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mit diesen fertigen Gegnern so schwer war. Er hat in seinem undogmatischen Christentum diesem Schmerz ergreifenden Ausdruck gegeben; er klagt nicht bitter, aber aus tiefgefühltem Weh. Noch bei unserer letzten Begegnung, als die Rede auf Weingart's Amtsentsetzung kam, hat er es traurig ausgesprochen, dass ihm das Vertrauen geschwunden sei zu den Männern, welche diese Absetzung betrieben hätten. Oft hatte er sonst ihre Namen verehrend genannt, oft seiner Freude Ausdruck gegeben, dass mit ihnen ein freundlicher persönlicher Verkehr (auf der Eisenacher Kirchenkonferenz) möglich sei und auch ein förderlicher, friedlicher Austausch theologischer Einsichten und Erkenntnisse; jetzt, nach den neuesten Vorkommnissen, klagte er, sei es ihm unmöglich, ihnen unbefangen zu begegnen; er freue sich, dass seine Krankheit ihn diesen Männern wenigstens für längere Zeit fernhalte. Zu seiner grossen Genugthuung, oft zu freudiger Ueberraschung hat er auch bei vielen Verständnis gefunden, die aus welchen Gründen immer sich als Gegner glaubten bekennen und empfehlen zu sollen. Christliche Frömmigkeit ist nicht das Privilegium der sogenannten Positiven und nicht das Vorrecht der Konfessionellen, ebenso wenig wie der Vorzug der Liberalen oder der vermittelnden Leute. Wie sich aus allen Lagern die sogenannten anständigen Leute zusammenfinden und über den Parteien eine Partei bilden, so werden einander auch die wahrhaft frommen Kinder Gottes, die sich ebenfalls in allen Parteien und Schulen finden, gegenseitig erkennen. Allerdings, in demselben Masse, in welchem ihnen das christliche Innenleben zur Hauptsache wird, verliert Parteistellung und theologische Schulung an Bedeutung.

Dreyer ist auch der prophetische Bürger einer kommenden Zeit gewesen; von vielen unverstanden, doch treu und fest verbunden mit einer nicht geringen Zahl von Männern, Theologen und Nichttheologen, welche sich bescheiden, in einer trüben. kirchlichen Gegenwart die bessere Zeit, deren sie warten, selbstverleugnend, mit Verzicht auf Anerkennung, Lob, Ehre unverdrossen vorzubereiten. Sie wissen, dass die Jüngerschaft Jesu nicht berufen ist, gute Tage zu sehen und glücklich zu sein, dass sie sich vielmehr auf Widerspruch, böse Nachrede, Kampf, vergebliche Arbeit muss gefasst halten. Das Zeichen des Menschensohnes ist das Kreuz. Doch ist diese Jüngerschaft fröhlich, der Zukunft gewiss; sie ist schon selig, überschwänglich reich vor vielen Königen und Propheten, und was sie so reich macht, ist ein unverlierbares Gut ein Erbe, das sich unaufhörlich mehrt. Gott sind sie offenbar, auch wo sie den Menschen verborgen bleiben. Zu ihnen gehört Otto Dreyer. Die ihn gekannt, erkannt, geliebt haben, werden sein Andenken in Ehren halten, ihn segnen, ihm dankbar bleiben ja wohl, er gehört zu denen, die noch reden,

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ob sie gleich gestorben sind; er redet von dem Christentum der Gesinnung und der That, zu dem wir alle kommen müssen.

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Friedrich Paulsen über Welt und Leben.

Von

Dr. Arno Neumann in Schwabsdorf bei Weimar.
I. Der Theoretiker.')

