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sagen wir: in der Regel fünfzehn, sechzehn, höchstens zwanzig Jahre; selten länger. Aber solche bejahrten Wahrheiten sind stets entsetzlich dürr und mager. Und dennoch macht sich erst dann die Mehrheit mit. ihnen zu schaffen und empfiehlt sie der Menschheit als gesunde geistige Nahrung. Aber ich kann euch versichern: es ist nicht viel Nahrungsstoff in einer solchen Kost, und darauf muss ich mich als Arzt verstehen Alle diese Majoritätswahrheiten gleichen dem überjährigen ranzigen Speck; sie sind wie verdorbner, grün angelaufener Schinken; und daher kommt all der moralische Skorbut, der rings um uns her in der Gesellschaft grassiert .

Ich halte mich so eng an den Gegenstand wie nur möglich, denn wovon anders red' ich hier, als dass die Masse, die Mehrheit, die verwünschte kompakte Majorität es ist, welche unsre geistige Lebensquelle vergiftet und den Boden unter uns verpestet?"

Und als ihm eingewendet wird, dass es doch besonnen sei, nur den sichern, anerkannten Wahrheiten zu huldigen, entgegnet Stockmann:

,,Ach, reden Sie doch nicht von sichern Wahrheiten! Die Wahrheiten, welche die Masse anerkennt Idas sind die, für welche in den Tagen unsrer Grossväter gekämpft wurde. Wir, die jetzt lebenden Vorposten des Wahrheitskampfes, anerkennen dieselben nicht mehr, und ich glaube auch nicht, dass es irgend eine andere sichere Wahrheit giebt, als die, dass keine Gesellschaft von solchen alten marklosen Wahrheiten gesund zu leben vermag."

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Aber, so wird vielleicht des Weitern eingewendet, steckt denn nicht in den traditionellen Wertungen eine Fülle von Weisheit, nämlich die Weisheit unserer Vorfahren? Zuweilen allerdings; ich gebe auch zu, dass die Weisheit der Vorfahren für die Nachwelt befreiend wirken kann; indessen nur unter Umständen!

Gerade unser Interesse an der Weisheit führt uns vom Normalismus ab, dem Individualismus zu. Denn der Weise, der Geniale ist doch kein durchschnittlicher, normaler, sondern ein seltener, durchaus individueller Mensch, während die Beschränktheit normal und die Normalität, die grosse Masse beschränkt ist. Wie auf dem Düngerhaufen am Wege eine Blume wächst voll reinen Duftes, den Geist erfrischend, so strahlt aus dem dummen Haufen des Volkes der Weise hervor. . . . Wie der auf hohem Berg Stehende ruhig die Ebene

.

zu seinen Füssen überschaut, so blickt der Weise auf die thörichte Menge. . Wie der starke Fels unbeweglich im Sturm dasteht, so wird der Weise vom Tadel und Beifall nicht bewegt", sagt Buddha.

Parabeln vom Individualismus.

Die Wahrheit.

Auf einer Palette waren allerlei Farben versammelt. Vor der Staffelei aber stand der Maler und wollte die Wahrheit malen.,,Nimm mich!" rief ihm das Grasgrün zu; „,ich bin die Farbe der Wahrheit!"

,,Nein, ich bin die Farbe der Wahrheit!" ersetzte das Himmelblau.

„Aber seht ihr anmassenden Tröpfe denn nicht, dass die Wahrheit braun ist?" meinte das Braun.

Und so behaupteten Rot und Schwarz und Weiss, überhaupt alle Farben dasselbe.

Der Künstler aber kümmerte sich nicht um dies Gezänk, sondern schaute mit geistigem Auge tief die Wahrheit an, wie er sie im Innern trug, nahm mit breitem Pinsel Himmelblau, dann zu den Wolken Weiss und Grau, mischte Grün mit Gelb und auch mit Braun, gebrauchte ein Tüpfelchen Rot und wandte so alle Farben an, jede für eine bestimmte Stelle, bis das Gemälde fertig war - und sieh, es war Wahrheit!

Lichter und Schatten.

Auf der Strasse einer Grossstadt stand eine Anschlagsäule. Der Abend begann zu dämmern, und so ward der benachbarte Juwelierladen für die Kunden erleuchtet. Hierdurch erhielt auch die Säule einige Beleuchtung, was den Laden veranlasste, mit Genugthuung zu sagen: „Ich erkenne die Säule; ich weiss, welches ihre helle, und welches ihre dunkle Seite ist."

Bald darauf blitzte das elektrische Licht der Strassen

laterne auf und beleuchtete grell die Säule, welche nun eine neue Licht- und eine neue Schattenseite hatte.

Und als nach einiger Zeit der Vollmond vom Dach eines Hauses herab lugte, erhielt die Säule auf einer dritten Seite Licht und den entsprechenden Schatten.

Nun war es merkwürdig zu sehen, wie die verschiedenen Lichter und Eigenschatten der Säule sich mischten, bekämpften oder verstärkten, und wie von ihr drei zarte, verschieden gefärbte Schlagschatten nach verschiedenen Richtungen ausgingen. Das konnte freilich nur ein gut beobachtendes Auge entdecken.

