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eine kühne Behauptung angesichts der Tatsache, daß die katholische Kirche die abscheuliche Moral Liguoris sanktioniert hat, die zur evangelischen im gröbsten Widerspruch steht! Die Liguorische Moral ist das Erzeugnis der jesuitischen Kasuistik, für die das sittliche Leben zerfällt in eine Reihe von Handlungen, deren Wert nicht nach der zu grunde liegenden sittlichen Gesinnung, sondern nach den jeweiligen äußerlichen Zweckmäßigkeitsgründen beurteilt wird; die Moral des Evangeliums aber ist die freie Betätigung eines reinen, Gott und die Brüder liebenden Herzens. Wie man diesen prinzipiellen Unterschied übersehen oder vertuschen kann, ist schwer verständlich.

Besondere Mühe gibt sich Ehrhard mit der Verteidigung der 1870 festgestellten Unfehlbarkeit des Papstes. Sie biete, meint er, sobald der monarchische Charakter der kirchlichen Autorität und der gottgefeßte Ursprung des Primats anerkannt werde, keine neue Schwierigkeit; die Unfehlbarkeit der Kirche wie des Papstes sei nur die nähere Formulierung des Glaubens daran, daß der menschgewordene Gottessohn das Wesen seiner Schöpfung nicht dem menschlichen Irrtum oder der Willkür überläßt, sondern für seine endlose Erhaltung sorgt. Für den Katholiken habe die Unfehlbar= keitserklärung ihre befreiende Wirkung daran erwiesen, daß sie die Grenzen, innerhalb derer die Tätigkeit des Papstes einen absolut verpflichtenden Charakter besißt, genau umschrieben und sehr eng gezogen habe; alle seine Tätigkeit außerhalb dieser Grenzen sei nur zeitgeschichtlichen und persönlichen Charakters und könne nicht der katholischen Kirche zur Last gelegt werden (so z. B. der Syllabus und die Encyklika von Pio IX.). Eine Fessel wäre die Unfehlbarkeit nur, wenn sie den Katholiken an eine menschliche Autorität binden würde; aber das werde gerade ausgeschlossen, indem der eigentliche Verpflichtungsgrund in die göttliche Autorität verlegt werde, die ihm durch den Papst als Nachfolger des Petrus verbürgt werde. Dadurch sei die Autonomie der menschlichen Vernunft nicht geleugnet, sondern nur als eine relative, von der göttlichen Wahrheit abhängige dargestellt (S. 263 ff.). Ich glaube nicht, daß irgend ein Leser von dieser sophistischen Verteidigung überzeugt werden dürfte. Worauf sie hinauskommt, ist die bekannte Unterscheidung, daß der Papst nicht als einfaches menschliches Individuum, sondern nur kraft seines kirchlichen Amtes unfehlbar sei. Aber das ändert doch gar nichts an der ungeheuren praktischen Bedeutung dieser neukatholischen Lehre, durch die dem Worte des Papstes, sofern er als Papst e cathedra über Dinge

des Glaubens und der Sitte urteilt, die unfehlbare Autorität eines göttlichen Offenbarungsmittlers beigelegt wird; sein Wort, in dem er seine menschliche Auffassung der göttlichen Wahrheit ausspricht, soll unmittelbar als die von Gott selbst geoffenbarte Wahrheit gelten, und vor diesem Orakel sollen alle Zweifel der Gläubigen verstummen. Wenn dabei noch von einer „Autonomie“ der menschlichen Vernunft geredet wird, wo doch dieser einfach die blinde Unterwerfung unter die Autorität eines Menschen als vorgeblichen Offenbarungsmittlers der Gottheit zugemutet wird, so treibt man ein Spiel mit Worten. Auch damit wird die Sache um nichts besser, daß man die Grenzen betont, innerhalb derer dem Worte des Papstes der unfehlbare und absolut verpflichtende Charakter zukomme. Denn einmal fallen jedenfalls innerhalb dieser Grenzen die allerwichtigsten Fragen, über die der Mensch durch eigenes Prüfen und Denken eine vernünftige persönliche Überzeugung zu gewinnen das Recht und die Pflicht hat. Und dann, wer zieht denn im einzelnen Fall jene Grenzen? Doch wohl nur der Papst selbst und nicht etwa der deutsche Theologieprofessor! Wenn Ehrhard die Kundgebung des Papstes im berüchtigten Syllabus als eine unverbindliche, bloß zeitgeschichtliche und persönliche Meinungsäußerung von Pio IX. hinstellt und sogar die Behauptung wagt: „Die Korrektheit der wissenschaftlichen Theologie der Päpste hat mit ihrer Unfehlbarkeit nichts zu tun“, d. h. die Päpste können troh ihrer Unfehlbarkeit auch falsche dogmatische und ethische Ansichten haben, so ist vorauszusehen, daß ihm eine derartige Auslegung der päpstlichen Unfehlbarkeit von Rom und den Jesuiten als eine grobe Keßerei angerechnet werden wird. *)