Im wissenschaftlichen Konklave hat Paulsen, der Berliner Philosoph, längst einen gewichtigen Namen. Man schätzt ihn als Unterrichtshistoriker und Kantforscher und zählt ihn zu den führenden Systematikern der Ethik. Aber daneben hat seine Popularität im gebildeten Publikum mit jedem Jahre zugenommen. Ihr Geheimnis liegt darin, dass er die zweifelhafte Vornehmheit der Philosophen, welche fern der geschäftig tosenden Welt wie einsame, kalte Schneegipfel aufragen, frühzeitig vermieden und engste Fühlung gesucht hat mit allen grossen Geistesströmungen und Bestrebungen der bunten Gegenwart. Die sociale Frage, die katholische Erneuerung des Thomas von Aquino, der Weltlösungen dichtende Haeckel haben seine massvolle, aber grundwahrhaftige und ideale Persönlichkeit in die grosse Arena gerufen. Ueberdies hat er, was uns Theologen vornehmlich anzieht, ein festes Freundschaftsverhältnis zur Religion, welche ihm die Ritschl'sche Schule immer wieder nahe gebracht hat; denn er ist eng mit Kaftan verbunden und durch ihn mit der Christl. Welt". Ja, ich glaube sagen zu können, dass er mit zu denen gehört, welche bei einer gewissen Verwandtschaft in die ursprüngliche Problemarmut dieser intellektfeindlichen Theologie still, aber sicher Bresche gelegt haben. Wie immer in der Geschichte, so hat auch hier die Beschäftigung mit der Weltweisheit allerdings leider nur konzessionierter Philosophen, wie Lotze's und seiner Geistesverwandten! eine Horizonterweiterung theologischer Arbeit herbeigeführt. Umgekehrt aber rückt ein religiös angeregter Philosophieprofessor, der sich aller Streberei mehr als unverdächtig gehalten hat, sofort mitten hinein ins wirkliche Leben und das Gedränge der Menschen.

In welche Richtung damit unser eigenes Denken gewiesen wird, brauche ich nicht besonders auszuführen. Denn die Personalunion von Frömmigkeit und Scharfsinn in diesem einen weniger originalen, als allseitigen und harmonisierenden Geiste, der Kant und Schopenhauer, Spinoza und die Engländer in eins arbeitet, ist uns nur Ausdruck der Notwendigkeit immer neuer Verbindung und Befruchtung von Kopf und Herz und überhaupt aller verschiedenen Lebensäusserungen der menschlichen Seele unter einander im universalen Sinne eines Schleiermacher. Weder uns noch Paulsen kommt es dabei auf irgendwelche Schulgefolgschaft an. Paulsen hält sich selber nicht für einen Weltbeweger, sondern sagt mit Goethe:

„Das Wahre war schon längst gefunden,

Hat edle Geisterschaft verbunden,

Das alte Wahre, fass es an!"

1) Einleitung in die Philosophie. 6. Aufl. Berlin (Hertz) 1899. gr. 8°. XVI u. 444 S.

Er will nur mit aller Energie die idealistischen Triebkräfte im Menschen beleben helfen. Sonach bedarf es keiner weiteren Begründung, dass ich es hier unternehme, die Gedanken Friedrich Paulsen's über Welt und Leben einmal in zwei Betrachtungen kritisch zu beleuchten. Die erste gilt dem Theoretiker, der seine Ansichten in grösserem Zusammenhange nur in einer „Einleitung in die Philosophie" niedergelegt hat, nicht in einem Systemwerke wie Wundt, dem er sonst als Ethiker parallel läuft. Dies hat bei der Vorsicht und Behutsamkeit eines Paulsen nicht nur den äusserlichen Grund, dass sein Buch aus Vorlesungen erwuchs, sondern es will auch alle Prätensionen im voraus abweisen. 1892 wurde das Buch von der Fachkritik mit sehr geteilten Stimmen aufgenommen. Geistesverwandte, wie Moritz Carriere und Johannes Volkelt, zollten Anerkennung; andere, wie Lasson, waren lauwarm; Willy und Baumann vernichtend. Die Schulphilosophie fand hier eben nirgendwie ihre Rechnung. Das hinderte aber keineswegs, dass sich das krystallklare, feinsinnige Buch schnell einen bedeutenden Leserkreis, wenn auch vielleicht am wenigsten bei Fachgenossen, erwarb. Heute liegt es in sechster Auflage von 1899 vor mir, und nach Paulsen selber ist damit wenigstens für die Bedürfnisse des Lesepublikums ein Zeugnis abgelegt, d. h. also dafür, dass mit der Religion auch die Philosophie einem neuen Frühlinge entgegengeht. Die Lebensprobleme liegen unserer Zeit wieder fühlbarer auf dem Herzen.

Ueber das Gesamtziel der Philosophie Paulsen's bleibt man in diesem Buche nicht lange im unklaren. Er meint, wirklich moderne Philosophie müsse versuchen, den Gegensatz der religiösen Weltanschauung und der wissenschaftlichen Naturerklärung innerlich zu überwinden. Die ganze Geschichte der neueren Philosophie lasse sich als der fortgesetzte Versuch konstruieren, dieses Dualismus Herr zu werden. Und wie sehr Paulsen diese Aufgabe seelisch beschäftigt, zeigt sich darin, dass er in seiner Gedankenentwickelung unaufhörlich zu diesem Thema zurückkommt. Er ist damit sofort, wie auch immer im einzelnen gerade sein Lösungsversuch ausfallen mag, unser Bundesgenosse geworden.

