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genommen hat und die eigentlich jene eingangs erwähnte Beunruhigung hervorgerufen hat, charakterisieren, so muß ich mich freilich an eine bestimmte Schule halten, die welche augenblicklich im Vordergrund des Interesses steht und der troz allem die nächste Zukunft gehört. Ich glaube aber behaupten zu dürfen, daß die folgende Charakteristik mehr oder weniger auch auf alle andern paßt, soweit sie mitarbeiten es gibt freilich auch ein gelehrtes Ignorieren!

Ich hebe nur 3 Punkte hervor, die mir von entscheidender Bedeutung zu sein scheinen.

1. Es wird jezt rückhaltlos Ernst gemacht mit dem Gedanken, daß die Exegese eine historische Disziplin ist, die weiter nichts will als erklären, was einst war, einst gedacht, gesagt, geschrieben worden ist. Ueberblicken wir kurz die Geschichte der Exegese, so ist dies ein Novum. In der ganzen Periode von ihren Anfängen bei den Gnostikern an bis in das 18. Jahrh. stand sie im Dienste entweder der Dogmatik oder der Erbauung, meist beides zusammen. Nicht verstehen will die kirchliche Exegese, sondern beweisen, bekräftigen, einen Lehrsah, ein Dogma beweisen, eine Mahnung, ein Gebot bekräftigen. Voraussetzung ist ihr die Wortinspiration, Mittel die Allegorie. Was im Text steht, ist gleich; wenn man nur versteht, den gewünschten Gedanken herauszubringen. Ein umfängliches System von Regeln, von Kunstkniffen, meist schon in den stoischen Gelehrtenschulen an Homer, von den Rabbinen am Alten Testament geübt, legitimiert die Willkür. Das Ganze steht unter dem praktischen Gegenwartsinteresse, wie der Jurist sein Corpus iuris auslegt, um es anzuwenden.

Die alte Kirche war noch erfinderisch in neuen Deutungen: wir staunen ob der Mannigfaltigkeit. Das Mittelalter begnügt sich diese zu tradieren, indem man sie sorgfältig nebeneinander aufzählt, als gleichberechtigt, zu beliebiger praktischer Verwendung. Die Reformation bringt hier keine prinzipielle Neuerung; nur die Richtung der dogmatischen Gedanken und der paränetischen Motive ändert sich, die Art, wie man sie biblisch begründete, bleibt troh einzelner Ansäße die gleiche. Erst der vielgeschmähte Ratiotionalismus hat nach der Pionierarbeit der holländischen Armi

nianer und des Pietismus wirklich Neues gebracht durch die uns jezt fast trivial klingende „Betrachtung der biblischen Autoren als menschlicher Schriftsteller". So wunderlich es klingt: trok der von Eusebius an bis zur Orthodoxie des 17. Jahrh. mit Sammelfleiß überlieferten historischen Nachrichten über den Ursprung der einzelnen Schriften und ihre Verfasser, war das Gefühl für den geschichtlichen Charakter, die Zeitunterschiede, die Verschiedenheit der Persönlichkeiten abhanden gekommen. Das Bibelbuch galt als Einheit, die Einzelverfasser nur als Griffel des hl. Geistes. Der Blick für das menschlich persönliche an ihnen bedeutete wirklich eine Entdeckung, von größerer Tragweite als das 18. Jahrh. noch ahnte. Denn die Aufklärung, echt geschichtlichen Sinnes bar, war schlechterdings nicht imstande die Zeiten auseinanderzuhalten. Sie legte den als Menschen wiederentdeckten, zugleich aber noch durchgehends als unmittelbar autoritativ gewerteten biblischen Autoren ihre Vernünftigkeit, ihre platten Räsonnements unter. Wohl hat Herders ästhetische Schriftbetrachtung zu geschichtlicherer Auffassung hingelenkt und die philologische Art der Exegese in Ernestis Schule jene nüchtern-sachliche Behandlung erzielt, die in Fritsches und Rückerts Kommentaren einerseits, in dem großen Meyerschen Werk andrerseits für die neuere Exegese grundlegend wurde. Aber in der von Schleiermacher ausgehenden breiten Strömung, in der Vermittlungstheologie haben wir doch mutatis mutandis noch die gleiche Anpassung der biblischen Gedanken an die Gegenwart, während die Neuorthodoxie zu dogmatischer Exegese zurückkehrte, und die kritische Tübinger Schule in sehr historischem Gewande eine recht unhistorische Schrifterklärung lieferte, die politischen Tendenzen der vierziger Jahre ins Urchristentum zurücktragend. Dogmatisch gebunden ist auch die geistreiche, kommaverrückende Exegese der Erlanger, während in pietistisch beeinflußten Kreisen immer die Wendung ins Erbauliche vorherrscht 1). Daneben sind es nur einzelne, unter sich kaum zusammenhängende Exegeten -man könnte sie vielleicht Affiliierte der Tübinger nennen: neben

