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der Erkenntniß und des Urtheils sollte man überhaupt im Auge behalten, um sich damit zu beruhigen, so oft, sei es in Kunst und Wissenschaft, oder im praktischen Leben, starke Irrthümer auftreten und um sich greifen, oder ein falsches, ja grundverkehrtes Beginnen und Treiben sich geltend macht und die Menschen ihren Beifall dazu geben. Da soll man nämlich sich nicht ereifern, noch weniger verzagen, sondern denken, daß sie schon davon zurückkommen werden und nur der Zeit und Erfahrung bedürfen, um selbst, aus eigenen Mitteln, Das zu erkennen, was der schärfer Sehende auf den ersten Blick sah. Die Länge dieser Zeit wird freilich der Schwierigkeit des Gegenstandes und der Scheinbarkeit des Falschen angemessen seyn; aber auch sie wird ablaufen, und in vielen Fällen würde es fruchtlos seyn, ihr vorgreifen zu wollen. Im schlimmsten Falle wird es zulegt im Theoretischen gehn, wie im Praktischen, wo Täuschung und Betrug, durch den günstigen Erfolg dreift gemacht, immer weiter und weiter getrieben werden, bis die Entdeckung fast unvermeidlich eintritt. So nämlich wächst auch im Theoretischen, mittelst der blinden Zuversicht der Dummköpfe, das Absurde immer höher, bis es endlich so groß geworden, daß auch das blödeste Auge es erkennt. Daher soll man zu Dergleichen sagen: je toller, je besser! Auch kann man sich stärken durch den Rückblick auf alle die Flausen und Marotten, die schon ihre Zeit gehabt haben und dann gänzlich beseitigt wurden. Im Stil, in der Grammatik und Orthographie giebt es solche, denen nur eine Lebenszeit von drei bis vier Jahren beschieden ist. Bei den großartigeren wird man freilich die Kürze des menschlichen Lebens zu beklagen haben, allemal aber wohl thun, hinter seiner Zeit zurückzubleiben, wann man sieht, daß sie selbst im Zurückschreiten begriffen ist. Denn es giebt zweierlei Art nicht au niveau de son temps zu stehn: darunter, oder darüber.

Kapitel XXI.

Ueber Gelehrsamkeit und Gelehrte.

$. 244.

Wenn man die vielen und mannigfaltigen Anstalten zum Lehren und Lernen und das so große Gedränge von Schülern und Meistern sieht, könnte man glauben, daß es dem Menschengeschlechte gar sehr um Einsicht und Wahrheit zu thun sei. Aber auch hier trügt der Schein. Jene lehren, um Geld zu verdienen und streben nicht nach Weisheit, sondern nach dem Schein und Kredit derselben: und Diese lernen nicht, um Kenntniß und Einsicht zu erlangen, sondern um schwägen zu können und sich ein Ansehn zu geben. Die eigentlichen Brodstudien habe ich hier nicht ein Mal in Rechnung gebracht.

§. 245.

Studierende und Studierte aller Art und jedes Alters gehn in der Regel nur auf Kunde aus; nicht auf Einsicht. Sie sehen ihre Ehre darin, von Allem Kunde zu haben, von allen Steinen, oder Pflanzen, oder Bataillen, oder Experimenten und sammt und sonders von allen Büchern. Daß die Kunde ein bloßes Mittel zur Einsicht sei, an sich aber wenig, oder keinen Werth habe, fällt ihnen nicht ein, ist hingegen die Denkungsart, welche den philosophischen Kopf charakterisirt. Bei der imposanten Gelehrsamkeit jener Vielwisser sage ich mir bisweilen: 0, wie wenig muß doch Einer zu denken gehabt haben, damit er so viel hat lesen können! Sogar wenn vom ältern Plinius berichtet wird, daß er beständig las, oder sich vorlesen ließ, bei Tische, auf Reisen, im Bade, so dringt sich mir die Frage auf, ob denn der Mann so großen Mangel an eigenen Gedanken gehabt habe, daß ihm ohne Unterlaß fremde eingeflößt werden mußten, wie dem an der Auszehrung Leidenden ein consommé, ihn am Le

ben zu erhalten. Und von seinem Selbstdenken mir hohe Begriffe zu geben ist weder seine urtheilslose Leichtgläubigkeit, noch sein unaussprechlich widerwärtiger, schwer verständlicher, papiersparender Kollektaneenstil geeignet.

