iphigenie.

Als eine Hülle hab' ich's nie gebraucht.

Pylades.

So wirst du, reine Seele, dich und uns

25

35

Die besten Zeichen sendet uns Apoll,
Und, eh' wir die Bedingung fromm erfüllen,
Erfüllt er göttlich sein Versprechen schon.
Orest ist frei, geheilt!—Mit dem Befreiten
O führet uns hinüber, günst’ge Winde,
Zur Felsen-Insel die der Gott bewohnt ;
Dann nach Mycen, daß es lebendig werde,
Daß von der Asche des verlosch'nen Herdes.
Die Vatergötter fröhlich sich erheben,
Und schönes Feuer ihre Wohnungen
Umleuchte! Deine Hand soll ihnen Weihrauch
Zuerst aus goldnen Schalen streuen. Du
Bringst über jene Schwelle Heil und Leben
wieder,
Entsühnst den Fluch und schmückest neu die
Deinen

Mit frischen Lebensblüthen herrlich aus.
Iphigenie.
Bernehm' ich dich, so wendet sich, o Theurer,
Wie fich die Blume nach der Sonne wendet,
Die Seele, von dem Strahle deiner Worte
Getroffen, fich dem füßen Troste nach.
Wie köstlich ist des gegenwärt’gen Freundes
Gewisse Rede, deren Himmelskraft
Ein Einsamer entbehrt und still versinkt.
Denn langsam reift, verfchloffen in dem Busen,
Gedank' ihm und Entschluß; die Gegenwart
45 Des Liebenden entwickelte sie leicht.
Pylades.

40

50

Leb' wohl! Die Freunde will ich nun geschwind
Beruhigen, die sehnlich wartend harren.
Dann komm' ich schnell zurück und lausche hier
Im Felsenbusch versteckt auf deinen Wink
Was finnest du? Auf einmal überschwebt
Ein stiller Trauerzug die freie Stirne.

Iphigenie.

Verzeih! Wie leichte Wolken vor der Sonne, Zu Grunde richten. Warum dacht' ich nicht 55 So zieht mir vor der Seele leichte Sorge Auf diesen Fall voraus, und lehrte dich Auch dieser Ford’rung auszuweichen!

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Nur mich, die Schuld ist mein, ich fühl' es wohl ; 60 Ein enges Bündniß; beide find Gesellen. Doch konnt' ich anders nicht dem Mann beź gegnen,

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