Paulsen findet die Lösbarkeit dieses Grundbedürfnisses gewährleistet durch einen idealistischen Monismus, eine Welttheorie, welche zwischen dem supranaturalistischen Dualismus der Kirchenlehre und dem atomistischen Materialismus der Atheisten inmitten liegt. Von welchen Begriffen über Philosophie und Religion geht er bei der Feststellung dieser Richtlinien aus? „Philosophie ist im allgemeinsten Sinne des Wortes nichts anderes, als der stets wiederholte Versuch, ein Ganzes von Vorstellungen und Gedanken über Gestalt und Zusammenhang, über Sinn und Bedeutung aller Dinge zu gewinnen" (S. 2 f.). In diesem Sinne ist Philosophie ein integrierender Bestandteil des menschlichen Geistes; sie kann sich nie überleben; sie geht nicht nur einige weltferne Sonderlingsköpfe an; man kann nicht sagen, man habe sie, oder man habe sie nicht. Jeder Mensch, der sich über die Dumpfheit tierischen Dahinlebens erhebt, hat in seiner Art eine Philosophie, wie auch Lichten

berg meinte '), und wenn sie nur nach dem Katechismus aufgebaut wäre. Wie sollte da ein Theologe jemals der Weltweisheit entraten können? Allein der Sprachgebrauch bezeichnet durch Philosophie ein Engeres. Sie ist rein verstandesmässige Thätigkeit. Sie ist Inbegriff aller wissenschaftlichen Erkenntnis; sie ist das Streben nach der denkenden Erfassung der Gesamtwirklichkeit. Jede Einzelwissenschaft bearbeitet einen Ausschnitt dieser unendlich grossen Kugel, z. B. die Biologie alle Lebensvorgänge, die Psychologie alles seelische Leben, die Physik die gesamte Körperwelt nach ihren Arten und allgemeinen Verhaltungsweisen, die Logik alle Formgesetze des Denkens u. s. f. Diesem Specialismus, der alles zerkleinert, tritt in der Philosophie die Allverbinderin gegenüber. Nur sollte Paulsen noch schärfer hervorheben, dass kein Menschenauge je eine Kugel in allen ihren Teilen übersehen kann. Die Grenzen der humanen Intelligenz, wie sie Kant zum erstenmal greifbar nachwies, machen, dass auch der universellste Kopf schliesslich nur noch tastet und ahnt, so dass hier die irrationalen Momente in der Menschennatur zu ihrem Rechte kommen; ich meine: das Gefühls- und Willensleben. Der vollendete Philosoph wäre also wahrhaft ein Uebermensch; er wäre reiner Verstand geworden, ja mehr noch: der unendliche Geist selber. Frömmigkeit würde es in dieser restlos durchsichtig gewordenen Welt wohl nicht mehr geben. Allein Gott sorgt dafür, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Die Gattung Mensch" wird sich nie selbst entleiben. Immerhin hat Paulsen recht, die philosophische Tendenz im Menschen, die Sehnsucht nach Weltanschauung, nicht nur historisch und principiell als Thatsache, sondern zugleich auch als hohe Nothwendigkeit aufzuzeigen.

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Natürlich steht für ihn, der alles Obige im Grunde selber anerkennt (S. 8), daneben sofort die Thatsache der Religion und wie er hinzusetzen zu müssen glaubt der Mythologie. Ihr Unterschied von der Philosophie ist ein Unterschied der Funktion und ein Unterschied des Subjektes. Denn die mythisch-religiöse Weltanschauung ist ein Kind der dichtenden Phantasie, welche Erfahrungsanschauungen kombiniert, ergänzt und aus der Beziehung zu einer von ihr geschaffenen transscendenten Welt deutet. Bei ihr sei meint Paulsen der Gesamtgeist der Producent, während Philosophie stets von Individuen erzeugt werde. Zu dieser Abgrenzung gehören sofort einige Anmerkungen. Wie kommt denn Paulsen dazu, die Mythologie, die doch nichts anderes ist als der Ausfluss der religiösen Welt betrachtung auf einer gewissen niederen Stufe der Entwickelung, noch eigens neben der Religion zu nennen? Er hätte doch nur nötig, den Begriff des Religiösen zu analysieren, wozu er sich erst viel später entschliessen kann! Ferner sind Religiössein und Religiösbetrachten doch in ihrer originalen Form wenigstens ebenso sehr individuelle Leistungen, wie das Philosophieren, nur dass die Autoren bei der Ferne der Zeiten anonym bleiben. Die socialen Religionsbildungen sind doch nur Ergebnisse und Folgeerscheinungen seelischer Lebensvorgänge, und zwar ebenso sehr bei den Fetisch

