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daß von den beiden wichtigsten Kategorien des menschlichen Denkens, der Kausal- und der Substanzkategorie, die erste im primitiven Denken ungleich kräftiger arbeitet als die zweite. Denn die Vorstellungen von Kausalreihen gehören selbst dann, wenn sie durch Analogiebildung gewonnen sind, zu den sichersten Erkenntnissen des Australiers. Das zeigt sich besonders in den gar nicht seltenen Fällen, wo die Überzeugung, einem Zauber verfallen zu sein, suggestiv den Tod zur Folge hat oder Rettung nur durch die Gewißheit eines Gegenzaubers erzielt wird 60.

Daß diese Art zu denken wirklich in unserem Sinne primitiv, das heißt, nicht nur den eigentlichen Australiern, sondern auch schon den noch kulturälteren Tasmaniern eigen gewesen ist, dafür erwähnte ich früher den Gebrauch der Narbentatuierung und der Knochenamulette 61. Bezeugt ist ferner die Verwendung von Steinen als Repräsentanten von Menschen im Zauber 62. Nur daß hier nicht die Vernichtung, sondern durch pflegliche Behandlung der Steine63 die Behütung Abwesender bezweckt wird.

Dem bisherigen Ergebnisse, daß der Primitive die Welt gewissermaßen durch ein Insektenauge, daß er in der Hauptsache Einzelbeziehungen sieht, die ihre Vereinigung nur durch den Eingang in das gleiche menschliche Wahrnehmungszentrum finden, widerspricht scheinbar die Tatsache, daß doch auch die primitiven Völker höhere Wesen kennen, die in gewissem Sinne das Ganze des Weltalls oder doch größere Abschnitte in ihrem Wirkungsbereiche zusammenfassen. Dem Tasmanier teilt sich die Gewalt über die irdischen Dinge gewissermaßen dualistisch unter zwei Wesen, ein gutes, freundliches, das dem Tage vorsteht, und ein schlechtes, unfreundliches, das die Nacht regiert 64. Doch ist die Entstehung wenigstens des einen, des Nachtgottes, aus dem Denken des Primitiven leicht zu verstehen. Die Ursache schreckhafter Erscheinungen, ungewöhnlich starker Furchtgefühle ist ihm in dem Glauben an den Zauber menschlicher Feinde doch nicht hinreichend klar gegeben. Da erzeugt die Phantasie dem Tasmanier wie den übrigen Australiern unbestimmte Bilder von Urhebern solcher Erscheinungen. Diese Schreckgestalten werden dann wohl teilweise lokalisiert, in Wasserlöchern, Felsabstürzen, unheimlichen Dickichten, hier und da ihnen auch die erfahrungsmäßig geläufige Form eines unheimlichen Ge

schöpfes zugeschrieben, etwa einer Schlange 65. Anderseits wirkt aber gerade der unbestimmte Charakter des zugrunde liegenden Gefühls dahin, dem fraglichen Wesen nicht nur eine unbestimmte Gestalt zu lassen, sondern auch dazu, das gleiche Gefühl bei den verschiedenen Veranlassungen auf das gleiche Wesen zurückzuführen, also die Gestalt zu schaffen, die der Eingeborene mit ganz richtiger Anpassung an europäische Begriffe als,,Teufel" bezeichnet, wie den Brewin in Victoria oder den Cienga bei New Norcia in Westaustralien. Nun ist aber das Allerunheimlichste für den Primitiven die Nacht, die Dunkelheit. Allgemein bekannt ist, daß er kaum zu bewegen ist, im Dunkeln sein Lagerfeuer ohne erleuchtenden Feuerbrand zu verlassen. Das ist die seelische Verfassung, aus der heraus die Nacht als das Übel xat'oxηv erscheint, der Begriff eines Nachtgottes im Sinne einer bösen Gewalt entsteht. Von dieser Gefühlsgruppe her ist es auch zu verstehen, daß der Mond als Nachtherrscher zu einem bösen Wesen wird 66. Doch ist nicht zu erkennen, daß er nun bei diesen Primitiven schon mit dem Nachtgotte zusammenfließt, der böse Gott selbst als Mondwesen auftritt. Ja in der eigentlichen australischen Kultur scheint wenigstens vielfach die andere schon erwähnte Gedankenverbindung die Oberhand behalten zu haben, daß der Mond, das wichtigste der menschlich gedachten Nachtgestirne, der erste Mensch sei 67. Für die Tasmanier ergibt sich jedenfalls mit Wahrscheinlichkeit, daß die eine umfassende Gestalt des Nachtgottes in der unbestimmten Welt des Gefühls ihren Ursprung hat. Zwar ist auch hierbei eine lebhafte Assoziation deutlich. Doch fehlen ihr die scharfumrissenen Einzelformen, die den Dingen der täglichen Erfahrung eigen sind. Kaum fehlgehen werden wir in der Annahme, daß die Gestalt der guten Tagesgottheit eben dem Gegensatze gegen den Nachtgott, etwa der Gefühlsreaktion gegen die Nachtstimmung, ihre Entstehung verdankt. Denn der Begriff des Guten, Angenehmen, Nützlichen ist ja immer nur im Gegensatze gegen Böses, Unangenehmes, Schädliches zu fassen.

Noch umfassender als die Gestalten der beiden tasmanischen Götter ist das Wesen des Allvaters, des großen Schöpfergottes der Australier, wie er vor allem im Südosten des Erdteils, eben der Heimat ältester Kultur nach

den Tasmaniern, zu Hause ist, Mungan-ngauas, Bundjils, Baiames, Nurunderes und wie seine Namen sonst heißen 68. Neben ihm steht meist eine zweite, mächtige, aber untergeordnete Gestalt, die öfter als sein Sohn, häufig jedoch zugleich als Urahn des Menschen gilt. Bisweilen, wie bei den Kurnai, hat der große Gott keine Frau oder eine, die unsichtbar ist, hat auch seinen Sohn gegebenenfalls ohne Frau gezeugt 69. Er gilt vor allem als Schöpfer, als erste Ursache mindestens aller für den Menschen wichtigen Dinge, als erster Verfertiger der wichtigsten Geräte, wie des Bumerangs, als Zauberer, dessen Macht keine Grenzen hat, Häuptling im Himmel. Die Kunde von ihm wird den Jünglingen bei den Einweihungsfesten, wenn sie in den Stand der Männer aufgenommen werden, von den alten Männern mitgeteilt. Diese Feste werden häufig von vielen benachbarten Stämmen gemeinsam gefeiert. Durch Boten werden sie an den Festplatz zusammengeladen, und ein Gottesfriede herrscht während der ganzen Festzeit. Es ist die primitivste Form der Amphiktyonie, die uns hier entgegentritt. Sehr wichtig ist ferner, daß der große Gott nicht nur als Schöpfer und Former aller Dinge gilt, sondern auch als Wahrer der Stammessitte 70. Eben er ist es, von dem erzählt wird, er habe in alter Zeit, als die Menschen die guten Sitten vergessen hätten, zur Strafe den Sinbrand und die Sintflut geschickt. Ich sprach schon davon, daß die Kurnai noch heute beim Erscheinen des Südlichtes gleiche Ereignisse fürchten. Und die Feuerzeremonie der Warramunga in Zentralaustralien hat nicht unwahrscheinlich den Sinn, ein ähnliches Ereignis und ähnliche Furcht den Jünglingen einzuprägen 71. — Was nun Wesen und Sinn des großen Gottes betrifft, so ist erstens zu sagen, daß seine Existenz das lebhafte Kausalbedürfnis der Eingeborenen abschließend befriedigt. Aber Preuß 72 hat vielleicht recht mit dem Zweifel, ob ein so abstrakter Begriff wie die prima causa die Schöpfung einer immerhin so lebensvollen Gestalt durch primitive Menschen hervorzuzurufen geeignet erscheint. Er gilt natürlich auch als Urheber der Riten und Zauber, durch die der Mensch die Natur beherrscht, und insofern sichert seine Existenz auch heute noch den Bestand des Menschengeschlechtes. Ich erwähnte ferner schon, daß die Idee der prima causa sich in ihm an die sehr reale Erscheinung des Tagesgestirns ange

knüpft hat. Die Sonne läßt am Morgen alle Dinge wieder deutlich hervortreten. Sie schafft sie gewissermaßen alle Morgen neu. Die Sonne ist es, die in Nordwestaustralien den Mond als Bumerang von sich fortschleudert, der dann natürlich wieder zu ihr zurückkehrt 73. Sie ist es aber auch, die in Victoria den Mond aus sich heraus erzeugt, ganz richtig ohne Dazwischenkunft eines dritten Wesens. So ist das Spiel der Assoziationen bei Entstehung dieser Göttergestalt klar genug. Und doch verdankt sie ihre überragende Bedeutung, ihre lebendige Herausarbeitung in dieser alten Kultur noch einem anderen Faktor, nämlich dem ethischen. Der Gott gewährleistet nicht nur die physische, sondern vor allem die soziale Existenz des Menschen und damit sein eigentliches Wesen.

Während das tägliche Leben, der wirtschaftliche Kampf ums Dasein den Primitiven in immer wechselnde Lagen, vor lauter verschiedene Bilder und Beziehungen stellt, ist das soziale Dasein und das ist ihm mit dem ethischen identisch die große Ganzheit, in der ihm aller einzelne ✔ Lebensinhalt zusammenfließt. So locker die Bänder sind, die eine primitive Gemeinschaft zusammenhalten, so fest sind sie doch auch. Während er die Bedürfnisse des individuellen Lebens gewissermaßen automatisch nachahmend befriedigen lernt, werden ihm die Gesetze des sozialen Zusammenlebens durch eindrucksvolle Eziehungsmaßnahmen eingeprägt. In den sogenannten Initiationsfeiern, durch die der Jüngling oder Knabe zum Manne gemacht wird, erreicht man diesen Zweck nicht nur physisch durch allerhand zauberhafte Handlungen, sondern dem durch Wachen und Fasten allen Eindrücken zugänglich gemachten Gemüte wird mit dem höheren Wissen der Männerwelt vor allem die vorgeschriebene Stammessitte, in erster Linie Ehrfurcht und Gehorsam gegenüber den alten Männern, eingeimpft, eine Suggestion, die ihre Kraft während der ganzen Dauer des Lebens nicht verliert 74.

Um zusammenzufassen: Die Weltanschauung der Australier einschließlich der Tasmanier umschließt eine große Masse ziemlich unzusammenhängender, jedenfalls ungeordneter Einzelvorstellungen und Einzelbeziehungen. Erweiterung der Erfahrung erfolgt im wesentlichen auf Grund von Assoziationsvorgängen, bei denen das Kausalbedürfnis eine große Rolle spielt, während die Leichtigkeit ihres

Zustandekommens auf eine geringere Wirksamkeit der Substanzkategorie deutet. Tragen hier schon Trieb- und Willenserscheinungen sehr zur Festigkeit der Assoziationsgebilde bei, so sind bei der Zusammenfassung des Weltbildes unter eine oder mehrere Spitzen hauptsächlich außerintellektuelle Faktoren, unbestimmte Gefühle und ethische Bedürfnisse beteiligt.

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Die Anschauungsweise eines Volkes spiegelt sich in seiner Kunst. Die Tasmanier freilich scheinen davon sehr wenig besessen zu haben. Einzig etwa die Art, wie sie ihre Tatuiermarken und ähnliches anbrachten, deutet auf das Vorhandensein eines rhythmischen Gefühls, das natürlich auch in ihren Tänzen hervortritt 75. Die Festlandaustralier kennen dagegen außer der einfachen Ornamentik zwei Seiten bildender Kunst, die ganz deutlich den beiden Hauptseiten ihrer Weltanschauung entsprechen. Erstens werden - besonders in Südost- und Nordwestaustralien Einzelerscheinungen des täglichen Lebens vor allem Tiere, Menschen, Waffen und Geräte in flächenhafter Malerei mit irgendeinem Farbstoff meist auf Felsen, etwa in Höhlen, dargestellt. Die Darstellungen sind roh, geben aber doch die charakteristischen Züge und Haltungen besonders der Tiere sehr gut wieder. Die verschiedensten Zeichnungen auf derselben Fläche stehen der Regel nach in keinerlei Zusammenhang miteinander 76. Bisweilen überdecken sie sich sogar. Anderseits wird der große Gott oft riesenhaft, aber äußerst roh mit einfachster Andeutung der Gliedmaßen dargestellt. Manchmal ist er nur ein Baumstamm mit Querbalken (als Arme) und Andeutung des Haarschopfes. Solche Figuren dienen in erster Linie der Veranschaulichung bei Initiationsfesten; leichtere Formen werden öfter bei Tänzen auf dem Rücken getragen, Strohpuppen im Nordwesten auch auf dem Kopfe 77.

2. Buschmänner.

Kulturverwandt 78 mit den Festlandaustraliern sind, wie bereits erwähnt, die Buschmänner, die bis zum heutigen Tage in Südafrika, besonders in den öden Gebieten der Kalahari, schweifen. Gewiß weist ihre Kultur gegenüber der ihrer schwarzen Brüder im Osten Fortschritte auf. Vor allem besitzen sie als Waffe den Bogen mit vergifteten Pfeilen. Und vielleicht hängt es damit zusammen,

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