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sache versteht, und zwar eine Ursache dessen, was ,,Zweck" heisst.

Indessen zeigen folgende Betrachtungen, dass diese Definitionen zu weit sind, daher der Einschränkung bedürfen.

Erstens: Der Mantel bringt seinen Träger unter Umständen zum Schwitzen. Das Schwitzen ist alsdann unstreitig eine Wirkung dessen, was Mittel heisst und doch wird diese Wirkung nicht als Zweck des Mantels bezeichnet. Und warum nicht? Offenbar, weil diese Wirkung nicht gewollt wurde.

Zweitens: Ein Arzt wendet zur Heilung eines TuberkelKranken die Kochsche Lymphe an, und der Kranke genest, aber nicht infolge der Lymphe, sondern infolge irgend eines andern, nicht aufgeklärten Umstandes. Dieser Umstand ist allerdings die Ursache dessen, was ,,Zweck" heisst (nämlich der Heilung), aber kann nicht auf den Namen,,Mittel" Anspruch machen. Und warum nicht? Weil die Ursache des Bezweckten (obwohl sie natürlich willkommen ist) nicht gewollt wurde, vielmehr ausser dem Bereiche des ärztlichen Willens lag.

Drittens: In Ibsens ,,Wildente" bezweckt Gregers Werle eine sittliche Reinigung der Familie Ekdal und wendet als Mittel seine,,sittlichen Forderungen", ein schablonenhaftes, gewaltsames Moralisieren, an; die thatsächliche Wirkung dieses Mittels ist indessen nicht Läuterung der Familie, sondern Unheil. Wäre es nun ohne Einschränkung richtig, Mittel" als Ursache des Bezweckten zu definieren, so könnte man Gregers Werles Moralisieren nicht sein Mittel nennen. Warum nennt man es dennoch so? Weil es von ihm als die Ursache des Bezweckten gewollt wurde.

Viertens: Molières ,,Frauenschule" zeigt uns einen Mann, der aus seinem Mündel, einem Mädchen, sich eine vollkommen unverdorbene Frau erziehen möchte und zu diesem Zwecke das Mädchen gänzlich abgeschlossen von der „bösen“ Welt in seinem Hause „erzieht", natürlich mit dem Erfolge, dass sich das Mädchen in den nächsten jungen Mann verliebt, ihren Vormund hintergeht, kurz dass die Erziehungsmittel" gerade das Gegenteil des Bezweckten bewirken. Obwohl die „Un

schuld" des Mädchens keineswegs durch das „Mittel“ erhalten wurde, nennt man sie dennoch den „Zweck" des Vormunds. Warum? Weil sie als Wirkung des angewendeten Mittels gewollt wurde.

Das Ergebnis dieser Beispiele sind folgende Sätze: Erstens kann etwas vom „Mittel" bewirkt werden, und dennoch nicht als Zweck" gelten, wenn es nämlich nicht gewollt ist. Zweitens kann etwas das Bezweckte bewirken und dennoch nicht als „Mittel" gelten, wenn es nämlich nicht gewollt ist. Drittens kann etwas als „Mittel" gelten, ohne Ursache des Bezweckten zu sein, wenn es nämlich als solche gewollt wurde. Viertens kann etwas als „Zweck" gelten, ohne Wirkung des Mittels zu sein, wenn es nämlich als solcher ge

wollt wurde.

So definiere ich denn „Zweck" als die gewollte Wirkung dessen, was man Mittel nennt, und „Mittel" als die gewollte Ursache dessen, was man Zweck nennt, d. h. als die gewollte Ursache einer gewollten Wirkung.

Die betrachteten Beispiele zeigen uns des weiteren, dass die thatsächliche Wirkung eines Mittels nicht immer der gewollten Wirkung entspricht, mit anderen Worten: dass nicht jedes Mittel zweckmässig ist. Ferner sehen wir (an dem Beispiele des Mantels), dass ein Mittel ausser der bezweckten Wirkung (Schutz vor Kälte und Nässe) noch Nebenwirkungen haben kann.

Diese Nebenwirkungen des Mittels können mit dem Zweck mancherlei Beziehungen eingehen, können ihn beispielsweise fördern, sei es in allen seinen Teilen oder teilweise, können ihn aber auch, ganz oder teilweise, vereiteln. So kommt es vor, dass der Mantel, obwohl er im Allgemeinen ein geeignetes Mittel zum Schutz vor Nässe und Erkältung ist, dennoch seinen Träger in Schweiss badet und dadurch einer Erkältung überliefert. In diesem Falle nennen wir den Mantel mit Recht unzweckmässig", weil eben sein Zweck durch die Nebenwirkungen vereitelt wurde.

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Hier tritt zutage, wie ausserordentlich wichtig es ist,

die Nebenwirkungen eines Mittels ins Auge zu fassen. Und doch, so sonnenklar diese Wahrheit vor uns liegt, es ist, als seien die Menschen ihr gegenüber mit Blindheit geschlagen; denn in zahllosen Fällen wenden sie Mittel an, welche durch ihre Nebenwirkungen zwecklos, nichtig, wenn nicht gar schädlich werden.

