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Nun frage ich: ist dieses Prinzip gewahrt, wenn die Mehrzahl der neuesten Exegeten immer den Abstand der urchristlichen Anschauungen von der Gegenwart hervorheben? Es ist wie einst mit Baurs Prinzip der Kanonskritik: das war auch statt des vermeintlich historischen ein dogmatisches Prinzip, wenn auch nur kritisch negativ angewandt. Freilich konnte man zu wirklich literargeschichtlichem Verfahren erst gelangen, nachdem durch Baurs Kritik der Begriff des Kanons überwunden war. So hier: wir müssen uns erst einmal recht deutlich in den Abstand von der Gegenwart hineinarbeiten, um schließlich diesen kritischen Gesichtspunkt preisgeben zu können. Wir müssen es dahin bringen, daß wir nicht mehr fragen, was uns auffällt, fremdartig berührt, sondern was den Leuten jener Zeit fremdartig, neu erschien. Dann haben wir das gefunden, worauf es ankommt!

A.G. 19, 19 ist erzählt, wie auf Grund der paulinischen Predigt in Ephesus Zauberbücher im Wert von etwa 36 000 Mark verbrannt wurden. Da sieht man, sagt die religionsgeschichtliche Eregese, wie es in den Köpfen dieser ersten Christen aussah, alles voll Zauberei, Magie, Superstition. Ja, sage ich, aber sie verbrannten sie. Die Geschichte stellt eben den Triumph des Christentums über diesen Aberglauben dar, und dieser war nicht nur ein äußerlicher. Wenn es nach der A.G. noch so scheinen könnte, als habe es diesen Sieg errungen als eine neue Form der Magie mit dem kräftigeren Wunderzauber des Namens Jesu, so weiß jeder, der Paulus aus seinen Briefen kennt, daß dies nicht seine Meinung ist, sondern daß hier die rein persönlich - sittliche Fassung der Religion das naturhafte überwunden hat 1).

Bei der bekannten christologischen Stelle Phil. 2, 5—11 hat fid sie Gregeje von jeber an δας ἐν μορφῇ θεοῦ ὑπάρχων ge= halten. Die altkirchliche und die orthodoxe brachte hierbei ihre ganze Trinitätslehre zur Sprache, aber auch die neueste interessiert sich hauptsächlich für die Art der Präeristenzvorstellung, grade weil sie ihr fremd geworden ist. Gewiß müssen wir diese feststellen. Aber wir müssen gleichzeitig zeigen, daß die Stelle gar keine Auf

1) S. meine Urchristlichen Gemeinden 77.

schlüsse darüber geben will, steht sie doch unter der Ueberschrift: „ein jeder sei gesinnet, wie Jesus Christus auch war"; daß überhaupt diese Präeristenzanschauungen nichts dem Paulus oder dem Christentum eigentümliches sind - der Inkarnationsgedanke war damals geläufig -, daß vielmehr alles darauf ankommt, wie für Paulus diese Anschauungen zusammenwuchsen mit dem Bilde Jesu und von hier aus einen ganz neuen Inhalt gewannen, wie es, trozdem Paulus hier nur von den Akten der Menschwerdung und des Todes redet, doch der Eindruck des Lebens Jesu ist, der diese sittlichen Konsequenzen daraus zu ziehen ihn befähigt1).

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Uns fällt es auf — und wir sprachen schon davon, wie stark es neuerdings betont wird wie viel Paulus von Engeln und sonstigen Mittelwesen redet: für uns ist das eine unbekannte Welt, die zunächst unsere Neugier fesselt; für seine ersten Leser oder doch die meisten unter ihnen, waren das geläufige Anschauungen. Aber neu war, wie energisch Paulus diese ganze Geisterwelt der alleinigen, allbeherrschenden Autorität Jesu Christi als des Herrn unterordnete, wie er sie fast feindlich von sich weist, wo sie irgendwie den Anspruch erhebt, sich zwischen ihn und seinen Gott zu drängen. Nicht was er Röm. 8 als möglicherweise trennendes nennt, sondern daß ihn nichts trennen kann, darauf kommt es an!

