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niederen Thatsächlichkeiten jener mechanischen und chemischen Kräfte, welche uns umgeben."

Da mein Ziel der freie Vernunftmensch" ist, so untersuche ich, was die individuelle Wertung hierfür bedeutet, ob Förderung oder Beeinträchtigung.

Da sehe ich denn zunächst, dass der Gegensatz der individuellen Wertung, nämlich die überkommene und übernommene Wertung, in zahllosen Fällen die Freiheit beeinträchtigt. *) Denn ein Wesen ist nur dann frei, wenn es seinen individuellen Bedürfnissen gemäss leben kann; da aber die ihm aufgedrungenen Wertungen häufig nicht für seine Eigenart passen, so fühlt es sich, sobald dieser Widerspruch zwischen Normalität und Individualität aktuell wird, bedrückt, gehemmt, vergewaltigt. Alsdann handelt es sich darum, wer stärker ist, die Normalität oder die Individualität; ist es die erstere, so hat das Individuum seine Freiheit und wohl auch eine Portion Freiheitssinn eingebüsst und wird nun in der Knechtschaft des Philistertums mit sklavischem Behagen vegetieren, oder im Joche dahin siechen und verkümmern.

Mancherlei Gestalten ziehen mir vorüber, die den Kampf zwischen normaler und individueller Wertung sowie die Naturgeschichte und Bedeutung der Umwertung darstellen. Da die meisten dieser Persönlichkeiten meiner engsten Lebenserfahrung angehören, daher nicht ohne weitläufige Erklärung dem Leser verständlich sein würden, so beschränke ich mich auf die Betrachtung einer Gestalt, welche der Dichtung angehört, also jedermann zugänglich ist. Ich meine Frau Alving in Ibsens „Gespenstern". Sie ist in den engen Schranken des religiösen Glaubens, der strengen Moral und guten Sitte" erzogen und hat sich vor diesen heiligen Autoritäten beugen gelernt. Als gehorsame Tochter heiratet sie den jungen vermögenden Hauptmann Alving. Die kecke, ungebundene Lebenslustigkeit dieses Mannes ist ihrem unreifen, in strenger Be

*) Alles, was von einem anderen abhängt, verursacht Schmerz und alles, was von mir selbst abhängt, gewährt Vergnügen.“ Manu.

schränktheit erzogenen Mädchensinn unbegreiflich. Sie ist eben gewöhnt, alles mit den normalen Werten, ihren moralischen Idealen, zu messen. Charakteristisch lautet ihr Geständnis: „Man hatte mich etwas gelehrt von Pflichten und dergleichen, an die ich bisher geglaubt hatte; alles mündete in Pflichten aus, - in meine Pflichten und in seine Pflichten." So ist es denn erklärlich, dass sie auf die Lebenslust ihres Gatten nicht kameradschaftlich einzugehen vermag, sondern ihr mit kalter Abweisung entgegentritt. Peinlich berührt und immer mehr abgestossen, sucht der Mann Entschädigung in seinen Junggesellen-Vergnügungen und entwickelt seine Lebenslust, die unter dem Einfluss einer teilnehmenden Gattin hätte veredelt werden können, zu widerlicher Roheit. Das Unglück der Ehe ist somit fertig, heraufbeschworen durch traditionelle Wertung. Von einer Ahnung dieses Zusammenhangs erfüllt, rafft sich Helene Alving in plötzlichem Freiheitsdrange auf zur Empörung gegen die ihr aufgedrungenen Pflichten. Doch alsbald erlahmt ihre Widerstandskraft, sie beugt sich wieder der alten Moral, da ihre Erfahrungen noch nicht zur energischen Bethätigung ihrer Individualität, zur Umwertung der Lebensverhältnisse ausreichen. Weitere Jahre, Leiden und Kämpfe indessen reifen die Selbständigkeit ihres Fühlens und Denkens, und nun entwickelt sich in stürmischem Tempo ihre Emanzipation von den ,,Gespenstern", den traditionellen, normalen Wertungen.*)

*) Ich schildere diesen Prozess mit feinsinnigen Worten von Lou Andreas-Salomé (,,Henrik Ibsens Frauen-Gestalten", Berlin 1892 bei H. Bloch):

