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kann man daher einen gewissen Vorzug vor der Natur geben, wenn man nicht das ganze Menschenleben mit Kunst und Wissenschaft zum Naturleben rechnet, was doch nur in einem beschränkten Sinne seine Berechtigung hat, auf welchen wir später zurückkommen.

Was ist denn überhaupt unter dem Ausdruck Natur zu verstehen?

Die Antwort darauf wird verschieden ausfallen. Unter Natur versteht man zunächst die Gesamtheit der Wesen und der Erscheinungen, also die Welt, das Weltall mit allem, was sich in demselben bewegt. Ferner versteht man unter der Natur eines Dinges auch die ihm innewohnenden Gesetze seines Daseins, seines Entstehens, Werdens und Vergehens. Die dritte und höchste Auffassung der Natur aber bezieht sich auf die Art unserer Betrachtung derselben unter den uns innewohnenden, der Welt außer uns jedoch eigentlich fremden mathematischen Gesetzen. Diese sind unsere eigentliche Wissenschaft von der Natur.

Hier ist aber noch etwas anderes in Frage. Durch unseren inneren Sinn erhalten wir Vorstellungen von dem Leben unseres Geistes. Unsere äußeren Sinne übermitteln uns Vorstellungen von dem Leben anderer Geister, aber nur nach Analogie mit unserem eigenen Geist. Bis zu Descartes Zeit hat man aus Mangel an Abstraktion das körperliche Wesen der Dinge von dem geistigen nicht scharf zu unterscheiden gewußt. Erst Descartes gelang diese Trennung. Man erkannte, daß sich der Kreis der Erklärungen auf das erste beschränke. Das Wort Natur erhielt dadurch eine ganz andere Bedeutung. Gegenwärtig versteht man unter Natur (in formaler Bedeutung) die Abhängigkeit der Dinge von notwendigen Gesezen. Hier entstehen gleich neue Fragen:

1) Welches sind diese Dinge?

2) Was ist ihr Gesetz und woher stammt es?

3) Wie besteht die Abhängigkeit der Dinge von Gesehen?

Die Antwort auf die erste Frage ist bald gefunden. Da wir keine anderen Dinge kennen lernen als diejenigen, welche uns unsere Sinne zeigen, so ist es das Ganze der Sinnenwelt, welches unter notwendigen Gesezen steht. Dieses Ganze der Sinnenwelt unter notwendigen Gesehen ist die Natur in materieller Bedeutung. Um die beiden anderen Fragen zu beantworten, müssen wir erst die Natur und Beschaffenheit unserer Erkenntnis betrachten. Nur dadurch können wir übersehen, welche Aufgaben uns in derselben bestimmt sind und wie sie ge= gelöst werden können.

Das Wort Natur wird in zweierlei Bedeutung gebraucht, in formaler und

materialer.

1) Man spricht von der Natur eines Dinges und versteht darunter das innere Prinzip der Möglichkeit desselben. Jedes Ding hat eine bestimmte Natur, insofern sein Dasein und die Art seines Daseins durch allgemeine und notwendige Geseze bestimmt ist.

2) Spricht man aber auch von der ganzen Natur und versteht darunter das Ganze der Sinnenwelt. Dieses Ganze steht nämlich ebenso unter notwendigen Gesezen wie jeder einzelne Gegenstand in ihm. Darin liegt die Befugnis, den Begriff von diesem auf jenes zu übertragen.

Das Charakteristische im Begriff der Natur ist also die notwendige Gesezlichkeit und die Abhängigkeit der Dinge von ihr1).

1) Ernst Hallier, Kulturgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts in ihren Beziehungen zu der Entwickelung der Naturwissenschaften. Stuttgart (Ferd. Enke) 1889. S. 173. Darüber, daß die Gesetzgebung der Natur in der Formalität unserer Vernunft begründet ist, bitte ich den Leser, ebendaselbst auf den folgenden Seiten die Darstellung von E. F. Apelt nachzulejen.

