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Die Frage nach der Erreichbarkeit meines Zieles betrachte ich als ein Spähen im Nebel; aber ich sehe schon stellenweise den Nebel zerreissen. Und als ich vorschlug, lieber durch Experiment die Wirklichkeit, als durch Spekulation die Möglichkeit festzustellen, blickte ich bereits auf einige gelungene Experimente. Denn ich kenne Menschen, welche dem „freien Vernunftmenschen" verhältnismässig nah gekommen sind, Menschen, die sich weit über Brutalität, über Herrschaft wie Knechtschaft erhoben haben, Menschen, die keine Hand zur Vergewaltigung erheben und überhaupt sich sehr erfolgreich bemühen, zur Bestimmung ihrer Mitmenschen nicht Autorität, sondern Vernunft anzuwenden, Menschen, die sich ziemlich frei gemacht haben vom innerlichen Zwange des Gesetzes, der Sitte, der Sittlichkeit oder einer sonstigen Autorität. Sie sind es, denen dies Buch in Liebe gewidmet ist. Sie verstehen meine Widmung, auch ohne dass ich ihre Namen nenne.

Welch ein Abstand zwischen diesen Menschen und

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beispielsweise den Buschmännern! Fürwahr jene selbstgefälligen Realisten", die mit dem Schlagwort fechten, man solle,,den Menschen nehmen, wie er ist", dürften im Angesicht dieses Abstandes doch in Verlegenheit geraten über die Natur „des Menschen". Ihr wollt den Menschen nehmen, wie er ist? Ich frage: Welchen Menschen? - Nehmt den Buschmann zum Beispiel und sagt, ob er einer Höherentwicklung in der Richtung meines Zieles fähig ist. Verneinen könnt ihr diese Frage nicht; denn ihr stammt nach eurer Überzeugung von Wesen ab, die so tief, ja noch tiefer, als der Buschmann, standen. Nehmt ihr aber den Menschen, wie er beispielsweise in Spinoza oder Tolstoi vorliegt, so könnt ihr nicht sagen, dass solch ein Geist eine unüberwindliche Strecke von meinem Ziele entfernt sei... Oder sollte etwa gerade er nicht weiter entwickelungsfähig sein?

Die Natur ,,des Menschen" stellt sich im gegenwärtigen Durchschnittsmenschen ebenso wenig einzig und fertig dar, wie in den genannten Extremen; sie ist keine konstante, sondern eine variable. Die Menschheit ist in fortwährender Be

wegung, auch von ihr gilt das alte Wort „Alles fliesst", sie hat Nachzügler und auch Vorzügler! Und wie der vorgeschichtliche Mensch sich zum civilisierten entwickelt hat, so wird vielleicht dereinst der Durchschnittsmensch ein Spinoza und Tolstoi sein, während die Vorzügler dem „freien Vernunftmenschen" noch näher stehen.

Man schätzt heutzutage die Entwickelungslehre. Ich will aus Hypothesen keine Autoritäten machen. Indessen rechnen wir einmal hypothetisch mit den Hypothesen. Häckel hat ein biogenetisches Grundgesetz aufgestellt, dem gemäss jedes Individuum in seiner Entwickelung vom Keim bis zur Reife die verschiedenen Entwickelungsstufen ungefähr der gesamten Reihe seiner Vorfahren wiederholt. Als diese Vorfahrenreihe von Stufe zu Stufe sich empor entwickelte, da waren es zuerst wenige Individuen, welche die höhere Stufe erreichten; ihnen folgte allmählich die Masse. Und wie damals Individuen vorangingen, so werden dieser Schluss ist nicht gewaltsam

wohl auch jetzt Individuen die Vorläufer der Masse sein. Demgemäss könnte man das biogenetische Grundgesetz durch den Zusatz erweitern, dass einzelne (,,höhere") Individuen die spätere Entwickelung der Art, als Vorläufer, darstellen. Sieht man am menschlichen Embryo sowie an der Fortsetzung, die er im Kinde findet, woher die Entwickelung kommt, so sieht man am höhern" Individuum, wohin sie geht.

Gerade wenn wir diesen Gedanken einer stufenweisen Emporentwickelung berücksichtigen, erscheint uns jenes Bedenken, mein Ziel sei unerreichbar, als ziemlich bedeutungslos. Denn stufenweise kann der Mensch manche Höhe erklimmen, die ihm anfangs, als er ihre Totalität ins Auge fasste, unerreichbar vorkam.

Und was sollte die Entwickelung zum „,freien Vernunftmenschen" denn völlig vereiteln? Die Anlagen dazu sind ja vorhanden; wenn sie gegenwärtig unzulänglich sind, so liegt das nur am Grade; der Grad lässt sich steigern.

Übrigens würde das Streben nach meinem Ziele selbst.

dann nicht unvernünftig sein, wenn ein Ende niemals abgesehen werden könnte; die blosse Annäherung kann ja eine Verbesserung bedeuten. Jedenfalls lässt sich das Streben nach ,,dem Glücke" yergleichen mit jener mathematischen Kurve, die sich einer andern Linie beständig nähert, ohne sie jemals zu treffen; und dennoch wird dieses Streben nicht für unvernünftig gehalten.

