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Die Gewissenhaftigkeit des Auslegers, die Ehrfurcht vor seinem Text fordert, - das ist die Grundstimmung der heutigen Exegese daß er dessen Inhalt voll und ganz, ohne Eintragung, aber auch ohne Vertuschung zur Geltung bringt.

2. Ein Zweites hängt eng damit zusammen. Unsere Zeit hat einen ausgeprägten Wirklichkeitssinn. Realistik beherrscht wie die Kunst, so auch die Exegese. Ich meine das zunächst in dem Sinne, daß man die Worte wirklich beim Worte zu nehmen sucht, nicht als leere Phrasen; weiterhin aber in dem Sinne, daß man damit möglichst konkrete Vorstellungen verbinden will, nicht einen abgeblaßten bildlichen Sinn. Das ist nicht durchaus neu. In der Schule von Joh. Tob. Beck war der biblische Realismus Grundprinzip 1). Aber gerade im Unterschied von diesem tritt die Eigenart der modernen Realistik deutlich zutage: für jenen war mit dem biblischen Realismus ohne weiteres die Norm für das eigne theologische Denken gegeben. Jetzt wird der Realismus durchgeführt im Zusammenhang mit jener Erkenntnis von dem Unterschied des antiken und modernen Denkens. Ich brauche nur an die paulinische Formel èv Xptot 2) und die reiche Literatur über das biblische „Im Namen" 3) zu erinnern. Wie glatt war die Exegese lange Zeit über diese uns durch den täglichen Gebrauch so geläufig gewordenen Wendungen hingeglitten. Jetzt hören wir, daß ev Xpot in seiner lokalen Grundbedeutung zu nehmen sei: Paulus stellte sich Christus als eine pneumatische (ätherische) Sphäre vor, innerhalb deren der Christ lebt und handelt. Der Name aber, der laut und feierlich ausgesprochene Name hat eine magische Kraft: er wirkt das, was man in Verbindung damit vornimmt oder wünscht. Die weite Verbreitung dieses Namenzauberglaubens hat die Religionsgeschichte erwiesen. Die religionsgeschichtliche Exegese findet ihn auch im Neuen Testament.

1) S. Kübel in RE 3 II 500 ff.

2) A. Deißmann, Die Neutestamentliche Formel „in Christo Jesu“ 1892. 3) F. Boehmer, Das biblische „Im Namen“ 1898; W. Brandt čvoμa Theol. Tijdschr. 1891; Fr. Giesebrecht, Die alttestamentliche Schäßung des Gottesnamens 1901; Hauptschrift: W. Heitmüller „Im Namen Jesu“

1902.

Das sind allerdings für uns moderne, durch den Geist des Christentums erzogene und langsam aber stetig aus aller Superstition herausgewachsene Menschen höchst befremdliche Gedanken. Aber es hilft nichts, sagt man uns, sie stehen nun einmal im N. T., wir können sie nicht hinausschaffen und was mehr sagen will, sie bilden einen wesentlichen Teil urchristlicher Frömmigkeit.

Gewiß wird diese Realistik oft übertrieben. So wenig Paulus, wenn er von einem túños dida×õs redet, dabei an einen schriftlich firierten Katechismus denkt, wie der Dorpater A. Seeberg uns beweisen möchte 1), so wenig stellt er sich Adam als eine Sphäre vor, innerhalb deren die Menschen leben und sterben hier hat eben die Formel èv tập Xplotập in ihrem Gegenstück ¿v tỷ ’Adáμ start ihre ursprüngliche Bedeutung eingebüßt 2). Aber so sehr man auch hierauf Jülichers Bemerkung anwenden mag: „Die Bedeutung der neuen Methode hängt durchaus von dem Takt ab, mit dem sie angewendet wird" 3), so muß doch jeder, der die gleichzeitige Literatur, zumal die Volksliteratur der Apokryphen und Pseudepigraphen etwas kennt, die Berechtigung dieser Realistik anerkennen.

