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durch dem Christenthume erst auf die Beine geholfen und sein Werth verherrlicht werden müsste!) nun aber dieses Tacitus als römischer Geschichtschreiber nicht thut, ergo ist er unbillig und einseitig. Wie gut es übrigens Serenius mit dem Christenthume und seinen Bekennern auch meint, seiner Schlussweise, seiner Ansicht über Tacitus und dessen geschichtliche Darstellung kann man nicht den gewünschten Beifall schenken.

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Will man nämlich des Tacitus Urtheil über das Christenthum und die Christen seiner Zeit richtig auffassen, gehörig prüfen und würdigen: so muss man meines Erachtens vor Allem dabei bedenken, dass Tacitus kein christlicher Theolog ist, von dem man also auch nicht erwarten darf, dass er wie ein christlicher Theolog bloss zu Gunsten des Christenthums spreche und schreibe; vielmehr ist zu bedenken, dass er ein römischer Geschichtschreiber ist, und als solcher die Erscheinungen der Zeit, die Thatsachen der Vor- und Mitwelt auffassen und wiedergeben muss, wie sie sich eben in der Zeit gestaltet und wie er sie im Leben vorfindet. Dieses kann nun natürlich nicht ohne strenge Wahrheitliebe und Unparteilichkeit geschehen; dass aber diese beiden Haupteigenschaften eines echten Geschichtschreibers Tacitus bei vielen andern lobenswerthen Eigenschaften sich ausschliesslich zur heiligsten und unerlässlichsten Pflicht gemacht, wissen wir.

Wenn nun Tacitus die Christen seiner Zeit per flagitia invisos nennt: so hat er sicherlich auch triftige Gründe dazu gehabt, oder er ist ein offenbarer Lügner, dem kein Glaube beizumessen ist, und kein Geschichtschreiber, was wohl schwerlich jemand zu behaupten wagen dürfte; dass er aber diese flagitia der Christen nicht näher bezeichnet, ist kein Grund gegen das Factum, vielmehr ein evidenter Beweis, dass die flagitia offenkundig und seinen Zeitgenossen, für die er schrieb, allbekannt waren. Und wenn auch manche Fehler und Verbrechen, deren die Christen des ersten Jahrhunderts von Seiten der Juden und Heiden beschuldigt wurden, grundlos waren und nur auf irrigen Ansichten und falschen Vorstellungen beruhten, wie z. B. der Atheismus, die Magie, die Ovsotaa dɛinva und Oidirodεiai μigais (epulae Thyesteae und concubitus incesti), auch die avoorоgayia, von denen fast bei allen Apologeten dieser Zeit die Rede ist (vergl. Kortholt Histor. Eccles. p. 14. De persecut. ecclesiae primaevae etc. Rechenberg Disputatio de Atheismo Christianis olim a Gentilibus objecto); ferner, dass sie einen Eselskopf verehrten und die Schamtheile ihres Gemeindevorstehers anbeteten (S. Minutius Felix Octavius cap. 9): so mochten sie sich doch hin und wieder Verbrechen schuldig gemacht haben, und Fehler begehen, die selbst unparteiische und billig denkende Römer dieser Zeit wie ein Tacitus nicht gleichgültig übersehen konnten. Dafür spricht auch der Umstand,

So

dass Sclaven christlicher Herren und selbst gefolterte Christen dergleichen ausgesagt hatten, wie aus Just. Martyr. Apolog. II, 12. S. 96 und Euseb. Histor. Eccles. V, 1 ersichtlich ist. scheinen z. B. bei den so genannten Liebesmahlen (Agapen) der ersten Christen wirklich Ausschweifungen aller Art vorgekommen zu sein, wie nach Tertullian geschlossen werden kann, welcher in seinem Apologetikus 39 die Agapen der Christen zwar vertheidigt, allein in seiner spätern Schrift adversus Paychicos cap. 17 mit folgenden Worten durchzieht:,, Apud te agape in cacabis fervet, fides in culinis calet, spes in ferculis jacet. Sed majoris his est agape, quia per hanc adolescentes tui cum sororibus dormiunt. Appendices scilicet gulae lascivia atque luxuria."

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Können wir es darum einem wahrheitliebenden und unparteiischen Geschichtschreiber wie Tacitus verübeln, oder ihn der Unbilligkeit und Einseitigkeit beschuldigen, wenn er die. Christen seiner Zeit per flagitia invisos nennt? Werden ja doch noch gegen das Ende des Antoninischen Zeitalters die Christen indocti, impoliti, rudes, agrestes genannt, wie sich aus dem Octavius des Minutius Felix cap. 12 ergibt, Höchst wahrscheinlich mochte sich auch zu den Christen in Rom viel rohes Gesindel, entlaufene Sclaven, Sünder und Verbrecher aller Art, die Aufnahme, Erlösung und Vergebung zu finden hofften, gesellt haben; auch mochten die meisten aus benachbarten Dörfern und Provinzialstädten zusammenströmen, und die wenigsten darunter eingeborne Römer sein.

