ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

" "

ihre geistige Mutter zu verehren und zu lieben, ihr Leben innerlich mitzuleben, ihre Segnungen zu verlangen und ihre Gebote zu beobachten. Und diese Kreise gehören gerade zu denen, die durch ihre Bildung, ihren Einfluß, ihren Reichtum und ihre Stellung im staatlichen Leben und der Gesellschaft die führende Rolle beanspruchen. Das ist der Fall in Frankreich, in Italien, in Spanien und nicht zuleht in Österreich, wo eine rührige religiös-kirchliche und zugleich national-politische Bewegung immer größere Wellen schlägt, den Haß gegen alles katholische immer offener und leidenschaftlicher entfacht und Rom zum größten Feind Desterreichs zu stempeln sucht . . . Wer gehört hat, mit welchem Jubel in einer Wiener Studentenversammlung, die nach Tausenden zählte und und deren erdrückende Majorität Söhne katholischer Familien waren, die Worte: wir Deutschen haben nur drei große Namen: Luther, Goethe und Bismarck"" aufgenommen wurden, der muß seine ganze Energie zusammennehmen, um an der Zukunft nicht zu verzweifeln." Eben diese ernste Sorge um die Zukunft seiner Kirche hat dem Profeffor Ehrhard die Feder in die Hand gedrückt zur Abfaffung seines Buches: „Der Katholizismus und das 20. Jahrhundert im Lichte der kirchlichen Entwicklung der Neuzeit“, in dem er zu beweisen sucht, daß die moderne Kultur in keinem inneren Zusammenhang stehe mit dem Protestantismus und in keinem wesentlichen Gegensaß stehe zum Katholizismus an sich, daß dieser vielmehr allein die Kraft besiße, die mancherlei Schäden der heutigen Kultur zu heilen, wenn nur die heutigen Katholiken gewisse Vorurteile aufgeben und sich energischer als bisher an der Kulturarbeit beteiligen wollten.

Wir wollen nun nicht bestreiten, daß die Vorschläge, die Ehrhard in dieser Beziehung macht, ganz wohlgemeint und verständig sind; wir wollen auch anerkennen, daß seine kritischen Bemerkungen über die Schattenseiten der heutigen Kultur, über die Notwendigkeit ihrer Ergänzung und Veredlung durch die idealen sittlichen Mächte des Christentums viele Wahrheit enthalten und ernste Beachtung verdienen. Aber die große Frage ist, ob diese wohlgemeinten Reformvorschläge, wie sie Ehrhard und mit ihm andere liberale Katholiken neuerdings zur Sprache bringen, auf dem Boden des kirchlichen Katholizismus sich werden durchführen lassen? Ob die von diesen Männern mit so edlem Eifer verfochtene „Versöhnung von moderner Kultur und katholischer Religion" nicht doch am innersten Wesen der letteren scheitern

[ocr errors]

wird? Ob das tatsächliche Zurückbleiben der katholischen Völker in kultureller Hinsicht hinter den protestantischen nicht doch viel tiefer, als Ehrhard meint, mit dem Wesen des Katholizismus auf der einen und des Protestantismus auf der anderen Seite zusammenhängt? Daß hierüber Ehrhard und seine Gesinnungsgenossen sich in einer von ihrem Standpunkte aus sehr begreiflichen und verzeihlichen Selbsttäuschung befinden, ist der Eindruck, der sich uns immer wieder bei allen Wendungen seiner klugen Apologie des Katholizismus und seiner ziemlich oberflächlichen Kritik des Protestantismus aufdrängt. Nun vermute ich zwar, daß diese optimistischen Illusionen der katholischen Reformfreunde viel mehr, als durch jede protestantische Entgegnung, durch die tatsächlichen Erfahrungen erschüttert werden dürften, die sie schon jezt und in Zukunft wahrscheinlich immer mehr von seiten ihrer eigenen Kirche zu erleben haben. Gleichwohl scheint es mir im Interesse einer Klärung der Sache zweckdienlich, die Vorausseßungen jener katholischen Reformbestrebungen, wie sie in Ehrhards Auffassung des Katholizismus und des Protestantismus enthalten sind, einer objektiven Prüfung zu unterziehen; wenn dabei ein tiefer sachlicher Gegensah zwischen unseren beiderseitigen Überzeugungen zu Tage treten muß, so soll das doch der persönlichen Hochachtung, die Ehrhard und seine Gesinnungsgenossen gewiß verdienen, nicht den geringsten Abbruch tun.