1) „Sie sind gewohnt Homilie statt Exegese zu bieten“, Wellhausen, Einleitung in die drei ersten Evangelien S. 78.

Weizsäcker und Ritschl (soweit dieser nicht, wie im 2. Bd. von Rechtfertigung und Versöhnung, Dogmatiker ist) gehören vor allem die Straßburger, schon Ed. Reuß und dann der Vater des Handkommentars hierher, die sich die große Aufgabe eines rein geschichtlichen Verständnisses gestellt haben. Und dies hat jezt endlich durchgeschlagen. Man darf dabei wohl auch die intensiven Einwirkungen nicht übersehen, die von der kirchengeschichtlichen Forschung unter Harnack's Leitung auch auf die neutestamentlichen Studien ausgegangen sind.

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Speziell ist es ein Kreis jüngerer Theologen, die meist irgendwie unter dem persönlichen oder geistigen Einfluß Lagarde's in Göttingen gestanden haben, welcher unter dem Feldgeschrei „religionsgeschichtlich" diese mit Bewußtsein von allen Gegenwartsinteressen absehende, insofern rein wissenschaftliche Exegese aufge= nommen und wirkungsvoll durchzuführen begonnen hat mit Hilfe imponierender Anleihen bei den jetzt eben so modernen Wissenschaften der ältesten Kulturen, Assyriologie, Aegyptologie von Mexikologie, Indianologie und ähnlichem zu schweigen. Das Durchschlagende ist die Erkenntnis, die zunächst meist als systematische Voraussetzung erscheint und als solche auch von den Gegnern angegriffen wird, die Verschiedenheit der Weltanschauungen von Einst und Jeht, eine Erkenntnis, die doch nichts anderes ist als die historische Anerkenntnis dessen, was die naturwissenschaftlichen Entdeckungen und die philosophische Erkenntnistheorie praktisch für uns bedeuten, daß Ptolemäus von Kopernikus, Galilei, Kepler und Newton abgelöst, Plato und Aristoteles durch Kant überboten sind. Hatte das 18. Jahrh. die menschliche Persön lichkeit der biblischen Autoren entdeckt, so stehen wir jetzt vor der neuen, fast peinlichen Entdeckung, daß sie antike Menschen waren, von uns durch mehrere Jahrtausende (denn ihre Weltanschauung ist weit älter als sie), ja was mehr heißen will, durch eine Revolution des gesamten Weltbildes getrennt.

Das hat nun eingreifende Folgen für die Eregese. Hatte die wissenschaftlich-historische Richtung bisher hauptsächlich gegen falsches Eintragen späterer kirchlich-dogmatischer Anschauungen wie etwa der nicänischen Trinitätslehre und der anselmischen Satis

faktionstheorie in die biblischen Aussagen angekämpft: jezt gilt der Kampf vielmehr dem Ignorieren und Vertuschen des uns Fremdartigen 1).