Haben wir so auf wissenschaftlichem Wege das Wesen der Natur scharf charakterisiert, so wird es für unseren besonderen Zweck nicht minder wünschenswert sein, von dem ästhetischen Charakter der Natur uns eine umfassendere Ansicht zu bilden. In dieser Hinsicht folgen wir zunächst dem großen Meister Alexander v. Humboldt:

"

Die Natur ist für die denkende Betrachtung Einheit in der Vielheit, Verbindung des Mannigfaltigen in Form und Mischung, Inbegriff der Naturdinge und Naturkräfte als ein lebendiges Ganze. Das wichtigste Resultat des sinnigen physischen Forschers ist daher dieses: in der Mannigfaltigkeit die Einheit zu erkennen, von dem Individuellen alles zu umfassen, was die Entdeckungen der lezten Zeitalter uns darbieten, die Einzelheiten prüfend zu sondern und doch nicht ihrer Masse zu unterliegen; der erhabenen Bestimmung des Menschen eingedenk, den Geist der Natur zu ergreifen, welcher unter der Decke der Erscheinungen verhüllt liegt. Auf diesem Wege reicht unser Bestreben über die enge Grenze der Sinnenwelt hinaus, und so kann uns gelingen, die Natur begreifend, den rohen Stoff empirischer Anschauung gleichsam durch Ideen zu beherrschen.

Wenn wir zuvörderst über die verschiedenen Stufen des Genusses nachdenken, welchen der Anblick der Natur gewährt, so finden wir, daß die erste unabhängig von der Einsicht in das Wirken der Kräfte, ja fast unabhängig von dem eigentümlichen Charakter der Gegend ist, die uns umgiebt. Wo in der Ebene, einförmig, gesellige Pflanzen den Boden bedecken und auf grenzenloser Ferne das Auge ruht, wo des Meeres Wellen das Ufer sanft bespülen und durch Ulven und grünenden Seetang ihren Weg bezeichnen: überall durchdringt uns das Gefühl der freien Natur, ein dumpfes Ahnen ihres Bestehens nach inneren ewigen Gesezen'. In solchen Anregungen ruht eine geheimnisvolle Kraft; sie sind erheiternd und lindernd, stärken und erfrischen den ermüdeten Geist, besänftigen oft das Gemüt, wenn es schmerzlich in seinen Tiefen erschüttert oder vom wilden Drange der Leidenschaften bewegt ist. Was ihnen Ernstes und Feierliches beiwohnt, entspringt aus dem fast bewußtlosen Gefühl höherer Ordnung und innerer Gesezmäßigkeit der Natur; aus dem Eindruck ewig wiederkehrender Gebilde, wo in dem Besondersten des Organismus das Allgemeine sich spiegelt; aus dem Kontraste zwischen dem sittlich Unendlichen und der eigenen Beschränktheit, der wir zu entfliehen streben. In jedem Erdstrich, überall wo die wechselnden Gestalten des Tier- und Pflanzenlebens sich darbieten, auf jeder Stufe intellektueller Bildung sind dem Menschen diese Wohlthaten gewährt.

Ein anderer Naturgenuß, ebenfalls nur das Gefühl ansprechend, ist der, welchen wir, nicht dem bloßen Eintritt in das Freie (wie wir tief bedeutsam in unserer Sprache sagen), sondern dem individuellen Charakter einer Gegend, gleichsam der physiognomischen Gestaltung der Oberfläche unseres Planeten verdanken. Eindrücke solcher Art sind lebendiger, bestimmter, und deshalb für besondere Gemütszustände geeignet. Bald ergreift uns die Größe der Naturmassen im wilden Kampf der entzweiten Elemente, oder ein Bild des Unbeweglich-Starren, die Dede der unermeßlichen Grasfluren und Steppen, wie in dem gestaltlosen Flachlande der Neuen Welt und des nördlichen Asiens; bald fesselt uns, freund= lichen Bildern hingegeben, der Anblick der bebauten Flur, die erste Ansiedelung des Menschen, von schroffen Felsschichten umringt, am Rande des schäumenden Gießbachs. Denn es ist nicht sowohl die Stärke der Anregung, welche die Stufen des individuellen Naturgenusjes bezeichnet, als der bestimmte Kreis von Ideen und Gefühlen, die sie erzeugen und welchen sie Dauer verleihen.

