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1. Idealismus.

Ein,,Ich" singe ich, eine einfache abgesonderte Person
Siehe, ich gebe weder Vorlesungen noch Almosen;

Wann ich gebe, gebe ich mich selbst.

Ich feiere mich selbst und singe mich selbst;

Und alles, was ich mir herausnehme,

Das magst du dir herausnehmen,

Denn jedes Atom gehört sowohl dir wie mir.

Walt Whitman.*)

Man weiss, dass keimende Vorstellungen, die am Tage, von den Eindrücken der aufdringlichen Aussenwelt überwuchert, nicht zur Entwickelung gelangen konnten, gern im nächtlichen Traume wieder auftauchen, um dann ungestört sich auszugestalten, zu grossen Bildern und Geschehnissen, zu ganzen Welten. Nicht allein der Schlaf, sondern überhaupt die Abgeschiedenheit und Stille begünstigt die Entwickelung solcher Keime. Und nicht nur Vorstellungen und Gedanken sind es, worauf dies psychologische Gesetz seine Anwendung findet, sondern auch Gefühle und Strebungen. Was im Gewühl des gesellschaftlichen Lebens mit flüchtiger, vielleicht kaum merklicher Berührung mein Gemüt-sympathisch oder antipathisch- traf, das wird in der Stille, vielleicht im Unbewussten, verarbeitet zu bestimmten Werten und aneinandergereiht, zusammengefügt mit anderen Werten. Ein System, ein Gebäude von gewerteten Vorstellungen, von Wünschen, Lieblingsträumen wächst so empor, eine gedankliche bessere Welt, ein Ideal, ein Luftschloss.

*) Leaves of Grass.

Luftschlösser werden nun freilich vom platten Rationalismus der Menge verachtet, und der Idealist gilt ihr als ein unpraktischer Träumer. In der That giebt es ja auch viele Narren, die sich den Heroenmantel des Idealismus umhängen. Doch für diese albernen Phraseure darf der Idealismus ebensowenig verantwortlich gemacht werden, wie die Poesie für die Dichterlinge.

Luftschlösser, die aus den Lebenserfahrungen, aus dem eigenartigen Fühlen und Denken eines Individuums erwachsen, haben einen hohen Wert. Sind sie nicht Baupläne, nach denen das Individuum sein Dasein und die Welt überhaupt zu gestalten sucht, und die mindestens teilweise ihren Adel dem Leben mitteilen? Sind nicht die Luftschlösser einzelner starker Geister vorbildlich gewesen für ganze Gesellschaften? Und gleichen nicht selbstgeschaffene Ideale den Ranken der Schlingpflanze? Ins Blaue, ins Leere tasten sie hin und wieder, ohne Halt zu finden, gebeugt, auch wohl geknickt von ihrer eigenen Schwere, gezaust und umhergeworfen vom Winde. Doch die Pflanze konnte gar nicht umhin, Ranken zu treiben; Organe des Lebens sind sie, und oft gelingt es ihnen, Stützpunkte zu finden, um so der Pflanze bei ihrer Entfaltung einen grossen Dienst zu leisten. Unpraktisch, utopistisch schalt man schon manches Luftschloss, das seine Spötter Lügen gestraft hat, indem es sich verwirklichen liess; ich erinnere nur an die Luftschlösser eines Kolumbus und James Watt. Ist aber ein Luftschloss wirklich unausführbar, so hat es doch den Wert eines provisorischen Ausdruckes und Lebensmittels für ein Streben, das vielleicht in hohem Grade verdient, dem Individuum, ja dem Menschengeschlechte erhalten zu werden, sei's auch vorläufig in der utopistischen Form, bis die Meister sich einstellen, die es durch Umbau praktisch machen.

Ihr verherrlicht die intellektuelle Seite des Menschen, seine Fähigkeit, die Welt in seinem Geiste wiederzuspiegeln, anschaulich oder begrifflich zu erfassen, was etwa wirklich ist. Mit Recht; doch unterschätzet nicht eine andere Seite unserer Natur: die Kraft, der Welt Ziele zu stecken, zu wollen,

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