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alle gleich viel gelten, allen Raum zur Betätigung, allen gleiche Freiheit und Macht gegeben ist, denen aber auch allen ohne Unterschied gleiche heilige Pflichten obliegen? Wir wissen, daß dieses grandiose Gebilde einer nationalen, volkstümlichen, in sich freien Kirche unsrem Volke nicht beschieden gewesen ist. Vielmehr wirft sich auf die religiöse Bewegung jenes harte Gefüge der gesellschaftlichen Struktur und läßt eine Kirche entstehen, die alle die Unterschiede und Gegensäte wiederholt, die das Volk damals zerspalteten. Ja ihre Entstehung bildet nur einen Schritt weiter in jener gesellschaftlichen Entwicklung, von der wir soeben gesprochen haben. Die Bildung und der Schutz der neuen Kirche kam in die Hand der einzelnen Territorial-Fürsten, bezw. der Magistrate der Reichsstädte, die durch diesen Zuwachs ihrer Rechte eine nicht geringe Steigerung ihrer Macht erfuhren.

Freilich, einen Schritt, ihre Macht zu vergrößern, taten die Fürsten nicht: sie ließen dem Adel die Patronatsrechte. Scheinbar etwas Geringfügiges, was aber doch von weittragendster Bedeutung wurde. Denn damit wurde die Kirche noch in einer andren Weise zum Gegenstand der sozialen Herrschergelüfte: der Adel übte sein Patronatsrecht mit aller Entschiedenheit aus. Hatte er doch hier wieder ein Mittel in der Hand, die Gemeinden seine Machtvollkommenheit fühlen zu lassen, viel mehr, als es in fatholischer Zeit möglich gewesen war.

So war die junge Kirche von der Stunde ihrer Geburt an in den gesellschaftlichen Kampf hineingestellt, sie war ein Objekt der Machtbestrebungen. Ob sie dabei gut fuhr, hing ganz davon ab, ob die bestimmenden Gewalten, im großen die Fürsten, im kleinen die Patrone, innerlich tüchtig waren oder nicht. Jedenfalls war eins geschehen, und das war bedeutungs-, um nicht zu sagen. verhängnisvoll: die junge Kirche hatte die Gemeinden als solche entrechtet; der gesellschaftlich Mächtige und Angesehene bestimmte allein, ganz allein, aber der sogen. kleine Mann war zu völliger Passivität verurteilt. Bezold sagt einmal: „Die wirtschaftliche Glanzzeit des Bauern war vorübergegangen, ohne daß die Landbevölkerung weder im Reiche noch in den meisten Territorien als selbständiges Glied dem politischen Organismus eingefügt wurde."

Man kann das auch vom kirchlichen Organismus wiederholen. Und so kam es, daß diese Kreise, in denen eine glühende, ja heroische Frömmigkeit lebte, vielfach religiös ihre eigenen Wege gingen: fie fielen dem Täufertum anheim. eine religiöse Erscheinung, deren Bedeutung und innere Kraft wir erst in den lezten Jahrzehnten richtig einzuschätzen gelernt haben. Indem sich nun weiter der Humanismus mit der Reformation verband, entstand ein geradezu neuer Stand, der der Repräsentant der Bildung in damaliger Zeit überhaupt war, der Stand der Theologen.

Man wird sich hüten müssen, den Theologen- und den Pfarrstand völlig in eins zu sehen. Beide deckten sich nur zum Teil mit einander. Nicht alle Pfarrer, vor allem nicht die Landpfarrer, konnten als Theologen gelten. Viele hatten nicht studiert oder sie waren viel zu wenig in die Theologie eingedrungen, als daß sie als Theologen von Fach hätten gelten können. Dagegen waren. die Professoren und die Doktoren der Theologie der Stand, der nicht nur vorwiegend die Bildung vertrat, sondern der auch auf das gesamte Leben im Staat und in der Kirche von durchschla= gendem Einfluß wurde. So sehr Luther dagegen geeifert hatte, es geschah doch, daß die Theologen als Hofprediger und Professoren die einflußreichsten Berater der Fürsten wurden. Je frömmer ein Fürst war, desto unentbehrlicher war ihm der Theologe, der Fachmann in der Schriftauslegung, der allein sicher entscheiden konnte, was der Schrift gemäß war, was nicht. Denn „dem Worte Gottes gemäß" wollte ein frommer Fürst des 16. Jahrhunderts alles, auch alles in der inneren und äußeren Politik tun. Diese Theologen waren es, die die eigentliche Leitung der Kirche in Händen hatten, die ihr Leben bestimmten. Und je mehr nun die theologische Bildung als Voraussetzung für jedes Pfarramt angesehen wurde, desto gewichtiger legte sich ihre Autorität auf die Gemeinden. Denn sie, die theologischen Pfarrer, vertraten in der Welt die Ordnung Gottes, das Regiment Gottes — und nicht selten ist es zu scharfen Gegensäßen zwischen den weltlichen Gewalten und diesen Vertretern Gottes gekommen nicht zum Heil der Gemeinden.