Darf ich mich hier der eigenen Erinnerung großer Naturscenen überlassen, so gedenke ich des Oceans, wenn in der Milde tropischer Nächte das Himmelsgewölbe sein planetarisches, nicht funkelndes Sternenlicht über die sanftwogende

Hallier, Aesthetik der Natur.

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Wellenfläche ergießt; oder der Waldthäler der Kordilleren, wo mit kräftigem Triebe hohe Palmenstämme das düstere Laubdach durchbrechen und als Säulen= gänge hervorragen, ein Wald über dem Walde'; oder des Piks von Teneriffa, wenn horizontale Wolkenschichten den Aschenkegel von der unteren Erdfläche trennen, und plößlich durch eine Oeffnung, die der aufsteigende Luftstrom bildet, der Blick von dem Rande des Kraters sich auf die weinbekränzten Hügel von Crotava und die Hesperidengärten der Küste hinabsenkt. In diesen Scenen ist es nicht mehr das stille, schaffende Leben der Natur, ihr ruhiges Treiben und Wirken, die uns ansprechen; es ist der individuelle Charakter der Landschaft, ein Zusammenfließen der Umrisse von Wolken, Meer und Küsten im Morgenduste der Inseln; es ist die Schönheit der Pflanzenformen und ihrer Gruppierung. Denn das Ungemessene, ja selbst das Schreckliche in der Natur, alles was unsere · Fassungskraft übersteigt, wird in einer romantischen Gegend zur Quelle des Genusses. Die Phantasie übt dann das freie Spiel ihrer Schöpfungen an dem, was von den Sinnen nicht vollständig erreicht werden kann; ihr Wirken nimmt eine andere Richtung bei jedem Wechsel in der Gemütsstimmung des Beobachters. Getäuscht, glauben wir von der Außenwelt zu empfangen, was wir selbst in diese gelegt haben.

Wenn nach langer Seefahrt, fern von der Heimat, wir zum erstenmal ein Tropenland betreten, erfreut uns, an schroffen Felswänden, der Anblick derselben Gebirgsarten (des Thonschiefers oder des basaltartigen Mandelsteins), die wir auf europäischem Boden verließen und deren Allverbreitung zu beweisen scheint, es habe die alte Erdrinde sich unabhängig von dem äußeren Einfluß der jezigen Klimate gebildet; aber diese wohlbekannte Erdrinde ist mit den Gestalten einer fremdartigen Flora geschmückt. Da offenbart sich uns, den Bewohnern der nor= dischen Zone, von ungewohnten Pflanzenformen, von der überwältigenden Größe des tropischen Organismus und einer erotischen Natur umgeben, die wunderbar aneignende Kraft des menschlichen Gemütes. Wir fühlen uns so mit allem Organischen verwandt, daß, wenn es anfangs auch scheint, als müsse die heimische Landschaft, wie ein heimischer Volksdialekt, uns zutraulicher, und durch den Reiz einer eigentümlichen Natürlichkeit uns inniger anregen als jene fremde üppige Pflanzenfülle, wir uns doch bald in dem Palmenklima der heißen Zone ein= gebürgert glauben. Durch den geheimnisvollen Zusammenhang aller organischen Gestaltung (und unbewußt liegt in uns das Gefühl der Notwendigkeit dieses Zusammenhangs) erscheinen unserer Phantasie jene erotischen Formen wie erhöht und veredelt aus denen, die unsere Kindheit umgaben. So leiten dunkle Gefühle und die Verkettung sinnlicher Anschauungen, wie später die Thätigkeit der kombinierenden Vernunft, zu der Erkenntnis, welche alle Bildungsstufen der Menschheit durchdringt, daß ein gemeinsames, gesetzliches und darum ewiges Band die ganze lebendige Natur umschlinge.

