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Zeit einerley Bibelstelle uns verschiedene belehrende Seiten darbietet, und sich uns in verschiedenem Lichte verklärt. Um der völligern Viel sinnigkeit willen mußte die Hebräische Sprache das Werkzeug der göttlichen Mittheilung werden; indem nämlich in ihr und den Schwe stersprachen des Morgenlandes ein Bau der Wörter und der Rede, ja selber der Schrift obwaltet, dessen sinnreiches Wesen schon voll natürlicher Geheimnisse ist. Es ist dieses im Orient eine bekannte, alltägliche Sache; gleichwie Jedermann weiß, daß gewisse abendlän: dische Sprachen durch ein glattes Verschlingen der Buchstaben zum mündlichen Wortspiel besonders geschickt sind. Um jener tiefern Viels finnigkeit willen, und damit geistliche Begriffe sich in ihr ausdrücken ließen, mußte auch die finnliche Sprache Griechenlands für die Schriften des neuen Bundes, dessen Stimme an die Völker erging, der alten Muttersprache der Offenbarung Israels sich verähnlichen. Das Hebräischgriechische des Neuen Testaments, durch die Alexandriner vorbereitet, ist nur menschlich betrachtet fehlerhaft; in fich ist es ein eignes Idiom, die Sprache der neuen Gemeine. Ob aber auch noch so mannigfach der Verstand jeder Schriftstelle wäre: so bleibt doch ein bindendes Mittel, ohne welches überhaupt kein Verstand von der Schrift möglich ist, nämlich der Glaube, dessen Grundlehren, so hoch sie seyn mögen, mit Einfalt und Gewißheit in ihr ausgesprochen find. Es ist nur Ein Gott, der dreyeinige. Es ist nur Ein Vater, der Vater Jesu Chrifti; es ist Ein Mittler, der Gottmensch, der mit den Vätern war, ehe er ins Fleisch kam, und in dessen ganzer Offenbarung von Anfang her sich sein Wesen gottmenschlich spiegelt; es ist Ein Geist, derselbe von Anfang bis ans Ende, mit unzähligen Gaben und Kräften, mit vielfältigen Lichtfarben seiner Herrlichkeit. Natur, Sinnlichkeit, Fleisch, Gesez, Recht und Rache, Form und Gewalt, in ihnen steht die Zucht des alten Bundes, mit nur durch: scheinender Geistlichkeit, dem, Erbtheil weniger Auserwählten; mit dem Auge der Erbarmung unter den Schrecken der Majestät; bis daß der Heiland käme, der ein übersinnliches Leben voll Gnade und Wahrheit offenbarte, die prophetische Hülle abthäte, der Menschheit ihren Water

wiese, den sie nur in Ihm hat, und sie wiederzugebären anfinge zu dem, was ihr zuvor in Bildern gezeigt war; ja sie verneuete durch feinen Tod und Verklärung zur Freyheit der Kinder Gottes, die da wären ein lebendiges Gefeß der Liebe, und ein Abglanz göttlicher Vollkommenheit. Es gibt endlich nur Ein Reich Gottes, verheissen in Abraham, gegründet in Mose, vorgebildet in Israel, verkündiget in den Propheten, gekommen in dem Herrn, ausgebreitet durch die Apostel, gelichtet vom Geifte der Weissagung, erfüllet in der Zukunft, sich mehrend und während in Ewigkeit. Solches ist der Grund wor; auf wir bauen, und erkennen also auch nur für Ein Ganzes das Buch der Bücher; gleichwie der Mensch nur Ein Mensch ist von der Kindheit bis zum reifen Alter, hat aber als Knabe schon mängs liche Zuchtmeister, die da wissen und sagen, was er erst als Mann vollkommen verstehen wird. Also verhält sich der alte zum neuen Bund, kindisch und knechtisch, fleischern und irdisch, nicht von Seis ten Gottes und seiner Boten, deren göttlich eingegebene Worte ein ewig theurer Schaß bleiben, und ein Evangelium sind in der Hoffnung; sondern auf Seiten des Menschen, den der Vater der Liebe wie einen Sohn zeucht, ihn wach macht mit der Furcht, ihn reinigt mit vielen Taufen, zeigt ihm daben durch milde Gaben seine Freunds lichkeit, gibt ihm Winke über den Adel seines Erbes, und reizt ihn so, daß er sich sehne, den Vater verstehen und lieben zu lernen, ja ihm hingebe sein ganzes Herz, damit er ein Wesen aus ihm mache, dessen Glück und Vortrefflichkeit über seine Vernunft ist. Gehorchen und genießen ist der Bund der Kindheit; entsagen und hoffen der andere. Jener dient und jauchzt in der Kraft des sinnlichen Lebens; dieser stirbt hinüber zur Vollendung im Geist. Jener verläugnet nur das Verbotene mit Lüfternheit; dieser freywillig die ganze sichtbare Welt. Jener ist außen lebendig; diefer inwendig Leben und Heil. Jener ist der Buchstabe, womit eine unbegreifliche Zusage sich ans nähert; dieser ist die Erfüllung im Licht. Jener ist das Räthsel, dieser die Auflösung. So ist denn nur Ein Glaube durch die ganze Bibel, dessen Uebereinstimmung und scheinbare Widersprüche zu deu;