„Es beginnt ihr klar zu werden, dass die Lebenspflicht, für die sie kämpft und leidet. eine ihr von aussen aufgedrungene ist, dass sie nicht aus ihrer eigenen Überzeugung stammt. Sie hat die ideale Losung nicht selbst über den Eingang zu ihrem Leben geschrieben, sie hat nur gläubig gewähnt, eine göttliche Hand habe sie dort in unvergänglicher, unauslöschlicher Goldschrift eingegraben. Die erste, instinktive Entscheidung ihrer Natur hat anders gelautet, ist eine unwillkürliche Abwehr und Flucht gewesen. Nun musste sie sich an einem ihr fremden, ihr aufgezwungenen Massstab entwickeln, zu sich selbst gelangen im Kampfe

Die Morgensonne taucht empor aus Nacht und Nebeln, als die Gespenster", jene traditionellen, normalen Wertungen, sich ihr letztes Opfer aus der heimgesuchten Familie holen, Frau Alvings Sohn, den armen Oswald; und diese glühende Sonne ist ein Symbol jener Freiheit und höhern Wahrheit, die in der individuellen Wertung liegt, in der aus eigenartigen Lebenskämpfen und Erfahrungen gewonnenen Neuwertung.

Und solch eine Sonne ist die individuelle Wertung nicht allein für das wertende Individuum, sondern in gewisser Hinsicht für die gesamte Menschheit. Denn gleichwie die physische Sonne dem Pflanzenreich, das unter des Winters Herrschaft erstarrt lag, neue Triebkraft einflösst, so wirkt jede Emanzipation der Individualität anregend auf die Entwicklung des gesamten geistigen Lebens. Verkommen würde ja die Ideenwelt in all der Knechtschaft, wenn nicht individuelle Auflehnungen gegen das Normale immer wieder neues Leben,

um etwas, das sie selbst weder war noch wollte. So kommt es, dass ihre Handlungen noch dem übernommenen traditionellen Ideal gelten, während schon die Erkenntnis und die Einsicht, die sich ihr in ihnen erschliessen, sich jedesmal tadelnd und zweifelnd gegen ihr eigenes Thun kehren. Und so kommt es, dass jedem Siege, den sie in ihren Handlungen über sich selbst erfochten, das klare Bewusstsein davon folgt, dass eine tragische Verwechslung sie gegen ihre eigene Sache und Gesinnung hat kämpfen lassen. Deshalb steigert sich jene erste instinktive Flucht vor dem Pflichtzwang langsam und furchtbar zu einem tragischen Zwiespalt ihres ganzen innern Lebens, der am Schluss aller Opfer und Preisgebungen ausmündet in die Erkenntnis. dass sie einen Irrkampf gekämpft, und dass die Götter, unter deren Banner sie gestritten. Gespenster und wesenlose Schattengebilde waren

das

Es klingt und jubelt . . . wie eine Versöhnung des Zwiespaltes ihres ganzen Lebens. Denn was die erzwungene Heilighaltung der traditionellen Ideale nicht vermochte: sie dem Geist, dem Wesen ihres Gatten liebevoll zu nähern, ihm ihre Seele milde zu erschliessen, vermag die volle, vorurteilsfreie Erkenntnis zn gewähren. Die Wahrheit, die bisher idealzerstörend, unerbittlich durch ihr Leben hindurchschritt, und der sie dennoch immer wieder unerschrocken folgte, mit dem heissen Drang und Durst ihrer Sehnsucht, strahlt endlich auf über ihr in einem alles umfassenden Glanze, in welchem sie Ideal und Wahrheit in einem neuen, grossen und sieghaften Zusammenhange schaut."

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frische Triebkraft hineinbrächten. Denn Normalität, Gleichmacherei bedeutet im geistigen Leben Stillstand, Starrheit, Tod, Individualität, Differenzierung aber Entwickelung, Leben. Drum erscheint mir so treffend das Wort, welches Ibsen in einem Briefe gebraucht: ,,Worauf es ankommt, das ist die Revolutionierung des Menschengeistes." Und zwar verstehe ich darunter nicht die Revolutionierung in einer Richtung auf einem bestimmten Lebensgebiete, sondern die ewige Revolutionierung gegen jegliche Stagnation, auch die „Umwertung der Werte".