Es ist ein gewagtes Unternehmen, den Zauber der Sinnenwelt einer Zergliederung seiner Elemente zu unterwerfen.“

Die dem Aequator nahe Gebirgsgegend hat einen anderen, nicht genugsam beachteten Vorzug: es ist der Teil der Oberfläche unseres Planeten, wo im engsten Raume die Mannigfaltigkeit der Natureindrücke ihr Marimum erreicht. In der tiefgefurchten Andeskette von Neu-Granada und Quito ist es dem Menschen gegeben, alle Gestalten der Pflanzen und alle Gestirne des Himmels gleichzeitig zu schauen. Ein Blick umfaßt Heliconien, hochgefiederte Palmen, Bambujen, und über diesen Formen der Tropenwelt: Eichenwälder, Mespilusarten und Toldengewächse, wie in unserer deutschen Heimat; ein Blick umfaßt das südliche Kreuz, die Magelhanischen Wolken und die leitenden Sterne des Bären, die um den Nordpol kreisen. Dort öffnen der Erde Schoß und beide Hemisphären des

Himmels den ganzen Reichtum ihrer Erscheinungen und verschiedenartigen Gebilde; dort sind die Klimate, wie die durch sie bestimmten Pflanzenzonen schichtenweise übereinander gelagert; dort die Geseze abnehmender Wärme, dem aufmerksamen Beobachter verständlich, mit ewigen Zügen in die Felsenwände der Andeskette, am Abhange des Gebirges, eingegraben."

,,Sind die tropischen Länder eindrucksreicher für das Gemüt durch Fülle und Ueppigkeit der Natur, so sind sie zugleich auch (und dieser Gesichtspunkt ist der wichtigste in dem Ideengange, den ich hier verfolge) vorzugsweise dazu geeignet, durch einförmige Regelmäßigkeit in den meteorologischen Prozessen des Luftkreises und in der periodischen Entwickelung des Organismus, durch scharfe Scheidung der Gestalten bei senkrechter Erhebung des Bodens, dem Geiste die gesetzmäßige Ordnung der Himmelsräume, wie abgespiegelt in dem Erdeleben, zu zeigen. Mögen wir einige Augenblicke bei diesem Bilde der Regelmäßigkeit, die selbst an Zahlenverhältnisse geknüpft ist, verweilen!

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In den heißen Ebenen, die sich wenig über die Meeresfläche der Südsee erheben, herrscht die Fülle der Pisang-Gewächse, der Cycadeen und Palmen; ihr folgen, von hohen Thalwänden beschattet, baumartige Farnkräuter und, in üppiger Naturkraft, von kühlem Wolkennebel unaufhörlich getränkt und erfrischt, die Cinchonen, welche die lange verkannte wohlthätige Fieberrinde geben. Wo der hohe Baumwuchs aufhört, blühen, gesellig aneinander gedrängt, Aralien, Thi= baudien und myrtenblättrige Andromeden. Einen purpurroten Gürtel bildet die Alpenrose der Kordilleren, die harzreiche Befaria. Dann verschwinden allmählich, in der stürmischen Region der Paramos, die höheren Gesträuche und die großblütigen Kräuter. Rispentragende Monocotyledonen bedecken einförmig den Boden: eine unabsehbare Grasflur, gelb leuchtend in der Ferne; hier weiden einsam das Kamel-Schaf und die von den Europäern eingeführten Rinder. Wo die nackten Felsklippen trachytartigen Gesteins sich aus der Rasendecke emporheben, da entwickeln sich, bei mangelnder Dammerde, nur noch Pflanzen niederer Organi= sation: die Schar der Flechten, welche der dünne, tohlenstoffarme Luftkreis dürftig

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