Solche Mittel nenne ich unrein, weil sie durch ihre zweckwidrigen Nebenwirkungen gewissermassen verunreinigt werden. Rein ist ein Mittel nur dann, wenn es durch seine Nebenwirkungen seinen Zweck gar nicht oder verhältnismässig wenig beeinträchtigt.*)

*) Die lichtvolle Schrift,,Philosophie als Denken der Welt gemäss dem Prinzip des kleinsten Kraftmasses" (Leipzig, Fuess, 1876) liefert einen Beitrag zur Erweiterung des Begriffes des reinen Mittels. Der Verfasser versteht unter Erkenntnis eine zweckmässige Thätigkeit des Geistes, insofern dieser bestrebt ist, neue Eindrücke mit dem relativ geringsten Kraftaufwand, d. h. nach dem Principe des ,,kleinsten Kraftmasses", zu apperzipieren. In einer Anmerkung eröffnet er nun die Aussicht auf erfolgreiche Anwendung dieses Prinzips zur Lösung ästhetischer und ethischer Probleme. Er sagt: ,,Noch deutlicher fast als im theoretischen Denken zeigt sich in der Kunst die Bestimmung des Verhältnisses der Mittel zu der Leistung durch das Prinzip des kleinsten Kraftmasses. Wir wollen in der Kunst die,,einfachsten“ Mittel; richtig verstanden hat der Satz zunächst nur eine negative Bedeutung: es soll nichts als Mittel verwendet werden, was nicht auch als Mittel zum Zweck wirkt. . .“ „Auf den Zusammenhang sittlicher Gefühle mit der Befolgung, bez. Verletzung des Prinzips des kleinsten Kraftmasses (und zugleich auf die Zweckmässigkeit geistigen Kraftaufwandes als ethische Forderung) hat J. C. F. Zöllner (Über die Natur der Kometen, Leipzig 1872. S. 201 ff., S. 211 ff.) hingewiesen. Die Frage, inwieweit sich das behandelte Prinzip allgemein im Gebiet des Ethischen wirksam erweise, berührt zu prinzipielle Vorfragen, als dass sie hier eine auch nur andeutende Behandlung erfahren könnte. Nachweise endlich über das Walten des Prinzips des kleinsten Kraftmasses in dem praktischen Verhalten der Menschen zu geben, steht unserer Aufgabe gleichfalls zu fern; nicht allein in allem Streben nach Freiheit, nach Arbeitsteilung, nach einheitlicher Gestaltung des administrativen, kommerziellen, rechtlichen, staatlichen und sozialen Lebens und Verkehrs liegt es deutlich vor Augen, sondern auch in den letzten Zielen und den positiven Institutionen des Handels, der Nationalökonomie, der Gesetzgebung, des Staates, der Politik etc. tritt es bestimmend hervor. . .

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Da nun mein Ziel, mein höchster Endzweck der freie Vernunftmensch" ist, so verstehe ich unter reinen Mitteln im engern Sinne, oder unter dem reinen Mittel" lediglich solche Massnahmen, welche mich, wie überhaupt uns, dem freien Vernunftmenschen thatsächlich näher bringen, nicht aber gegen Freiheit und Vernunft so erheblich verstossen, dass sie in dieser wichtigsten aller Beziehungen mehr schaden als nützen.

4. Individualismus.

„Nimm nicht länger Dinge aus zweiter oder dritter Hand, noch blicke durch die Augen der Toten, noch nähre dich von den Gespenstern in Büchern; auch nicht durch meine Augen blicke, noch nimm aus meiner Hand die Dinge. Höre nach allen Seiten hin und filtriere sie durch dich selbst."

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Walt Whitman.

Unter Wertung" verstehe ich das Beimessen von Wert. Wert" aber bedeutet im allgemeinen Brauchbarkeit zur Mehrung des Angenehmen oder zur Minderung des Unangenehmen.

Gleiche Objekte werden nun von verschiedenen Leuten keineswegs immer gleich, sondern oft sehr verschieden gewertet. Leute von einem gewissen Schlage allerdings haben die Tendenz, übereinstimmend zu werten, ich meine jene Normalen, die keine genügende Selbständigkeit im Fühlen und Denken besitzen, vielmehr Gemüt und Geist wesentlich vom Herkommen beherrschen lassen. Indessen giebt es auch Naturen, welche beim Werten gemäss ihrer Eigenart, ihrer Individualität verfahren, d. h. eigen, individuell*) werten.

*) Der,,Individualismus", diese Schätzung, Bethätigung und Behauptung der Individualität, wird gegenwärtig von den einen schwärmerisch, gleich einer neuen Heils-Religion, kultiviert, von anderen aber als überspannte Selbstschätzung, närrische Originalitätssucht und beleidigende Verachtung der gesunden Normalität betrachtet und demgemäss behandelt. Beide Beurteilungen haben etwas Wahres; ob ich der einen oder der anderen zustimme, hängt von der konkreten Form ab, in welcher der „Individualismus“ sich darstellt. Es ist auch ganz korrekt, der unbedingten IndividualitätsVergötterung entgegenzutreten mit der Frage, welcherlei Individualität

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