Wir lesen in den Evangelien wie in den Paulusbriefen viel von Engeln, vom Teufel, von Dämonen. Die alte dogmatische Exegese nahm dies zur Grundlage oder richtiger zur Legitimation einer ausgeführten Lehre von der Geisterwelt; auch die „bibel= gläubigen" Kreise unserer Tage nehmen diese Bibelworte als Offenbarungen über Geheimnisse der unsichtbaren Welt mit Ehrfurcht hin, unbekümmert darum, daß ganz die gleichen Anschauungen auch in anderen Religionen der Antike nachgewiesen sind. Die wissenschaftliche Exegese von der Aufklärung an durch die verschiedensten Schattierungen hin war bemüht, diese Vorstellungen, mit denen sie praktisch nichts mehr anzufangen wußte, weg- oder umzudeuten oder schob sie möglichst beiseite, so daß sie dem Auge fast verschwanden. Da sollten die Männer in weißem Gewande am offenen Grabe Essener sein 2) oder die Besessenen niemand anders als Jesu wütende Feinde, die Pharisäer 3). Be y s chlag1) nennt die Engellehre ein rätselhaftes Kapitel in der Weltanschauung des Apostels, und wenn er hinzufügt, daß man sehr mit Unrecht daran gewöhnlich nichtbeachtend vorübergehe, so kritisiert er eben damit die ihm nächststehende Vermittlungstheologie. Die neueste Exegese macht nun Ernst damit, daß man an solchen uns fremdartigen Stücken nicht vorübergehen darf. Sie erklärt nicht nur, daß diese Vorstellungen in den Worten Jesu und den Briefen des Paulus wirklich vorhanden sind, sondern daß sie auch einen integrierenden Teil der religiösen Anschauung des Herrn und seiner Apostel bildeten. Ja man betont nachdrücklich grade diese Stellen, um es recht fühlen zu lassen, daß Weltanschauung und Frömmigkeit jener Zeit anders war als die unsrige. Man negiert diesen ganzen Vorstellungskreis dogmatisch und urgiert ihn eregetisch. Das ist

1) Vgl. Cicero de orat. II, 15, 62: nam quis nescit primam esse historiae legem, ne quid falsi dicere audeat, deinde ne quid veri non audeat. 2) Noch H. Latham, The risen Master, Cambridge 1901!

3) Noch KFA Lincke, Jesus in Kapernaum, Tüb. 1904!

4) Bibl. Theol. II 102.

das Neue, scheinbar Verhängnisvolle und darum Beunruhigende. Beunruhigend ist auch dies, daß das Urchristentum in dem gleichen Maße, wie es uns fernerrückt, der katholischen Auffassung sich zu nähern scheint. Bei Paulus liegen bekanntlich in I Kor. 7 Aeußerungen über die Ehe vor, die zu unserer Auffassung derselben nicht stimmen wollen. Die katholische Cölibatsdoktrin beruft sich darauf. Die protestantische Exegese hat lange versucht, sie abzuschwächen oder sie dadurch unschädlich zu machen, daß man Motive fand, die nur auf Paulus und seine Zeit passen — die gespannte Enderwartung. Jezt erkennt unsere Exegese unumwunden an, daß hier wirklich eine asketische Anschauung vorliegt, die nichts zu tun hat mit dem Evangelium Jesu, die außerchristlichen Ursprungs und unterchristlichen Wertes ist. Aber sie ist da, wennschon durch eine andere, echt evangelische balanziert 1).

Eine Grundanschauung unserer Zeit ist, daß alle Wirkung bei den Menschen psychologisch vermittelt sein muß; darauf ist unsere ganze Predigt basiert. Ganz anders die Antike. Paulus verlangt I Kor. 5 Verfluchung des Blutschänders zur Vernichtung des Fleisches und Errettung des Geistes; er erwartet, daß ein auf den Fluch hin von Gott gewirkter plöhlicher Tod den Sünder dahinrafft und ihn damit ewig errettet nicht durch irgendwelche seelische Einwirkung, wie man vielfach eingetragen hat, sondern einfach durch Loslösung des Christengeistes von dem Sündenfleisch 2). II Theff. 1, 11 ff. heißt es, daß die Christen leiden zum Erweis des gerechten Gerichtes Gottes. Noch Bornemann bringt dazu homiletisch sehr fruchtbare Bemerkungen über die läuternde und bewährende Wirkung des Leidens (also psychologische Vermittelung!). Das ist aber an den Text herangetragen, der so wenig wie Luk. 16, 17-31 davon etwas weiß, sondern einfach nach dem jus talionis dem Leiden hier Seligkeit dort zuspricht.

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1) S. meine Urchristlichen Gemeinden 36 ff., 261 f. Nebenbei be= merkt: ich muß trok Grafe, Wernle, Achelis, Jülicher u. s. f. an der alten Auffassung von I K. 7, 36 ff. festhalten; das geistliche Verlöbnis wird hier eingetragen, aus archaisierender Neigung.

2) S. ebd. 39 ff., 269 ff.

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