ten, die hohe Aufgabe der Theologie ausmacht. Es handelt sich hier nicht vom Zerreiffen, das leicht ist; sondern vom Ausgleichen dessen, was gründlich Eins ist, laut des Buches, das wir nicht verwerfen können, ohne aufzuhören Christen zu seyn. Der alten Väter Gott ist auch der unfrige; wir selbst find Abrahams Kinder durch den Glauben; das alte Wort ist Geist und nicht Fleisch; es ist nur die Decke des Geistes über den Geist, und zwar vornehmlich da, wo es von Erlösung und Gnade handelt; wir können die alte Schrift so wenig wie die neue zur Lehre, zur Strafe, zum Trost, zur Weißheit und Gottseligkeit entbehren; kein Buchstabe von ihr wird vers gehen. Aber wenn das Reich Gottes erst in uns geoffenbaret ist und wir in ihm, so sind wir größer denn einer der Propheten war. Dieses Reich ging vom äußern Bild zur innern Wahrheit, und diese muß wieder von innen aus ins Aeußere vordringen, bis mit den Geistern auch die Leiber der Wesen in den Sieg der ewigen Klars heit verschlungen sind.

Wiewohl nun manche Uebersehung einer Schriftstelle neben der andern, als gleich glaubensmäßig und sprachmöglich, bestehen kann : so gibt es doch gewöhnlich Einen nähern buchstäblichen Sun, wel: chen wir bey dieser Arbeit nach dem Grundtext zu erreichen so oft beslissen gewesen sind, als nicht wichtigere Rücksichten uns von Aen. derungen abhielten. Es sind nämlich so viele Stellen der alten Ues bersetzung durch die Gewohnheit geheiligt, daß man ohne dringende Noth sie umzuschaffen für einen Eingriff in das Eigenthum der Ans dächtigen gehalten haben würde. Hier ist daher durch die Anmers hungen geholfen, und der genauere Ausdruck dahin verwiesen wors den. Doch konnten keine offenbare Unrichtigkeiten geschont werden; und überall hat man sich bestrebt, mit leiser Hand sowohl die gerins gern Mängel zu verbessern, als die Unverständlichkeit einer unbehol fenen Wortfügung ohne Abbruch des Alterthümlichen und in Eins klang mit dem Origınak aufzuhellen. In den Anmerkungen hat man ferner dem Leser einigen Ersaß für die Unbekanntschaft mit der Grund: sprache durch Anführung des Wörtlichen verschaffen wollen; sie er;