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Aus diesem Allen scheint mir nun auch mit grosser Wahrscheinlichkeit hervorzugehen, dass es mit der gepriesenen Heiligkeit und grossen Frömmigkeit der ersten Christen nicht so ganz richtig gewesen sei; und dass überhaupt die Christen des ersten Jahrhunderts nicht auf der Höhe gestanden haben mögen, auf welche sie gewöhnlich von unsern Theologen und Kirchenhistorikern, selbst von einem Joh. Matthias Schröckh gesetzt werden, der in der Praefatio seiner Historia Religionis et Ecclesiae Christianae §. XXIII. p. 25 sagt: „Prima quidem (periodus) a Christo nato ad Constantinum M. ab anno aerae vulgaris Í ad a. CCCVI producta, sinceram et maxima sui parte incorruptam sistit religionem christianam, dignosque eius sanctitate plerosque, qui eam profitebantur."

Vielmehr lebe ich der Ueberzeugung, dass die Christen unserer Zeit seit der Reformation weit höher stehen, und das Christenthum weit richtiger, reiner und geistiger aufzufassen vermögen, als es bei den Christen des ersten Jahrhunderts der Fall war, welche es fast nur sinnlich und schwärmerisch aufgefasst zu haben scheinen wie etwa unsere heutigen s. g. Mystiker und Pietisten was sich aus dem vielgepriesenen Märtyrerthume nachweisen lässt. Für diese Annahme spricht auch schon der

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nicht

von den meisten als gültig angenommene Satz, dass die Menschheit und also doch wohl auch die Christenheit rückwärts, sondern vielmehr von Jahrhundert zu Jahrhundert in seiner geistigen Ausbildung und sittlichen Veredelung vorwärts schreite; ja dass sogar wie jede Kunst und Wissenschaft so auch das Christenthum oder die christliche Religion selbst perfectibel sei, was Krug in seinen lesenswerthen Briefen über die Perfectibilität der geoffenbarten Religion, Jena und Leipzig 1795. 8. darzuthun versucht hat.Dadurch aber, dass man die Christen des ersten Jahrhunderts nicht zu hoch stellt, lassen sich meines Erachtens auch die vielen Beschuldigungen von Thorheiten und Verbrechen, so wie die häufigen grausamen Verfolgungen, welche gegen sie erhoben wurden, weit leichter und natürlicher erklären, als bei ihrer Ueberschätzung.

Ich kann demnach auch mit Tacitus nicht zürnen, wenn er die Christen seiner Zeit per flagitia invisos nennt. Denn wäre dem nicht so gewesen, hätten die Christen damaliger Zeit auf der gepriesenen Höhe christlicher Bildung und Aufklärung gestanden, gewiss würde dann auch der wahrheitliebende und unparteiische Geschichtschreiber Tacitus anders von ihnen geurtheilt haben. Lobte ja doch sein sittlich reiner Charakter das Wahre, Gute und Schöne an Feinden wie an Freunden, wo er es nur vorfand, selbst an den grössten Feinden der Römer, an unsern Altvordern, den alten Germanen, wie sich aus seiner in diesem Betrachte so lesenswerthen Germania genugsam ergibt.

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Wenn aber ferner Tacitus in seinem berüchtigten Urtheile auch das Christenthum angreift, und es eine Superstitio exitiabilis, ein Malum nennt; so müssen wir, die wir uns unter dem Scepter des Christenthums so glücklich fühlen, allerdings über ihn erstaunen. Man wird aber auch hier gerecht und billig sein, und — bei Erwägung des Standpunktes und der Verhältnisse des Tacitus sich mehr geneigt fühlen, seine Unkunde im Christenthume zu bedauern, als ihn einer gehässigen Absicht oder eines bösen Willens zu beschuldigen.

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Superstitio (Aberglaube) war bei den Römern stehender Ausdruck für jede Religion, die mehr oder weniger von ihrem schon Jahrhunderte hindurch bestehenden Cultus abwich. Denselben Ausdruck gebraucht auch Tacitus an einem andern Orte, Annal. XIII, 32., wo es heisst:,,Et Pomponia Graecina insignis femina, Plautio, qui ovans se de Britanniis retulit, nupta, ac su perstionis externae rea, mariti iudicio permissa."- Man vergleiche darüber noch Suet. Ner. XVI, 3 und besonders den in dieser Beziehung so schätzbaren Brief des Plinius (Epist. X, 97). ,,Nihil aliud inveni, quam superstitionem pravam et immodicam. Neque enim civitates tantum, sed vicos etiam atque

agros superstitionis istius contagio pervagata est. Quae videtur sisti et corrigi posse."

Eine superstitionem exitiabilem, ein malum nennt Tacitus das Christenthum, weil er noch zu wenig mit dem wahren Wesen und der Beschaffenheit desselben bekannt war, auf welches er aber von den Bekennern schloss, qui per flagitia invisi erant; dann auch, weil das Christenthum seine Entstehung einem Manne zuschrieb, qui per procuratorem Pontium Pilatum supplicio affectus erat. Denn an dem Kreuzestode des Stifters der christlichen Religion nahmen überhaupt die Heiden grossen Anstoss, wie sich auch aus dem Octavius des Minutius Felix ergibt, wo den Christen vorgeworfen wird, dass sie hominem summo suplicio pro facinore punitum verehrten. Endlich ist wohl Tacitus (wie Plinius in dem angeführten Briefe) auch dadurch zu dem harten Urtheile über das Christenthum veranlasst worden, weil dasselbe überhaupt mit dem Glauben und den Sitten der Zeit, mit der bürgerlichen Ordnung und den bestehenden Gesetzen in Collision kam.

Aus diesen und andern Gründen hielt man damals das Christenthum für schädlich und suchte seine Ausbreitung auf jede Art und Weise zu verhindern, wenn gleich im römischen Reiche und in Rom selbst, dem Sammelplatze aller Culte, quo cuncta undique atrocia aut pudenda confluunt, celebrabanturque, freie Religionsübung gestattet war.

von

Was nun noch die letztern Worte in dem Urtheile des Tacitus über die Christen seiner Zeit betrifft: ,,Igitur, primo correpti qui fatebantur, deinde indicio eorum multitudo ingens, haud perinde in crimine incendii, quam odio humani generis convicti sunt": so glaube ich, dass durch diese Worte, namentlich durch das quam odio humani generis convicti suntdenen die ganze Stelle den Namen des Odii humani generis erhalten hat das ganze berüchtigte und hart scheinende Urtheil des Tacitus bedeutend gemildert wird. - Wenn man freilich jene Worte nimmt, wie oben Serenius, und wie sie von vielen andern und selbst von dem grossen Kirchenhistoriker Schröck genommen worden sind, nämlich im activen Sinne worüber ich mich aber sehr wundern muss dann wird man diese Milderung vergeblich suchen, vielmehr nur eine neue Härte sehen. Denn nach Serenius, Schröck und Andern sollen die Worte quam odio humani generis einen neuen Grund zur Bestrafung der Christen, ein neues Verbrechen und somit einen noch grössern Vorwurf, der die Christen überhaupt betrifft, bezeichnen und so verstanden werden: dass die Christen in Rom nicht sowohl wegen des Brandes, als, vielmehr, weil sie einen Hass, eine Verachtung auf das ganze menschliche Geschlecht geworfen hätten, beschuldigt worden seien. (Vergl. die Aeusse

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rung des Serenius (Gesammelte Zeugnisse der Heiden etc. und Schröck, der sich in seiner Hist. Religionis et Ecclesiae §. IV. p. 69 über diese Stelle mit folgenden Worten erklärt:,,Accedebant aliae calumniae atrocissimae, quibus nomen et fides Christianorum infamabantur, v. c.,,odii generis humani".)

Allein diese Erklärung liegt einmal offenbar nicht in dem Sinn und Geiste des Tacitus und dieser Stelle, ist also erkünstelt und gezwungen; sodann wird dadurch von den vermeintlichen Vertheidigern des Christenthums seinen Bekennern stillschweigend etwas aufgebürdet und dem Christenthume beigegeben, was sich gar nicht mit dem Geiste und Wesen desselben verträgt und seine Bekenner mit Recht verächtlich machen würde.

Der Sinn dieser Stelle ist vielmehr unstreitig der: dass Tacitus im gerechten Unwillen zeigen will, wie grausam und unmenschlich die Christen von Nero behandelt worden seien; wie sie nicht sowohl wegen des Brandes in Rom, als vielmehr, weil sie einmal allgemein verhasst waren, zum Tode verurtheilt wurden.

Das in crimine incendii steht dann statt ob crimen oder des gewöhnlichen crimine incendii; das quam odio humani generis nehme ich in passiver Bedeutung analog dem Plautischen: odium hominum ein verhasster Mensch (homo invisus), oder: odium populi und odium terrae (S. Plaut. Rud. II, 2, 13. Mil. III, 3, 48. Bacch. IV, 7, 22); oder analog der Redensart im Justin. XI, 3: eos esse odium omnium populorum;"→ zu welcher Erklärung auch das vorhergegangene per flagitia invisos veranlasst. Das convicti sunt nehme ich für das gewöhnliche capitis accusati's. damnati sunt.

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Auf ähnliche Weise scheint auch L. Tim. Spittler das quam odio humani generis genommen zu haben. S. Grundriss der Geschichte der christlichen Kirche: Zweite verbesserte Auflage. Frankfurt und Leipzig 1788, wo es S. 30 und 31 heisst: Nero war der erste, der die Christen durch Gesetze verfolgte und sein schändliches Vergnügen, Rom brennen sehen zu wollen, sollten die Christen, so ohnedies Gegenstand des allgemeinsten Hasses waren, mit ihrem Tode büssen."

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Um nämlich das ungerechte, grausame und unmenschliche Verfahren gegen die aus bitterm, unversöhnlichem Hasse verfolgten Christen und zugleich auch das thörichte, kindische Beginnen des Nero bei seinen Lesern recht augenfällig zu machen, verweilt Tacitus absichtlich lange bei diesen Greuelscenen.

Der Römer Tacitus erscheint uns also auch hier als edler Mensch, ja als stiller Bedaurer der gefolterten Christen: weil sie Nero ohne alle gerichtliche Untersuchung we

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