Die Kritik der Reformation und des Protestantismus ist in Ehrhards Buch nicht Selbstzweck, sondern dient nur zur Folie der Apologie des Katholizismus; der katholische Gelehrte sucht zu beweisen, daß alles das, was man für einen Vorzug des Protestantismus ausgebe, im Katholizismus nicht nur auch enthalten, sondern sogar viel besser enthalten sei, weil ohne die extreme Einseitigkeit des revolutionären Protestantismus. Die Reformation, meint er, war nicht die richtige Lösung der großen kirchlichen Frage, die das Erbe des Mittelalters darstellte, denn sie steht unter dem Zeichen der Revolution, der mutwilligen Verachtung und Niederreißung des Alten, die zwar auf politischem Gebiet unter Umständen berechtigt sein mag, weil politische und soziale Institutionen aus der Menschheit selbst herauswachsen und keine Gewähr absoluter Giltigkeit in sich besißen, die aber auf dem Gebiet der christlichen Religion gleichbedeutend ist mit der Leugnung ihres absoluten Werts und ihrer bleibenden Giltigkeit (S. 116.). Hier begeht der Verfasser eine starke petitio principii: er verwechselt ohne weiteres die christliche Religion mit der ka

tholischen Kirche; ob beide identisch seien, ist ja eben die Streitfrage, die der Katholik zwar bejaht, wir Protestanten aber mit den Reformatoren aufs entschiedenste verneinen. Keinem der Reformatoren ist es entfernt eingefallen, den absoluten Wert und die bleibende Giltigkeit der christlichen Religion zu leugnen; sie waren im Gegenteil fest überzeugt, daß sie die Wahrheit der christlichen Religion wieder in ihrer ursprünglichen Reinheit herstellten, indem sie dieselbe von den fremden Zutaten, die sich im Laufe der Jahrhunderte in die Kirche eingeschlichen hatten, reinigten. Und auch mit der Kirche zu brechen, lag anfangs gar nicht in der Absicht Luthers; er wollte nur grobe Mißbräuche und Irrtümer, an denen sein frommes Gewissen und seine Sorge für die Gemeinden schweren Anstoß nahm, abgeschafft wissen; erst als die kirchlichen Machthaber sich dagegen mit aller Gewalt anstemmten, da fand er allerdings den bewundernswerten Mut zum Bruch mit dieser so entarteten Kirche. Mag man das immerhin eine Revolution nennen — wir streiten nicht um den Namen: jedenfalls war sie berechtigter als es jemals eine politische Revolution sein könnte, denn bei dieser handelt es sich doch immer nur um die Änderung unerträglich gewordener politischer Übelstände, dort aber um Änderung heilloser religiöser Zustände, bei denen nicht nur bürgerliche Zwecke, sondern die höchsten Güter der Menschheit, das ewige Heil der Seelen, auf dem Spiele standen.

[ocr errors]

Weiter wirft der katholische Historiker der Reformation vor, sie stehe unter dem Zeichen des extremen Subjektivismus, der das eigene Denken und Wollen als das Maß der Wahrheit und Sittlichkeit betrachte; Luther habe auf die Frage nach der Gewißheit des Heils seine Antwort gefunden unter dem Einfluß seines ungesunden, unharmonischen inneren Lebens und seiner einseitigen Beschäftigung mit den deutschen Mystikern, mit Augustin und Paulus (S. 100, 117 und ö.). Was sollen wir zu solchem Urteil sagen? Luther ein ungesunder und unharmonischer Charakter, ein aufs eigene Denken und Wollen hochmütig pochender Subjektivist? Wie wenig kennt man diesen großen Genius, wenn man so triviale Urteile über ihn der katholischen Tradition nachsprechen kann! Wo hätte es denn je einen Christen gegeben, der demütiger vor Gott gewesen wäre als Luther, der in sich selbst gar nichts Gutes fand, sondern alles Gute nur von der Gnade seines Gottes erwartete, dem er mit kindlichem Vertrauen sich ans Herz warf! Weil er im Wort des Evangeliums

und in dem Echo, das dieses in seinem glaubenden Herzen weckte, die Liebe Gottes und damit den Frieden, die Harmonie seiner Seele gefunden hatte, darum widersprach er der Kirche, die sich mit ihren menschlichen Mittlern und Mitteln zwischen Gott und die Seele in die Mitte drängte und damit dieser die unmittelbare Gemeinschaft mit Gott und die Harmonie inneren Friedens zerstörte. Wenn das Subjektivismus ist, dann freilich waren alle Propheten und Heroen, die der inneren Stimme Gottes mehr folgten als den Saßungen der Menschen, Subjektivisten, aber ohne solche Subjektivisten hätte es überhaupt nie einen Fortschritt der Geschichte gegeben.