1) Vgl. Kantstudien, Band IV (1899), H. 1, S. 68-93.

anbetern und Naturdienern, wie bei der Religion Jesu von Nazareth. Hier schauen die Hörner der Kaftan'schen historisierenden Betrachtungsweise bei Paulsen hervor. Freilich war die Philosophie zuerst und immer eine Reaktion eines Einzelgeistes gegen herrschenden Mythologismus; allein auch subjektive Religion (Religiosität) wehrte sich gegen objektive Religion, weil sie in dieser nie rein zum Ausdrucke kommt. Beide, Philosophie und Religion, revidieren sonach die heiligen Sinnbilder der Phantasie. Betont sei aber von uns, wie die Phantasie im letzten Grunde dabei nie ein blosses Irrlicht ist, sondern auf Wegen zur Realität steigt, wo der reinen Intelligenz längst der Atem ausgegangen ist. Aussterben kann auch nach Paulsen's Ueberzeugung die Religion nie.

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Derartige Begriffsbestimmungen und Erörterungen enthält der allgemeine Teil des oben bezeichneten Buches. Man erfährt aus ihm, in welcher Hauptrichtung alles Weitere laufen wird. Er ist gleichsam der Vorhof zum systematischen Teile, mit dessen Grundrissen er schliesst. ,Einteilung und Grundprobleme" heisst dies letzte Kapitel. In ihm zerlegt unser Philosoph das Gesamtgebiet seiner Wissenschaft in drei Reiche. Die ausgehende Philosophie der Griechen nannte sie: Physik, Logik und Ethik. Er setzt dafür die heutigen Namen: Metaphysik, Erkenntnistheorie und Ethik. Sie ziehen sich je in einige wenige Fundamentalprobleme zusammen. Da unsere heutige Betrachtung dem Theoretiker Paulsen gilt, kann es uns dabei durchaus recht sein, dass er in seiner „Einleitung" die Ethik nur ganz skizzenhaft in einem Anhange umreisst und an dieser Stelle auf sein grosses, zweibändiges System der Ethik hinweist, welches 1889 erschien und 1896 seine vierte Auflage erlebte. Denn wir haben für dieses von Anfang an eine selbständige Würdigung für erwünscht gehalten und beabsichtigt. Allein die Ebenmässigkeit seines encyklopädischen Werkes wird dadurch zweifelsohne stark beeinträchtigt, und man fühlt deutlich, dass es ihm mit seiner „Einleitung" eben wesentlich an einer Veröffentlichung seiner Weltansichten lag, soviel er auch dabei historische Durchblicke einflicht. Das, worauf es ihm und uns diesmal ankommt, trägt er in zwei Abschnitten vor: 1. in einem metaphysischen Teile und 2. in einem erkenntnistheoretischen.

1. Diese Anordnung muss, sobald man über sie nachdenkt, befremden. Denn erst sollte doch füglich das Fundament gelegt und dann das Haus gebaut werden, was auch immer Paulsen an geschichtlichen und principiellen Gründen für seine Umordnung anführt (S. 350 f.). Denn, falls die Metaphysik irgendwie berechtigt ist, kann sie von der Erkenntnistheorie nie völlig aufgezehrt werden. Umgekehrt aber wird die schönste Welttheorie eine Seifenblase, wenn hinter ihr eine erkenntnistheoretische Rechtlosigkeitserklärung als Steckbrief nachfolgen müsste. Dass im allgemeinen Interesse die Metaphysik höher stehen wird und muss, ist ja dabei gar keine Instanz. Paulsen hat durch seinen Weg den Einblick in seine philosophische Stellung sehr erschwert und sich zu lästigen Wiederholungen verdammt. Man erweist ihm demnach einen Dienst, wenn man zuerst seine Auffassung über die Erkenntnis fähig

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