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Um wahrhaft frei und vernünftig zu sein, muss der Jugendunterricht sich über alle Wissensgebiete und alle Fragen verbreiten, für welche der Zögling Interesse hat. Und mit völliger Offenheit muss selbst über solche Angelegenheiten verhandel twerden, die der heutigen Pädagogik heikel gelten, z. B. über sexuelle Fragen. Unsere übliche Methode, dem forschenden Kindergeist Flausen vorzumachen oder die Antwort zu verweigern oder den wahren Sachverhalt zu vertuschen, ist ein unreines Mittel. Hierdurch wird jedenfalls der Zögling in sexueller Unwissenheit gehalten, und die ist um so gefährlicher, als die frühen Regungen der Pubertät das sexuelle Problem aktuell machen. *) Ferner bewirkt die Vertuschungsmethode, dass der Zögling misstrauisch gegen seine Erzieher wird und nunmehr auch seinerseits nicht mehr offen ist. Es kann ja kaum ausbleiben, dass der Mensch noch in unreifem Alter aus seiner Lektüre, aus dunklen Andeutungen Erwachsener und aus nachdenklichen Beobachtungen sich wenigstens ein halbes Bild von den wichtigsten Thatsachen des Geschlechtslebens bildet. Haben ihm nun die Eltern dummes Zeug vorgeredet, überhaupt gezeigt, dass sie etwas geheim halten wollen, und noch dazu Thatsachen, die ganz natürliche und reine sind, mit der bekannten, halb christlich asketischen halb lüsternen Verschämtheit in Verbindung gebracht,

nun so entzieht ihnen konsequenterweise das Kind sein Vertrauen, zumal in sexuellen Angelegenheiten, um desto mehr Vertrauen seinen Altersgenossen zu schenken. Zu welch rohen Darstellungen und lüsternen Phantastereien aber diese internen Verhandlungen **) der unreifen Jugend führen, wird wohl jeder Erwachsene aus eigener Erfahrung wissen. Auch dürfte er in seiner Erfahrung Material finden, welches zeigt, wie die grosse Verbreitung sexueller Verirrungen und Reizmittel, überhaupt

*) Das Unheil solcher Unwissenheit und überhaupt die ganze Misère unserer geschlechtlichen Erziehung behandelt mit bittrer Satire Fr. Wedekind in seiner Kindertragödie „Frühlings Erwachen" (Zürich 1892).

**) Lebenswahr, obwohl nicht mit dem ganzen Umfang ihrer unheilvollen Wirkungen, schildert sie Arne Garborg in seinem grossartigen Roman ,Bei Mama" (S. Fischers Verlag).

,,unreiner Mittel" zur geschlechtlichen Befriedigung, zusammenhängt mit dem Mangel an einer wahrhaftigen, ruhig ernsten sexuellen Pädagogik.*) Würden die Eltern das unumschränkte

*) Um die sexuelle Pädagogik, welche ich meinen Zöglingen (den Kindern der Freireligiösen Gemeinde zu Berlin) angedeihen liess, zu charakterisieren, zitiere ich mit einigen Änderungen ein Kapitel meines Lehrbuches für den Jugendunterricht freier Gemeinden, (Berlin 1892 bei Rubenow):