Auch Jesus redet von Schußengeln Mt. 18, 10. Aber wie? Nicht um neue Aufschlüsse über die Engelwelt zu geben (so etwas findet man in den Pseudepigraphen wie dem Henochbuch), sondern um mit Hilfe einer allen seinen Zuhörern geläufigen Anschauung darzutun, wie auch das geringste unter den Menschenkindern bei Gott hoch geachtet ist und unter seiner steten Fürsorge steht. Die Engel sind hier wirklich nur dienstbare Geister, wir können sie ausschalten, und nichts ändert sich!

Am deutlichsten liegt es wieder bei der Johannesoffenbarung. Diese fremdartige Welt kann auf den, der in gesunder Frömmigfeit mit modernen Gedanken ohne historisches Verständnis an sie herantritt, nur den Eindruck machen, den schon Luther davon empfing: ein phantastisches Buch, das uns nichts zu sagen hat.

1) Vgl. Furrer, Das Leben Jesu Christi2 15.

Wer aber mit umfassender Kenntnis auf dem Gebiete der Apokalyptik dies Buch zur Hand nimmt, dem entsiegelt es sich und redet eine eindringliche Sprache; denn überall zeigt es sich, wie stark die überlieferten apokalyptischen Vorstellungen unter der Zucht des christlichen Geistes umgebildet, veredelt, verklärt worden sind.

Und das gilt in noch höherem Maße von der paulinischen Apokalyptik: wie tritt da all das Nationalpolitische, alles Zeitgeschichtliche zurück hinter dem einen Gedanken brennender Sehnsucht, mit dem Herrn vereinigt zu sein! Welch gewaltige Perspektiven zeichnet I Kor. 15, 20 ff., so ganz verschieden von der grausigen Kleinmalerei der sonstigen Apokalyptik. Und wie ringt sich schließlich die Gewißheit, daß auch der Tod uns nicht scheiden kann von der Liebe Gottes und der Gemeinschaft mit dem Herrn, immer klarer heraus und streift immer deutlicher die aus der Rabbinenschule stammenden Gedanken eines traurigen Zwischenzustandes der Trennung bis zur Parusie und damit alles Grauen vor dem Tode ab, um endlich auszuklingen in den Wunsch, abzuscheiden und bei Christo zu sein!)

Es ist unerläßlich und von hohem Werte, daß wir uns zunächst alle die mannigfachen Zusammenhänge mit dem Alten klar machen. Über die letzte Aufgabe ist das nicht. „Nicht das ewig Gestrige, sondern das ewig Heutige! Aller Nachdruck soll auf der Arbeit liegen, das Heutige, das aus dem Gestrigen erwachsen ist, geistig zu durchdringen“, hat Gunkel erklärt 2). „Nur sofern sich etwas aus seinen Ursprüngen losgerungen hat, ist es eine Macht geworden", sagt Harnack 3).

2. Das gilt auch für die große und schwierige Frage, wie weit die Schriften des N. T.s realistisch zu deuten sind. Mag immerhin an den Uranfängen menschlicher Kultur und Religion ein Kultusrealismus in Gestalt krassen Zauberglaubens gestanden haben: es hat sich von da aus eine Entwicklung zu immer höhe

1) Vgl. meine Probleme 99 ff.

2) Zum religionsgeschichtlichen Verständnis des Neuen Testaments, 1903 S. 11.

3) Anzeige von Anz, Zur Frage nach dem Ursprung des Gnostizismus in ThLz 1897, 18, 434.

rer geistiger Auffassung vollzogen. Das leugnen auch die konsequentesten Vertreter der Realistik auf unserem Gebiete nicht 1). Die eigentliche Aufgabe wird sein, in jedem Falle das Maß dieses Vergeistigungsprozesses sorgfältig zu bestimmen. Noch machen wir leicht den Fehler bei dem Studium der religiösen Bildersprache und alle religiöse Sprache ist bildlich aus Angst vor modernisierender Verflüchtigung zu weit zu jenen realistischen Ursprüngen zurückzugehen. Es wird von selbst die Zeit kommen, wo wir auf Grund genauerer Kenntnis der stetig vorschreitenden, aufsteigenden Entwicklung den urchristlichen Aeußerungen ihre richtige Stelle in der Skala anzuweisen im Stande sind. Dann wird grade das Losgerissensein von den superstitiösen Ursprüngen, das hohe Maß der Vergeistigung, Verinnerlichung, Versittlichung uns wundervoll die Eigenart und Macht christlicher Religion veranschaulichen.

