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Die Probleme freilich, mit deren Lösung sich die Indogermanen abgeben, haben sie nur zum Teile selbst geschaffen. Sie fanden sie großenteils fertig vor als Ergebnis vielleicht des größten historischen Vorganges der Menschheitsgeschichte, der Entstehung der Hochkulturen.

V. DIE SCHAMANISTISCHE WELT

ANSCHAUUNG DER ARKTIKER

Ehe ich aber auf die Entwickelung in den Hochkulturen eingehe, muß ich noch bei den Arktikern verweilen, erstens weil sie, wenn auch nicht stark an Zahl, doch ein verhältnismäßig weites Erdgebiet einnehmen, von den Lappen im Westen über den ganzen Nordrand Europas, Asiens und Amerikas hinweg bis nach Grönland hin 376, zweitens aber, weil sie in noch weiteren Erdgebieten die Einwirkungen ihrer Kultur hinterlassen haben. In erster Linie ist es die Neue Welt, die in ihrer ganzen Erstreckung bis nach Feuerland hinunter und anscheinend gerade in den ältesten Perioden ihrer Geschichte den früharktischen Einfluß erfahren hat 377. Neben Dingen der materiellen Kultur, wie Bola, Rindenboot, Kinderwiege und Stiefeln, ist es vor allem der Schamanismus selbst, auch wieder mit formellen Eigenheiten der Kultur, wie der Verwendung der Schamanentrommel, der sogenannten Reifentrommel, der uns ziemlich im äußersten Süden von Südamerika, bei den Araukanern, wieder begegnet. Der Animismus in ganz Südamerika weist durch die vorwiegend defensive Haltung den Geistern gegenüber sowie die schützende Tätigkeit der Zauberpriester Verwandtschaft mit dem Schamanismus auf 378. In Nordamerika gar ist die Wirksamkeit der Schamanen ebenso wie Einwirkungen arktischer Kultur in Kleidung, Wohnung u. a. ziemlich allgemein, besonders bei den Stämmen der Athapasken und Algonkin sowie dann weiter bei den sogenannten Prärieindianern, Sioux usw.379. Aber auch die Völker der Alten Welt stehen in mannigfacher Beziehung zu den Arktikern: Die innerasiatischen Turk-Tataren, von denen mehrere Stämme, wie Jakuten und Tungusen, heute in der Arktis wohnen und sich der dortigen Kultur angepaßt haben, stehen doch auch in alter Entwickelungsgemeinschaft mit den Arktikern. Sie

zeigen nicht nur in Kleidung und stellenweise in Wohnsitte (Erdhäuser) gleiche Züge, sondern weisen den Schamanismus in ganz ähnlichen Formen auf, so daß es bei Jakuten und Tungusen nicht immer leicht ist, zwischen altheimischem Gute und dem zu unterscheiden, was sie in der neuen Heimat angenommen haben 380. Endlich ist nicht zu vergessen, daß unser heutiger europäischer Kleidungstypus, besonders der männliche, wie er früh bei Kelten und Germanen auftritt, aber allen südlichen Völkern und so auch den meisten Indogermanen von Hause aus fremd ist, uns in enge Kulturberührung mit den Arktikern bringt 381. Tatsächlich ist die Beziehung europäischer Kultur zu der arktischen vielleicht uralt. Gerade in der fast allerältesten, sogenannten paläolithischen Zeit, lange ehe von Indogermanen überhaupt die Rede ist, zeigen besonders die Kunstformen, die plastische und zeichnerische Knochenschnitzkunst, entschiedene typologische Ähnlichkeit mit dem bei Eskimo und in Resten bei Lappen vorhandenen Typus 382. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, daß die europäische Kultur der diluvialen Zeiten mit der arktischen zusammenhing. So bleibt es immerhin denkbar, daß Formelemente der Weltanschauung nicht nur aus indogermanischer Zeit, sondern aus noch weit älterem Kulturgrunde arktische Bestandteile in die spätere europäische Kulturgeschichte hinübergerettet hätten.

Ihrem Ursprunge nach ist die arktische Kultur, auch abgesehen von den erwähnten mongolisch-türkischen Einwanderungen und anderen sekundären, etwa mutterrechtlichen Einflüssen, kaum ganz einheitlich. Bei den Eskimo und vielleicht schon bei paläolithischen Europäern deutet die Speerschleuder auf totemistische Kultur. Und in dieselbe Richtung weist wieder bei den Eskimo der in der Urzeit auf Pfähle gehobene Himmel, 'dessen Einsturz nach Vernichtung dieser Pfähle droht, und die Sage vom Ursprunge des Todes 383. Dagegen gehört das Gros der Kultur augenscheinlich in die Nachbarschaft einer anderen Entwickelung, die von dem Typus der altaustralischen Kultur zu den mutterrechtlichen Formen führt. Wirtschaftlich beruht die Kultur der Arktiker ganz bestimmt auf altem Jäger- und Sammlertum. Manche Institutionen, wie der berühmte Singstreit der Eskimo, weisen auf älteste Kulturformen selbst der Tasmanier zurück 884. Die äußere Kup