Fortpflanzung. Die lebenden Wesen haben (im Zustande der Gesundheit und Reife) die Fähigkeit (entweder allein oder im Verein mit einem andern gleichartigen Wesen), neue Wesen (Nachkommen) zu erzeugen. Die Ausübung dieser Fähigkeit nennt man Zeugung oder Fortpflanzung. Das Wort,,Fortpflanzung" leitet sich her von dem Worte „Pflanze“. In der That beruht die Fortpflanzung der Tiere und somit auch der Menschen auf ziemlich denselben Vorgängen, wie die der Pflanzen. Um uns die Fortpflanzung klar zu machen, lasst uns überlegen, woher beispielsweise der Apfelbaum stammt, der im Frühling so lieblich blüht und im Herbste so köstliche Früchte spendet. Dieser Baum war vor einer Reihe von Jahren ein kleines Reis, ein schwaches Pflänzchen, und dies Pflänzchen ist dem Apfelkern, der in die ernährende Erde geriet, entsprossen. Der Apfelkern aber stammt, als Teil eines Apfels, von einem anderen Apfelbaum. Wie aber hat dieser Baum den Apfel erzeugt? Ihr wisst, der Apfel entsteht aus der Blüte. Die Blüte enthält verschiedene Teile, (Kelch, Blumenblätter, Staubgefässe, Griffel), welche sämtlich (mehr oder minder) zur Zeugung der Frucht beigetragen. Die eigentliche Zeugung wird nun dadurch ausgeführt, dass der Blütenstaub von den Staubgefässen in den Griffel gerät. Hier bildet sich alsdann der erste Ansatz zur Frucht. Und diese Frucht wird grösser, weil sie, als Teil des Baumes, durch dessen Ernährungsorgane (Wurzeln und Blätter) eine Zufuhr von Stoffen erhält. Da hier zur Zeugung zwei verschiedene Teile (ein Paar), die sich mit einander verbinden, notwendig sind, und da auch zur Zeugung des Menschen ein Paar von verschiedenen (männlichem und weiblichem) Geschlecht gehört, so kann man an der Apfelblüte männliche und weibliche Geschlechtsteile unterscheiden. Es giebt aber auch Pflanzen, deren Blüten nicht beide Geschlechtsteile, sondern nur einen derselben besitzen; beispielsweise haben die Weide und die Dattelpalme teils Blüten, welche völlig männlich, teils solche, welche völlig weiblich sind Wenn nun der Blütenstaub der männlichen Dattelblüte in die weibliche Dattelblüte hineingelangt (was durch Wind, Insekten oder Menschenhand herbeigeführt werden kann), so entsteht in und aus der weiblichen Blüte die Dattelfrucht. In ähnlicher Weise entsteht durch die liebevolle Verbindung von Mann und Weib ein neuer Mensch, das Kind, im Körper des Weibes (der Mutter). So lange das Kind noch ein Teil der Mutter ist, lebt es ohne

Vertrauen ihrer Kinder besitzen, so wären sie im stande die ganze geschlechtliche Entwickelung des Kindes zu beaufsichtigen, zu beraten und zum Guten zu leiten. Wie lange noch wird sich die Masse der Erzieher dieser Einsicht und der entsprechenden Praxis verschliessen? So lange die Moral der Verhüllung am Ruder bleibt! Diese ewig keusche Verhüllung ist ein unreines Mittel, insofern sie die berührten Missstände erzeugt. Möchte nur etwas klassische Nacktheit, nur etwas altgriechische Naivetät und Ungeniertheit in unser Leben, auch in das öffentliche, übergehen! *)

Bewusstsein, gleich einer Pflanze, und wird dadurch ernährt und zum Wachsen gebracht, dass der Mutter Blut durch seine Adern fliesst. Nachdem sich das Kind etwa 9 Monate in diesem Zustande befunden hat, ist es so entwickelt, dass es sich von der Mutter trennen kann. Indem dies geschieht, empfindet die Mutter Schmerzen und gerät sogar oft in Todesgefahr. Ist das Kind geboren, so wird es anfangs durch die Milch der eigenen Mutter oder eines Tieres ernährt, bis es andere Speisen verträgt. Die Fortpflanzung des Menschen verdient, von euch Kindern, wie überhaupt von jedem, mit Ernst und Wahrheitsliebe betrachtet zu werden. Es ist sehr bedauerlich, dass man anderwärts eure Altersgenossen über diesen wichtigen Vorgang nicht aufklärt. Der Fortpflanzung brauchen wir uns fürwahr nicht zu schämen, denn sie ist etwas ganz Natürliches, entspringt aus dem edlen Gefühl der Liebe, beglückt Eltern und Geschwister und erhält die Menschheit. Wenn man euch hierüber nicht aufklären würde, kämt ihr leicht in Gefahr, euch allerlei dumme und rohe Vorstellungen zu machen. Es geziemt sich durchaus nicht, rohe Scherze zu machen über einen Vorgang, dem ihr euer Leben verdankt, der aus der Liebe eurer Eltern entsprang und eurer guten Mutter so viel Schmerzen bereitet hat. Wer diese Aufklärung ins Gemeine zieht, der ist noch ein unreifes, unerzogenes Kind. Stolz könnt ihr darauf sein, dass ihr die Wahrheit kennt, und ihr sollte andere Kinder, die euch gemeine Darstellungen geben, abweisen und über das wahre Wesen der Fortpflanzung, sowie den Ernst der Sache belehren.