§. 246.

Wie nun das viele Lesen und Lernen dem eigenen Denken Abbruch thut; so entwöhnt das viele Schreiben und Lehren den Menschen von der Deutlichkeit und eo ipso Gründlichkeit des Wissens und Verstehns; weil es ihm nicht Zeit läßt, diese zu erlangen. Da muß er dann, in seinem Vortrage, die Lücken seines deutlichen Erkennens mit Worten und Phrasen ausfüllen. Dies ist es, was die meisten Bücher so langweilig macht, und nicht die Trockenheit des Gegenstandes. Denn wie behauptet wird, ein guter Koch könne sogar eine alte Schuhsohle genießbar herrichten; so kann ein guter Schriftsteller den trockenften Gegenstand unterhaltend machen.

§. 247.

Den bei Weitem allermeisten Gelehrten ist ihre Wissenschaft Mittel, nicht Zweck. Darum werden sie nie etwas Großes darin leisten; weil hiezu erfordert ist, daß sie Dem, der sie treibt, Zweck sei und alles Andere, ja, sein Daseyn selbst, nur Mittel. Denn Alles, was man nicht seiner selbst wegen treibt, treibt man nur halb, und die wahre Vortrefflichkeit kann, bei Werken jeder Art, nur Das erlangen, was seiner selbst wegen hervorgebracht wurde und nicht als Mittel zu ferneren Zwecken. Eben so wird zu neuen und großen Grundeinsichten nur Der es bringen, der zum unmittelbaren Zweck seiner Studien Erlangung eigener Erkenntniß hat, unbefümmert um fremde. Die Gelehrten aber, wie sie in der Regel sind, studieren zu dem Zweck, lehren und schreiben zu können. Daher gleicht ihr Kopf einem Magen und Gedärmen, daraus die Speisen unverdaut wieder abgehn Eben deshalb wird auch ihr Lehren und Schreiben wenig nügen. Denn Andere nähren kann man nicht mit unverdauten Abgängen, sondern nur mit der Milch, die aus dem eis genen Blute sich abgesondert hat.

$. 248.

Die Perücke ist doch das wohlgewählte Symbol des reinen Gelehrten als solchen. Sie ziert den Kopf mit einem reichlichen

Maaße fremden Haares bei Ermangelung des eigenen; wie die Gelehrsamkeit in seiner Ausstattung mit einer großen Menge fremder Gedanken besteht, welche denn freilich ihn nicht so wohl und natürlich kleiden, noch so brauchbar in allen Fällen und allen Zwecken angepaßt sind, noch so fest wurzeln, noch, wenn verbraucht, sogleich durch andere aus derselben Quelle ersezt werden, wie die dem selbsteigenen Grund und Boden entsprossenen; weshalb eben Sterne, im Tristram Shandy, so unverschämt ift, zu behaupten: an ounce of a mans own wit is worth a tun of other people's. (Eine Unze eigenen Geistes ist so viel werth, wie zweitausend Pfund von andrer Leute ihrem).

Wirklich verhält auch die vollendeteste Gelehrsamkeit sich zum Genie, wie ein Herbarium zur stets sich neu erzeugenden, ewig frischen, ewig jungen, ewig wechselnden Pflanzenwelt, und keinen größeren Kontrast giebt es, als den, zwischen der Gelehrsamkeit des Kommentators und der kindlichen Naivetät des Alten.

$. 249.