Der Pfadfinder.

Aus der Waldlandschaft ragte ein schroffer, kahler Felsen empor. Keine Blume, kein Strauch, kein Baum schenkte ihm Achtung. Wenn die Pflanzen ihren Samen den Winden zur Verbreitung übergaben, so galt es als selbstverständlich, dass der Felsen völlig unfruchtbar und daher zu meiden sei.

Ein unscheinbares Moospflänzchen aber sagte zu seinen Samenstäubchen: ,,Fliegt, wohin ihr wollt, Kinder, sei's auch auf den kahlen Felsen, die anderen Pflanzen halten ihn zwar für ewig unfruchtbar; doch wer weiss?"

So liess sich denn ein Samenstäubchen von der Luft auf den Felsen tragen. Er war in der That sehr ungeeignet für Pflanzen; dennoch bot sich dem Samenstäubchen in einer Ritze ein wenig Sandboten dar, es keimte und ward ein Moospflänzchen. Die Pflanzen im Thale, welche hiervon durch die Luft erfuhren, liessen ihm sagen: „Du einsamer Sonderling! Wir begreifen nicht, was Du Gutes an dem garstigen Felsen finden kannst?" Das Moos aber liess den Zweiflern erwidern: „Ich weiss, was ich weiss, mögt ihr's begreifen oder nicht!"

Indem nun das Moos seine Wurzeln eingrub, zerbröckelte es das Gestein und bereitete Erde; einige Gräser kamen ihm bei dieser Arbeit zu Hülfe; das eingedrungene Wasser sprengte, indem es zur Winterzeit gefror, vom Felsen manchen Brocken ab; eines Frühlings sah man sogar, dass ein Birkenkind sich

droben angesiedelt hatte; und als aus dem Kinde ein Bäumchen geworden war, bedeckte den Felsen bereits eine beträchtliche Humusschicht nebst einer Pflanzenkolonie.

Nach einer Reihe von Jahren, sieh, da galt es als selbstverständlich für alle Pflanzen, dass man auf dem Felsen ebenso wohl gedeihen könne, als im Thale.

Der Archaeopteryx.

Auf der Heide hockte schwatzend ein Krähenschwarm. Ein Witzbold hatte soeben die Geschichte von jener Krähe, die sich mit Pfaufedern schmückte, erzählt, und nun lachten die versammelten durcheinander: Ha, die Närrin! Ihr geschah ganz recht, dass man sie zerzauste! Warum wollte sie auch mehr sein als die anderen Krähen?"

Finster blickend hörte eine greise Krähe dies Geschwätz. „Vernehmt eine andere lehrhafte Geschichte!" begann sie. „Es war einmal eine Eidechse, die wollte auch mehr sein, als Ihresgleichen, etwas ganz Besonderes wollte sie sein, nämlich ein Vogel!"

„Ha, ha, hört doch, hört!" lachten die Krähen; „eine Eidechse war so verrückt, dass sie ein Vogel sein wollte! Und was geschah mit dieser Grössenwahnsinnigen?"

Ruhig und gewichtig versetzte die Greisin: „Was mit ihr geschah? Sie ward ein Vogel, der Urvogel unserer Erde, der Archaeopteryx, von dem wir alle abzustammen die Ehre haben!"

5. Individuelle Mittelwertungen.

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Ausser der gewollten Wirkung, dem „Zweck" falls er überhaupt erreicht wird hat das Mittel, wie gesagt, noch andere Wirkungen; und diese Nebenwirkungen sind zuweilen recht schädlich, indem sie den Zweck beeinträchtigen, vielleicht gar vernichten, oder indem sie andere, hohe, ja höhere Zwecke verletzen. Da heisst es denn all die verschiedenen Wirkungsströme des Mittels überschauen, ermessen, vergleichen, um das Facit, die Mittelwertung, zu gewinnen. Und das ist nicht leicht.

Freilich wer sich kritiklos, ein geistiger Knecht, der normalen Wertung hingiebt, findet bei der Beurteilung der Mittel wenig Schwierigkeiten, verfolgt sorgenlos und sicher den vorgeschriebenen Weg, - wie das Zugpferd im Banne der Landstrasse. Selbstverständlich, vernünftig, sonnenklar ist ihm die herkömmliche Mittelwertung, verschroben, unsinnig, vermessen jede Abweichung davon.

Anders das Individuum. Seine Besonderheiten im Fühlen. in der Lebenserfahrung u. s. w. offenbaren ihm an den Mitteln allerlei neue Seiten, Nebenwirkungen, die vom normalen Menschen nicht bemerkt oder nicht gewürdigt werden, und geben diesen Nebenwirkungen eine aussergewöhnliche, vielleicht gewichtige Bedeutung. So gelangt es zuweilen dazu, ein vom Herkommen geschätztes Mittel umzuwerten, in seiner Unreinheit

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