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Was aber das Eindringen jener bedenklichen Standesunterschiede in den Gottesdienst anbetrifft, so hat der Pietismus allerdings den Gebrauch der Titulaturen in den Abkündigungen, beim Kirchengebet und in der Absolution beseitigt, er hat auch die anfangs von ihm gering geachtete Privatbeichte wieder geschützt, allerdings nur, weil er sah, welch' treffliches Mittel sie zur persönlichen Beeinflussung bot1). Aber er hat für die sonstige Absonderung des Adels sogar einen neuen, für die Gewissen sehr beruhigenden Gesichtspunkt an die Hand gegeben: die Unerbaulichkeit der öffentlichen kirchlichen Handlungen. Es ist höchst interessant, Spener in dieser Beziehung abzuhören. Er verwirft freilich allen Hochmut, Hoffart und Standesstolz und tritt für die Einheitlichkeit und Oeffentlichkeit aller gottesdienstlicher Sitte ein, aber er gibt zu, daß das Geräusch, die Unruhe, die Oeffentlichkeit des Gemeindegottesdienstes, der Trauung, des Abendmahls u. s. w. der Erbaulichkeit Eintrag tue. Und ziehe man aus diesem Grunde die Privatfeier vor, so sei das allerdings begründet 2). So kam es denn, daß die pietistischen höheren Stände plötzlich den sozialen Gesichtspunkt mit dem erbaulichen vertauschten, und nun erst recht ihre Sonderbeichte, ihr Sonderabendmahl u. s. w. begehrten. So sagt z. B. in einem jener Dispensationsgesuche um Privatkommunion, von denen oben die Rede war, einer der Petenten offen, er erbitte sich dieses Vorrecht nur, um sich bei einem so hochheiligen Werke nicht stören zu lassen", und als sich 1712 die Stände der Niederlausit beim König von Sachsen beschwerten, daß „die Pfarrer ihre Kirchpatrone und Gerichtsobrigkeiten zur Kommunion vor der Predigt zu admittiren gänzlich verweigern“, behaupteten sie, daß daraus „nicht wenig Unordnung und Turbation in der Andacht, auch andere Inkonvenientien entstünden".

Man wird also nicht sagen können, daß der Pietismus jenen Zersehungsprozeß aufgehalten habe. Im Gegenteil, er hat sein gut Teil dazu beigetragen, das, was als soziales Vorrecht illegal war, nun als erbauliches Mittel legal und berechtigt erscheinen. zu lassen.

1) Hardeland, Gesch. der Seelsorge, S. 463.

2) Vgl. dessen Theol. Bedenken. Hardeland, Gesch. der Seelsorge S. 420.

Wir können rückblickend also sagen: der scharfe Klassengegensah, der sich vom 16. Jahrhundert bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts hindurchzieht, hat auf das kirchliche Leben in jeder Beziehung schädigend gewirkt, denn er hat in die Kirche und die kirchliche Sitte einen unchristlichen Gegensatz hineingetragen, der diese Sitte selbst gelockert und zersetzt hat und er hat unsre Kirche in den niedren Volksklassen unvolkstümlich, in den höheren aber verächtlich gemacht, denn diese höheren Stände sahen die Kirche nicht als eine Macht an, vor der ihre eitlen Ansprüche Halt machen mußten, sondern als einen Spielball ihrer Launen. In Achtung hat sich die Kirche damit nicht gesetzt, im Gegenteil, sie hat in allen Kreisen an Achtung verloren. Aus diesem schmerzlichen Empfinden heraus kommen die Klagen, die im 17. Jahrh. von seiten. der Geistlichen nicht verstummen wollen und denen Spener dann den wirkungsvollsten Ausdruck verliehen hat. Er sieht bekanntlich eine Hauptursache der kirchlichen Verödung in der Entrechtung der Gemeinden und in der alleinigen Herrschaft der zwei oberen Stände, der Obrigkeit und des Klerus in der Kirche. Er hat recht gesehen. Aber vor allem aus der Herrschaft der oberen gesellschaftlichen Schichten, Fürsten und Adel, hatte sich diese Zersplitterung der Gemeindefitte ergeben, die die Gemeinde als solche erst recht auflöste und als quantité négligeable erscheinen ließ1).

II.

Es kommt die Aufklärungszeit.