Dilettanten, Dilettanten! - so werden Die, welche eine Wissenschaft, oder Kunst, aus Liebe zu ihr und Freude an ihr, per il loro diletto, treiben, mit Geringschägung genannt von Denen, die sich des Gewinnes halber darauf gelegt haben; weil sie nur das Geld delektirt, das damit zu verdienen ist. Diese Geringschägung beruht auf ihrer niederträchtigen Ueberzeugung, daß Keiner eine Sache ernstlich angreifen werde, wenn ihn nicht Noth, Hunger, oder sonst welche Gier dazu anspornt. Das Publikum ist des selben Geistes und daher der selben Meinung: hieraus entspringt sein durchgängiger Respekt vor den „Leuten vom Fach" und sein Mißtrauen gegen Dilettanten. In Wahrheit hingegen ist dem Dilettanten die Sache Zweck, dem Manne vom Fach, als solchem, bloß Mittel: nur Der aber wird eine Sache mit ganzem Ernste treiben, dem unmittelbar an ihr gelegen ist und der sich aus Liebe zu ihr damit beschäftigt, fie con amore treibt. Von Solchen, und nicht von den Lohndienern, ist stets das Größte ausgegangen.

$. 250.

So war denn auch Göthe ein Dilettant in der Farbenlehre. Darüber hier ein Wörtchen!

Dummseyn und Schlechtseyn ist erlaubt: ineptire est juris gentium. Hingegen von Dummheit und Schlechtigkeit reden ist ein Verbrechen, ein empörender Bruch der guten Sitten und alles Anstandes. Eine weise Vorkehrung! Jedoch muß ich fie jest ein Mal außer Acht lassen, um mit den Deutschen deutsch zu reden. Denn ich habe zu sagen, daß das Schicksal der Göthe'schen Farbenlehre ein schreiender Beweis entweder der Unredlichkeit, oder aber der völligen Urtheilslosigkeit der deutschen Gelehrtenwelt ist: wahrscheinlich haben beide edele Eigenschaften dabei einander in die Hände gearbeitet. Das große gebildete Publikum sucht Wohlleben und Zeitvertreib, legt daher bei Seite was nicht Roman, Komödie oder Gedicht ist. Um ausnahmsweise ein Mal zur Belehrung zu lesen, wartet es zuvörderft auf Brief und Siegel von Denen, die es besser verstehn, darüber, daß hier wirklich Belehrung zu finden sei. Und die es besser verstehn, meint es, das wären die Leute vom Fach. Es verwechselt nämlich Die, welche von einer Sache leben, mit Denen, die für die Sache leben; wiewohl dies selten die Selben sind. Schon Diderot hat es, im Rameau's Neffen, gesagt, daß Die, welche eine Wissenschaft lehren, nicht Die sind, welche sie verstehn und ernstlich treiben, als welchen keine Zeit zum lehren derselben bleibt. Jene Andern leben bloß von der Wissenschaft: fie ist ihnen eine tüchtige Kuh, die sie mit Butter versorgt."

Wenn der größte Geist einer Nation eine Sache zum Hauptstudium seines Lebens gemacht hat, wie Göthe die Farbenlehre, und sie findet keinen Eingang, so ist es Pflicht der Regierungen, welche Akademien bezahlen, diesen aufzutragen, die Sache durch eine Kommission untersuchen zu lassen; wie Dies in Frankreich mit viel unbedeutenderen Dingen geschieht. Wozu sonst sind diese Akademien, die sich so breit machen und in denen doch so mancher Dummkopf sigt und sich bläht, da? Neue Wahrheiten von Belang gehn selten von ihnen aus: daher sollten sie wenigstens wichtige Leistungen zu beurtheilen fähig seyn und genöthigt werden, ex officio zu reden. Vorläufig jedoch hat uns Herr Link, Mitglied der Berliner Akademie, eine Probe seiner akademischen Urtheilskraft geliefert, in seinen „Propyläen der Naturfunde" Bd. 1. 1836. A priori überzeugt, daß sein Universitätsfollege Hegel ein großer Philosoph und Göthe's Farbenlehre eine

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