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Zeitalter des freien Vernunftmenschen, oder wie Nietzsche sagt des Übermenschen". „Dort, wo der Staat aufhört,

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seht mir doch hin, meine Brüder! Seht ihr ihn nicht, den Regenbogen und die Brücke des Übermenschen?"*)

H. Spencer gelangt zu dem Schluss, dass die Regierungsform, der wir entgegengehen, notwendigerweise eine solche ist, in welcher „die regierende Gewalt auf das denkbar geringste Mass beschränkt, die Freiheit dagegen möglichst bedeutend ausgedehnt ist". Er ist der Meinung, dass die Gesetze ,,schliesslich in ein praktisch anerkanntes System der Ethik aufgehen werden, oder besser gesagt, in den Teil der Etbik, der Bezug hat auf das gerechte Verhältnis der Menschen untereinander und des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft."

Ein thätiger Schriftsteller des vorigen Jahrhunderts, Georg Franz Rebmann, entwirft ein Bild von der Gesellschaft, das, abgesehen von seiner komischen Idyllenhaftigkeit, einen grössern Gehalt an Freiheitlichkeit besitzt als die damals in der Luft liegenden Staatsideale.,,Meine Republik fängt erst dann an, wenn jeder seinen Acker baut oder seine Schuhe macht und sich nicht träumen lässt, dass er mehr thue, wenn er die Leitung der öffentlichen Geschäfte übernehme, als wenn er Schuhe mache. Meine Republik braucht weder Direktorien, noch auswärtige Gesandte, noch bleibende Ämter, noch stehende Heere, noch Banquiers, noch Seehandel. Meine Republik besteht darin, dass jeder eine Hütte, einen Acker, ein Weib, oder wenn er lieber will, eine Gefährtin, nach der Wahl seines Herzens haben könne und kein Wort davon wisse, dass es je Fürsten, Priester, Direktoren, Gesandte, Offiziere u. dergl. gegeben habe oder geben könne“.

*) Nietzsche: Also sprach Zarathustra.

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,,Wahrlich, ein Ungetüm ist die Macht dieses Lobens und Tadelns. Sagt, wer bezwingt es mir, ihr Brüder? Sagt, wer wirft diesem Tier die Fessel über die tausend Nacken ?" Nietzsche.

Wie Nietzsches Zarathustra, sehe auch ich in der „Macht dieses Lobens und Tadelns" ein „Ungetüm", nämlich ein unreines Mittel. Und dabei preist man dies Ungetüm nahezu einstimmig, vergöttert es sogar und hält seinen Namen heilig; ,,Gewissen" lautet dieser Name.

Ja das Gewissen hemmt die Entwickelung des Menschengeschlechts zu voller Vernünftigkeit und Freiheit. Zum freien Vernunftmenschen führt nicht Gewissenhaftigkeit, sondern entsetze dich, Moral-Philister! - Gewissenlosigkeit.

Ich meine allerdings nicht die bornierte Gewissenlosigkeit des ordinären Bösewichts, sondern jenes bewusst errungene Freisein vom Gewissen, das einer Legende zufolge Jesus Christus im Auge hatte; von seinen Jüngern gefragt, welche Strafe ein Landmann verdiene, der am Sabbath seine Feldarbeit verrichtete, entgegnete der Meister:,,Wenn er nicht weiss, was er thut, so ist er ein grosser Sünder; weiss er aber, was er thut, so handelt er recht."

Was ich unter Gewissen verstehe, will ich durch eine genetische Definition erklären. Wenn ein Kind etwas thut, das seinen Erziehern missfällt, so fügen sie ihm gewöhnlich, um es zu bessern, eine Strafe, Züchtigung oder wenigstens Tadel zu. Im Gedächtnis des Kindes verknüpft sich nun die Strafe mit

der bösen Handlung. Nach wiederholter Bestrafung ist das, was die böse Handlung mittels der Ideenverknüpfung zum Bewusstsein bringt, nur eine unbestimmte Vorstellung, zusammengeschmolzen aus den Erinnerungen an die verschiedenen Strafen, deren unterscheidende Merkmale sich gegenseitig verwischt haben, während nur das Gemeinschaftliche, das Missbehagen, deutlich geblieben ist. Dies Missbehagen nun ist nichts anderes, als die „Stimme des Gewissens", die vor der bösen That warnt, hinterher straft.

Belohnungen und Belobigungen, verschmolzen zu einer unbestimmten Vorstellung angenehmer Art und verknüpft mit dem Bewusstsein guter" Handlungen, machen das ermunternde oder belobende, „gute" Gewissen aus.

Das Gewissen ist also ein Produkt der Erziehung, und zwar einer autoritären Erziehung, gleichsam das Echo aller Autoritäten, die auf den Zögling bestimmend einwirkten. Hieraus erklärt es sich, dass die innere Stimme in der autoritären Form „Du sollst", in der Form des „,kategorischen Imperativs" spricht.

Aber warum soll ich? Hierüber verlautet im Herzen nichts; das Gewissen giebt keine Gründe an; Ankündigung moralischer Strafe, moralischen Lohns, Autorität bildet seine ,,ultima ratio". Gründe aber sind die Lebensluft der Vernunft, während Grundlosigkeit diese vergiftet; und wie das Gewissen vernunftwidrig ist, so schädigt es auch die Freiheit; seine Abstammung von der brutalen Autorität lässt ja auch nichts anderes erwarten. Es ist eben Zwang in einer verfeinerten Form, ist die incognito auftretende Herrschaft, die innere Vergewaltigung.