Wir sahen, wie seit der Reformation die Territorialgewalt sich stetig erweitert und befestigt. Dieser Prozeß endet in der Aufklärungszeit im absoluten Staat, im Polizeistaat, vertreten im Fürsten. Der Fürst ist der Staat, und vom Fürsten erwarten alle alles. Denken Sie an Friedrich d. Gr., den vollendeten Vertreter des fürstlichen Absolutismus. Gerade an ihm aber kann man, wie an feinem Fürsten seiner Zeit, erkennen, daß es der aufgeklärte Absolutismus war, der auf den Thronen saß. Friedrich d. Gr. hat sich als den ersten Diener seines Staates bezeichnet. Darin offenbart sich der Geist der Zeit unübertrefflich scharf. Der

1) Grünberg, Spener als praktischer Theologe, Göttingen 1905, S. 116 ff.

Fürst ist der Erste, unbedingt der Erste in seinem Staate, er hat volle Gewalt, aber er wird diese Gewalt als aufgeklärter Fürst nicht mißbrauchen, sondern er wird der Diener seines Staates werden. Das Wohl aller und des Einzelnen, auch der Geringsten im Volk zu fördern, Freiheit zu schaffen, drückende Lasten zu beseitigen, alles zu tun, was den Wohlstand und die Kultur fördern kann, das ist die große Aufgabe des Fürsten. Es ist klar, daß diese Auffassung von der Fürstengewalt auflösend auf die rein von Standesinteressen bestimmten Gegensäße der Gesellschaft der Vergangenheit wirken mußte. An der Fürstenmacht brach sich die Macht des Adels. Es ist bekannt, wie scharf Friedrich II. mit seinen Edelleuten verfuhr. Die Besten unter diesen aber ahmten jenes große Prinzip der öffentlichen Wohlfahrt in ihrem Kreise nach. Auch sie suchten in ihrer Herrschaft" im Geiste der Zeit zu wirken, zu reformieren, aufzuklären. Sie fühlten sich als Adlige, aber sie arbeiteten an der Hebung des niederen Standes.

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Noch ein zweites Prinzip, das im Reformationszeitalter als Samenkorn in den Schoß unsres Volkes gelegt worden war, kam in der Aufklärung zur vollen Entfaltung: die Bildung. Vom Humanismus geschaffen, wuchs, stetig erstarkend, seit Mitte des 17. Jahrh. ein von der Theologie sich mehr und mehr emanzipierendes Geistesleben empor, das in den mittleren Schichten, in der Zunft der Gelehrten, sich entwickelte. Seit der Mitte des 18. Jahrh. erscheint ein immer weiter sich ausbreitender gebildeter Mittelstand, der die geistige Führung der Nation übernimmt, der Deutschland eine eigene, von der fremdländischen unabhängige Bildung schafft, der ihm die großen Dichter und Denker schenkt, die unsrem Volke mit einem Schlage die geistige Vorherrschaft in der ganzen Welt erringen. Diese Bildung befreit auch den bürgerlichen Mittelstand von der servilen Unterwürfigkeit unter den Adel, gibt ihm sein Selbstgefühl und seine Freiheit zurück. Ja, die Besten im Adel selbst konnten sich diesem geistigen Uebergewicht des Bürgerstandes nicht entziehen. Selbst die absolutistischen Fürsten scheuen sich nicht, ihre Bildung, ihren geistigen Genuß in diesen Kreisen zu suchen. Woher will der aufgeklärte Fürst auch die nötigen Kenntnisse gewinnen, um wirklich dem öffentlichen Wohl zu dienen? Dazu muß ihm

die Wissenschaft helfen, die Volkswirtschaftslehre, die Naturwissenschaft, die Philosophie, die im Mittelstand ihre eifrige Pflege finden. So rücken sich Bürgertum und Adel und Fürsten auffallend nahe. Wir sehen sodann unsre großen Dichter umworben von Fürsten, und Adlige schließen engste Freundschaft mit Künstlern und Gelehrten. Und auch dieser Kultus der Freundschaft, den die Aufklärung in einer für uns geradezu komischen Weise pflegt, reißt die alten Schranken des Standes nieder. Nicht als ob der Adel aufhörte sich als besondern, privilegierten Stand zu fühlen. Aber er empfindet doch, daß noblesse oblige, daß höhere Rechte auch höhere Pflichten auflegen, daß er einer so gebildeten Bürgerschicht gegenüber sich nur durch gleiche Bildung behaupten kann.