klären sodann den Zusammenhang, die Uebergänge, auch nothdürfs tig die historischen, geographischen und andere wissenschaftliche Ums stände, und enthalten zuweilen Winke für tiefere Forschung. Sie führen die wichtigsten Verschiedenheiten der Lesart an; wenn anders in Büchern, worüber der Herr so treu und weise gewacht hat, übers all von wichtigen Varianten die Rede seyn. kann. Diese Anmerkun: gen sollen im Ganzen nicht oberflächlich gebraucht, sondern ihre Mey, nung erwogen werden. Sie sollen nicht an sich für unfehlbar gel, ten, sondern zu eigener Untersuchung ermuntern. Doch ist in ihnen mehrentheils das Beste begriffen, was die Kirche an näherer Erfläs rung des Worts seither besessen hat. Denn dieses ist die rechte und wertheste Ueberlieferung: der Schriftverstand aus der Apostelzeit, von der fortwährenden Salbung des heiligen Geistes lebendig erhalten. Kein System, als das der Offenbarung selbst, welches das System aller Propheten, Weisen und Erleuchteten war und ewig bleiben wird, konnte diese Arbeit bestimmen. Es geht zunächst aus von dem, was in der Fülle der Zeit geschah, von dem für die Sünden der Welt gefreuzigten und für ihre Verneuerung in der Gerechtigkeit auferstandenen Sohne Gottes, und faßt so das Ganze der geistlichen Wissenschaft, Sichtbares, und Unsichtbares, Vorwelt und Nachwelt, und was irgend Namen, haben mag, unter diesen einzigen. Gesichts: punct, aus welchem alle Wahrheit und Weisheit leuchtet. Es ist keis nem Urtheil unterworfen, als dem. des Offenbarungsglaubens, der selber der Geist ist, der einzige rechtmäßige Ausleger feines Worts. Wer ihn habe, zeigt die Uebereinstimmung der Heiligen. Es fennt ferner keinen wesentlichen. Unterschied zwischen den Mitgliedern ver: schiedener Kirchen, sofern ihnen wahrer Glaube an den Weltheiland und seine Liebe eigen. ist. Es erkennt nur Eine allgemeine, zur Zeit sichtbar: unsichtbare Gemeine, die da wohnt, wo der Vater durch Christum angebetet wird in dem heiligen Geist..

Uebrigens da Luthers Verteutschung mit möglichst wenigen Verz änderungen gegeben werden sollte, so ist schon daraus die Ursache flar, warum nicht an jeder Stelle jedes Wort des Grundtertes mit

einerley Ausdruck überseht erscheint. Luther hat aber hierin richtig gehandelt, sofern er nicht erst die Teutsche Sprache nach dem Griechischen und Hebräischen umschaffen wollte. Die Wörter einer jeden Sprache dürfen und müssen an verschiedenen Stellen nach dem Zu: sammenhang verschieden übertragen werden, zumal die der orientali: schen; dennoch ist Luther hieben mit kluger Sparsamkeit zu Werk ge: gangen. Zweytens aber, gleichwie der Orientalismus mit einerley Wort viele Begriffe ausdrückt, so vermannigfacht auch - er selbst einers ley Gedanken mit verschiedenen Ausdrücken, nicht bloß im Paralle: lismus der Glieder, sondern auch an verschiedenen Stellen, bey Wie: derholungen, bey ähnlichen Reden und Erzählungen. Die Uebersez zungskunst soll daher nicht allzu ängstlich hierin verfahren. Diejenis gen aber, welchen die Sprachweise Luthers veraltet vorkommt, mögen bedenken, daß es demnach auch die des Originals und nicht weniger alle alte Lateinische und andre Versionen seyn würden, daß aber, indem die moderne Schreibart das Geheimnißvolle der Urschrift auss zudrücken ganz unfähig ist, und es in logische Bestandtheile zersplits tert, also auch die Kirchensprache überall dem Alterthum und dem Nichtgemeinen ihre Würde verdankt.

Es wird endlich nicht überflüssig seyn, Etwas aus der lehten Ankündigung des Drucks, welche einzeln mit einem Prospectus, von zwey Blättern ausgegeben worden ist, hier nochmals folgen zu las sen. Heute vor zehn Jahren hat der Herausgeber den Grund zu diesem Bibelwerk zu legen angefangen. Der Herr aber lege seinen Segen darauf, zur Erbauung Vieler im Geiste.

Frankfurt a. M. den 5. März 1818.

Johann Friedrich von Meyer.

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