Ein weit verbreiteter Glaube bei den Primitiven ist der an die Zaubermacht des Hauches. Schamanen sollen durch bloßes Anhauchen töten können 2). Dies zeigt, wie falsch es ist, bei II Th. 2, 8: „Jesus wird den Antichrist töten durch den Hauch seines Mundes" auf das ohnmächtige des menschlichen Hauches hinzuweisen (Hofmann). Ebenso falsch aber wäre es, bei dieser aus Jes. 11 entlehnten Wendung noch an Zauberkraft zu denken. So scheint es noch in der parsischen Parallele, wo Gott und sein Gesandter Srosh den Ahriman und die Schlange, die lezten übrig gebliebenen Feinde, durch die von ihnen gesprochene wir kungskräftige Formel des heiligen Gebets vernichten"3). In der jüdischen Esraapokalypse ist der Gedanke materialisiert zu einem Feuerstrom, der aus dem Munde des Messias ausgehend das Heer der Feinde verbrennt 4). Grade im Unterschied davon wird es

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1) A. Dieterich, Mithrasliturgie, 1903; W. Heitmüller, Taufe und Abendmahl 1903.

2) K. Th. Preuß, Globus 86, 362 f.; Dobrighoffer, Geschichte der Abiponer II 569.

3) Bundehesch 30, 30; Bousset, Religion des Judentums 487.

4) IV Esr 13, 10 p. 64 Bensly-James; p. 395 Gunkel b. Kautsch, Pseudepigraphen. Der Feuerstrom ist ein anderes Motiv der parsischjüdisch-christlichen Eschatologie.

klar, wie geistig die Vorstellung in II Th. 2 ist: die göttliche Allgewalt bedarf keines äußeren Machtmittels; ein Hauch genügt zur Vernichtung des Feindes, ja schon, wie das Parallelglied zeigt, das bloße Erscheinen des Herrn.

Eph. 3, 18 stellt es den Lesern als begehrenswertes Ziel dar, daß Christus Wohnung nehme durch den Glauben in ihren Herzen, daß sie, in Liebe eingewurzelt und gegründet, zu begreifen vermögen mit allen Heiligen, welches da sei die Breite und Länge und Höhe und Tiefe, und zu erkennen die alle Erkenntnis an Wert übertreffende Liebe Christi. Reißenstein hat uns gezeigt, δαβ δίε gormet πλάτος μῆκος ὕψος βάθος u. a. einem aegypti schen Lichtzauber angehört: der Prophet schaut so lange in die Flamme, bis sie sich ihm 3 (bez. 4)-dimensional erweitert zu einem heiligen Raum, in dem dann der orakelspendende Gott erscheint und Wohnung nimmt 1). Seit ich das weiß, verbinde ich mit der Stelle viel mehr Anschauung als früher, wo ich darin nur eine etwas schwülstige Wendung für die Viel- bez. Allseitigkeit christlicher Erkenntnis sah. Aber zugleich ist mir die geistig - sittliche Art dieser Auffassung erst recht klar geworden: auch hier gilt es ein Wohnung nehmen“ der Gottheit, aber in den Herzen“, und der Verfasser beeilt sich zuzusehen: „durch den Glauben“. Das ganze aber will nicht ein Orakel erzwingen, sondern zweckt ab auf die Liebe, die in den wenigen Worten zweimal hervorgehoben ist.

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Die Umwertung aller Werte, die man mit Recht grade für das Christentum in Anspruch genommen hat, hat auch eine Umdeutung aller Begriffe mit sich geführt. Diese dient uns dazu, jene zu ermessen.

3. Dabei muß freilich die Isolierung, die als Arbeitsmittel ihre nicht zu unterschäßende Bedeutung hat, eine Ergänzung erfahren durch Berücksichtigung des Zusammenhangs: zu dem Längsschnitt der Begriffsvergleichung muß der Querschnitt der Einordnung in die Gesamtanschauung kommen.

Haben wir es z. B. mit einer Stelle wie der Tauferörterung in Röm. 6 zu tun, so greift die neueste Exegese gern einen Be

1) R. Reißenstein, Poimandres 25 A. 1.

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