Alles in allem: wenn wir auch völlig begreifen, daß unter

den damaligen Verhältnissen eine andere Gestaltung des lutherischen Kirchenwesens, als sie geworden, nicht möglich war, ja wenn wir auch in vieler Beziehung sie als segensreich bezeichnen müssen was bedeutete es allein, daß im Theologenstand sich Bildung und Religion die Hand reichten! — so ist doch die Entmündigung der Gemeinde, ihre Passivität, ja ihre Ohnmacht im kirchlichen Leben die Folge einer mächtigen Einwirkung der damaligen gesellschaftlichen Zustände. Damit ist dies alles gewissermaßen als ein Geburtsfehler der Kirche auf ihren weiteren Weg mitgegeben worden.

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Die Folge dieser neuen unvolkstümlichen Kirchenbildung war denn auch eine grollende Abkehr des Volkes von der neuen Kirche. Bekannt ist, wie unkirchlich die Bauern nach der Reformation wurden, wie sie sich gegen die Pfaffen" sperrten, die Predigt störten, dem Pfarrer Schand und Brand antaten. Aber in anderen Volksschichten stand es nicht besser. Auch in den Städten waren die Kirchen leer. Wie laut hat Luther über die Unkirchlichkeit seiner Wittenberger geklagt. Und wie dort, so stand es auch anderwärts. Die adligen Patrone aber sperrten sich gegen die landesherrlichen Verordnungen, machten Schwierigkeiten bei den Kirchenvisitationen, wollten niemanden in die Kirchenrechnungen blicken lassen und stellten als Pfarrer an, wer ihnen gerade recht war.

Wenn schon Luther klagt, daß die Obrigkeiten „nach dem Evangelium nichts fragen, sondern allein Ursache suchen, daß sie die Leute fangen und berauben", so hat sich die Willkür der Fürsten, der Stadtmagistrate und der adligen Kirchenpatrone - denn diese drei Stände machen die Obrigkeit im damaligen Sinne aus in kirchlichen Dingen im Laufe des 17. Jahrhunderts, namentlich nach dem 30 jährigen Kriege noch gesteigert, gesteigert oft bis zur Unerträglichkeit. Die Klagen der Geistlichen wollen daher nicht verstummen. Von besonderem Einfluß aber ist der Adel, sind die fürstlichen Höfe geworden.

Der Adel war schon vor dem Kriege vielfach arm, und nach dem Krieg sind seine äußeren Verhältnisse nicht besser, sie sind schlechter geworden. Darum versucht er den durch den Krieg am meisten geschädigten und völlig kraftlos gewordenen Bauer immer

mehr sich untertänig zu machen. Er weiß von den Fürsten, denen er Waffendienste leistet, Vorrechte zu erlangen, er tritt auch mehr und mehr in den fürstlichen Verwaltungsdienst und verdrängt daraus die bürgerlichen Stände. So hebt sich dieser Stand außerordentlich, und mit erneuter Zuversicht und Rücksichtslosigkeit macht er seine Prätensionen andren Ständen gegenüber geltend, und trotz seines Geldmangels ergibt er sich immer mehr einem prunkhaften Leben. Er scheidet sich so bewußt wie möglich von den bürgerlichen und bäuerlichen Kreisen, indem er eine eigene Standessitte nach französischem Muster ausbildet. Seine Stellung am Hofe macht eine besondre Bildung notwendig, und so entsteht ein neues Bildungsideal, das des Kavaliers. Die französierten Fürsten schufen für ihren Adel in den sog. Ritterakademien die Pflanzstätten dieser kavalierischen Bildung, die, innerlich undeutsch und völlig unvolkstümlich, ein Neues, eine Nachäffung französischer Muster war. So wurde der Adlige herausgehoben aus dem Volke. Er fühlte sich als ein andrer Mensch mit andrem Blut in den Adern; daher war jede Heirat mit Bürgerlichen völlige Mesalliance. Durch die Tracht und durch äußere Abzeichen schied man sich von den andren Ständen, dem „Pöbel". Bei Tänzen, Opernaufführungen, Gartenfesten trennte eine Schnur die edle Gesellschaft von der „Kanaille".