Ihr kleinmütigen Zweifler am freien Vernunftmenschen, möchten doch in eure Herzen gewaltig schallen die Stimmen zweier Prediger in der Wüste. „Ja Bildung - ruft Schleiermacher prophetisch aus*) wird sich aus der Barbarei entwickeln, und Leben aus dem Todesschlaf! Da sind sie schon, die Elemente des besseren Seins. Nicht immer wird die höhere Kraft verborgen schlummern; es weckt der Geist sie früher oder später, der die Menschheit beseelt. Wie jetzt die Bildung der Erde für den Menschen erhaben ist über jene wilde Herrschaft der Natur, da noch schüchtern der Mensch vor jeder Äusserung ihrer Kräfte floh; nicht weiter kann doch die selige Zeit der wahren Gemeinschaft der Geister entfernt von diesen Kinderjahren der Menschheit sein. Nichts hätte der rohe Sklave der Natur geglaubt von solcher künftigen Herrschaft über sie, noch hätte er begriffen, was die Seele des Sehers, der davon geweissagt, so bei dieser Ahnung hob; denn es fehlte ihm an der Vorstellung sogar von solchem Zustande, nach dem er keine Sehnsucht fühlte; so begreift auch nicht der Mensch von heute, wenn jemand ihm andere Zwecke vorhält, von andern Verbindungen und einer andern Gemeinschaft der Menschen redet; er fasst nicht, was man Besseres und Höheres wollen könne, und fürchtet nicht, dass jemals etwas kommen werde, was seinen Stolz und seine träge Zufriedenheit so tief beschämen müsste. Wenn aus jenem Elend, das kaum die ersten Keime des bessern Zustandes auch dem durch den Erfolg geschärften Auge zeigt, dennoch das gegenwärtige hochgepriesene Heil hervorging; wie sollte nicht aus unserer

*) Monologen. Leipzig bei Reclam jun.

verwirrten Umbildung, in der das Auge, welches der schon sinkende Nebel ganz nah umfliesst, die ersten Elemente der bessern Welt erblickt, sie endlich selbst hervorgehen, das erhabene Reich der Bildung und der Sittlichkeit? Und Nietzsche redet: „Ich lehre euch den Übermenschen. Der Mensch ist etwas, was überwunden werden soll. Was habt ihr gethan, ihn zu überwinden? Ihr habt den Weg vom Wurm zum Menschen gemacht, und vieles ist in euch noch Wurm. Einst waret ihr Affen, und auch jetzt noch ist der Mensch mehr Affe, als irgend ein Affe. Seht, ich lehre euch den Übermenschen! -Der Übermensch ist der Sinn der Erde".

Ja, was habt ihr gethan, ihn zu überwinden? So frage auch ich mit skeptischem Tone. Ich leugne nicht, dass etwas gethan ist; indessen habe ich gegen die Taktik gerade der beruflich sanktionierten Erzieher" des Menschengeschlechtes Einwände, die ich für gewichtig halte. Und diese Einwände bilden vorwiegend diese Philosophie der Befreiung durch das reine Mittel.

3. Das reine Mittel.

,,Ein Zweck kann, wie dies der alte Hegel so meisterhaft tief ausgeführt und Aristoteles schon vor ihm zum Teil gewusst bat, nur dann durch ein Mittel erreicht werden, wenn zuvor schon das Mittel selbst von der eigenen Natur des Zwecks ganz und gar durchdrungen ist. Der Zweck muss im Mittel selbst schon ausgeführt und verwirklicht sein, und letzteres seine Natur an sich tragen, wenn er durch das Mittel erreicht werden können soll (darum führt sich der Zweck in der Hegelschen Logik nicht durch das Mittel aus, sondern erweist sich vielmehr im Mittel selbst als ein schon ausgeführter). Daher kann jeder Zweck nur durch das seiner eigenen inneren Natur Entsprechende... erreicht werden. Ferdinand Lassalle.*)

Was heisst Zweck? Was heisst Mittel?

Es handelt sich darum, eine hinreichende Anzahl von Fällen, in denen die Ausdrücke,,Zweck" und „Mittel" gebraucht werden, vor dem geistigen Auge Revue passieren zu lassen und die gemeinschaftlichen Merkmale herauszufinden, die den Sprachgebrauch zur Wahl einer gemeinschaftlichen Bezeichnung veranlassen. Diese gemeinschaftlichen Merkmale bilden das Wesen, den Begriff.

Also ein Beispiel: Der Zweck des Mantels ist (abgesehen von anderen Beziehungen) Schutz vor Kälte und Nässe. Das bedeutet ungefähr, dass der Mantel Schutz vor Kälte und Nässe bewirkt. Es scheint demnach, dass man unter „Zweck" eine Wirkung versteht, und zwar eine Wirkung dessen, was ,,Mittel" heisst; dass man folglich unter Mittel" eine Ur

*) Brief an Karl Marx vom 6. März 1859 (mitgeteilt in der „Neuen Zeit 1890 91, No. 45").

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