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Endlich hat ein drittes Prinzip jenen Ständegegensay stark gemildert: es ist der Gedanke der Humanität, des allgemeinen Menschentums, wie er aus jener Bildung sich ergab. Der Mensch ist sich überall gleich, in allen Ständen, zu allen Zeiten. Dieser Gedanke wuchs sich aus zu dem Gedanken der Menschlichkeit", der Menschenfreundlichkeit, der allgemeinen Menschenliebe. Damit wird viel sentimentales, tränenfeuchtes Spiel getrieben. Aber je länger je mehr stellt sich neben die wohlfeile Empfindsamkeit und Rederei der ernste, opferfreudige Sinn. Seit Uhlhorn uns dargestellt hat, was die Aufklärung auf dem Gebiet der Armenpflege geleistet hat, wird man diesen Zug niemals in dem Bilde jener Zeit vergessen dürfen. Auch die reiche Pädagogik der Zeit stand im Dienste des Humanitätsgedankens.

Der alles überbietende, omnipotente Staat, die Bildung und der Humanitätsgedanke diese drei Faktoren also haben zunächst die frühere gesellschaftliche Struktur, wenn auch nicht aufgelöst, so doch stark verwischt.

Allein andrerseits hat die Aufklärungszeit auch einen neuen tiefgreifenden Gegensah geschaffen.

Dieselbe neuzeitliche Bildung nämlich, die auf der einen Seite zwischen den Ständen versöhnend wirkte, hat auf der anderen Seite vorhandene Gegensäte verstärkt und neue geschaffen. Der große Riß, der jetzt durch die Nation hindurchgeht, ist der von Gebildet und Ungebildet. Zwar hat die Aufklärung einen starken

Drang nach Popularisierung gezeitigt man denke nur an Nicolai, aber je breiter diese Aufklärung wurde, desto seichter und platter wurde sie auch, und so erweckte sie aus ihrem eigenen Schoß eine Reaktionsbewegung, die schon mit Lessing einsetzt, an der unsre großen Dichter mitarbeiten, vor allem Herder. Hier wird das Wort „Bildung" zum Schlagwort, und zwar wird diese Bildung nicht im Sinne der Aufklärer als Verstandesschulung und Kenntnis allerlei nüzlicher Dinge genommen (,,aufklären heißt nicht bilden", sagt Herder einmal), sondern als Ausbildung der ganzen selbständigen Persönlichkeit, im Geiste eines freien und reinen Menschentums, wie es die Griechen uns gezeigt haben: es ist das Humanitätsideal, das hier sich ausbildet.

Diese idealistische, ästhetische, gelehrte Richtung, eine Gruppe wirklich Gebildeter, die schlechterdings keinen Zug zum Volkstümlichen haben, hebt sich bewußt ab von der breiten Masse der kleinen Leute in den Städten, die von der neuzeitlichen Richtung allerlei aufgesogen hatten, vor allem die Unkirchlichkeit, die aber doch von wirklicher Bildung weit entfernt waren. Unter ihnen die Masse der kleinbürgerlichen Philister, die in engsten Grenzen der Interessen ein leeres Dasein führten.

Endlich die Bauernschaft. Auch sie galt nach wie vor als die unterste, dümmste und roheste Schicht der Bevölkerung, gegen die die gebildeten Kreise in völliger Gleichgültigkeit verharrten, wenn nicht in Verachtung. Zwar lassen sich schon damals Stimmen hören, die beredt und überzeugt von dem Bauernstand als dem Kern des Volkstums sprechen. Wärmer als Justus Möser kann niemand für diese Volksschicht eintreten. Allerdings die Bauernbefreiung hat er nicht befürwortet, aber indem er mit einzigartiger Liebe sich in die Eigenart des deutschen Bauern hineinversette und seine volkswirtschaftliche Bedeutung schlagend aufwies, hat er jener wichtigen Reform doch die Wege geebnet. Dazu hat sich auch die ästhetische Richtung des Bauern bemächtigt. Wir finden bäuerliche Art und Sitte nicht nur bei Gellert mit Verständnis und mit Liebe, die nicht ohne Kritik ist, behandelt, sondern auch andre Dichter ziehen diesen verachteten Stand in den Bereich ihrer Gegenstände. Auch die Kleinkunst versenkt sich liebend in bäuer

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