*) In der Tat ist dies bereits geschehen in der Kritik des Ehrhardschen Buches durch den Jesuiten Michael Hofmann, Prof. in Innsbruck (Separat abdruck aus der Zeitschrift für kathol. Theologie, XXVI, Heft 2), wo S. 9 mit Berufung auf Erklärungen der Päpste Pio IX. und Leo XIII. das Urteil gefällt wird: „Es ist, objektiv beurteilt, Inanspruchnahme einer falschen und unbefugten Freiheit, wenn man die Lehrautorität der katholischen Kirche oder des Papstes derart auf das bloße Dogma beschränkt und die bloß relative Bedeutung der übrigen Enunziationen der kirchlichen. Autorität so sehr hervorhebt, daß kein Wort übrig bleibt für die Verpflichtung innerer Unterwerfung unter dieselben. Umgekehrt wird aber von Ehrhard der theolog. Wissenschaft viel mehr zugeschrieben als ihr gebührt. Der Syllabus ist freilich aus seiner Zeit heraus entstanden und gilt für seine Zeit, aber er gilt auch für jegliche Zeit und besonders für die unsere; es wäre geradezu unverantwortlich, wenn Katholiken diese Magna Charta der gegen die Irrtümer der modernen Kultur feierlich verkündeten katholischen Wahrheiten zerreißen wollten. Die Abschwächung resp. Einschränkung

Im letzten Abschnitt seines Buches sucht Ehrhardt den positiven Beweis dafür zu geben, daß der bestehende Gegensaß zwischen der modernen Kulturwelt und der katholischen Kirche wohl zu überwinden sei, ohne den traditionellen Grundsäßen der letteren irgendwas zu vergeben. Dabei ist der leitende Gedanke, auf den er öfters zurückkommt, der, daß zwischen dem Kulturleben der abendländischen Völker und der katholischen Kirche darum kein sachlicher Gegensat bestehen könne, weil ja jenes durch diese begründet worden sei. Dies ist insoweit zwar richtig, als die katholische Kirche allerdings in den früheren Jahrhunderten des Mittelalters die Erzieherin der abendländischen Völker gewesen ist, denen sie nicht bloß die Religion sondern auch die Kultur der antiken Welt übermittelt hat; für jene Zeit ist das Verdienst der Kleriker und Mönche um die Zivilisation der Barbaren keineswegs zu leugnen. Es fragt sich nur, ob damit auch das bewiesen ist, was Ehrhard aus dieser geschichtlichen Tatsache der Vergangenheit für die Gegenwart schließen will. Diese Frage läßt sich nicht bejahen. Es ist doch nicht zu vergessen, daß die moderne Welt in jeder Hinsicht über die Stufe der Kultur hinausgeschritten ist, die ihr von der Kirche aus dem Altertum überliefert worden war, und die für die Jahrhunderte der Unmündigkeit zwar zureichend und heilsam gewesen ist, die aber für die mündig gewordenen Völker zur unerträglichen Fessel geworden ist. Daß die Kirche stehen geblieben ist und nach ihrem Autoritätsprinzip stehen bleiben mußte bei den Traditionen des Altertums, während die moderne Welt über die Kinderschuhe auf allen Gebieten hinausgewachsen ist, darauf eben beruht die allenthalben zu Tage tretende tiefe und unüberwindliche Kluft zwischen moderner Kultur und katholischer Kirche. An dieser Tatsache werden alle apologetischen Bemühungen Ehrhards und seiner Gesinnungsgenossen unter den Katholiken nichts zu ändern vermögen. Er meint zwar, der Katholizismus suche die konservative und die fortschrittliche Richtung harmonisch zu versöhnen, weil beide der menschlichen Kultur notwendig seien (S. 316). Aber er kann doch selbst nicht leugnen, daß die Kirche einen Fortschritt nur zugeben kann innerhalb der durch ihre dogma

der kirchlichen Autorität, wie sie in den obigen Darlegungen (Ehrhards) zu Tage tritt, offenbart deutlich das Mal des sogenannten liberalen Katholizismus, von welchem Leo XIII. das Urteil fällt: „Nur allzusehr bekannt ist das teils schon drückende, teils drohende Verderben, welches aus jenen falschen Ansichten hervorgeht, die man mit dem Namen des liberalen Katholizismus zu belegen pflegt."

tische Tradition einfürallemal festgeseßten autoritativen Schranken. Aber eine Wissenschaft, Kunst, Politik, Volkswirtschaft, die nur mit zum voraus gebundener Marschroute fortschreiten darf, wird es nie weit bringen, wird jedenfalls hinter der ohne solche Feffeln fortschreitenden Kultur der protestantischen Völker stets weit zurückbleiben. Zum wirklichen Fortschritt gehört eben nicht bloß die Bereicherung und genauere Ausbildung des Überkommenen, sondern es gehört dazu unerläßlich auch die Kritik und Ausscheidung dessen, was am Überkommenen sich als veraltet, unbrauchbar, den neuen Erkenntnissen und Verhältnissen widersprechend erweist; diese Freiheit der Kritik aber muß auf Schritt und Tritt mit dem katholischen Traditions- und Beharrungsprinzip in Kollision geraten.