pelform der Winterhäuser entspricht australischen und verwandten Bauformen. Dagegen besteht zwischen der soliden viereckigen Innenkonstruktion und den Viereckbauten der älteren bodenbauenden Kulturen eine Analogie, die sich auch in der Konstruktion der arktischen Rinden- und Fellboots ausprägt 385. Die Zeichenkunst der Eskimo und Lappen zeigt, wenn auch entferntere, Beziehungen zu der Malkunst der Australier und Buschmänner, die Plastik ebenso entferntere Beziehungen zu den älteren Bodenbauern 386. Den Hauptantrieb hat aber die arktische Kulturentwickelung überhaupt nicht aus ihren Wurzeln, sondern aus dem Zwange der Naturverhältnisse gewonnen. Diese nördlichen Randländer der Erde sind ja wohl ohne gewisse kulturelle Vorbedingungen überhaupt kaum besiedelbar. Schon die vollständige, dicke Kleidung dieser Völker, die nirgend sonst auf der Erde außer bei Innerasiaten auftritt,

ist augenscheinlich eine Anpassung an das Klima. Dasselbe gilt von den Wohnungen, den dichteren, im Osten und Westen häufig in die Erde versenkten und mit Erde überdeckten Winterhütten. Die verhältnismäßige Kargheit der Nahrung hat überall einen ausgeprägten Saisonnomadismus zur Folge, ein ständiges Wandern zwischen der Küste, wo Fischfang oder Jagd auf Seesäuger getrieben wird, und dem Binnenlande, wo Jagd auf Landtiere, in Asien Rentierzucht die wirtschaftliche Hauptrolle spielt 387. Dieser Saisonnomadismus hat z. B. bei den Eskimo schon einen religiösen Ausdruck gefunden. Es wird dort streng zwischen See- und Landtieren unterschieden. Wie manche Viehzüchter Blut und Milch streng auseinanderhalten, so darf bei den Eskimo Fleisch von See- und Landtieren nicht gleichzeitig in demselben Topfe gekocht werden. Stoffe, die von Seetieren stammen, wie Seehundsdärme, dürfen nicht auf dem festen Lande verarbeitet werden und so fort 388. Der Einfluß des kargen Landes auf die Rechtsverhältnisse ist ebenso eigentümlich: nirgends auf der Erde sind die Eigentumsbegriffe so unentwickelt; an Stelle des festen Eigens tritt häufig die Okkupation; die Arktiker sind die einzigen Völker der Erde, die merkliche Fortschritte in der Richtung auf den Kommunismus gemacht haben 389. Politisch-sozial sind kleine und kleinste Gemeinwesen über unendliche Flächen zerstreut, Gemeinschaften, deren Grenzen meist sehr verschwommen sind.

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Handelsreisen gehen über riesige Strecken hin, während anderseits Jahrmärkte die Handelsbeflissenen weiter Gebiete an sich ziehen 390.

So ist freilich von einem engräumigen Weltbilde keine Rede. Aber selbst der Begriff der Weiträumigkeit deckt den wirklichen Gedankeninhalt nicht, wenigstens nicht in dem Sinne der organisierten, immerhin begrenzten Weiträumigkeit, den der Begriff bei den Polynesiern hat. Das Weltbild der Arktiker, etwa der Eskimo, ist grenzenlos. Die skizzenhafte Zeichenkunst dieser Völker, die ihre Vorgänge wie am Horizont einer weiten Schneefläche darstellt, stimmt gut zu diesem Weltbilde. Wenn bei den Eskimo jemand nur in die Höhe zu springen braucht, um eine ebene Schlittenbahn zum Hause des Mondmannes zu finden 391, so sieht man, daß selbst die Vorstellung des festen Himmelsgewölbes nur eine sehr theoretische ist. Eine festere Vorstellung von übereinander liegenden Welten mit Einsteiglöchern dazwischen besitzen die Tschuktschen 392. Von höchster Bedeutung, aber doch eben der täglichen Erfahrung angehörend und ganz irdisch ist die oben erwähnte Scheidung zwischen Land und Wasser. Jedes der beiden steht unter Leitung einer Gottheit, die beide ein Ehepaar bilden. Doch scheinen die verschiedenen Stämme der Eskimo nicht einig darüber, ob der Mann das Meer beherrscht und die Frau das Land oder umgekehrt 393. Die Scheidung der Geisterwelt zwischen Ost und West, Süd und Nord, Oben und Unten, wie sie bei den Jakuten mit dem Gegensatz zwischen guten und bösen Geistern verbunden auftritt, ist doch wohl eine jüngere Ausbildung, wie denn dasselbe Volk und die Tungusen auch Elemente einer entwickelteren Mythologie, die Gestalt eines höchsten Himmelsgottes, eines Sonnen-, Feuer-, eines Gewittergottes usw. aus der alten, südlicheren Heimat mitgebracht haben 394.

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Bei weitem der wichtigste Bestandteil der Religion und Weltanschauung arktischer Völker ist aber der Animismus, ein Animismus, in dem ebenfalls das Fortleben des Menschen über den Tod hinaus eine Rolle spielt, in dem aber die Idee der Allbeseelung einen viel bedeutenderen Platz einnimmt als in dem Animismus der älteren Bodenbauvölker 395. Methoden, um die Wiederkehr des Toten oder seine schädigende Wirksamkeit nach dem Tode zu verhindern, scheinen allgemein. Selbst die ältesten Bestattungs

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