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Den Wert der Revolutionierung gegen das Normale zeigt auch die Geschichte der Organismen. Bei dem Wechsel, welcher sich in den äusseren Umständen der Pflanzen und Tiere beständig vollzog und welcher natürlich häufig die Existenz einer ganzen Art bedrohte, wäre deren Dasein wohl nicht erhalten worden, hätte nicht die Differenzierung innerhalb der Art gewisse Rettungswege eröffnet. Je reichlicher nun die Differenzierung ist das gilt sowohl von den Wertungen wie von den Lebewesen, desto grösser ist die Aussicht auf eine flotte Fortentwicklung. Denn die Wertungen konkurrieren mit einander, und wie der „Kampf ums Dasein" in der Welt der Organismen gewöhnlich zum Siege des Stärkeren führt, und wie die Konkurrenz auf volkswirtschaftlichem Gebiete eine Elite von Kapitalisten erfolgreich hervorgehen lässt, so bringt auch der Wettbewerb der verschiedenen Wertungen eine Auslese derjenigen zu stande, welche am brauchbarsten sind, während die unpassenden, verkehrten Wertungen ad absurdum geführt und aufgegeben werden. Je grösser aber die Zahl der Konkurrenten, desto mehr Aussicht dafür, dass die Sieger wirklich tüchtig sind, dass also die Erleuchtung, Befreiung und Beglückung des Menschengeschlechtes gefördert wird.

Man könnte aus dieser Betrachtung einen Einwand gegen meine Schätzung der individuellen Wertung schöpfen, könnte nämlich sagen: wenn der Ausgang der Konkurrenz gewöhnlich in dem Siege und der Erhaltung des Tüchtigen besteht, so ist Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass diejenigen Wertungen,

welche die grösste Verbreitung, die Herrschaft, besitzen, also die normalen Wertungen, auch die tüchtigen sind.

Indessen ist dieser Schluss zunächst formell falsch. Denn daraus, dass alle Tüchtigen ihr Dasein und ihre Wirksamkeit erhalten, folgt nicht, dass alles, was Dasein und Wirksamkeit hat, auch tüchtig ist. Sodann kann man gewiss nicht sagen, dass die herrschenden Werte ihre Anerkennung immer ihrer Tüchtigkeit verdanken; vielmehr wird ihre Herrschaft oft durch brutale Gewalt erzwungen; ich erinnere nur an die christlichen Wertungen zur Zeit der üppigsten Kirchentyrannei. Endlich kommt es sehr häufig vor, dass eine Wertung einst, als sie noch individuell war, wirklich befreiend wirkte, späterhin aber, seit sie normal wurde, nur noch eine veraltete Satzung bedeutet. Diese Beobachtung führt Ibsens Dr. Thomas Stockmann zu der Äusserung:

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,,Die Mehrheit hat niemals das Recht auf ihrer Seite. sage ich. Das ist eine jener landläufigen Gesellschaftslügen, gegen die jeder freie, denkende Mann sich auflehnen muss. Wer bildet denn die Mehrheit der Bewohner eines Landes, die Klugen oder die Dummen? Ich denke, wir alle sind darin einig, dass die Dummen die geradezu überwältigende Majorität bilden rings um uns her auf der ganzen weiten Erde. Aber das kann doch nie und nimmer das Richtige sein, dass die Dummen über die Klugen herrschen sollen . . . Die Mehrheit hat die Macht leider aber das Recht hat sie nicht. Das Recht hab' ich und einige wenige, einzelne. Die Minderheit hat immer Recht . . .

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Ich denke an die Wenigen, die Einzelnen unter uns, welche sich all die jungen keimenden Wahrheiten angeeignet haben. Diese Männer stehen gewissermassen draussen unter den Vorposten, die soweit vorgeschoben sind, dass die kompakte Majorität bis dahin noch nicht hat nachrücken können und dort kämpfen sie für Wahrheiten, die noch zu jung sind im Bewusstsein der Welt, als dass sie bereits eine Mehrheit hätten für sich gewinnen können . . .

Ich gedenke Krieg zu führen gegen die Lüge, dass die Mehrheit im Besitz der Wahrheit sei. Was sind denn das für Wahrheiten, um welche die Majorität sich zu scharen pflegt? Es sind die Wahrheiten, die so hoch zu Jahren gekommen, dass sie sich bereits abgelebt haben. Ist jedoch eine Wahrheit so alt geworden, so ist sie auf dem besten Wege eine Lüge zu werden. Ja, ja, ihr mögt mir glauben oder nicht, aber die Wahrheiten sind nicht so zählebige Methusalems, wie die Menschen sich einbilden Eine normal gebaute Wahrheit lebt

nun

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