Diesen entscheidenden Punkt sucht Ehrhard mit allen erdenklichen dialektischen Künsten zu umgehen und zu vertuschen; und doch blickt aus alledem nur immer wieder dieselbe Verlegenheit heraus, in der sich der Apologet des Katholizismus und seiner Versöhnung mit der modernen Kultur befindet. „Der leßte Grund, sagt er, weshalb ich zwischen kirchlicher Autorität und individueller Freiheit keinen inneren Gegensaß annehmen kann, liegt darin, daß beide an dieselben Grenzen gebunden sind. Die Autorität, welche die katholische Kirche ihren einzelnen Gliedern gegenüber ausübt, ist im Grunde nichts anderes als das Recht, ihnen die göttliche Wahrheit zu verkündigen, die Sittlichkeit theoretisch zu predigen und praktisch durch ihre Institutionen zu vermitteln, endlich die wesentlichen religiösen Übungen vorzuschreiben. Das Recht dazu leitet sie von Christus ab, der ihr diesen Auftrag gegeben; den absoluten Wert ihrer Dogmen, sittlichen Vorschriften und religiösen Übungen und Institutionen gründet sie auf die göttliche Offenbarung, die ihr durch Christus und die Apostel geworden. Die kirchliche Autorität steht daher und fällt mit dem objektiven und göttlichen Charakter des Christentums, steht aber nicht im Gegensatz zu dem Bestreben der Einzelpersönlichkeit, Wahrheit und Sittlichkeit zu ihrem geistigen Eigentum zu machen und ein selbständiges religiöses Leben zu führen“ (S. 321f.). Hier begegnet uns wieder dasselbe Quid pro quo, das uns schon oben bei der Beurteilung der Reformation Luthers auffiel: Die überlieferten kirchlichen Dogmen, Sittenlehren, Riten und Institutionen werden ohne weiteres mit dem objektiven Christentum und weiterhin mit der Wahrheit und Gerechtigkeit überhaupt identifiziert, um dann hierauf den Schluß zu bauen, daß die Freiheit der einzelnen Persönlichkeit durch die Autorität der Kirche nicht anders gebunden sei, als

wie alles Erkennen an die Norm der Wahrheit und alles sittliche Streben an die der Gerechtigkeit gebunden ist. Es ist klar, daß dieser Argumentation die ungeheure petitio principii zu grunde liegt, daß die von der Kirche gelehrte Wahrheit mit der Wahrheit überhaupt, die von der Kirche vorgeschriebene Gerechtigkeit mit der Idee des Guten an sich identisch sei. Aber ob oder wieweit dies der Fall sei, ist ja eben die große Frage, deren selbstständige Prüfung der moderne Mensch sich durch keinen kirchlichen Machtspruch verwehren läßt. Wenn er nun bei dieser Prüfung zu der Überzeugung kommt (wie das h. z. T. nicht bloß möglich, sondern meistens wirklich der Fall ist), daß die kirchlich gelehrte Wahrheit von der wirklich denkbaren Wahrheit, die kirchlich vorgezeichnete Sittlichkeit (vgl. Liguori) von der durch sein Gewissen geforderten wirklichen Sittlichkeit in mancher Hinsicht beträchtlich abweiche, dann bleibt ihm nur die Wahl, entweder troß alledem der kirchlichen Autorität sich zu fügen, damit aber auf seine persönliche Denk- und Gewissensfreiheit zu verzichten, oder aber an dieser festzuhalten und dann von der kirchlichen Autorität sich loszumachen. Einen Ausweg aus diesem Dilemma gibt es schlechterdings nicht und darum bleibt die Harmonie von kirchlicher Autorität und persönlicher Freiheit ein schöner Traum solcher kulturfreundlichen Apologeten wie Ehrhard.

Auch der Nationalismus oder das Streben der modernen Völker nach einer von Roms Vorschriften unabhängigen Regelung ihres gesamten religiösen und kulturellen Lebens steht nach Ehrhard in keinem sachlichen Gegensatz zum heutigen Katholizismus. Denn „verschwunden ist (heute) die Herrschaft des Klerus auf allen Gebieten des Gesellschaftslebens, die dem Mittelalter einen wesentlich klerikalen Charakter verliehen hatte. Troßdem hat die katholische Kirche nichts von ihrer inneren religiösen Kraft verloren. Durch die strenge Scheidung zwischen Politik und Religion, Staatstum und Kirchentum, wie sie sich im Verlauf der Neuzeit allmählich vollzog, hat sich ihre eigentliche Aufgabe viel klarer und reiner herausgestellt als dies im Mittelalter der Fall gewesen war“ (S. 328). Wirklich? strenge Scheidung von Politik und Religion soll den heutigen Katholizismus charakterisieren? Wie glücklich wären wir, wenn dieses Idealbild der Wirklichkeit entspräche, wenn es im deutschen Reich kein Zentrum gäbe, das katholische Politik treibt und für Zugeständnisse an die Hierarchie, für die Rückberufung der Jesuiten und für Verkirchlichung der Schule seine Stimmen verschachert! wenn es keine katholischen

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