Das hohe Ansehen, welches die Satzungen des Gewissens geniessen, verdanken sie hauptsächlich dem Umstande, dass ihr Zweck, das von ihnen angestrebte Verhalten der Menschen, hoch im Kurse steht, grossenteils auch wirklich gut ist, wohingegen der schlechte Charakter des angewendeten Mittels unbeachtet bleibt. Als ob es nur darauf ankäme, was die Menschen thun, und das Wie, ihre Gesinnung pure Neben

sache wäre! Im Gegensatz zu dieser Wertung weise ich darauf hin, dass es mir auf solche guten Werke ankommt, die reiner Freiwilligkeit entstammen, dass aber die Gewissenhaftigkeit, der Gehorsam gegen das innere „Du sollst", eine Knechtseligkeit, wenn auch feinerer Art, ist, dass folglich die Kultur des Gewissens sich an der Freiheit vergreift, indem sie knechtische Motive an Stelle der Freiwilligkeit setzt.

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Wer den freien Vernunftmenschen entwickeln will, verachtet das Gewissen; mag sein Thun und Lassen inhaltlich mit den Forderungen des kategorischen Imperativs übereinstimmen, die Form Du sollst" widert ihn an, der Heiligenschein, den die Moralphilosophie um die innere Herrschaft herum gemalt hat, imponiert ihm so wenig, dass er mit dem von Krapotkine erwähnten Nihilisten *) denkt: „Soll ich etwa deswegen moralisch sein, weil mich Kant über einen kategorischen Imperativ belehrt, eine mir innewohnende geheimnisvolle Autorität, welche mir befiehlt, moralisch zu sein? Doch warum sollte dieser kategorische Imperativ grössere Anrechte über meine Handlungen haben, als jener andere Imperativ, der mir von Zeit zu Zeit befiehlt, mich zu berauschen? Worte, nichts als Worte, geradeso wie Vorsehung oder Schicksal, mit denen wir unsere Unwissenheit verdecken."

Als Regelungen, die durch Autorität, durch Herrschaft geboten werden, haben die Vorschriften des Gewissens alle jene Mängel, welche an den staatlichen Gesetzen nachgewiesen worden sind.

Mit ihrem allgemeinen, dogmatischen Charakter, ihrer Schablone bilden sie eine Fessel, eine Zwangsjacke für das Individuum, das seine besonderen Wertungen durchsetzen möchte, hemmen also die Differenzierung im Fühlen und Denken der Menschheit. „Hüte dich vor den Guten und Gerechten! Sie kreuzigen gerne die, welche sich ihre eigene Tugend erfinden, sie hassen den Einsamen"**). Es ist charakteristisch für

*) Peter Krapotkine: „Anarchistische Moral" (London, Gruppe „Autonomie").

**) Nietzsche:,,Also sprach Zarathustra“.

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dafür die Polizei sorgen zu lassen. Doch wenn dann die Tollwut in bedenklicher Weise um sich greift, wird es sich besinnen, dass es nun darauf angewiesen ist, selbständig über sein Wohlergehen zu wachen, und bald wird es in dieser Rolle weit wirksamer fungieren, als die geriebenste Polizei. Sobald das Volk erst ein Weilchen in Freiheit lebt, ist es der Freiheit gewachsen; denn es wächst der Mensch mit seinen höheren Zwecken." "Sobald die Polizeimannschaft, sowohl die staatliche, als auch die private, ihre Funktionen aufgiebt, und die Volksmassen Herren der Strasse werden, ändert sich die sittliche Atmosphäre völlig; jeder fühlt sich für die Wohlfahrt und die Zufriedenheit aller verantwortlich; man hört nichts mehr von Belästigungen der einzelnen, und sogar die professionellen Verbrechen halten in ihrer traurigen Laufbahn an; denn auch sie fühlen, dass etwas Grossartiges in der Luft liegt" - so sagt Élisée Reclus*) von den revolutionären Volksbewegungen.

Dass die Freiheit in dieser Richtung, die Regierung aber in der entgegengesetzten wirkt, zeigt ein Vergleich des öffentlichen Lebens in England und Nordamerika, der Heimat des Laisser faire, mit dem deutschen. Während bei uns an jedem öffentlichen Parke Warnungstafeln und Schutzleute stehen, heisst es dort einfach, höflich, vertrauensvoll: „Das Publikum ist Polizei". Der amerikanische Reisende betritt und verlässt seinen Eisenbahnzug zuweilen während der Fahrt ganz nach Belieben, ohne dass die Bahnverwaltung sich veranlasst fühlt, ihn zu bevormunden und auf sein Leben besser aufzupassen, als er es selber thut. Will die amerikanische Bahnverwaltung vor dem Betreten des Bahnkörpers warnen, so droht sie nicht mit Bestrafung, sondern erklärt, dass sie, falls ein Schaden entstehe, nicht dafür aufkomme. Eine ungewöhnliche Selbständigkeit, ein ausserordentlich mutiges, umsichtiges, geschicktes und sicheres, Benehmen des Publikums ist die Wirkung solchen Gewährenlassens. Schon die Kinder entwickeln diese Tugen

*) Contemporary Review.

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