Weiter soll die Reformation nach unserem katholischen Kritiker eine „Herabstimmung des christlichen Lebensideals“ gewesen sein und dadurch habe sie den Beifall der Menge ge= wonnen, weil die Lehre vom alleinseligmachenden Glauben bequemer gewesen sei als die hohen Anforderungen der von der Kirche geforderten Werke an den tatkräftigen Willen (S. 105). Das ist genau dieselbe grundlose Anklage, wie sie einst auch die Juden und die Judenchristen gegen den Apostel Paulus erhoben hatten, daß er mit seiner Aufhebung des Buchstabengesehes durch das Geistesgeseß einem heidnischen Sündenleben Vorschub leiste. Es wird sich dies immer wiederholen, denn es liegt in der Natur der Sache, daß die Geseßesmenschen, die das Gute nur unter dem Gepräge positiver Sahungen kennen, da nur Geseß- und Zuchtlosigkeit finden können, wo doch in Wahrheit an die Stelle des äußeren ein viel tieferes inneres Geset, an die Stelle des Buchstabens und Zwanges der freie Trieb des Geistes und der Liebe gesezt ist. Auf welcher Seite aber das höhere Lebensideal ist, darüber sollte unter modernen Menschen doch wohl kein Zweifel bestehen können. Kann es denn ein höheres Lebensideal geben als das, welches Luther in der Schrift „von der Freiheit eines Christenmenschen“ in die herrlichen Worte gefaßt hat: „Im Glauben aller Dinge Herr und zugleich in der Liebe aller Menschen Diener“? Kann es über das, wozu Glauben und Liebe treiben, hinaus noch eine höhere Pflicht oder Leistung geben? Etwa die asketischen Übungen, Enthaltungen und Büßungen, durch welche die katholische Kirche die Menschen in kindischer Unmündigkeit gefesselt hielt und sie hinderte, auf Gottes Erde festen Fuß zu fassen, alle ihre Anlagen und Kräfte frei zu entfalten und die Erde und was darin ist sich untertan zu machen? Sollte es denn Gott wohlgefälliger sein, wenn seine

Menschenkinder in mönchischem Müßiggang und nußlosen Kasteiungen ihre Kräfte, die er zur Betätigung ihnen anerschaffen. hat, verzehren, als wenn sie in der rüstigen Arbeit ihrer mannigfachen Berufstätigkeiten sich zu freier Gesittung und zur Herrschaft über die Natur erheben? In dem katholischen Ideal der mönchischen Askese vermögen wir Protestanten so wenig ein „höheres Lebensideal“ zu erblicken, daß wir es vielmehr für einen Rückfall aus der Freiheit der Gotteskinder in jüdische Gesezlichkeit und in orientalisch-heidnische Naturfeindschaft halten. Daß er von diesem Wahn und dieser Fessel uns befreit hat, das können wir Luther nicht genug danken.

Doch hören wir unseren Kritiker weiter. Als ein Hauptverbrechen rechnet er der Reformation an, daß sie unter dem Zeichen des Nationalismus stehe und ein germanisches Christentum schuf; dadurch, meint er, habe sie es auf die Stufe der antiken Naturreligion herabgedrückt; indem der Protestantismus das spezifisch germanische Christentum zu sein behaupte, bekenne er sich zur Unterordnung der Religion unter die Natur, also zum Heidentum (S. 119). Nun, an diesem wunderlichen Vorwurf ist soviel allerdings richtig, daß für Luther „die glühende Vaterlandsliebe ein Teil seiner Religion war“ (Chamberlain, die Grundlagen des XIX. Jahrhunderts, II, 847). Er haßte in Rom nicht nur den Bedrücker seiner Seele, sondern auch den seines Volkes; wie Herrmann der Cherusker das Joch des altrömischen Imperiums über die deutschen Stämme zerbrochen hatte, so zerbrach Luther das des neurömischen Imperiums, das die Seelen und Leiber der Deutschen zumal in Fesseln geschlagen hatte. Wie ein deutscher Mann darum Luther schelten kann, ist schwer zu verstehen, und noch schwerer, wie man das germanische Christentum der Reformation mit den heidnischen Naturreligionen in Parallele stellen kann, als ob Luther der Meinung gewesen wäre, die Deutschen haben einen anderen Gott und Christus als die Italiener, Franzosen oder Engländer! Er wußte so gut wie Einer, daß das Evangelium dasselbe ist für alle Völker, aber er wußte auch, daß jedes Volk das gute Recht hat, nach seiner individuellen Art die christliche Religion aufzufassen und kirchlich auszugestalten, daß also wir Deutsche gar nicht nötig haben, uns von den Römischen, die ja doch unsere Eigenart nie verstanden haben noch je verstehen werden, die Art und Weise unserer Frömmigkeit diktieren zu lassen und für die geistlichen Güter, die das Evangelium uns umsonst aus Gottes Gnade darbietet, unser

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »