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Vertreter der Theologie würde; statt dessen wollte ich Lehrer werden.

Doch bald stiess mein Sinn auf ein neues Hindernis. Durch einen Studienfreund machte ich die Bekanntschaft der Sozialdemokratie, und geeignete Lektüre sowie Gespräche mit dem geistig bedeutenden „Arbeiterphilosophen“ Josef Dietzgen (der damals in Siegburg bei Bonn als Lohgerber lebte) bekehrten mich so völlig, dass die sozialistische Weltanschauung zu meiner geistigen Organisation zu gehören schien. Da ich nun der freien Meinungsäusserung auf keinen Fall entsagen wollte, so verzichtete ich auf die Position eines staatlich sanktionierten und besoldeten Lehrers, ohne freilich diesen Entschluss meinen Verwandten (die mein Vertrauen verloren hatten) mitzuteilen. Ich tröstete mich mit der Hoffnung, dass es in der weiten Welt doch irgend eine Art des Erwerbes geben müsse, welche die Gesinnung nicht vergewaltigt; und in der Erwägung, „kommt Zeit, kommt Rat", entschied ich mich dafür, einstweilen den unvermeidlichen Militärzwang auf mich zu nehmen.

Der stramme Dienst in Berlin setzte begreiflicherweise meinem Ketzersinn eine Zeit lang einen Dämpfer auf. Ich führte das Dasein einer Maschine, empfand aber diesen Zwang keineswegs als den schlimmsten, weil nämlich die übermässige Körperstrapaze das Empfinden überhaupt abstumpft. Dennoch wurde meine Kenntnis der Zwangswelt schätzenswert bereichert.

Nach Absolvierung des Militärjahrs derselbe Zwiespalt in meinem Innern, wie zuvor, und kein Rat, kein wirklich guter Rat! Oberein offenbarten sich die „Bande der Familie" mehr und mehr als ein Instrument des Zwanges, Familiensinn, Pietät, Gehorsam als Formen der Knechtschaft. Und ich zerriss, um meine Individualität zu behaupten und mich vor der Selbstvernichtung zu bewahren, diese Kette.

Nun war ich frei wie ein hungerndes Wild im Schnee. Ich empfand die wirtschaftliche Zwangslage, die Faust der materiellen Not beugte meinen Nacken unter verschiedene proletarische Knechtschaften; im In- und Auslande lernte ich das

Joch tragen; es drückte mich ebensowohl an reichbesetzten Tafeln, wo man mir mit Höflichkeit begegnete, wie im kargen Stübchen des vierten Stockwerks, und ich lernte begreifen, wie selbst energische Individuen durch die Not zur totalen Versklavung, zur Prostitution in irgend einer Form gebracht werden können. Doch ich war nicht gerade in der schlimmsten Lage; und so erhielt ich mich mir selbst. Was mich hauptsächlich schadlos hielt, war die freie Zeit, welche das litterarische Zigeunertum verstattet, der humorvolle Umgang mit anderen Zigeunern und meine sozialistische Weltanschauung, die mir Begeisterung und im Kampfe dafür auch die Freude manchen Erfolges verlieh.

Doch herbe Ironie des Geschickes, dass selbst der Freiheitskampf zur Knechtschaft wird! So gewaltig ist die Knechtschaft unserer Zeit, und darin besteht ihre furchtbarste Drohung, dass sie ihren Einfluss hinüberträgt zu denen, die sie doch vernichten möchten, und prinzipielle Befreiungsparteien durchseucht. Ganz allmählich, in gleichem Tempo mit meiner Kenntnisnahme des Parteigetriebes, kam mir dies Bewusstsein, immerhin früh genug, um mich vor dem Eintritt in die Abhängigkeits-Maschinerie der Partei zu warnen. Es war eine der wenigen meiner Handlungen, die ich als weise bezeichne, dass ich mich nicht zum Parlamentarier, zum beruflichen Politiker machen liess. Hätte ich das gethan, so wäre mir's vielleicht ergangen wie den Vielen, die als Partei-Existenzen gebunden sind an ihre Partei und dort zu knechtenden Knechten der unfehlbaren Dogmen oder gar zu Gesinnungslumpen werden. Was mir die Partei deutlich als Tyrannei erscheinen liess, das war ihre fanatische, mit allen möglichen Unterdrückungsmitteln arbeitende Unduldsamkeit, die sie meiner Kritik und abweichenden Meinung, wie überhaupt jeglicher schablonenlosen Selbstständigkeit, entgegenbrachte, das war der Geist einer Bureaukratie und Regierung, wie sie peinlicher kaum anderwärts mich berühren konnte, das war die Autoritätenherrschaft, welche Personen und Dogmen ausübten. Doch ich gedenke die verschiedenen Formen der Unvernunft und Knechtschaft, welche

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der Partei" eigentümlich sind, in einem späteren Kapitel zu schildern.

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Noch mehr Zwingburgen, als die genannten, schaute ich; ja ich kann gar nicht alle Verkümmerungen des „freien Vernunftmenschen" aufzählen. Ich sah Verwüstungen, angerichtet von der „Sittlichkeit", dem höchsten Ideal" der Menschheit, erkannte im Heiligenschein der Tugend eine blutige Tyrannenkrone, erlebte, dass mancherlei „Selbstbeherrschung" nichts als klägliche Versklavung des Willens ist, beobachtete beispielsweise jene feige Unterwürfigkeit unter thörichte Autoritäten, die man als „Keuschheit" preist, und andererseits das frische Aufblühen von Menschen, die, dem Kerker der „Moral" entsprungen, sich der Freiheit in die Arme warfen.

Welch einseitige Lebensauffassung!" höre ich einwenden. Allerdings einseitig! Ich weiss, dass ich nicht zu jenen Lebenskritikern gehöre, welche im ängstlichen Streben nach „Objektivität“ die Beurteilungen ihrer Kollegen kompilieren, ohne feststellen zu können oder auch nur zu wollen, ob und wie weit diese Beurteilungen wirklich erlebt sind. Die Lebensbeziehungen, welche ich zu Begriffen ausprägen möchte, sind subjektiv, einseitig, nämlich Beziehungen zu meiner Seite, doch gerade darum realistisch; ich wenigstens weiss es, dass der Stoff dieser Begriffe dem Schachte des Herzens entstammt, — der einzigen Quelle aller echten Wertungen. Die Methode Rousseaus garantiert mir mehr Weisheit, als die Ciceros. Was man Objektivität nennt, ist grossenteils Zopf, Herkommen, Vergewaltigung des Individuellen, Majorisierung, Gleichmacherei, Stagnation, während gerade die Subjektivität erfreuliche Triebkräfte zur frischen Entwickelung enthält.

Jene unduldsa me Einseitigkeit, welche die Geister beherrschen will, liegt mir fern; ich bilde mir nicht ein, dass meine Auffassung die einzig wahre ist, denke vielmehr: andere Seiten desselben Gegenstandes mögen andere malen! Und wenn ein anderer Beobachter mit den angenehmen Farben eines versöhnlichen Naturells malt, so werde ich, sofern er innerhalb seiner Subjektivität realistisch ist, mich seinen An

regungen nicht verschliessen; denn auch mir sind Milde und Humor, denke ich, nicht fremd. - Sollte ich trotz dieser Verwahrung gegen Dogmatismus doch hie und da als Dogmengeber wirken, so erweist das nicht autoritäre Tendenz auf meiner, sondern Knechtschaft auf jener Seite.

Vielleicht wirken meine Beobachtungen für viele Leser anregend und eröffnen neue Gesichtspunkte. Vielleicht spreche ich für einige gar das „erlösende Wort", das ihre eigenen Erfahrungen zu Erkenntnissen gruppiert. Das sind dann die echten Gesinnungsgenossen. Begriffliche Propaganda, die keine Resonanz im Herzen, in der Lebenserfahrung findet, bringt nur Widerspruch oder laue Freundschaft oder blinden Glauben, jedenfalls keine wahre Überzeugung hervor. Das Wort ist Phrase, solange nicht das Leben, die Erfahrung seine Bedeutung erschlossen hat. Wen ich suche und wen ich finden werde, sage ich mit meinem Freunde John Henry Mackay *) das ist der Einzelne: Du und Du und Du Ihr, die Ihr in einsamem Ringen zu gleicher Erkenntnis gekommen

seid."

*) „Die Anarchisten." Verlag von Schabelitz (Zürich) oder (Volksausgabe) F. Harnisch & Co. (Berlin).

2. Mein Ziel.

,,lm Menschen äussert sich das Streben nach Schmerzvermeidung in einer unendlichen Mannigfaltigkeit und gleichzeitig mit einer zartspinnenden Feinfühligkeit, die nicht allein unaufhörlich auf sein sinnliches Empfinden, sondern selbst auf sein geistiges Beschäftigungsgebiet hinüberspielt. Fassen wir diese Mannigfaltigkeit zusammen und bringen sie auf ihren höchsten Ausdruck, d. h. versenken wir uns in das tiefinnerste Wesen unseres Jochs, so überflutet uns ein namenloses Sehnen nach Freiheit und Erkenntnis. Befreiung von allem Schmerz, allem Druck, und Erkenntnis der Welt, das sind die Herzschläge der Substanz, das sind die beiden Leuchten, denen sie in ihrer aufgenötigten organischen Thätigkeit entgegenstrebt, so dunkel sich dieser Drang auch anfänglich in ihr äussere, so zahllos und schwierig die Versuche sein mögen, mit deren Hilfe sie sich zur Lösung ihrer hehren Aufgabe Schritt für Schritt heraufarbeite. Freiheit und Erkenntnis sind die Zeichen, unter denen das organische Weltgeschehen steht, es sind und bleiben die Ideale des organischen Strebens, auch wenn sie nie erreicht werden sollten." J. G. Vogt.*)

was heisst das?

,,Mein Ziel ist der freie Vernunftmensch" Ich glaube mit den Worten „Freiheit“ und „Vernunft" ziemlich denselben Sinn zu verbinden, welchen der Sprachgebrauch meint.

Man nennt den Vogel im Bauer unfrei; warum? Offenbar weil er nicht fliegen kann, wohin er will. „Im Freien" sind wir, wenn unser Fuss, unser Auge, die in den Mauern des Hauses und der Stadt Schranken fanden, unbehindert schweifen können, wohin sie wollen. Der Dichter bezeichnet

*) Die Menschwerdung. Leipzig bei Wiest. 1892.

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