Das gilt vor allem von dem großen Gebiet der Eschatologie, wo sie ja von jeher am meisten ihre Stelle gehabt hat. Der Spiritualismus eines Origenes und aller seiner Nachfolger in alter wie neuer Zeit vertritt ein dogmatisch-philosophisches Interesse. Historisch muß zugegeben werden, daß diese ganze uns so phantastisch anmutende Welt der Apokalyptik für die Verfasser wie für deren Leser die derbste Realität besaß; daß alle weltund kirchengeschichtlichen Deutungen nicht verfehlter sind wie die spiritualistisch individualistische Umbiegung. So alt die Auskunft ist, dem Weltende das Ende des Einzelnen zu substituieren und so berechtigt der darin liegende Fortschritt religiöser Erkenntnis ist, exegetisch bleibt es ein Quid pro quo. Die realistische Eschatologie hat bei Paulus, aber auch bei Jesus eine wesentliche Rolle

1) A. Seeberg, Der Katechismus der Urchristenheit 1903.

2) I K. 15, 22.

3) In einer sehr beachtenswerten Besprechung von W. Bousset, Der Antichrist, ThLz 1896, 377.

gespielt

das muß einfach anerkannt werden.

Ebenso ist es unfraglich, daß der Besiz des heiligen Geistes im Urchristentum nicht wie bei uns als etwas rein innerlich Seelisches, darum äußerlich Unkontrollierbares empfunden wurde, sondern als deutlich wahrnehmbar in einer Fülle von Charismen, meist Wunderwirkungen auf dem Gebiet der Natur. Das gilt auch für Paulus, so gewiß er daneben eine höhere Anschauung von innerlich-sittlichem Wirken des Geistes Gottes im Christen entwickelt hat1). Sollen wir nun sagen, wie die Erklärung seit Alters lautet: jene Charismen seien nur der apostolischen Zeit gegeben gewesen; später habe Gott sie nicht mehr für nötig befunden und seinen Geist nur in anderer Weise in der Kirche wirken lassen 2)? Oder müssen wir nicht anerkennen, daß es sich gar nicht um Tatsachen handelt, sondern um eine urchristliche Anschauung, die auf einer von der unsrigen abweichenden Beurteilung ruht? Sie fand Geisteswirkungen, wo wir sie nicht finden, 3. B. in allerlei Geschicklichkeiten, Organisations- und Redetalent (ganz wie die Primitiven Schmiedekunst und Aehnliches auf Zauberkraft oder Geisterbesiß zurückführen 3), ferner in ekstatischen Zuständen, die wir jetzt als psychopathisch-krankhaft beurteilen; am wenigsten verhältnismäßig in den Erscheinungen eines neuen religiös-sittlichen Lebens. Und müssen wir demgegenüber nicht unsere Auffassung von dem heiligen Geiste als der gottgeschenkten Kraft zu allem Guten höher werten?

3. Ein drittes Charakteristikum der neuesten Exegese endlich ist die Neigung zum Isolieren. Es erinnert oft fast an die alte Allegoristik, die bekanntlich das Einzelwort ohne jede Rücksicht auf den Zusammenhang herausgriff I Kor. 9,9 ist ein Beispiel

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1) H. Gunkel, Die Wirkungen des h. Geistes 1899; H. Weinel, Die Wirkungen des Geistes und der Geister I 1899. Holzmann Bibl. Theol. II 143 ff.

2) Diese Erklärung geht bis auf Origenes und Eusebius zurück (Harnack Mission 152). Vgl. die berühmte Ausführung des Theodor von Mopsueste über das Aufhören der Geisteswirkungen in seinem Kommentar zu II Thess. 2, 6 (53 Swete).

3) Zu I K. 12, 4 ff. 28 vgl. Ex. 28, 3, 31, 2, 35, 31 und K. Th. Preuß im Globus 87, 383.

statt vieler. Nicht daß jezt wieder die Allegorie zur Herrschaft fäme nur hier und da unter dem Einfluß der uns augenblicklich wieder überflutenden spekulativen Welle à la Hegel taucht auch die Allegorie wieder auf wie z. B. bei Kalthoff. Aber das sind Plänkler, Freischärler, die nicht viel bedeuten für die große Marschroute unserer Wissenschaft. Hier ist die Isolierung mit durchaus historischer Methode verbunden. Sie ist bestimmt durch das Bestreben alles perspektivisch zu schauen, das einzelne sofort in eine Entwicklungslinie einzugliedern.