Und ein Beweis, wie stark unser Volkstum innerlich seit der Reformation zurückgegangen war diese Kanaille", die andren Stände schielten ehrfurchtsvoll, servil, verlangend nach oben. Kein größeres Glück, als wenn ein reicher Kaufherr einen Adelsbrief für schweres Geld sich erworben hatte. Doppelt verächtlich sah er nun auf seine früheren Standesgenossen herab. Keine größere Ehre für einen Dichter, einen Gelehrten, als wenn ihn fürstliche Gunst in den Adelstand erhob. Man vergegenwärtige sich den Abstand der Zeiten daran, daß sich ein Schwarzerdt selbst ehrte, indem er sich Melanchthon nannte, daß aber Leibniz es als hohe Ehrung empfand, als ihn sein Fürst zum Freiherrn von Leibniz machte. Und wer sich den Adelsbrief nicht erwerben konnte, der suchte wenigstens adlige Sitte und Art nachzuahmen, adlige Bildung zu erwerben und es dem Adel in der

Verachtung der niederen Stände gleichzutun.

Der verachtetste Stand aber war der der Bauern. Allerdings, sie waren durch den Krieg tief in Roheit versunken aber war das ein Wunder, da sie nur immer bedrückt, nur immer ausge sogen wurden? Die Fürsorge Ernsts des Frommen von Gotha für sein Landvolk ist eine Ausnahme in jener Zeit.

Es war keine glückliche Zeit, in der unser Vaterland sich befand. Gustav Freytag sagt einmal: „Man tut dem Andenken an viele ehrenwerte und einige bedeutende Männer nicht Unrecht, wenn die Tatsache hervorgehoben wird, daß die Zeit von 1650 bis 1750, in welcher der Adel am meisten galt und regierte, die allerschlechteste Periode der ganzen neueren Geschichte Deutschlands ist." (Bilder aus d. deutschen Vergangenh. III, 298.)

Und was tat unsre Kirche in dieser traurigsten Zeit, um den Unterdrückten zu helfen und unser Volk von einer gefährlichen Krankheit zu befreien?

Es wäre falsch, zu sagen, daß sie nichts getan habe. Nein, vielen Pfarrern ist diese Zeitsünde des Hochmuts innerlich ärgerlich und sie zeugen wacker dagegen, ja sie stemmen sich dawider, auch auf die Gefahr hin in Ungnade zu fallen. Auch die Theologen und die Konsistorien streiten mit ihren Waffen z. T. ritterlich für das Recht. Aber dieser Kampf war ganz umsonst. Und das Gegenteil läßt sich auch nicht verkennen: viele Pfarrer sind gegen jene unheilvolle Zerklüftung der Nation blind, und nicht wenige sind selbst in jenen Geist der Zeit hineingezogen worden. In der Theologie wendete schon das 16. Jahrhundert auf die Obrigkeit, unter der der Adel stets mitbegriffen ist, das Psalmwort an: "Ihr seid Götter" (Ps. 28, 6). Calvör 1) beweist aus dem alten Testament und aus den Schriften der Römer und Griechen und zuleht sogar aus der Sitte der alten Deutschen, daß ein Adliger nur eine Adlige heiraten dürfe, und ein so wackerer Mann, wie Balthasar Schupp bringt den Sah zu Papier: „Wenn auch große Herren nicht studiert haben, so hat ihnen doch die Natur gemeiniglich etwas Sonderliches mitgeteilt, und die Natur tut mehr

1) Rituale Eccles. I, 1705, p. 162.

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