*) Wenn man diesen Wunsch dadurch ad absurdum zu führen sucht, dass man auf die Päderastie der Griechen verweist, so erwidere ich: Wie die Forschungen Krafft-Ebings beweisen, ist die sexuelle Entartung vielfach angeboren und krankhaft. Der angeborene Sexualtrieb aber findet ebensoviel, wenn nicht gar noch mehr, Anreizung in der christlich-asketischen Verhüllung wie in der klassischen Nudität. Und was die erst erworbene sexuelle Entartung betrifft, so scheint sie mir hauptsächlich aus der Unterdrückung des normalen Geschlechtslebens und eher aus den Anreizungen der

Die Verkettung und Fortpflanzung des Bösen hat überhaupt, wie für alle Lebensgebiete, so auch für die Jugenderziehung eine hohe Bedeutung. Jedes Gebrechen der Gesellschaft, im sanitären, wirtschaftlichen, politischen, religiösen und moralischen Leben, hat im Erziehungswesen ein entsprechendes Gebrechen zur Folge. Beispielsweise wird ein Volk, welches von der „Obrigkeit“ „regiert", d. h. nicht durch Vernunftgründe, sondern durch Zwangsmittel bestimmt wird, solche Regierung auch auf die Jugend ausdehnen; wird es von der Knute beherrscht, so wird es auch den Kindern die Knute geben; wird von ihm unbedingte Unterwürfigkeit, Unterordnung des Individuums gefordert, so wird sein pädagogisches Ideal in peinlich „artigen", bei Leibe nicht eigensinnigen, vor allem,,gehorsamen" Unterthanen bestehen: *) lernt es im Kriege Menschen brutalisieren, so wird auch die junge Generation brutal; hat es Respekt vor einem „,strengen, eifrigen Gott", vor Himmel und Fegefeuer, so wird auch die Jugend sich hauptsächlich durch Strafen und Prämien bestimmen lassen; basiert es seine Sittlichkeit auf göttliche oder menschliche Autorität, nicht aber auf freie Neigung und vernünftige Überzeugung, so spielt auch in der sittlichen Entwickelung der Jugend das herrische, vernunftlose ,,Du sollst" die grösste Rolle . . . Fürwahr, die Sünden der Väter werden heimgesucht an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied durch die Logik der Thatsachen, der Weltgeschichte, die ja das,,Weltgericht" ist.

Verhüllung zu entspringen, als aus einer Nudität, die naiv und alltäglich ist. Übrigens ist es noch fraglich, ob man Recht hat, dem altgriechischen Geschlechtsleben eine grössere Entartung vorzuwerfen, als dem modernen. Man sollte doch bedenken, dass die Griechen ziemlich ungeniert das offenbarten, was heutzutage Moral und Strafrecht durch strengste Verpönung versteckt halten.

*) Denn die Regierungen und ihre Helfershelfer kalkulieren mit Luther: „Wo in Häusern Gehorsam nicht gehalten wird, wird man es nimmermehr dahin bringen, dass eine ganze Stadt, Land, Fürstentum oder Königreich wohl regieret werde; denn da ist das rechte Regiment, davon einen Ursprung haben alle anderen Regimente und Herrschaften. Wo nun die Wurzel nicht gut ist, da kann weder Stamm, noch gute Frucht folgen".

8. Absolute Gewaltlosigkeit.

Unter allen Arten des Despotismus ist der der doktrinären oder inspirirten Gläubigen der schlimmste. Sie sind in solchem Grade eifersüchtig auf den Ruhm ihres Gottes und den Triumph ihrer Idee, dass sie kein Herz behalten für die Freiheit und Würde, noch die Leiden der lebenden, wirklichen Menschen. Wissenschaftliche Abstraktion ist ihr Gott, die Individuen sind ihre Opfer, sie selbst die Hohenpriester. Bakunin. *)

Der Titel,,Befreiung durch das reine Mittel" und besonders meine Kritik des Schwertes und der Rute möchte hier und dort die Meinung hervorrufen, ich sei ein Propagandist der absoluten Gewaltlosigkeit. **)

Indessen liegt es mir fern, absolute Grundsätze aufzustellen; ja ich halte derartige Moral-Dogmen für unvereinbar mit Freiheit und Vernunft. Meine kritischen Gedanken sind nichts anderes, als Betrachtungen, die ich unter dem individuellen Gesichtspunkt ,,meines Zieles" an einem begrenzten

,,Dieu et l'état".

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Deutsch bei John Müller New-York 167 William Street Ein deutscher Auszug kann auch durch den Verlag des ,,Sozialist" (Berlin S. Alte Jakobstr. 91) bezogen werden.

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**) So vermutete die „Société Nouvelle", ich sei ein Anarchist von ähnlichen Ideen, wie Leo Tolstoi; und die sensationslüsterne Phantasie eines Pariser Reporters, der possierlicherweise als ein Historiker des Sozialismus gilt, macht mich gar zum Gründer einer anarchistischen Kolonie im Sinne Tolstois.

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