Man macht es sich am besten klar, wenn man ausgeht von der Literarkritik, dem eine Zeitlang von der Eregese als Universalmittel gebrauchten Scheidewasser, um nicht zu sagen, Messer. Sie hat jezt sehr an Kredit verloren, ja es wurden schon Stimmen laut, die ihren Tod anzeigten sehr mit Unrecht. Bei den Synoptikern wird nie eine wissenschaftliche Exegese ohne Literarkritik auskommen, sowenig als beim Pentateuch. Wie aber hier der Jahvist und der Elohist sich längst in J 1 234 bis × und entsprechend E aufgelöst haben, so jezt auch bei den Evangelien. Wenn man bisher glaubte mit der Zweiquellentheorie, allenfalls daneben einem Urmarkus und zweierlei Redaktionen der Logia auszukommen, so geht man jezt über diese Quellen noch weiter zurück. Es werden Bücher über die Quellen des Markus geschrieben 1). Nicht die Spruchsammlung, sondern der Einzelspruch, die Einzelanekdote werden ins Auge gefaßt 2). Eine Kritik, welche etwa das Johannesevangelium oder die Apostelgeschichte nur auf zwei große Quellen verteilt, findet wenig Anklang: es muß eine Menge von Einzelstücken sein. Das kann sehr radikal wirken, aber es kann sich auch ins Gegenteil kehren. Wie ein Philologe inbetreff der Gründungssagen Roms urteilt: das Ganze ist als ungeschichtlich preiszugeben, aber die Einzelheiten sind als historisch festzuhalten 3),

1) R. A. Hoffmann, Das Markus-Evangelium und seine Quellen 1904; vgl. Wendt, Lehre Jesu 2 10 ff., Wernle, Synopt. Frage 208 ff., J. Weiß, Das älteste Evangelium 120 ff.

2) Besonders tritt dies bei P. Wernle, Die Quellen des Lebens Jesu, 1904, hervor.

3) Holwerda in de la Saussaye, Lehrb. der Religionsgesch. II 3 749 ff.

so auch hier. Auch für die Apokalypse ist statt der bisherigen Quellen- und Interpolationshypothesen von Bousset eine Art Diegesenoder Fragmententheorie durchgeführt worden 1).

Am liebsten aber redet man jest gar nicht von literarischen Quellen. Anerkannt ist z. B., daß A.G. 2 in der Pfingstgeschichte zwei verschiedene Anschauungen vorliegen: Glossolalie und Sprachenwunder. Früher behob man eine solche Differenz mit der Schere: V. 5-11 wurden als späterer Zusah herausgeschnitten. Jezt sagt man sich, daß solche differierenden Anschauungen sich wie geologische Schichten übereinander gelagert haben konnten, noch ehe die erste schriftliche Fixierung erfolgte 2). Nicht papierne Literarkritik, sondern Vorstellungsentwicklung, Begriffsvergleichung ist die Parole.

Am einleuchtendsten ist das bei der Apokalyptik: hier wird fein Ereget, der etwas von den Gunkel-Boussetschen Forschungen3) gelernt hat, darauf verzichten mögen, das Zustandekommen z. B. des Antichristbildes in seinen wechselnden und doch der Hauptsache nach konstanten Zügen aus der vermutlich bis in das Dunkel des Mythus zurückreichenden, durch historische Erlebnisse der verschiedenen Zeiten fort und fort beeinflußten Entwicklung der Idee einer gottfeindlichen Macht zu erklären. Neben den mythischen Gestalten des Urdrachen, der Thiamat, eines Nimrods, Sargon u. a. marschieren da Nebukadnezar, Alexander, Antiochus Epiphanes, Pompeius, Caligula, Nero, Domitian u. s. w. auf 1). Jeder hat sein Teil zu dem Bilde beigetragen. Es gilt für Apk. 12 und 13 und 17 und wieder II Th. 2 gerade die besondere Form des Bildes festzustellen.

Das gleiche Verfahren wird aber auch sonst angewendet: irgend ein Begriff wird herausgegriffen und nun untersucht, nicht

1) In der 5. Auflage von Meyers Kommentar, 1896.

2) Vgl. meine Probleme des apostolischen Zeitalters 1904, 20 f.; auch J. Wellhausen, Einleitung in die drei ersten Evangelien 57.

3) H. Gunkel, Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit 1895, W. Bousset, Der Antichrist 1895.

4) Vgl. F. Kampers, Alexander der Gr. und die Idee des Weltimperiums in Prophetie und Sage, 1901.

Zeitschrift für Theologie und Kirche. 16. Jahrg. 1. Heft.

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